„Warum verliebe ich mich immer in Narzissten?“, fragte die Frau im Coaching.

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Bild: Lyamport Galina Vyacheslavovna, iStock.com

Warum sich viele Frauen immer wieder in Narzissten verlieben. Obwohl diese ja oft schwierige Partner sind. Denn Narzissten sind zum Synonym geworden für Eitelkeit, Selbstbezogenheit, Rücksichtslosigkeit und Egoismus. Doch warum geraten manche Frauen überzufällig genau an solche Männer? Zumal wenn sie mit ihnen schmerzliche Erfahrungen machen. Dass es auch einen speziellen weiblichen Narzissmus gibt und wie frau das erkennt, lesen und hören Sie in diesem Fallbericht aus meiner Coachingpraxis.

„Warum habe ich kein Glück in der Liebe und mit den Männern?“, fragte mich etwas verzagt Claudia L., 37 Jahre, ledig, Sekretärin eines Klinikleiters,, im Online-Coaching.
„Keine Ahnung. Vielleicht, weil es dabei weniger auf das Glück ankommt“, antwortete ich.
„Auf was kommt es denn dann an?“
„Na ja, dass man nach einer gewissen Zeit die rosarote Brille absetzt und den anderen mehr so wahrnimmt, wie er ist.“
„Interessant, dass Sie das sagen. Meine beste Freundin sagte mir auch, dass Ralph, das ist mein Partner, mich doch von Anfang an nicht gut behandelt hätte.“
„Was heißt denn nicht gut behandelt? Erzählen Sie mal“
, bat ich die Klientin.

In der Kennenlernphase prüfen zwei Menschen, ob der/die Andere für eine Beziehung für uns in Frage kommt. Dabei ticken Frauen und Männer ziemlich unterschiedlich – wie ja überhaupt im Leben.

Während Frauen typischerweise bereits in dieser Phase Ideen und Phantasien entwickeln, wie ein Leben mit dem anderen aussehen könnte, haben Männer es damit nicht so eilig. Der Mann ist vielleicht eher noch mit der Trennung von seiner letzten Partnerin oder seinem Single-Dasein oder mit dem schlechten Abschneiden seines Fußballvereins beschäftigt und denkt gar nicht über eine mögliche Beziehung nach.

„Wir haben uns in einer Ausstellung eines Museums kennengelernt. Wir standen beide vor demselben Bild und er konnte den winzigen Text mit dem Titel und dem Entstehungsjahr nicht lesen. Ich habe ihm das dann vorgelesen, was da stand. Das war der erste Kontakt. Danach lud er mich ins Museumscafé ein, wo wir uns zwei Stunden lang angeregt unterhielten.“
„Klingt nach einem schönen Kennenlernen“,
folgerte ich.
„Ja, das war es auch. Aber im Nachhinein betrachtet hätte mir schon da etwas Wichtiges auffallen müssen.“
„Was denn?“
„Tja, nicht wir haben uns unterhalten, sondern hauptsächlich hat er geredet. Ich erfuhr viel über seinen Beruf als Professor für Kunstgeschichte an der Uni. und über die nervigen Kollegen dort. Dass er schon dreimal verheiratet war und von seinen Tauchurlauben in Ägypten. Ich weiß jetzt genau wie der Fuchshai seine Beute erlegt.“
„Das wollten Sie bestimmt schon immer mal wissen“,
frotzelte ich.
„Ja genau! Aber das fiel mir an dem Nachmittag überhaupt nicht auf. Ich war so fasziniert von ihm und hing die ganzen zwei Stunden an seinen Lippen. Er war so intelligent und auch so witzig, schon an dem Abend habe ich mich in ihn verliebt.“

In mein Coaching kommen öfters Frauen, die in einer unguten Beziehung mit einem Narzissten festhängen, sich trennen wollen und das nicht schaffen. Und die Schilderungen vom Anfang der Beziehung klingen sehr ähnlich.

Wie gesagt, Narzissmus ist zum Modebegriff geworden. Jedwede Eitelkeit, Selbstbezogenheit, Rücksichtslosigkeit, Egoismus oder schlechtes Benehmen wird mit dem Etikett „Typisch Narzisst“ versehen. Dann ist man sich darüber einig, dass es Narzissten an Empathie, Einfühlungsvermögen und Interesse für andere mangelt. Dass sie eigentlich ein geringes Selbstwertgefühl haben und deshalb alles dafür tun, Anerkennung zu bekommen. Gleichzeitig sind sie schnell gekränkt und reagieren beleidigt oder aggressiv, wenn sie etwas als Kritik verstehen. Sie leben nach dem Highlander-Motto: Es kann nur einen geben!

Doch so einfach ist es nicht.

Jeder von uns hat eine narzisstische Seite, sonst würden wir nicht unsere Ziele anstreben. Oder würden uns nicht morgens zurechtmachen und uns im Beruf positiv darstellen und auf Anerkennung hoffen. Aber solange das alles ein vernünftiges Maß hat und niemandem schadet, ist das der positive oder konstruktive Narzissmus. Den haben schon kleine Kinder, wenn sie im Sandkasten ihre Schaufel verteidigen oder sich stolz im Wohnzimmer aufpflanzen und ein Lied zum Besten geben.

Narzissmus muss man also nicht immer als eine Störung diagnostizieren, sondern kann ihn als eine universelle menschliche Eigenschaft begreifen, nämlich als den Wunsch, sich besonders zu fühlen. Narzissmus ist somit nicht generell, sondern nur in seinen extremen Ausprägungen schädlich.

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Bild: Bianca Salgado

Zwei Arten von Narzissmus.

Was gemeinhin unter Narzissmus verstanden und abgelehnt wird, ist vor allem die dominante, großspurige, arrogante Art des Auftretens, die man als „grandiosen Narzissmus“ benennen kann.

Solche Menschen, und hier sind es vor allem Männer, stellen sich innerlich auf ein Podest und wollen ständig bewundert werden. Beruflich sind sie meistens erfolgreich und in einer Führungsrolle, denn sie wissen, wie Menschen ticken und nutzen dieses Wissen für ihre eigenen Ziele.

Sie können auch emphathisch sein. Allerdings mißbrauchen sie diese Fähigkeit vor allem für ihre eigenen Ziele. Sie spüren sehr genau und schnell die wunden Punkte ihres Gegenübers und wissen, wie sie andere manipulieren können. Im persönlichen Kontakt wirken sie meist arrogant und überheblich. Aber sie haben auch jede Menge Charme und Unterhaltungswert – jedenfalls für viele Menschen.

Daneben gibt es eine zweite Art von Narzissmus, den vulnerablen oder verdeckten. Manchmal wird er auch als weiblicher Narzissmus bezeichnet, aber er kann bei beiden Geschlechtern vorkommen. Menschen mit vulnerablem Narzissmus kommen einem im ersten Kontakt überhaupt nicht narzisstisch vor. Ganz im Gegenteil, sie wirken freundlich, angenehm, zurückhaltend, vielleicht etwas selbstunsicher oder konfliktscheu.

Doch in ihrer Anspruchshaltung gleichen sie den grandiosen Narzissten. Auch sie sind äußerst selbstbezogen, haben grandiose Ansprüche an sich und andere und können sich schlecht in andere einfühlen. Aber sie verbergen das geschickt.

Auf einer Party unterhalten sich narzisstische Männer gern über Autos, über PS-Zahlen und Geschwindigkeiten. Ein verdeckter Narzisst in einer solchen Runde fällt dadurch auf, dass er sich von diesem „primitiven PS-Geprotze“ deutlich distanziert: „Ich weiß nicht, warum sich jemand einen teuren Audi kauft. Ich fahre einen acht Jahre alten Opel und komme auch überall hin, wo ich will.“

Man kann vermuten, dass die vulnerablen Narzissten sich nicht trauen, offen in Konkurrenz mit den anderen Männern zu gehen, sondern scheinbar das Kampffeld verlassen. indem sie eine höhere moralische Position einnehmen – von der sie dann auf die „primitiven“ anderen herabblicken.

Doch auch bei einem vulnerablen Narzissten kann man mit der Zeit entdecken, dass hinter der gezeigten Angepasstheit ein unangemessenes Anspruchsdenken hervortritt. Dann reagiert sie/er äußerst empfindlich auf kleinste Irritationen und Zurückweisungen. Oder er verurteilt andere Menschen schnell als feindselig oder selbstbezogen, verhält sich seltsam reserviert oder zieht sich zurück ohne Angabe von Gründen, reagiert ähnlich beleidigt oder aggressiv wie die grandiosen Narzissten.

Wie erkennt man einen Narzissten?

Eigentlich sehr einfach, denn egal, um welches Thema es sich handelt – immer geht es nur um sie.

„Das ist mir auch aufgefallen. Bei unserem ersten Treffen dachte ich auf der Heimfahrt im Auto, dass ich jetzt zwar viel über ihn gehört hatte. Seinen Beruf, seine drei gescheiterten Beziehungen, seine Pläne für die nächste Zeit – aber er kaum etwas von mir wusste.“
„Vermutlich, weil er Sie nichts gefragt hat, oder?“
„Stimmt, das fiel mir dann hinterher auch auf.“
„Aber trotzdem haben Sie sich weiter mit ihm getroffen.“
„Ja, und es war jedes Mal gleich. Er redete – und ich hörte zu.“
„Haben Sie eine Idee, warum Sie das immer mitmachen?“
„Nein, keine Ahnung.“
„Sie müssen einen guten Grund haben, einen heimlichen Gewinn, denn sein Verhalten ärgert Sie ja. Aber Sie nehmen es in Kauf. Die Frage ist, wofür?“ 

 

Woran Sie noch erkennen können, dass Sie in einen Narzissten verliebt sind:

  • Sie verzeihen immer wieder sein Verhalten, das sie eigentlich stört oder ärgert.
    Oder sie verteidigen ihn sogar, wenn Ihre beste Freundin das Verhalten auch rügt.
  • Sie fühlen sich häufig kontrolliert.
    Egal ob Sie länger telefonieren oder zehn Minuten später von einem Meeting kommen.
    Ihr Partner argwöhnt, dass Sie ihn hintergehen.
  • Wenn Ihre Freundinnen Sie vor dem Mann warnen, nehmen Sie das nicht so ernst und vermuten, dass sie Sie um Ihren tollen Partner beneiden.
  • Sie kontrollieren oft, was Sie sagen und wie Sie es sagen, um nicht sein Missfallen zu erregen.
  • Ihr Partner kritisiert oder demütigt sie vor seinen Freunden oder seiner Familie.
  • Er geht offen oder heimlich fremd. Sprechen Sie ihn darauf an, erklärt er, dass es an Ihnen liegt, weil Sie zu viel/zu wenig wiegen, nie Zeit haben, im Bett langweilig sind etc.

In allen Situationen versucht der Narzisst, die erlebte oder phantasierte Kränkung zu verkleinern oder abzuschwächen. Entweder, indem er andere beschuldigt oder angreift oder indem er sich über den anderen lustig macht.

Wie entsteht Narzissmus?

Erlebt ein Kind, dass Aufmerksamkeit und Zuwendung nur sporadisch und an Bedingungen geknüpft ist, folgert es, dass Liebe und Anerkennung nicht geschenkt, sondern erworben und verdient werden müssen. Entweder, weil das Kind oft angehalten wird, die Bedürfnisse eines Elternteils zu befriedigen oder die Leistungserwartungen der Eltern zu erfüllen.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Das Kind lernt, es anderen recht zu machen und seine eigenen Bedürfnisse und Gefühle weniger zu beachten. Oder es entwickelt ein übertriebenes Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen und permanent anerkannt, bewundert und gelobt zu werden. In beiden Fällen fehlt die regulierende Kraft der Eltern, die dem Kind Halt und Geborgenheit vermitteln mit der Botschaft „Du bist liebenswert, so wie Du bist!“

Aber auch statt des überfordernden kann ein allzu verwöhnender Erziehungsstil der Eltern ein narzisstisches Größenselbst bei einem Kind begünstigen. Wenn jede ungelenke Kinderzeichnung als Kunstwerk gefeiert wird. Wenn dem Kind beim Sport jede Enttäuschung wegen einer Niederlage erspart wird, indem die Schuld beim Trainer, dem Verein oder der Sportart gesucht wird, lernt das Kind nicht, dass im Leben nicht alles glatt läuft und dass das zu einem normalen Leben dazu gehört – und man damit fertigwerden kann.

Warum verlieben sich manche Frauen immer wieder in Narzissten?

Eine Frau mit einem guten Selbstwertgefühl findet einen narzisstischen Mann am Anfang vielleicht auch interessant. Doch spätestens wenn sie merkt, dass der andere sich nur um sich selbst dreht und ihr wenig Beachtung schenkt oder Interesse zeigt, wird sie sich wahrscheinlich zurückziehen.

„Wie lange dauern denn so Ihre Beziehungen mit diesen Männern?“, fragte ich.
„Unterschiedlich, ich war mal fünf Jahre mit einem Narzissten verheiratet. Aber meistens sind es nur ein paar Monate. Und die Beziehungen enden auch immer gleich.“
„Weil es Ihnen zu bunt wird und Sie sich trennen?“
„Schön wär’s! Nein, es sind immer die Männer, die Schluss machen. Entweder weil sie eine neue Partnerin haben oder sie melden sich plötzlich nicht mehr.“
„Also durch typisches Ghosting?“ vermutete ich.
„Ich bin schon ein paar Mal auf den Begriff gestoßen, weiß aber nicht so genau, was er eigentlich bedeutet“,
gab Claudia L. zu.

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Bildnachweis: Dirk Hinz / photocase.de

Unter „Ghosting“ versteht man die abrupte Beendigung der Kommunikation mit einer Person ohne Erklärung. Der andere verschwindet plötzlich wie ein Geist (engl. „ghost„) Es tritt häufig in romantischen Beziehungen auf, kann aber auch das Verschwinden aus Freundschaften oder am Arbeitsplatz beschreiben.

Je nachdem, wie wichtig der andere für einen war, reagieren Menschen auf Ghosting unterschiedlich, von Gleichgültigkeit bis hin zu schmerzlich empfundenem Verrat. Die modernen Kommunikationskanäle erleichtern ein solches Abtauchen. Trennungen durch eine SMS oder Whatsapp-Nachricht sind keine Seltenheit.

Ghosting ist für den Geist vor allem bequem. Wer die Kommunikation abbricht, erspart sich die Konfrontation, die Übernahme von Verantwortung oder das Miterleben oder Ertragen von starken Gefühlen – bei sich selbst oder beim anderen.

„Wie ging es Ihnen, wenn ein Mann so abrupt die Beziehung beendet?“, wollte ich wissen.
„Immer schrecklich, weil ich nie wusste, ob die Beziehung wirklich zu Ende ist oder ob es einen anderen Grund für den Kontaktabbruch gibt. Ich habe mir oft Sorgen gemacht, dass dem anderen etwas Schlimmes zugestoßen ist. Am schlimmsten für mich war die Ungewissheit, warum das jetzt passiert ist und ob ich was falsch gemacht habe. Ich hatte schnell das Gefühl, dass ich irgendwie selbst schuld daran bin, dass der Mann sich so wortlos verabschiedet.“

 

Wie man das Lebensthema bei Klienten heraushört.

Das Lebensthema einer Klientin ist eine emotional fest verankerte Überzeugung, für die früh in der Kindheit eine Überlebensstrategie gefunden werden musste. Typischerweise halten wir an diesen Strategien fest, weil sie sich bewährt haben, obwohl sie gar nicht mehr notwendig wären. Einige Beispiele dafür:

  • Ein Kind kommt ungeplant auf die Welt und erfährt das mit sieben Jahren.
    Überzeugung: Eigentlich bin ich unerwünscht.
    Strategie: Ich darf niemanden zur Last fallen. Am besten, man bemerkt mich gar nicht.
  • Die Eltern leben eine pazifistische Weltsicht und streiten sich nie.
    Überzeugung: Aggression ist böse und muss unterdrückt werden.
    Strategie: Übertriebener Altruismus, der von anderen aber ausgenutzt wird.
  • Die Ehe der Eltern ist nicht gut, worunter die Mutter besonders leidet.
    Überzeugung: Papa macht Mama nicht glücklich, dann muss ich das tun.
    Strategie: Sich die Interessen der Mutter zu eigen machen und nicht ablösen.
  • Der leistungsorientierte Vater hält wenig von seinem Jungen.
    Überzeugung: Man Vater glaubt nicht, dass ich in irgendwas richtig gut bin.
    Strategie: Enormer Einsatz im Beruf, bis an die Grenzen der Belastbarkeit – und darüber.

In meiner Fortbildung „Lebensthemen klären“ lernt man, auf bestimmte Worte oder Formulierungen zu achten, um herauszuhören, welche Überzeugung hinter einem Verhaltensmuster der Klientin stecken kann.

Bei Claudia L. war es der letzte Satz, der mich aufmerken ließ.

„Sie sagten gerade, dass Sie schnell das Gefühl hatten, dass Sie irgendwie selbst schuld daran wären, dass der Mann sich so wortlos verabschiedet.“
„Was finden Sie daran so seltsam?“,
fragte die Klientin zögernd.
„Na, Sie könnten ja auch denken ‚Was für ein Arsch ist das denn, mich einfach so abzuservieren?“
„Das würde mir nicht im Traum einfallen“,
stammelte sie.
„Ja, stattdessen suchen Sie automatisch die Schuld bei sich.“
„Stimmt, das tue ich meistens. Auch bei anderen Menschen.“
„Fällt Ihnen was ein dazu?“,
versuchte ich, bei der Klientin einen inneren Suchprozess zu starten.
„Nein, da fällt mir eigentlich nichts ein dazu“,
sagte sie nach einer längeren nachdenklichen Pause.

Zum Lebensthemen-Coaching braucht man oft den Spürsinn eines Detektivs. Denn es geht um winzige Spuren, kaum bemerkte Details, die für sich betrachtet, erst mal keinen Sinn ergeben. Nur wenn man sie in den richtigen Zusammenhang stellt, findet man den roten Faden.

„Im Fragebogen haben Sie erwähnt, dass Sie immer im Schatten Ihrer größeren Schwester standen. Wie meinten Sie das?“
„Nach zwei Brüdern war meine Schwester sehr gewollt und bald der Star in der Familie. Sie war wie meine Stiefmutter sehr musikalisch, sang sehr schön und spielte schon als Kind gut Klavier. Später veranstalteten meine Eltern dann öfters Hauskonzerte, wo die beiden dann auftraten.“
„Und was war Ihre Rolle dabei?“
„Ich machte die belegten Brote und sorgte für die Getränke. Mein Vater und die Brüder machten Konversation, da blieb ja nur ich für die Frauenarbeit.“
„Wie fanden Sie das?
„Zutiefst ungerecht, aber was sollte ich machen?“
„Ihre Geschichte erinnert mich an das Märchen vom Aschenputtel.“
„Das war auch damals mein Lieblingsmärchen“,
rief die Klientin aufgeregt.
„Dann wird vielleicht auch klarer, warum Sie immer wieder auf narzisstische Männer treffen oder hereinfallen“, wagte ich eine vorsichtige Deutung.
„Sie meinen, ich warte auch auf einen Prinzen, der mich auf sein Schloss führt?“

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Wie man das Lebensthema bei Klienten testen kann.

Um unsere gewohnheitsmäßigen Muster im Denken und Fühlen zu entdecken, bedarf es zweier Hilfsmittel. Eine davon ist die Achtsamkeit. Dabei nimmt die Klientin einfach die Veränderungen in ihrem Erleben wahr, ohne sie verändern zu wollen. Die Klienten lernen, für kurze Zeit in diesem Bewusstseinszustand zu sein. Während sie sich in diesem Zustand befinden, führe ich „kleine Experimente“ durch.

Das ist meistens ein positiver Satz, der Reaktionen hervorrufen soll, die der Klientin helfen, sich ihrer tiefen Überzeugungen bewusst zu werden. Der Effekt ist, dass innerer Widerstand (ein unangenehmes Gefühl oder ein ablehnender Gedanke) gegen den angebotenen Satz vom Klienten beobachtet werden kann. Und dieser Widerstand ist ein Hinweis auf das zugrundeliegende Lebensthema.

Deshalb bat ich Claudia L, es sich bequem zu machen und etwas achtsam zu werden:

„Bitte sagen Sie mal den Satz:
»Ich bin ein ganz normaler Mensch.«

Die Sätze, die ich verwende, sind fast immer Tatsachen oder wahre Sätze. Auch der hier getestete Satz ist wahr, im Sinne, dass jeder Mensch „normal“ ist. Unabhängig von seiner beruflichen Position oder gesellschaftlichen Stellung. Normal heißt auch: Jeder will lieber gesund als krank sein, lieber genug Geld haben als zu wenig, sich eher geliebt und zugehörig fühlen als abgelehnt und ausgestoßen.

Diese Wünsche teilen wir mit 95 Prozent der Menschheit. Das verstehe ich unter „normaler Mensch.“ Aber natürlich verwende ich den Satz bei Klienten, bei denen ich vermute, dass sie diesen Satz nicht als Tatsache, sondern als Abwertung, als Kränkung hören und verstehen. So wie auch Claudia L.:

„Als ich den Satz gesagt hatte, spürte ich einen komischen Druck im Hals und mir wurde etwas übel“, berichtete sie ihre Reaktion.
„Stimmt denn der Satz gefühlsmäßig für Sie?“, fragte ich.
„Rational weiß ich natürlich, dass der Satz stimmt – aber gefühlsmäßig?“ Claudia L. sprach den Satz noch einmal aus und schüttelte dann langsam den Kopf. „Nein, der Satz fühlt sich falsch an, nicht für mich stimmig.“
„Sie meinen, Sie finden den Satz eher zum Kotzen?“
, folgerte ich.
„Ich fürchte: ja“, lachte sie. „Aber was hat das denn alles mit meinem Männerthema zu tun?“ 

 

Weiblicher Narzissmus ist anders.

Männliche Narzissten neigen dazu, anderen ihre vermeintliche Überlegenheit zu zeigen. Dieses Verhalten, unverfroren zu dominieren und vor allem seine Eigeninteressen zu verfolgen, ist für Männer in weiten Teilen der westlichen Gesellschaft sozial akzeptabel. Es wird als Durchsetzungsfähigkeit sogar geschätzt.

Ein solches Verhalten wird bei Frauen eher als egoistisch oder zickig abgewertet. Übrigens von Männern und Frauen. Deshalb bemühen sich narzisstische Frauen meist, ihre Ziele durch subtilere, indirektere Strategien zu erreichen, die den Erwartungen ihrer Geschlechtsrolle und dem Druck unterschiedlicher sozialer Zwänge entsprechen.

Claudia L. macht sich in Liebesbeziehungen abhängig und passt sich dem Partner stark an.  Sie unterdrückt ihre eigenen Bedürfnisse, wirkt unselbständig, klammert und fixiert sich ganz auf den Partner. Sie nimmt sich oft nicht mehr als eigenständige Person wahr, sondern sonnt sich in seinem Glanz. Jede Form der Distanzierung vom Partner wird wie eine Trennung oder Verrat empfunden.

 

Warum sind narzisstische Männer als Partner dennoch so attraktiv?

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.