Wie ändern Menschen ihr Verhalten?

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Emotionale Intelligenz / Neurobiologie / Zeitmanagement

„Ich will so bleiben, wie ich bin!“ lautet ein Werbeslogan für fettreduzierte Lebensmittel mit dem verheißungsvollen Markennamen „Du darfst“. Doch wer seine Lebensmaximen morgens von der Margarinepackung abliest, muss sich nicht wundern, wenn das Versprochene nicht immer eintritt.

Denn natürlich hat es die Natur so eingerichtet, dass bei allem Lebendigen nichts so bleibt wie es ist. Glücklicherweise sorgen unsere Wünsche, Bedürfnisse und das Leben mit seinen Herausforderungen dafür, dass nicht sehr lange etwas so bleibt, wie es ist. Kurz gesagt, die meisten Menschen wollen immer wieder mal etwas in ihrem Leben verändern. Was die spannende Frage aufbringt: Wie kann man eigentlich etwas verändern?

Da dies ein Persönlichkeitsblog ist, habe ich die Frage umformuliert zu: Wie ändern Menschen ihr Verhalten?

Es gibt im Grunde zwei Arten, zu lernen bzw. sein Verhalten zu ändern.

  1. Lernen durch neue Information.
    Angenommen, Sie kochen Pellkartoffeln und mögen aber keine Schale mitessen. Wie kriegen Sie die Schale von der Kartoffel?
    Nun, wahrscheinlich nehmen Sie bisher ein Messer – oder Ihre Finger – und puhlen mühsam die Schale ab. So haben Sie es gelernt. Aber es gibt noch eine andere Methode. Damit haben Sie jede gekochte Kartoffel in weniger als fünf Sekunden (!) geschält. Wissen Sie wie?Hier kommt der Trick:
    [youtube]http://de.youtube.com/watch?v=wjz3NV8l0zI[/youtube]So, für den Rest Ihres Lebens können Sie das jetzt. Das ist Lernen auf Anhieb. Kein Nachdenken, kein Üben – jemand zeigt Ihnen, wie es geht und ab dem Moment können Sie es.Punktum.

    Das ist so ähnlich, wie wenn Sie als Computer-Neuling in einer Anleitung lesen  Press Any Key To Continue“ und Sie verzweifelt auf Ihrer Tastatur die Taste mit der Bezeichnung „Any“ suchen.

  2. Gemeinerweise lassen sich nicht alle Dinge so schnell lernen.
    Der von mir fachlich sehr geschätzte Trainer Matthias Pöhm schreibt in seinem neuesten Newsletter dazu:„Dann gibt es aber die zweite Art zu lernen: Die ist wie beim Klavierspielen: Man kann es Ihnen zeigen, aber Sie müssen es erst Stunden, Tage und Wochen üben, bevor Sie es wirklich selbst beherrschen.“… 95 Prozent des Lernens ist wie Klavierspielen lernen. Deswegen nennt sich unser Beruf „Trainer“. Weil wir neues Verhalten trainieren müssen, wenn jemand Fortschritte machen soll. Die Fortschritte passieren nicht über das „Kennen“ sondern über das „Können“.Wenn ich zu Vorträgen eingeladen werde, wo mir der Veranstalter sagt; „aber diese Leute wollen keine Übungen machen, die sind das nicht gewohnt. Die wollen nur zuhören und Anregungen haben“ dann lehne ich inzwischen diese  Vorträge ab. Da können die ja gleich in die Kirche gehen und die Predigt hören, da ändert sich nämlich auch nichts.

    In meinen 11 Jahren, in denen ich jetzt Trainer bin, habe ich eines lernen müssen: Sie lernen fast nichts über das Vermitteln, Sie lernen fast alles über das Trainieren. Deswegen funktionieren Ihre Memos nicht, die Sie an Ihre Mitarbeiter schicken, um neues Verhalten vorzugeben. Deswegen funktionieren die immer selben Anweisungen beim Morgenmeeting nicht. Deswegen funktionieren die Plakate mit Sinn stiftenden Botschaften an den Wänden Ihrer Firmenflure nichts. Sie ändern fast nichts über das Sagen, Sie ändern fast alles über das Trainieren.

    Und jetzt wissen Sie auch, warum sich unsere Welt nicht weiter bewegt. Alle Botschaften, die aus uns einen besseren Menschen machen sollen, sind schon 100.000 fach gesagt worden. GESAGT. Geändert hat sich nichts. Wir müssen diese Botschaften trainieren, trainieren, trainieren, trainieren!

    Wenn Ihnen jemand sagt: „Kümmere Dich doch nicht, was andere von Dir denken!“ Dann hat diese Botschaft noch fast keinen Menschen geändert. Jetzt müssen Sie ein Übungsprogramm durchziehen, in dem Sie Stück für Stück Dinge tun, die Sie bisher nur deswegen nicht getan haben, weil Sie die Angst haben: „Was könnten die Anderen jetzt von mir denken“.

    Da nehmen Sie z.B. eine Plastikente, binden sie an eine Schnur und ziehen Sie so durch die Fußgängerzone. Alleine! Zuhause in den vier Wänden mit Ihren Kindern, würden Sie so etwas tun. Der einzige Grund, dass Sie es draußen nicht tun ist: „Was denken die anderen von mir?“.

    So ein Trainingsprogramm ist den meisten zu hart. Sie wollen es einfacher haben. Aber das ist der Weg, wie Sie jedes wünschenswerte Verhalten erreichen können. Es dauert halt Wochen, Monate und Jahre. So können Sie lernen, Eifersucht in Ihr Gegenteil zu verkehren, so können Sie lernen, einem Menschen in Not zu helfen, selbst wenn Sie Ihr eigenes Wohl riskieren, so können Sie lernen, dass Sie auch dann geben, selbst wenn Sie schon fast nichts mehr haben, so können Sie lernen, jeden Menschen als Teil von Ihnen zu sehen.“

Kollege Pöhm hat in vielem recht, finde ich. In meinen Vorträgen baue ich auch gerne Übungen ein, weil es einen Unterschied macht, ob jemand hört, dass es ein Unbewusstes gibt – oder ob er es erlebt. Ob ich darüber spreche, dass prägende Erfahrungen aus der Biographie heute unser Verhalten beeinflussen – oder ob jemand das ganz konkret im Vortrag spüren kann.

Eine Übung wie die mit der Plastikente habe ich früher in meinen „Selbstbewusstseinsseminar“ auch gemacht. Da ging es darum, in der Fußgängerzone rückwärts zu laufen oder mit erhobenen Händen laut „Uhh!“ zu rufen. Ich bin aber davon abgekommen. Vor allem, weil mir der nachhaltige Effekt zu gering war. Die Teilnehmer haben sich eben meist zusammengerissen, ihre Angst für fünf Minuten überwunden und dann gestaunt, dass tatsächlich nichts passiert. Die meisten Passanten bemerken es gar nicht. Andere lachen. Ganz mutige fragen: „Kann ich mitlaufen?“ Aber es passiert rein gar nichts.

Was zeigt, dass die „Angst vor den anderen“ nicht „von den anderen“ kommt. Sondern dass die Angst etwas mit Ihnen zu tun hat. Dass der Konflikt „innen“ ist – nicht außen. Das ist wie mit dem Feuerlaufen, was vor einigen Jahren der große Renner als Seminar war. Natürlich ist es ein Riesenerlebnis, wenn man etwas schafft, wovor man große Angst hat und dass einem unmöglich erscheint. Aber auch dort lässt die Umsetzung der gewonnen Stärke oft zu wünschen übrig. Wer barfuß über glühende Kohlen lief, traut sich deshalb nicht unbedingt, bei seinem Chef eine längt fällige Gehaltserhöhung einzufordern. Oder seinem Partner zu sagen, was einen an ihm oder ihr stört.

Um Ängsten wirkungsvoll zu begegnen, hilft es selten – auf einem Gebiet Tapferkeit bewiesen zu haben. Wichtiger ist meiner Ansicht nach, die Quelle der Angst genauer zu untersuchen. Denn unsere tiefsten Ängste sind fast immer Erlebnisse aus Beziehungserfahrungen. Wenn jemand Angst davor hat, „was die anderen denken könnten“, dann bezieht sich das ja nicht auf die Menschen heute in der Fußgängerzone. Sondern meist ist es eine emotional prägende Erfahrung, die man als Kind oder Jugendlicher gemacht. Zum Beispiel, wenn man auf dem Dorf wohnte, wo die soziale Kontrolle stark war und wo man spürte, dass es oft die Angst der Eltern war, ausgeschlossen zu werden aus der Gemeinschaft. Und diese Angst hat man unbewusst übernommen.

Deshalb mache ich in meinen Trainings keine Rollenspiele mehr, wo man im Seminar neue Verhaltensweisen einübt, was aber in der Wirklichkeit dann doch nicht so klappt. Sondern wir schauen auch in die Vergangenheit, woher diese Ängste kommen. Und dort findet man fast immer eine entsprechende Situation. Die muss man bei der Bearbeitung ein Stück emotional nacherleben. Denn Veränderung passiert nicht über den Verstand – da hat Kollege Pöhm völlig recht. Das Lernen muss unter die Haut gehen, damit im Gehirn neue Verschaltungen gebahnt werden. Das ist intensiv, manchmal sehr emotional – aber auch höchst wirksam.

Aber das ist erst der Anfang. Bei meinen 3-Tage-Seminaren, die max. sechs Teilnehmer haben, schaffen wir es fast immer, einen grundlegenden inneren Konflikt aufzuspüren, der den Menschen bisher hindert, sein Verhalten in die gewünschte Richtung zu verändern.*

Aber nach dem Seminar geht die Arbeit weiter. Jeder Teilnehmer, der etwas verändern will, muss jetzt dranbleiben. Und das neue Verhalten „üben“ (wie beim Klavierspielen). Konkret kann das heißen:

  • Wer mit seiner Zeit Probleme hat, kann täglich üben, sich mehr abzugrenzen, nein zu sagen, seine Perfektionsansprüche überprüfen, sich bewusst mehr Zeit für „Nichtstun“ zu reservieren.
  • Wer Angst hat sich zu äußern, kann täglich üben, in Meetings mindestens dreimal etwas zu sagen, seinem Kollegen zu widersprechen,  an der Supermarktkasse bitten, vorgelassen zu werden usw.
  • Wer dominant oder arrogant auftritt, kann lernen, sich zurückzunehmen, Fragen zu stellen anstatt Erklärungen abzugeben, sich für andere zu interessieren anstatt nur sich selbst darzustellen.
  • Wer über Stress klagt, kann sich vornehmen, jeden Tag eine halbe Stunde spazieren zu gehen, ein Buch zu lesen, zu meditieren, einen Yoga-Kurs zu besuchen etc.

All das ist am Anfang nicht einfach. Das hat vor allem neurobiologische Gründe. Unsere Gewohnheiten im Denken, Fühlen und Handeln sind jahrzehntelang gespurt wie sechsspurige Autobahnen. Hier die Ausfahrt zu nehmen und einen anderen Weg einzuschlagen, ist zwar möglich – aber ungewohnt. Aber die  meisten Veränderungen passieren nur so. Nicht allein durch eine großartige Erkenntnis oder die begeisternde Rede des Vorstandsvorsitzenden.

Was sind Ihre Erfahrungen mit Veränderungen?

 

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Foto: © Emin Ozkan – Fotolia.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.