„Leider verdiene ich dreimal so viel wie mein Mann“, sagte die Frau im Coaching.

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In immer mehr Partnerschaften kommt es vor, dass die Frau mehr verdient als der Mann. Das kann große Auswirkungen haben auf das Selbstwertgefühl – von beiden. Wie sehr dabei unbewusste patriarchalische Strukturen eine Rolle spielen, wird in diesem Fallbericht deutlich.

„Ihre Praxis liegt ja in der teuersten Wohnlage von Heidelberg!“, sagte die Frau bei der Begrüßung.
„Sie scheinen sich auszukennen“, antwortete ich etwas verblüfft.
„Natürlich, ich bin Immobilienmaklerin.“

Obwohl unser 3-h-Coaching wegen Corona online stattfand, hatte die Klientin wohl nachgeschaut, wo meine Praxisräume liegen. Hm, dachte ich. Geld scheint ihr sehr wichtig zu sein. Vor mir saß Claudia Z., 39 Jahre alt. Sie machte auf mich einen erschöpften Eindruck.

„Mein Hausarzt schickt mich, weil er sich Sorgen macht, dass ich in einen Burnout rutsche. Aber ich finde, er übertreibt.“
„Wie geht es Ihnen denn?“,
fragte ich vorsichtig.
„Ach Gott, wie soll es mir gehen? Ich habe einen Zehn-Stunden-Tag und wenn ich nach Hause komme, kann ich auch nicht die Füße hochlegen.“
„Arbeitet Ihr Mann auch so viel?“,
wollte ich wissen.
„Nee, das kann man jetzt nicht sagen. Er ist Hochzeitsfotograf, sieht sich aber als Künstler. Deshalb macht er keine Werbung für sich, sondern bekommt Aufträge nur über sporadische Empfehlungen. Werbefotografie lehnt er ab, macht die meiste Zeit Fotoexperimente in seinem Atelier.“
„Klingt so, als ob Sie mehr verdienen als er“,
folgerte ich.
„Kann man so sagen, ich verdiene bestimmt dreimal soviel wie er. Aber das ist kein Problem für mich.“
„Aber vielleicht für ihn“,
wagte ich eine erste Vermutung.


 

Wenn Frau mehr verdient als Mann – leiden oft beide.

In den letzten Jahrzehnten stiegen die Löhne der Frauen stetig an, und der Gehaltsunterschied zu den Männern ging zurück. Gleichzeitig nahm die Heiratsquote ab.

In einer Studie aus den USA folgern die Autoren daraus, dass verheiratete Frauen teilweise bewusst nicht arbeiten, um nicht zur Hauptverdienerin des Haushalts aufzusteigen. Dieses Verhalten ist besonders bei Paaren mit niedriger Bildung zu beobachten.

„Dennoch kommt es immer öfter vor, dass Frauen mehr verdienen als ihre Ehemänner. Im Jahr 2010 traf dies auf 27 Prozent der Ehepaare in den USA (18-65 Jahre) zu. In diesem Fall könnten Frauen versucht sein, die «Verletzung» der traditionellen Geschlechterrolle dadurch zu kompensieren, dass sie mehr Hausarbeit leisten als ihre Ehemänner, selbst wenn letztere deutlich weniger verdienen. Die empirischen Ergebnisse zeigen tatsächlich, dass das Geschlechtergefälle bei der Hausarbeit stärker zu Ungunsten der Frauen ausfällt, wenn sie ihre Männer im Verdienst übertreffen.

Dies könnte nach Meinung der Autorinnen einer der Gründe sein, weshalb Paare mit der Frau als Hauptverdienerin öfter Eheprobleme aufweisen beziehungsweise sich öfter scheiden lassen. Die Schätzungen ergeben jedenfalls: Wenn die Frau vor zwei Jahren mehr verdient hat als der Mann, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung um rund ein Viertel höher als in den klassischen Fällen mit den Männern als Hauptverdiener.


 

„Wie haben Sie sich kennengelernt?“, wollte ich wissen.
„Das war auf einer Vernissage. Tom stellte dort seine Fotografien aus. Ich hatte gerade mein zweites Studium abgebrochen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, mein Leben als Zahnärztin zu verbringen. Wir kamen ins Gespräch und drei Tage später besuchte ich ihn in seinem Atelier, wo er tolle Porträtfotos von mir machte. Ein halbes Jahr später zog ich bei ihm ein.“
„Damals waren Sie wohl nicht burnout-gefährdet?“,
fragte ich.
„Nein, mein Leben war überschaubar und gut. Ich hatte die Ausbildung zur Immobilienkauffrau begonnen und jobbte bei einem Makler, um Erfahrungen zu sammeln. Wir lebten vom Geld meines Mannes.
Das änderte sich, als ich mit der Ausbildung fertig war und der Makler überraschend an einem Herzinfarkt starb. Seine Frau bot mir an, für einen sehr günstigen Preis das florierende Maklerbüro zu übernehmen. Ab dann begann der Stress. Ich hatte gleich viele lukrative Abschlüsse und dadurch auch immer mehr Empfehlungen.“
„Wie reagierte Ihr Mann auf Ihre Karriere?“
„Er wurde sehr neidisch, weil ich mit ein paar Telefonaten in der Woche mehr verdiente als er in drei Monaten mit seiner Fotografie. Wir stritten häufig und ich bekam Schuldgefühle.“

„Wieso Schuldgefühle?“, hakte ich nach.
„Es stimmte ja, dass meine Arbeit vergleichsweise viel besser honoriert wurde. In der Zeit fing ich auch an zu verschweigen, wieviel ich wirklich verdiente. Und übernahm den Großteil der Hausarbeit. Dadurch wurde die Stimmung zwischen uns besser aber mich brachte es an die Grenzen meiner Belastbarkeit.“


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Viele Männer wollen der Haupternährer sein.

Verdient die Frau mehr als ihr Mann, neigen beide Partner dazu, ihr wahres Gehalt zu verschleiern, um den Mann besser aussehen zu lassen. Das zeigt eine US-Studie.

Der vermutete Grund dafür: Ehepaare, bei denen die Frau mehr verdient als der Mann, fallen aus der gewohnten Norm. Um das auszugleichen tendieren der Mann wie auch die Frau dazu, das Gehalt des Mannes größer zu machen – während sie das Einkommen der Frau kleiner machen.

Dahinter steckt wohl auch die jahrhundertelange Tradition des Patriarchats, also ein von von Männern dominiertes soziales System. Das wird gerne einem bestimmten Bild aus der Steinzeit begründet, das das Theaterstück „Caveman“ auf die einprägsame Formel brachte: „Ich jagen – du sammeln.“

Steinzeitmänner gingen auf die Jagd, Frauen hüteten Kinder. So der Mythos, mit dem auch heute noch vermeintliche Geschlechtsunterschiede oder Privilegien erklärt werden. Doch diese Bilder stimmen nicht, wie die archäologische Geschlechterforschung zeigt. Hier mehr darüber.

Wie wirkt es sich auf die Psyche des Partners aus, wenn Frau mehr verdient als der Mann?

Das hat eine britische Wissenschaftlerin über 14 Jahre an insgesamt 6.000 Paaren untersucht. Das Ergebnis: Wenn Frau besser verdient, sorgt das beim Mann für psychischen Stress – aber nicht in allen Fällen.  Sie fand heraus, dass Männer am zufriedensten waren, wenn ihre Frauen etwa 40 Prozent des Gesamteinkommens beisteuerten.

Die Wissenschaftlerin folgerte daraus, dass es für viele Männer immer noch wichtig ist, in einer Ehe der „Ernährer“ zu sein. So fühlten sie sich bedeutsamer und mächtiger. Derjenige, der das meiste Geld mit nach Hause bringt, fühle sich demnach in Verhandlungen, wofür man Geld ausgibt und wofür nicht, stärker.

Das betraf jedoch nur Paare, bei denen sich das Einkommen der Frau innerhalb der Ehejahre änderte. War das Einkommen der Frau schon vor der Hochzeit höher gewesen, veränderte sich der Stresslevel bei den Männern nicht.


 

Warum nonverbale Signale beim Online-Coaching wichtig sind.

Viele Interessenten für mein 3-h-Coaching fragten in den letzten fünf Monaten, wann ich wieder Präsenz-Coachings mache. Einige hatten sich schon auf den Spaziergang auf dem Philosophenweg gefreut. Andere können sich nicht vorstellen, dass ein Online-Coaching genauso wirkungsvoll sein kann wie eine tatsächliche Begegnung.

Zugegeben, ich war anfangs auch skeptisch. Aber nach den ersten fünf Online-Coachings begann ich, auch die Vorteile zu sehen. Es gibt weniger Ablenkung und ich kann Gesicht und Mimik des Coachees genauer sehen. Vor allem Micro-Expressions, also ganz kleine Veränderungen im Gesicht sind dabei hilfreich. Genauso achte ich auf Veränderungen in der Stimme. Denn die Stimme und ihre Eigenarten sind kaum veränderbar. Stress und Anspannung sind dort noch leichter wahrzunehmen.

Bei Claudia Z. war mir von Anfang an ihre etwas gehetzte Sprechweise aufgefallen. Sie ließ kaum Pausen und um eine Frage u stellen, musste ich ihr regelrecht ins Wort fallen. Das war eine wichtige nonverbale Information für mich, die möglicherweise auf ein Lebensthema hinwies.

„Sie wirken etwas getrieben auf mich“, sagte ich. „Kann das sein?“
„Das sagt mein Mann auch öfters.“
„Was treibt Sie denn so?“,
fragte ich nach.
„Keine Ahnung. Der Stress?“ 
„Denken Sie mal nach. Oder noch besser, schauen Sie, was Ihnen dazu einfällt.“

Relevante Information über sich selbst kommt selten aus dem Verstand. Von dort kommen nur unsere Theorien über uns selbst. Deshalb sind Achtsamkeit und spontane Einfälle so wichtig bei dieser Art des Coachings. Nach eine Weile sagte die Klientin, was ihr eingefallen war.

„Ich war zwölf, als meine Eltern sich trennten. Mein Vater hatte seit Jahren eine zwanzig Jahre jüngere Geliebte, mit der er praktisch ein Doppelleben geführt hatte. Die Scheidung war schmutzig. Mein Vater, ein erfolgreicher Geschäftsmann, rechnete sich mit Hilfe von Steuerberatern arm, so daß er fast keinen Unterhalt an meine Mutter zahlen musste. Es war schrecklich!“

Ein Lebensthema ist vergleichbar mit einem Drehbuch, einem Lebensplan oder einem unbewusstes Programm, nach dem ein Mensch lebt. Sie wirken sich in ihrer Zuspitzung oft negativ im Berufsleben und/oder auch privat aus.

Diese Lebensthemen entstehen durch in frühen Jahren gemachte Beziehungserfahrungen. Entweder in Form von Erlebnissen oder Aussagen, die emotional so prägend sind, dass sie maßgeblich das Selbstwertgefühl des Kindes beeinflussen und es zwingen, dafür eine geeignete Strategie zu finden, um damit umzugehen oder fertigzuwerden.

Als Kind ist man – vor allem in den ersten Lebensjahren – völlig abhängig von den Eltern. Diese bestimmen in großem Maß die Möglichkeiten der Person, sich zu entfalten und Konflikte zu bewältigen. Und zwar durch direkte und indirekte Botschaften, durch Verbote und vor allem durch die mit ihnen gemachten Erfahrungen.

Und diese Strategien prägen sich ein, weil sie sich gut bewährt haben.

Als Erwachsener sind uns diese frühen Überlebensstrategien in Fleisch und Blut übergegangen. Wir müssen nicht mehr daran denken oder uns erinnern. Unser Autopilot steuert unbewusst unser Verhalten in den alten Bahnen, wenn eine für uns kritische Situation auftaucht.

„Ich hatte Sie gefragt, was Sie antreibt. Was glauben Sie, warum Ihnen die Trennung Ihrer Eltern eingefallen ist?“, fragte ich Claudia Z.
Sie überlegte einen Moment und blickte mich erschrocken an.
„Weil sie kurz vor ihrem Tod, sie starb an Krebs, mir sagte: »Mach dich nie von einem Mann abhängig so wie ich. Versprich mir das!«
„An dieses Versprechen haben Sie sich offensichtlich gehalten“,
bemerkte ich.
„So sehr, dass Sie jahrelang über Ihre Grenzen gegangen sind.“


 

Einen Burnout muss man sich hart erarbeiten.

Im Coaching war jetzt deutlich geworden, wie die Klientin es geschafft hatte, finanziell so erfolgreich zu sein. Vor allem dadurch, dass sie das Schicksal ihrer Mutter zu vermeiden suchte.  Sie strebte bisher nach maximaler Unabhängigkeit und opferte dafür unter anderem ihren Wunsch nach einem Kind, der zu Beginn der Beziehung Thema war.

Aber wieso sorgte sie nicht besser für sich und holte sich Unterstützung bei ihrem Mann? Oder delegierte bestimmte Aufgaben?

„Wie haben Sie das denn mit der Haushaltsarbeit geregelt? Übernimmt das Ihr Mann zum Teil oder haben Sie externe Hilfe?“, wollte ich wissen.
„Nein!“, antwortete Claudia Z. schnell. Ihr Widerspruch kam etwas zu schnell, fast so als wäre das ein unsittlicher Gedanke.
„Das mache alles ich, wenn ich abends aus dem Büro komme. Oder halt am Wochenende.“ Dabei schwang Stolz mit in ihrer Stimme.
„Im Ernst?“, fragte ich erstaunt zurück. „Aber Ihr Mann hätte doch viel Zeit dafür.  Jedenfalls mehr als Sie.“
„Ja schon,“
räumte die Klientin ein, „aber das ist doch keine Arbeit für einen Mann. Kochen, putzen, aufräumen, Wäsche waschen. Mein Mann ist Künstler. Er braucht für seine Arbeit einen inneren Freiraum von Phantasie und Inspiration. Und den will ich ihm geben.“

Ich traute kaum meinen Ohren. Wie konnte es sein, dass eine erfolgreiche Frau von heute so einen altmodischen Unsinn verzapfte, den vielleicht auch ihre Großmutter gesagt haben könnte?

Als ich Claudia Z. zuhörte, wie sie es begründete, dass sie regelmäßig nach einem langen Arbeitstag noch die Kraft und die Motivation aufbrachte, ein Essen zu kochen, musste ich an ein Buch von Sidra Stone denken, das ich 2002 mal gelesen hatte und ungeheuer aufschlussreich fand. Hier habe ich darüber geschrieben.

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Der „Innere Patriarch“ in Frauen und Männern.

Dass man die Psyche von Menschen als ein System von verschiedenen Persönlichkeiten verstehen kann, ist mittlerweile Grundlagenwissen bei Therapeuten und Coaches.

Ich las darüber zuerst 1978 bei Hal und Sidra Stone. Das war lange bevor Schultz von Thun, Gunther Schmidt, Richard C. Schwartz und andere das Konzept aufgriffen und ihr eigenes System (z. B. Ego-State-Therapie) daraus machten.

Ein wichtiger Teilpersönlichkeit in der Psyche von Frauen ist der „innere Patriarch“. Sidra Stone hat in ihrem Buch „Es ist Zeit, dass du gehst“, sein Wirken bei Frauen genau beschrieben.

Einer der Wege, auf denen der Innere Patriarch auf Frauen einwirkt, besteht darin, über alles, was frau tut, ein Urteil zu fällen – aus seiner patriarchalischen Perspektive. Die Negativität, die Sie als Frau in Bezug auf Ihre Entscheidungen empfinden, kommt also von Ihrem Inneren Patriarchen.

  • Eine erfolgreiche Geschäftsfrau fühlt sich schlecht, weil sie nicht Mutter geworden ist.
  • Eine Frau kämpft mit der Frage, ob sie eine Rabenmutter ist, weil sie ihr Kind morgens in die Kita bringt.
  • Eine Frau, die ihre Karrierewünsche wegen der Kinder aufgegeben hat, fühlt sich gut und verurteilt andere Frauen, die dieses Opfer nicht gebracht haben.
  • Eine Frau, die öfter davon spricht, wenn das Kind aus dem Gröbsten raus ist, endlich wieder „richtig“ zu arbeiten.

Dahinter steckt oft die Argumentationskette des Inneren Patriarchen, die man so zusammenfassen kann:

  1.  Frauen sollen vor allem weiblich sein.
  2. Sind sie das nicht, haben sie als Frauen versagt.
  3. Verhalten sie sich aber weiblich, sind sie Männern unterlegen, denn die traditionell weiblichen Eigenschaften sind weniger wert als die traditionell männlichen Qualitäten.

Sidra Stone schrieb das Buch lange vor der weiblichen Emanzipationsbewegung. Seitdem hat sich auf dem Gebiet enorm viel verbessert. Aber bei ihrem Ansatz geht es nicht um die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht um die Patriarchen im Außen. Sondern um die inneren Glaubenssysteme, die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern geglaubt und vorgelebt haben.

Und kulturell geprägte Rollenbilder haben eine extrem lange Haltbarkeit. Die Assoziationen und Vorstellungen sind über Jahrhunderte geprägt, und sie aufzulösen und zu verändern braucht viel Zeit. Hierzu ein Blick in die 50er Jahre bei uns.

„Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“

Unsere Persönlichkeitsanteile entstehen mit dem Ziel, uns bei der Anpassung an körperliche, seelische und soziale Bedürfnisse zu helfen. Das heißt, diese Anteile haben immer eine positive Absicht – leider nur aus ihrer beschränkten subjektiven Sicht.

Das gilt auch für den inneren Patriarchen. Er entwickelte sich vermutlich, um Frauen zu helfen, in einer patriarchalischen Gesellschaft besser zurechtzukommen. Was für uns heute unglaublich klingt, war in den 50er Jahren Realität. Das beweist ein Blick in den „Good House Wife’s Guide“ von 1955, in dem erklärt wird, wie sich eine Frau gegenüber ihrem Mann verhalten sollte.

In Deutschland gab es zu dem Thema diesen Werbespot:

Der innere Patriarch  hat genaue Überzeugungen darüber, wie ein „echter“ Mann sein sollte und wie eine „echte“ Frau sein sollte.

Er hat Regeln über Frauen und Macht, Frauen und Sexualität, und eine überraschende Anzahl und Vielfalt von Regeln darüber, wie Männer und Frauen sich in Beziehungen verhalten sollten. Dabei geht es vor allem um den Erhalt der Vormachtstellung des Mannes. Was zu der spannenden Frage führt: „Was wird aus dem Mann, wenn er die Macht abgibt?“

Und auch heute steht die Gleichberechtigung im Privaten oft nur auf dem Papier, sonst bräuchte es nicht diese aktuelle Initiative des Familienministeriums für eine gerechtere Verteilung der Hausarbeit nicht.


 

Bei Männern ist der „Innere Patriarch“ meist gut in die Psyche integriert.

Wenn sie seine Regeln befolgen, also hart arbeiten, wenig Unterstützung brauchen, trickreich ihren Vorteil suchen, fühlen sie sich als „echte“ Männer.

Auf diese Weise passen sie gut in viele bestehenden gesellschaftlichen Strukturen und können in ihnen erfolgreich sein. Der „innere Patriarch“ ist für viele Männer unterstützend, weil er traditionell männliche Qualitäten schätzt, mit denen sich viele Männer bis zu einem gewissen Grad auch heute noch identifizieren.

Das zeigt die Debatte um die Elternzeit für Väter. Neben traditionellen Rollenvorstellungen (Der Mann geht arbeiten und die Frau bleibt beim Kind) und der Ansicht, dass in den ersten Monaten eines Kindes die Mutter die „bessere“ Bezugsperson sei, gehört zu den weiteren Gründen für den Verzicht: die Angst vor negativen beruflichen Konsequenzen. Elternzeit und Teilzeit können sich als „Karrierekiller“ auswirken.


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Ein Interview mit dem „Inneren Patriarchen“ meiner Klientin.

Ein Vorteil bei der Arbeit mit inneren Persönlichkeitsanteilen ist, dass der Klient emotional begreift, dass seine Ansichten nicht von ihm stammen, sondern eben von einem Teil in ihm. Und dass er sich als Beobachter/in dadurch auch leichter davon distanzieren kann.

Dazu wollte ich mit dem Teil von der Klientin sprechen, der dafür sorgt, dass sie sich in der Beziehung zu ihrem Mann nicht gleichberechtigt fühlt, schlecht für ihre Bedürfnisse sorgt und durch die Doppelbelastung an den Rand eines Burnout gebracht hatte.

Dabei sprach ich nicht vom inneren Patriarchen, sondern bezog mich auf einen Satz von ihr im Vorbereitungsbogen: „Ich habe immer das Gefühl, es reicht nicht, was ich tue – egal, wie viel ich mache.“

Ich bat Claudia Z, einen zweiten Stuhl zu holen und sich auf diesen zu setzen.

Dann begann ich mit dem Interview:

„Sie sind also der Teil von Claudia, der dafür sorgt, daß sie abends nach einem langen Arbeitstag sich noch in die Küche stellt und ein Abendessen kocht“, begann ich.
„Wer sind Sie überhaupt? Und was wollen Sie hier?“, war die barsche Frage.
Ich bin der Coach, den Claudia um Hilfe gebeten hat.“
„Claudia braucht Ihre Hilfe nicht. Dafür hat sie ja mich.“
„Ach so, interessant. Wie und wann helfen Sie ihr denn?“,
fragte ich den Teil.
„Immer dann, wenn sie unsicher ist, wie sie sich verhalten soll. Und sie ist oft unsicher. Zum Beispiel im Privatleben.“
„Und woher wissen Sie, was richtig ist für sie?“
fragte ich neugierig.
„Weil ich weiß, wie Männer und Frauen sind. Wie sich sich unterscheiden. Was die natürliche Rolle der Frau ist. Und was eine Frau zu tun hat.“
„Und wie unterscheiden sie sich?“
„Kennen Sie das Buch ‚Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken können‘?“
„Klar kenne ich das. Ein Bestseller, leider voller Vorurteile und Halbwahrheiten.“
„Das sagen Sie! Das Buch ist ja deswegen so erfolgreich, weil sich viele Männer und Frauen darin mit ihren Erfahrungen wiederfinden. Aber Ihnen gefällt das Buch sicher nicht, weil Sie so ein Frauenversteher sein wollen.“

Innere Patriarchen darf man nicht kritisieren. Dann greifen sie an. Ich ruderte also zurück.

„Claudia kam zu mir, weil ihr Arzt einen Burnout befürchtet. Was denken Sie darüber?“, versuchte ich, das Gespräch wieder in konstruktivere Bahnen zu lenken.
„Burnout! Wenn ich das schon höre. Überlastung! Zuviel Stress! Claudias Großmutter musste aus ihrer Heimat vor den Russen flüchten. Wochenlang im Winter war sie zu Fuß unterwegs. Und das mit drei kleinen Kindern. Die hatte Mordstress! Die hat aber nicht rumgejammert. Dagegen lebt Claudia doch im Paradies. Verdient ihr Geld damit, indem sie rumtelefoniert und mit Leuten Kaffee trinkt. Aber abends ist sie dann zu müde, ein schickes Abendessen für sich und ihren Mann zuzubereiten.“

Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie gut die Arbeit mit solchen Teilpersönlichkeiten funktioniert. Der Klient spielt diesen Teil ja nicht, sondern er verkörpert ihn, weil sie oft mit ihm identifiziert ist. Und diese Teile haben jeweils ihre speziellen Ansichten, Redeweise und Energiemuster. Es sind verinnerlichte Objekte geworden. Und sie reden gern!

Wenn wir uns mit einem inneren Anteil identifizieren, werden wir wie er. Das ist die Gefahr dabei, denn innere Objekte sehen die Realität immer nur aus ihrer beschränkten Perspektive. Wenn Claudia ihren „inneren Patriarchen“ verkörpert, bekommt sie gleichzeitig Distanz zu ihm, wenn sie den Stuhl, von dem er sprach, wieder verlässt.

„Dann hat Claudias Mutter ja alles richtig gemacht. Hat ihren Beruf aufgegeben, sich nur um Claudia gekümmert und ihrem Mann den Rücken freigehalten“, versuchte ich zu provozieren.
„Ja, sie hat genau das getan, was Frauen am besten können. An andere denken und dafür sorgen, dass es denen gut geht.“
„Aber Claudias Vater hat sie dann verlassen und gegen eine jüngere ausgetauscht. Das war doch nicht fair“,
sagte ich.
„Nicht fair, nicht gerecht, nicht schön“, spottete der Teil. „So ist das verdammte Leben nun mal – und so sind Männer, jedenfalls die richtigen Männer. Dafür muss man Verständnis haben, anstatt zu versuchen, sie umzumodeln. Deswegen bin ich ja auch da und helfe ihr.“
„Wobei helfen Sie ihr genau?“,
fragte ich neugierig.
„Das liegt doch auf der Hand. Nicht denselben Fehler zu machen wie ihre Mutter.
Die wurde schließlich von ihrem Mann verlassen, weil sie zu sehr Mutti war und zu wenig Frau!“
„Das heißt, die Schuld für die Trennung liegt bei Claudias Mutter? Und ihr Mann macht heute auch alles richtig?“,
hakte ich nach.
„Ja natürlich, denn Claudias Mann ist ein Künstler. Er lebt seine Bestimmung. Da kann er nicht einkaufen, kochen oder abspülen. Glauben Sie, Picasso hat einmal das Geschirr abgetrocknet?“

An dieser Stelle fiel die Klientin aus ihrer eingenommenen Rolle, weil sie losprustete.

Glauben Sie, Picasso hat einmal das Geschirr abgetrocknet … Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade gesagt habe“, wunderte sich Claudia Z. über sich selbst.

Ich bat Claudia Z., wieder ihren eigenen Stuhl einzunehmen. Sie brauchte eine Weile, die Erfahrung zu verdauen.

„Unglaublich, dass ich das gerade alles gesagt habe. Aber es fühlte sich völlig stimmig an, als ich auf dem anderen Stuhl saß. Total logisch und überzeugend. So sind Männer und so sind Frauen.
Und ich weiß jetzt auch, woher meine Schuldgefühle kommen, wenn ich mal einen Nachmittag mit einer Freundin in der Stadt verbringe und spät nach Hause komme. Oder wenn mein Handy stummgeschaltet ist und mein Mann mich versucht hat zu erreichen. Oder warum ich nicht stolz bin, so viel Geld zu verdienen, sondern denke, dass es meinen Mann irgendwie demütigen könnte.“

Der „Innere Patriarch“ ist eben ein ziemlicher konservativer Typ, mit einer sehr elastischen Doppelmoral. Der es schätzt, wenn Frauen Frauen sind und Männer Männer. Dafür hat er viele Regeln, um ja sicherzustellen, dass der Unterschied zwischen ihnen gewahrt bleibt. Entweder/oder ist sein Favorit. Sowohl/als auch ist ihm ein Graus.

Er hat für alles Regeln – und er agiert im Verborgenen – im Schatten – in fast jeder Beziehung.


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Halb leer? Halb voll? Das ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung.

Warum der eigene Selbstwert kein Gefühl ist.

Selbstakzeptanz spielt eine große Rolle im Leben jedes Menschen. Wer über kein gutes Maß an Selbstakzeptanz und Selbstliebe verfügt, wird immer getrieben sein, diesen inneren Mangel auszugleichen. Rennt Zielen hinterher, die nicht die eigenen sind. Fühlt sich nie angekommen und schafft – beruflich oder privat – immer wieder Situationen, in denen es ihm nicht gut geht:

  • Im Privaten ist der Mensch sich der Liebe anderer Menschen nie ganz sicher.
    Hat schnell das Gefühl, dass er/sie noch mehr tun muss, damit diese Liebe wirklich erhalten bleibt.
    Bei meiner Klientin ist das der Fall und der „Innere Patriarch“ berührt immer wieder diesen wunden Punkt.
  • Im Berufsleben sind solche Menschen gesuchte Mitarbeiter.
    Sie arbeiten unermüdlich. Gehen dabei oft über ihre eigenen Grenzen, um Anerkennung des Chefs zu bekommen.

Doch wer oder was bestimmt den eigenen Selbstwert?

Viele Menschen antworten hierauf: „Ich weiß, dass ich wichtig bin und liebenswert. Aber ich fühle mich oft gar nicht so.“

Doch der Selbstwert ist kein Gefühl. Er ist auch nicht das Ergebnis einer Abstimmung. Der Selbstwert ist eine persönliche Entscheidung.

Getreu dem Spruch von Henry Ford: „Egal ob Du glaubst Du schaffst es, oder ob Du glaubst Du schaffst es nicht – Du hast in jedem Fall recht!“

In meinem 3-h-Coaching versuche ich, einen solchen zentralen Glaubenssatz, der das Lebensthema bestimmt, emotional deutlich zu machen. Ich bat Claudia Z., es sich bequem zu machen, die Augen zu schließen, den folgenden Satz vor sich hinzusagen und genau zu beobachten, welche inneren Reaktionen auftauchen:

„Ich bin genug.“

Die Klientin wurde ganz still und fing dann, immer energischer ihren Kopf zu schütteln.
„Nein, das stimmt nicht!“
„Sagt wer?“,
fragte ich.
„Eine Stimme in mir.“
„Ist das Ihre Stimme?“
„Ja natürlich, wessen Stimme denn sonst?“,
fragte Claudia Z. verwundert.
„Ich denke, es war die Stimme Ihres ‚inneren Patriarchen‘. Aber da sie die schon so oft gehört haben, kommt sie Ihnen wie Ihre eigene vor.“


 

Wie löst man sich von inneren Anteilen?

Wie gesagt, alle unsere inneren Anteile wollen uns unterstützen. Aber das ist nicht immer positiv, denn ihre Unterstützung kommt immer aus einer begrenzten Perspektive. Der „innere Kritiker“ kann nicht loben, deswegen findet er an allem, was wir machen, noch etwas auszusetzen. Er will uns davor schützen, dass jemand anderes uns kritisiert und wir nicht darauf vorbereitet sind.

Wenn ein Anteil auf dem inneren Regiestuhl sitzt, bekommen wir früher oder später immer Probleme. Es braucht das neutrale, ausgleichende ICH, das die verschiedenen Beiträge der Anteile angemessen prüft – und dann handelt.

Ein Beispiel:
Nach einem langen Arbeitstag kommen Sie müde nach Hause und wollen sich auf dem Sofa ausstrecken und einen Film anschauen.
Da meldet sich der „Innere Kritiker“: „Findest du das eigentlich gut, hier rumzufaulenzen, während in der Küche noch das Frühstücksgeschirr steht? Und Dein Fitnessprogramm hast Du auch schon drei Tage ausgesetzt.“

Persönlichkeitsveränderung besteht zu einem großen Teil darin, solche inneren Selbstgespräche zu bemerken – und in eine neue positive Richtung zu lenken. Dabei hilft die Fähigkeit der Achtsamkeit.

Also anstatt schuldbewusst den Fernseher auszumachen und mürrisch in die Küche zu traben, können Sie zu sich sagen:
„Ich bin schon genug. Einfach so. Dafür muss ich gar nichts leisten. Ob ich jetzt noch die Küche aufräume oder nicht; ich bin so oder so genug. Meinen Selbstwert bestimme ich selbst. Und der hängt nicht von dem ab, was ich heute geleistet habe. Ich bin schon genug.”

Das Coaching war nach knapp drei Stunden fast zu Ende. Claudia Z. sah erschöpft aber auch sehr zufrieden aus.

„Haben Sie noch einen Umsetzungstipp für mich?“ fragte sie.
„Besorgen Sie sich ein einfaches Gummiband und machen Sie es um Ihr linkes Handgelenk. Aber so, dass es ziemlich eng sitzt.“
Claudia Z. schaute verwundert: „Und dann?“
„Und jedes Mal, wenn Sie eine Einflüsterung des inneren Patriarchen mitkriegen, lassen Sie das Gummiband schnalzen.“
„Aber das tut doch weh!“,
protestierte sie.
„Die Ratschläge des inneren Patriarchen tun Ihnen auch weh, wenn Sie sie befolgen. Und das Gummiband erinnert Sie daran.“


 

Ob ich mit ihrem Mann auch ein Coaching machen könnte, schrieb mir die Klientin nach drei Wochen.
Ihr ginge es sehr gut und sie übe fleißig mit dem Gummiband. Aber ihr Mann wäre unzufrieden mit seiner Lebenssituation und wisse nicht, wo er ansetzen könnte.

Da ich aus dem Coaching auch etwas über den familiären Hintergrund erfahren hatte, schrieb ich zurück, dass Sie beide noch nicht genügend abgelöst seien. Sie habe nie finanziell von einem Mann so abhängig werden wollen wie ihre Mutter und alle Energie da hinein gelegt.

Der Vater ihres Mannes war ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen, für den nur Geld und Status wichtig waren. Schon als Junge habe er wohl beschlossen, diese Form des Erwachsenenseins zu verweigern. Aber das Gegenteil von dem zu machen, was die Eltern vorleben, sei noch nichts Eigenes, sondern eben nur der Protest gegen ein verachtetes Vorbild.


 


Hier lesen Sie weitere Fallberichte aus meiner Coaching-Praxis:

Business-Coachings

Life-Coachings

PS: Alle Fallgeschichten sind real, aber so verfremdet, dass ein Rückschluss auf meine Klienten nicht möglich ist und die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.


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Dann lesen Sie hier …


 

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

3 Kommentare

  1. Sophie sagt

    Der Artikel ist wider einmal richtig klasse.
    Erschreckenderweise fühlt er sich für mich wie ein Spiegel für mich an, wobei ich mich frage, woher mein innerer Chauvinist, äh Patriarch kommt. Meine Eltern sind beide Ingenieure. Mein Vater verdiente früher deutlich mehr und hätte sich auch fast „seinen Burnout hart erarbeitet“, wenn die Firma nicht Gott sei dank insolvent gegangen wäre. Dafür stieg meine Mutter in ihrer Firma auf: den Chefposten hatte sie abgelehnt, weil die oberste Ebene ihr zu „politisch“ war, dafür ist sie eine Hierarchieebene weiter unten auf einer schwer ersetzbaren Fachposition mit duzenden Beauftragentätigkeiten „nebenbei“ (sie verkauft sich also auch unter Wert). Es scheint so, dass mein Vater nicht damit hadert, dass meine Mutter aktuell mehr verdient. Er hat eingesehen, dass die alte Firma ihn fast mental zerstört hat und das Geld nicht alles ist. Mein Partner und ich sind ebenfalls Ingenieure und bisher hatte ich immer mehr verdient, weil ich beim Bewerbungsgespräch höher gepokert habe, Glück hatte und das übliche Zeugnisskat erfolgreich spielen konnte, im Gegensatz zu meinem Partner – er gibt es zu, dass er sich das weniger zutraut. Trotzdem gibt es zwischen uns manchmal sinnlose Konflikte wegen Finanzen. Ab und zu kam ein Kommentar (vor seiner Gehaltserhöhung), weil ich wohl Netto 300 Euro mehr habe und den „Fehler“ gemacht habe, mich in Zeiten von Kurzarbeit mal bei ihm auszuheulen, dass ich schon mich wieder freue, wenn ich wieder das volle Geld bekomme und man nicht mehr erwartet, dass ich 110% der Aufgaben in 75% der Zeit schafft. Er beneidete mich um die Kurzarbeit, trotz der genannten Nachteile nach hinten heraus (ich empfand die Zeit auch ohne Kinder nicht als erholsam, im Gegenteil – man musste immer einspringen, wenn die Familienväter zu Hause gebraucht wurden). Er beneidet mich aktuell um die flexible Arbeitszeit (danach habe ich gezielt gesucht bei der Jobwahl) oder die Möglichkeit von Homeoffice (das ich nicht gerne nutze und lieber die freiwillige Spätschicht vorziehe). Und warum rechtfertige ich mich überhaupt dafür? Dafür ist er nicht zufrieden mit den Dingen, die er hat – Unbefristeter Arbeitsvertrag, Karrieremöglichkeiten, die Möglichkeit das Gehalt zu verhandeln, anstatt sich dem Tarifrecht zu beugen oder Zusatzaufgaben/Positionen zu übernehmen. Das sind solche Momente, wo ich meinem inneren Patriarchen widerwillig recht gebe und mich dann auch für eigentliche Selbstverständlichkeiten, nämlich nicht von meinem Partner beneidet sondern unterstützt zu werden, schuldig fühle, oder dafür, dass ich es nicht einsehe bei der Gehaltsverhandlung tief zu stapeln. Ich gehe noch damit um in dem ich die Probleme ignoriere, auch da es sich jetzt von selbst erledigt hat. Jedoch befürchte ich, dann genau so zu enden wie meine Eltern, die sich durch das Nicht-Reden über die Arbeit und deren Schwierigkeiten auch das Reden in anderen Bereichen abgewöhnt haben, wodurch sie zu einer merkwürdigen WG geworden sind. Und das ist mir zutiefst zu wider. Mist – ich sollte es bei ihm ansprechen, denn zu seiner Verteidigung, er ist sonst ein absolut liebenswerter, liebevoller, kluger und für mich anziehender Mann, der mich auf Augenhöhe behandelt, den ich eben nicht deswegen – wie von meiner Vorrednerin angedeutet – in den Wind schieße (für mich ist Geld über deinem gewissen Komfort banal, für ihn aber nicht). Nur bei dem Thema Finanzen wird irgendetwas irrational (vielleicht bei uns beiden?).

    Es sind aber auch wiederkehrende Dinge auf Arbeit, die meinem inneren Patriarchen in die Hände spielen: Kollege wird die Entfristung verweigert, weil er angeblich in 2 Jahren zu oft krank war – in Zeiten von Corona wohl gemerkt. Unter der Hand erfährt man, seine Krankentage waren im Schnitt; er wagte es in der Zeit 2 Kinder zu zeugen und auch noch sage und schreibe 2x 2 Monate nicht zusammenhängend Elternzeit zu nehmen – so ein böser Junge…. Mir wurde übrigens von Kollegen geraten in meiner Befristung idealerweise kein Kind zu bekommen, sondern die Entfristung abzuwarten. Also es liegt nicht ausschließlich am Mann, wenn man (bzw. Frau) sich genötigt fühlt irgendwie mehr zu geben, bewusst Nachteile einzustecken um eine Hierarchie im Stil der 50er herzustellen. Die Gesellschaft hat ihren Anteil daran beide Geschlechter gepflegt durch schlechte Männer- und Frauenideale zu verkorksen. Irgendwann glaubt man die „Propaganda“, die einem eingeredet wird. Und dann wundern sich Menschen, dass Akademikerinnen zu spät oder nie Kinder bekommen, bei so einem kinderfreundlichen Umfeld, wohlwollend ignoriert seitens der Arbeitgeber. Arbeitgeber, die sogar noch feindlicher gegenüber Vätern sind und damit einer effektiven Gleichberechtigung im Weg stehen oder die gegen „Eltern-Kind-Büros“ oder Betriebskindergärten mit Arbeitsschutz auf dem kompletten Betriebsgelände argumentieren, als ob dieses einer Giftmülldeponie gleicht, und sich fleißig einer Gleichberechtigung entgegen stellen.

    Wie kann man bei solchen tagtäglichen „Kleinigkeiten“ dem eigenen inneren Patriarchen den Wind aus den Segeln nehmen, wenn er doch so nützlich ist und einem scheinbar Selbstbewusstsein gibt um zumindest auf Arbeit auch als Frau genügend Ei… ähm Ellenbogen zu benutzen?

  2. SCHREIEN ist schon mal gut. Jedenfalls besser als ertragen oder die Schuld bei sich suchen.
    Auf die Dauer hilft aber wohl nur, bei der Männerauswahl genauer hinzuschauen. Also die mit dem fragilen Ego möglichst schnell verabschieden.
    Das merken Sie doch schon nach dem ersten Date. Spätestens nach dem dritten.

  3. Fiona sagt

    Ich bin weiblich und muss sagen es gab einige Passagen in diesem Text, da hätte ich SCHREIEN können vor Wut.

    Mein Gott, ist das eine grundlegend unreife, toxische und unfaire Einstellung, wenn man als Frau lange Stunden arbeitet, mehr verdient und dafür „bestraft“ wird, in dem man auch noch mehr Haushalt machen soll, da der Herr sein fragiles Ego nicht im Griff hat und anscheinend lieber die Scheidung einreicht, als meinen Erfolg zu würdigen und mal an seiner Reife zu arbeiten.

    Es fühlt sich an wie ein Armutszeugnis, für so etwas zum Coaching gehen zu müssen, aber mir ist absolut bewusst, dass das eine gegebene Realität als Frau ist, mit der auch ich mich auseinander setzen musste. So, so vieles läuft in diesem Bereich schief, meiner Meinung nach besonders seitens des Mannes.

    Vielen Dank für den super geschriebenen, wenn auch inhaltlich hart zu verdauenden Artikel!

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