Schwiegermutter und Ehefrau haben oft keine einfache Beziehung. Vor allem, wenn der Ehemann ein Muttersohn ist. Aber wie wird ein Junge zum Mann?
Wenn die Schwiegermutter nervt, liegt es am Sohn, seiner Mutter Grenzen aufzuzeigen. Warum das schwierig ist und wie es dem Mann doch gelingen kann, lesen und hören Sie in diesem Fallbericht.
Das erste was mir bei Paul S., 33 Jahre, verheiratet, auffiel, war seine Kopfhaltung. Er hielt seinen Kopf nämlich fast durchgehend zur Seite geneigt, in einem Winkel von etwa dreissig Grad. Außerdem sprach er ziemlich leise.
Nachdem wir Platz genommen hatten, druckste er etwas herum.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich weiß auch nicht, ob ich bei Ihnen überhaupt richtig bin. Meine Frau hat mich geschickt. Sie meinte, ich müsse mich entscheiden. Sonst würde sie sich bald trennen.“
Weil der Klient nicht weitersprach, hatte ich Gelegenheit, kurz darüber nachzudenken, worum es wohl bei dieser so wichtigen Entscheidung ginge. Eine Jobsache? Oder die Kinderfrage? Oder hatte er eine Geliebte?
Meine Intuition, also spontane Einfälle und Ideen ist bei meinen 3-h-Coachings neben der Erfahrung und dem Fachwissen für mich die dritte wichtige Quelle von Informationen. Und so falsch lag ich mit meinen ersten Assoziationen gar nicht.
„Worum geht es denn bei Ihrer Entscheidung, mit der Sie noch Ihre Ehe retten können?“, fragte ich.
„Meine Frau meint, es ginge um meine Mutter. Sie würde sich zu sehr in unsere Ehe einmischen, darum geht es wohl“, antwortete der Klient.
Gerade mal zwei Minuten sind vergangen, und ich weiß bisher nur, dass es um zwei Frauen geht, die irgendwas wollen. Darüber, was der Klient wollte, hatte ich noch nichts erfahren, was mich zu der Vermutung brachte, dass es vielleicht um ein Muttersohn-Thema gehen könnte.
„Und wie sehen Sie das mit der Einmischung?“, fragte ich.
Der Klient blickte hilfesuchend im Raum umher. „Ich weiß nicht so recht. Meine Mutter will halt immer allen helfen. So war sie schon immer.“
„Und Ihre Frau will die Hilfe Ihrer Mutter aber nicht?“, fragte ich nach.
„Nein, sie findet, dass meine Mutter sich überall aufdrängt und einmischt. Meine Frau ist da eben etwas empfindlich, finde ich.“
Ich dachte sofort, es geht also um einen Konflikt zwischen Ehefrau und Schwiegermutter. Und dass der Mann seine Mutter verteidigt und – wenn auch zaghaft – seine Frau kritisiert, ist kein gutes Zeichen.
„Haben Sie mal ein Beispiel für eine solche Einmischung?“
„Ja, das war nach unserem letzten Urlaub. Wir kamen aus Griechenland zurück, waren gut erholt und betraten die Wohnung. Meiner Frau fiel sofort ein ungewohnter Geruch auf, ich fand alles wie immer. Ihr ließ das aber keine Ruhe, sie ging durch alle Zimmer und dann wusste sie plötzlich, was in der Zwischenzeit geschehen war. Meine Mutter hatte in unserer Abwesenheit alle Vorhänge gewaschen und der Geruch kam von dem anderen Waschmittel.“
Meinem Klienten war die Geschichte offensichtlich unangenehm, denn er blickte wieder hilflos im Raum umher. Ich wartete ab, denn ich hatte festgestellt, dass sich in der kurzen Zeit des Coachings bis jetzt, ein Frage-Antwort-Muster entwickelt hatte. Mein Klient antwortete nur auf meine Fragen und wurde nicht selbst aktiv.
Das ist immer ungünstig, weil der Coach dann sich immer neue Fragen ausdenken muss und vor allem, führt er dadurch automatisch das Gespräch. Es ist jedoch viel informativer, wenn der Klient die Richtung bestimmt. Deswegen hielt ich mich mit Äußerungen zurück und war neugierig, womit Paul S. fortfahren würde.
„Aber der richtige Schock kam erst, als meine Frau aus dem Fenster in den Garten schaute. Sie wurde fast hysterisch: »Wo ist mein Kräuterbeet – und wo ist mein Pfirsichbaum?« schrie sie.
Meine Eltern haben schon immer einen Schlüssel zu unserer Wohnung, für Notfälle. In unserer Abwesenheit meinte meine Mutter wohl, dass es eine gute Gelegenheit wäre, unsere Wohnung auf Vordermann zu bringen. Deshalb kümmerte sie sich um die Gardinen und wusch die Schränke aus. Mein Vater räumte im Garten auf. Das Kräuterbeet war vielleicht nach dem Winter nicht als solches zu erkennen und der Baum sah schon immer etwas mickrig aus. Aber sie haben es gut gemeint, sie wollten uns helfen.“
Wenn Schwiegermutter nervt, sollen Abwehrmechanismen unangenehme Gefühle verschleiern.
Bei Abwehrmechanismen handelt es sich um unbewusste Vorgänge, die verhindern sollen, dass schmerzhafte, inakzeptable und bedrohliche Impulse und Affekte, wie z.B. Angst, Schuldgefühle, Aggressionen oder Gefühle der Ohnmacht, der Überforderung, der Orientierungslosigkeit und Minderwertigkeit, ins Bewusstsein gelangen.
Zu den Abwehrmechanismen zählen beispielsweise Verdrängung, Verleugnung, Fixierung, Projektion – oder wie in der Begründung meines Klienten, die Rationalisierung.
Diesen Mechanismus kann man am besten so beschreiben: Da nennt man nennt einen guten Grund statt des richtigen.
- Der Schüler, der zu wenig gelernt hat, erklärt seine schlechte Note mit dem Unvermögen des Lehrers.
- Die Vorgesetzte lässt den unpünktlichen Mitarbeiter gewähren und begründet das mit ihrer gewaltlosen Führungsphilosophie.
- Die Entlassung eines Mitarbeiters wird mit seinen schlechten Leistungen begründet, nicht mit der persönlichen Abneigung des Chefs.
- Im Interview befragt, ob er die Macht liebe, antwortet der Vorstand, dass es ihm in seiner Position nicht um Macht gehe, sondern rein um die Gestaltungsmöglichkeiten.
- Der Drogenabhängige sieht seine Sucht als Protest gegen die bürgerliche Gesellschaft.
- Weil man den Posten schon vergeben hat, verweigert man der Bewerberin die Stelle mit der Begründung, dass sie überqualifiziert sei.
- Der Klient erklärt das übergriffige Verhalten der Eltern mit deren Hilfsbereitschaft.
Ich war mittlerweile überzeugt, dass meine Vermutung, dass der Klient ein Muttersohn ist, zutreffen könnte. Doch diese Information würde ihm nicht helfen. Entweder würde er sie abstreiten oder zugeben, dass er das auch schon vermutet hätte. In beiden Fällen wäre nichts erreicht.
Für eine Verhaltensänderung braucht es nicht in erster Linie Information und Einsicht. Sondern vor allem eine starke emotionale Erfahrung zu dem Thema. Diese zu ermöglichen unterscheidet meinen Coaching-Ansatz von vielen anderen.
Wie wird ein Junge zum Mann?
Durch Ultraschalluntersuchungen ab der 13. Schwangerschaftswoche wissen künftige heute Eltern frühzeitig Bescheid über das Geschlecht ihres Kindes. Spätestens ab jetzt entwickeln Eltern Phantasien und unbewusste Vorstellungen über den Jungen oder das Mädchen, die möglicherweise auch dem Ungeborenen „mitgeteilt“ werden. Genauso wie mögliche Ängste der Eltern so auf den Fötus übertragen werden können.
Frauen, die mit Männern negative Erfahrungen gemacht haben werden den Jungen vielleicht anders empfangen als Mutter mit positiven Männererfahrungen. Ein weiterer wichtigerEinfluss ist die Kultur, die Zeit und die Umgebung, in der das Kind zur Welt kommt. In einer patriarchalischen Kultur oder einem strengen Kastenwesen macht ein Junge von Geburt an andere Erfahrungen als ein Kind, das in einem westlichen Land mit weniger groben Unterschieden zwischen den Geschlechtern aufwächst.
Kinder übernehmen ihre Geschlechtsrolle meist durch Nachahmung entsprechender Personen. Bereits ab zwei Jahren ahmen Kinder Erwachsene ihres eigenen Geschlechts lieber nach als Erwachsene der gegengeschlechtlichen Seite. Jungen interessieren sich für die Tätigkeit des Vaters, Mädchen für die der Mutter.
Aber auch außerhalb des Elternhauses begegnen dem Kind unterschiedliche Frauen- und Männerrollen. Und es erlebt geschlechtsspezifische Bewertungen wie „So benimmt sich kein Junge!“ oder: „Hör auf zu flennen, du bist kein Mädchen!“ Auf diese Weise erfährt das Kind, was für sein Geschlecht wünschenswert und was unpassend erscheint.
Auch der Umgang in der Gruppe der Gleichaltrigen und andere Erwachsene formen das Jungen- oder Männerbild. Oft wachsen in den ersten zehn Jahren Jungen in einem überwiegend weiblichen Umfeld aufwachsen. In der Kita, im Kindergarten, in der Grund- oder Realschule, im Gymnasium sind deutlich mehr Frauen als Männer beschäftigt. Fehlt dann auch zu Hause ein männliches Vorbild durch den Vater, kann es sein, dass große, starke, sich männlich gebende Jungs als Vorbilder bei der Geschlechtsorientierung dienen.
„Erzählen Sie mir etwas von Ihrer Herkunftsfamilie. Haben Sie Geschwister?“, fragte ich.
„Ich bin Einzelkind. Mein Vater war Vertreter für Stoffe und die ganze Woche auf Reisen. Meine Mutter war nicht berufstätig und kümmerte sich um mich.“
„Und wie war so die Ehe Ihrer Eltern?“
„Harmonisch, denke ich. jedenfalls habe ich sie nie streiten sehen. Wenn mein Vater am Wochenende nach Hause kam, war er ziemlich fertig, wollte sich nur ausruhen. Meine Mutter hat das respektiert, schließlich brachte er das Geld nach Hause.“
„Das heißt, Sie haben wenig Zeit mit Ihrem Vater verbracht?“, vermutete ich.
„Ja, er hat sich auch nicht groß für mich interessiert. Die meiste Zeit zu Hause habe ich mit meiner Mutter verbracht. Sie zeigte mir, wie man Schnitzel macht und Schokoladenkuchen. Auch ihre Ängste und Sorgen besprach sie mit mir.“
„Wovor hatte Ihre Mutter denn Angst?“
Paul S. zögerte etwas. Irgendetwas schien ihm unangenehm an der Frage zu sein. „Sie konnte nachts oft nicht einschlafen, weil Sie Angst vor Einbrechern hatte. Und manchmal war es so schlimm, dass sie mich bat, zu ihr ins Bett zu kommen, was ich anfangs auch gern machte. Denn ihre Angst übertrug sich irgendwie auf mich.“
„Bis zu welchem Alter ging das?“, wollte ich wissen.
„Bis zu meinem dreizehnten Geburtstag. Da kriegte es mein Vater zufällig raus, vorher hatten wir es ihm beide verschwiegen, damit er sich nicht komisch fühlt.“
„Das heißt, Sie waren eine Art Partnerersatz für Ihre Mutter? Oft tagsüber und manchmal auch nachts.“
„Meinen Sie?“, war die verwunderte Antwort von Paul M.
Wenn Schwiegermutter nervt, war der Sohn oft ein „begabtes Kind“.
„Das Drama des begabten Kindes“. So lautet der Titel des ersten Buches der schweizerischen Psychoanalytikerin Alice Miller, in dem sie eine häufige ungute Konstellation in Familien beschreibt.
Das Drama des begabten, das heißt sensiblen, wachen Kindes besteht darin, dass es schon früh Bedürfnisse seiner Eltern spürt und sich ihnen anpasst, indem es lernt, seine intensivsten, aber unerwünschten Gefühle nicht zu fühlen.
„Wie haben Sie sich gefühlt, wenn Ihre Mutter sie so brauchte?“, fragte ich den Klienten.
„Ich kam mir wichtig vor. Als ich älter war, fand ich das mit dem im Ehebett Schlafen seltsam und ich wollte es manchmal nicht. Aber meine Mutter tat mir auch leid, weil ich spürte, dass sie neben meinem Vater einsam war und sie außer mir niemanden hatte.“
Das Drama des Muttersohns entwickelt sich, wenn der Junge etwa ab vier Jahren nicht aus der Sphäre des Weiblichen in die Welt des Männlichen findet. „Primitive“ Völker haben dafür eigene Rituale. [bctt tweet=“Denn Mannsein lernt man nicht von Frauen, sondern von Männern.“ username=“RKoppWichmann“]
Am besten, wenn dafür der eigene Vater zu Verfügung steht. Doch oft sind die Väter physisch wenig präsent durch den Beruf wie bei meinem Klienten. Oder sie sind emotional nicht erreichbar. Verbringen keine oder zu wenig Zeit mit ihrem Sohn oder sind desinteressiert. Dann wendet sich der Junge mit seinen emotionalen Bedürfnissen meist an die Mutter.
Ist die Mutter alleinerziehend oder die Ehe der Eltern ist mehr Wohngemeinschaft als Partnerschaft kann es sein, dass der Junge zum Muttersohn wird und es ihm an männlicher Identitätsentwicklung mangelt.
Diese These wollte ich mit meinem Klienten überprüfen.
Was Nicht-Erwachsen-Sein mit einer Schwiegermutter, die nervt, zu tun hat.
„Was man lernen will, muss unter die Haut gehen.“
Diese Ansicht vertritt der Neurobiologe Gerald Hüther. Intellektuelle Einsicht allein verändert nichts. Nur durch die Aktivierung emotionaler Zentren im Gehirn werden bestimmte Botenstoffe freigesetzt, wodurch das Erfahrene in neu gebildeten Netzwerken verankert werden kann.
Aus diesem Grund mache ich in meinem 3-h-Coaching mit Klienten kleine Experimente, die Emotionen wecken sollen. Wenn ich Paul S. meine Vermutung, dass er ein Muttersohn ist, mitgeteilt hätte, würde das nichts bewirkt haben. „Interessanter Gedanke“, wäre vielleicht sein Kommentar gewesen.
Stattdessen bat ich den Klienten, es sich in seinem Sessel bequem zu machen, die Augen zu schließen und darauf zu achten, welche Reaktionen in ihm auftauchten, wenn er Folgendes hörte:
„Ich bitte Sie, mal den Satz zu sagen: »Ich bin ein erwachsener Mann«“
Seine Reaktion kam sofort: Ein langsames, deutliches Kopfschütteln.
Auf mein Nachfragen, was er als Reaktion auf den Satz erlebt hatte, sagte er: „Da war sofort ein Gedanke in mir: Das stimmt nicht!“
Jetzt waren wir am Engpass. Also an jenem inneren unbewussten Konflikt, der das Lebensthema meines Klienten bis jetzt bestimmte.
„Welcher Teil des Satzes stimmt denn nicht?“, fragte ich nach. „Das ‚erwachsen‘ oder das ‚Mann sein‘?“
„Eigentlich beides“, antwortete er.
„Und was sind Sie dann, wenn Sie kein erwachsener Mann sind?“
„Ein Junge“, war seine leise Antwort.
„Genau“, bestätigte ich „Sie fühlen sich immer noch als der Junge Ihrer Mutter.“
Die Schwiegermutter, die nervt und die Schwiegertochter haben eine schwierige Beziehung.
Denn beide lieben meistens denselben Mann. Und der Mann liebt beide Frauen. So kann es zu Übergriffen und Grenzverletzungen der Schwiegermutter kommen:
- Sie gibt der Schwiegertochter Gebrauchsanweisungen, worauf diese bei „ihrem“ Sohn achten müsse (Kleidung, Ernährung, Vorlieben und Abneigungen)
- Sie kann schlecht die Grenzen des Paares einhalten. Späte Anrufe oder ganz früh am Sonntagmorgen sind die Folge. Zeigt man seinen Unmut, gilt man als empfindlich und sie zieht sich gekränkt zurück.
- Sie übernimmt ohne Auftrag das Bügeln seiner Wäsche.
- Überraschende Besuche, um etwas abzugeben oder nachzufragen.
- Häufige Einladungen, gemeinsam ins Konzert zu gehen oder in Urlaub zu fahren.
- Großzügige Geschenke oder finanzielle Zuwendungen an den Mann.
- Bei Einladungen und Festen wird die Ehefrau schnell mal übersehen, übergangen, scherzhaft abgewertet.
Wenn der Mann ein Muttersohn ist, kann die Partnerin des Ehemanns dies auch in vielen Situationen erkennen:
- Er hat spät das Elternhaus verlassen, vielleicht noch nie allein gelebt.
- Bei Konflikten steht er meist seiner Mutter bei und versteht nicht, warum seine Frau sich so aufregt.
- Er vergisst vielleicht den Hochzeitstag aber nie den Muttertag oder den Geburtstag seiner Mutter.
- Er ruft seine Mutter oft an, besucht sie, isst oder übernachtet bei ihr – ohne sich dabei was zu denken.
- Wünsche und Forderungen der Mutter sind ihm heilig. Bei anderen Menschen kann er sich besser abgrenzen.
- Vor allem wenn ein Kind da ist, rückt der Mann innerlich näher zur Mutter anstatt Vater zu sein.
- Sein Kontakt zum eigenen Vater ist kühl, sachlich oder distanziert.
Das größte Problem dabei: Der Mann hat für all diese Vorkommnisse oder Beobachtungen absolut kein Gespür.
Will die Partnerin mit ihm darüber sprechen, wiegelt er immer ab. Findet, dass sie maßlos übertreibt, zu empfindlich sei, seine Mutter nicht leiden könne.
Der Grund dafür: Dem Mann ist seine starke Identifikation mit seiner Mutter, von der er sich nicht gelöst hat, überhaupt nicht bewusst.
Wenn Sie mehr über diese Thematik lesen wollen, ich habe ein ganzes Buch darüber geschrieben. Einfach auf den Buchtitel rechts klicken.
Warum hält jemand dauernd den Kopf schief?
In der dritten Stunde des Coachings arbeiteten wir daran, wie Paul S. zeigen könne, dass er ein erwachsener Mann ist.
Auch das wollte ich nicht rational mit ihm erörtern, sondern ihn emotional erleben lassen. Dazu kam ich nochmal auf meine Beobachtung vom Anfang zurück: das fortwährende Schiefhalten des Kopfes.
Wieder lud ich Paul S. zu einem Experiment in Achtsamkeit ein.
Diesmal ging es aber nicht um einen Satz, sondern ich bat ihn, mit geschlossenen
Augen seinen Kopf ganz langsam, millimeterweise, in eine aufrechte Position zu bringen.
Und natürlich dabei genau beobachten, welche Reaktionen das in ihm auslöst.
Das Experiment klappte besser als ich gehofft hatte. Paul S. berichtete, dass ihm die aufrechte Kopfhaltung natürlicher erschien, er aber sofort eine unerklärliche Angst dabei gespürt habe. So als würde er gleich mich verbal angreifen – oder dass ich ihn angreifen könne.
„Bingo!“, dachte ich.
Die Beißhemmung ist eine bei vielen Tierarten vorhandener angeborener Schutzmechanismus, der dazu führt, dass ein im Kampf unterlegenes Individuum vom siegreichen Artgenossen nicht ernstlich verletzt wird, sofern das unterlegene Tier seine Niederlage durch eine „Demutsgeste“, zum Beispiel bei Hunden das Zeigen der Kehle, kenntlich macht.
Der Klient hatte erlebt – nicht durch Nachdenken, sondern durch Spüren – dass sein Schieflegen des Kopfes eine Beisshemmung ausdrücken sollte: „Ich tu dir nichts, ich bin harmlos.“ Dieselbe Kopfhaltung kann man oft bei Frauen beobachten, die einer Bitte sanften Nachdruck verleihen wollen: „Ach bitte, glauben Sie mir, ich habe wirklich nur vergessen, einen Fahrschein zu kaufen.“
Nur zwei Zentimeter Aufrichten des Kopfes ließen Paul S. spüren, dass er gar nicht mehr so nett war – was ihn ängstigte.
Wir sprachen dann darüber, dass er auch nie mit seinem Vater oder Schulkameraden gerauft hatte. Also jenes wichtige spielerische Feld, wo man die eigene Kraft spürt und lernt, Grenzen zu respektieren.
Ich empfahl ihm, dieses Aufrichten des Kopfes öfters auszuprobieren, zusammen mit dem Satz „Ich bin ein erwachsener Mann“. Und dann darauf zu achten, welche Impulse und Wünsche in ihm auftauchten.
PS: Nach vier Wochen bekam ich eine Mail von Paul S.
Es ginge ihm gemischt. Mit seiner Mutter habe er einen Riesenstreit gehabt, als er ihr sagte, dass er so etwas wie den „Gardinenüberfall“ nicht noch einmal erleben wolle. Sie habe völlig verständnislos reagiert, sei ausfallend geworden. Seitdem herrsche Funkstille und er wisse nicht, ob er sie anrufen oder es mal aussitzen solle.
Auch mit seiner Frau gebe es jetzt öfters Diskussionen, weil er mehr wage, zu sagen, was ihm nicht gefalle. Das wäre für beide neu und aufregend.
Aber insgesamt denke er, dass er sich auf einem Weg befinde, der richtig und notwendig sei.
Weitere Fallgeschichten aus meiner Coachingpraxis finden Sie hier:
- „Wie Werte helfen, Prioritäten im Beruf- und Privatleben zu ordnen.“
- „Was mache ich mit den ganzen Idioten in meiner Firma?“
- „Ich hasse meine Mutter und soll sie jetzt pflegen?“
- „Ich sei passiv-aggressiv, meint meine Chefin.“
- „Ich fühle mich nirgends zugehörig.“
- „Meine Zwangsstörung macht mich fertig!“
- „Warum sabotieren wir uns selbst?“
- „Im Aufschieben bin ich Weltmeister!“
- „Mit 45 bin ich immer noch der Juniorchef.“
- „Ich bin einfach zu nett!“
- „Karriere Top, Privatleben Flop!“
- „Ich kann keine Entscheidungen treffen.“
- „Ich habe alles erreicht!“
- „Delegieren kann ich nicht.“
PS: Alle Fallgeschichten sind real, aber so verfremdet, dass ein Rückschluss auf meine Klienten nicht möglich ist und die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.
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Wie geht es Ihnen mit Ihrer Mutter oder Schwiegermutter?
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