Als Ursache der gegenwärtigen weltweiten Finanzkrise gelten je nach politischer und ideologischer Orientierung jeweils unterschiedliche Fakten und Argumente.
Ist es die Maßlosigkeit des kapitalistischen Denkens der Menschen, die immer mehr wollen. Oder ist es die Gier einiger Bankmanager, die wie in einem Rausch über den Möglichkeiten exorbitanter Gewinne die Risiken ausblendeten.
Glaubt man einigen nüchternen Wirtschaftsexperten, so lassen sich für die Finanzkrise folgende chronologische Schritte aufzeigen:
- Finanzverhalten des Durchschnittsamerikaners, indem er Käufe ohne ausreichendes Kapital tätigt. So konnte man ein Haus kaufen und es zu 100 Prozent ohne Sicherheiten finanzieren . (Bei uns ist das nur mit entsprechendem Eigenkapital oder eben entsprechende Sicherheiten möglich).
- Neben den Hypothekendarlehen wurden in großem Umfang auch Konsumentenkredite vergeben.
- Um das eigene Risiko zu senken und die Rendite zu erhöhen bündelten viele Banken Darlehen mit schlechter Bonität und verkauften sie als Fondprodukte. In Deutschland und Europa wurden diese Fonds gerne gekauft weil sie eine hohe Rendite versprachen.
- Durch einen Rückgang der Immobilienpreise konnten viele US-Bürger ihre Kreditraten nicht mehr zahlen.
- Viele Banken mussten die faulen Kredite abschreiben. In der Folge brachen etliche große Banken unter der Last der Zahlungsverpflichtungen zusammen.
Soweit die Choronologie der Ereignisse.
Doch wie konnte es zu einer solchen Entwicklung überhaupt kommen?
Kluge Antworten auf diese Frage fand ich in einem Interview der Zeitschrift brandeins mit dem Währungsexperten Bernard Lietaer.
Nicht die Gier einiger abgehobener Bankmanager sei die Ursache der gegenwärtigen Finanzkrise, sondern die zu hohe Effizienz des gesamten Finanzsystems, meint Lietaer.
Aus der Sicht der Systemforschung
1. sind komplexe Systeme dann über längere Zeit lebensfähig, wenn sie nicht nach maximaler Effizienz streben, sondern gleichzeitig auch belastbar sind.
2. Will ein System dauerhaft lebensfähig sein, muss seine Belastbarkeit doppelt so groß sein wie seine Effizienz.
Die in den letzten Jahren erfolgte Konzentration im Bankenwesen steigerte seine Effizienz und sorgte für eine enorme Instabilität. Doch wenn eine Bank so groß geworden ist, dass sie nicht pleite gehen darf, weil der Schaden für die Wirtschaft zu groß wäre, zahlt der Steuerzahler die Zeche für die aufgeblähte Effizienz des Systems. Weil die Bank Lehman Brothers nicht von der US-Regierung gestützt wurde, begann die Finanzkrise sich auszuweiten. Die Bundesregierung versucht mit -zig Milliarden, die hiesigen Banken zu stützen, damit die gesamte Wirtschaft nicht abschmiert.
Folgt man Bernard Lietaer, müsste die Therapie gegenläufig sein. Nur durch mehr Vielfalt und einen höheren Grad von Vernetzung könne unser Finanzsystem wieder stabiler werden. Das heißt auch, sich vom Bankengeld als alleinigem Zahlungsmittel zu verabschieden.
Wie das gehen soll? Indem man mehr Komplementärwährungen nutzt. In der Schweiz gibt es das seit dem Jahr 1934. Unternehmen geben sich gegenseitig Kredite und arbeiten mit diesem „Buchgeld“. Auch die Gewerbesteuer könnte man in einer lokalen Komplementärwährung nutzen. Entsprechende Ansätze gibt es zum Beispiel in Frankreich.
Das größte Hindernis bei der Umsetzung dieser Strategie ist unser Glaube an eine einzige Art von Geld. Und natürlich die Banken haben an derlei Ideen kein Interesse.
Aber es gibt andere Möglichkeiten, dass man etwas bekommt oder erwirbt, ohne dafür mit Geld zu zahlen. Tauschhandel funktioniert zum Beispiel so. In früheren Zeiten war das gang und gäbe. Aber auch heute gibt es das noch.
Tauschringe bieten in Zeiten einer angespannten wirtschaftlichen Lage, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, für dringend benötigte Waren und Dienstleistungen Alternativen an. Hier noch ein Beispiel.
Als ich das Interview las, wurde mir klar, dass sich diese Erkenntnisse der Systemforschung, dass ein System, je effizienter es ist, dafür mit mangelnder Belastbarkeit büßt, ist ungemein wichtig.
Denn das gilt ja dann auch für alle möglichen anderen Bereiche.
- Als Industrienation sich hauptsächlich von einer Energieart (egal ob Erdöl, Strom, Gas, Wasser) und einem Lieferanten abhängig zu machen, ist bequem und effektiv.
Seinen Energiebedarf durch unterschiedliche Quellen und Lieferanten zu decken,macht einen weniger erpressbar, unabhängiger, kostet aber viel mehr Aufwand. Eine Fichtenmonokultur ist zwar enorm effizient aber andererseits auch sehr anfällig für Schädlinge, die den ganzen Bestand vernichten können. Ein Mischwald ist resistenter, macht aber mehr Arbeit.
Sich als Landwirt nur auf die Milchproduktion zu spezialisieren, spart Kosten und erhöht die Rentabilität. Sinkt der Milchpreis, büßt man diese Effektivität, weil man nicht noch ein zweites Standbein hat.- Als Selbständiger 80 Prozent seiner Umsätze mit einem Auftraggeber abzuwickeln, ist bequem und lukrativ – und kann, wenn dieser Auftraggeber ausfällt, existenzbedrohend sein.
Sicherer und aufwendiger ist es, mehrere Kunden zu akquirieren und diese zu pflegen. - Viele Menschen in Vororte mit großen Wohnblocks zu verfrachten, ist wirtschaftlich betrachtet erst einmal kostengünstig und effektiv. Die oft auftretenden „Folgekosten“ durch Kriminalität, Drogenhandel und andere Probleme zeigen, wie wenig belastbar so eine Lösung oft ist.
- Nur für die Arbeit in Sechzehn-Stunden-Tagen zu leben und keine anderen Interessen zu haben, ist für Karriere und Einkommen vermutlich sehr effektiv.
Doch über die Zeit „bezahlt“ mancher diese Effektivität mit Krisen im gesundheitlichen oder familiären Bereich. - Wer seine Ernährung hauptsächlich mit Pizza und Fertiggerichten aus der Mikrowelle erledigt und zusätzlich Vitaminpillen schluckt, spart Geld und Zeit beim Einkaufen und Kochen (hohe Effektivität).
Auch wer fastet oder eine Crash-Diät macht, um abzunehmen, handelt erst einmal effektiv. Doch sein System ist nicht belastbar. Bald kommt die Essenslust zurück und man ist in der Jo-jo-Falle gefangen.
Sich gesund und abwechslungsreich zu ernähren, ist mühsamer und zeitaufwendiger, doch Gewicht und Gesundheit sind belastbarer.- Auch eine Partnerschaft wird belastbarer, wenn man Unterschiede in den jeweiligen Meinungen zulassen kann und nicht bekämpfen muss. Wenn strittige Punkte diskutiert, verhandelt und gelöst werden anstatt ausgesessen oder man des lieben Friedens willen immer nachgibt oder es dem anderen immer recht machen will.
Die Erkenntnis der Systemforschung lässt sich auf viele Bereiche übertragen und sinnvoll anwenden. Effektivität und Belastbarkeit stehen sich als Polaritäten gegenüber:
Je effektiver, umso weniger belastbarer.
Je belastbarer, desto weniger effektiv.
Belastbarkeit steigert man durch Vielfalt und Vernetzung. Doch lässt sich leicht sehen, dass gesellschaftlich der schnellen Effektivität oft ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. In der Heidelberger Hauptstraße verschwinden seit Jahren immer mehr Fachgeschäfte, weil viele Hausbesitzer höhere Mieten mit Kettenläden und Coffeeshops erzielen können. Als Bürger zahlt man diese Entwicklung mit durch eine immer gesichtslosere und austauschbare Innenstadt, die dann durch Altstadtfeste und Events künstlich belebt werden soll.
Wie immer im Leben, kommt es darauf an, eine gute Balance für sich selbst zu finden. Die ist individuell verschieden. Als ich vor vielen Jahren in einem Strukturvertrieb Finanzanlagen verkaufte, war ich spezialisiert auf zwei Produkte und enorm erfolgreich. Aber geistig empfand ich diese Effektivität verarmend und mit Ausblick auf die Zukunft dadurch zu belastend.
Heute ist zum Beispiel das das Blog-Schreiben für mich eine gute Abwechslung zu der direkten, oft intensiven Arbeit mit Menschen.
Welche anderen Beispiele fallen Ihnen ein?
Wie sorgen Sie für den Ausgleich von Effektivität und Belastbarkeit?
Schreiben Sie hier Ihre Meinung dazu.
PS: Wenn Ihnen dieser Beitrag gefiel …… dann empfehlen Sie ihn doch weiter. Einfach hier unten auf “Weitersagen” klicken.
… oder schreiben Sie einen Kommentar.
… oder abonnieren Sie neue Beiträge per Email. Einfach links Adresse bei eintragen.
Fotos: © Phoenixpix, bluefern, reises – Fotolia.com
Hallo Herr Kopp-Wichmann,
zu den Krisenszenarien der Tagespresse & den menschlichen Ressourcen habe ich so ein kleines eigenes Geschichtchen . . . Da stehen Schalen voll mit Reis
und niemand geht hin … Habt ihr schon einmal gesehen wie ein Hund versucht hat sich eine Hundehütte zu zimmern ?
Nein ? Ich auch nicht ! Was ich aber gesehen habe ist, dass ein Hund bei ungemütlichem Wetter eine Schutzmöglichkeit sucht und findet. Sei es ein schützender Baum, ein parkender
LKW oder eine Toreinfahrt in der er sich geschützt hält.
Was der Hund in so einem Fall abruft sind seine Instinkte, sind seine Ressourcen, die in ihm liegenden Fähigkeiten mit einer ungemütlichen Situation umzugehen. Bravo !
Wenn ich dagegen in das wirtschaftliche Umfeld im Zeichen einer aktuellen „Finanzkrise“ schaue, in dem Menschen mit zum Teil beträchtlichen Intelligenzquotienten weitreichende Entscheidungen treffen, andere Menschen verantwortlich anleiten und Geldmittel sowie Beratungs-Knowhow in beträchtlichem Ausmaß zur Verfügung haben, dann frage ich mich wirklich, welchen Wirkungsgrad erzielen diese Spitzenkräfte bei der Nutzung ihrer inneren Ressourcen.
Hunde finden gemäß ihrer Ressourcen einen Wetterschutz, Führungskräfte in der Wirtschaft fangen öffentlich an zu weinen und bitten den Staat um finanzielle Hilfe.
„Da stehen Schalen voll mit Reis, und niemand geht hin . . .“
Jetzt wird der eine oder andere vielleicht denken, o.k. in China, da ist ja noch alles gut am Laufen. Aber weit gefehlt, es geht nicht um etwas weit entferntes – es geht um etwas, dass zum Greifen nah ist – das eigene innere Potential der eigene innere Reichtum eines jeden Menschen.
Ein nicht zu unterschätzendes Problem bei diesem Prozess der Hebung der eigenenvInneren Schätze ist die instrumentalisierende Kontrollhaltung der Schatzsucher.
Die inneren Schätze des Menschen formen sich aus einem Mysterium mit spiritueller Dimension, die wenigsten Menschen aber sind bis jetzt in der Lage in diese spirituelle Dimension vorauszuschauen. Da also dieser Entstehungsprozess sich dem Auge des analysierenden Kontrollwesens entzieht, gewinnt ein anderes Element in ökonomisch – kreativen Prozessen
an Bedeutung – VERTRAUEN .
Viele Menschen haben diesen grundlegenden Wandel bereits erkannt und erschließen sich, aus einem persönlichen Veränderungswunsch heraus, ihre ureigensten Ressourcen.
Die Wege der Veränderung – hin zum Selbstverständlichen, führen oft vorbei an den Klippen von Gewohnheitsmustern im Denken, Fühlen und Handeln , durch Chaos von Neuordnung und schließlich zum Prozess der Entfaltung des Neuen.
In solchen Genesisprozessen spielt die Kommunikation mit dem Unbewussten eine maßgebliche Rolle. Innere Ressourcen können so mittels Hypnose und Selbsthypnose wiedergefunden und aktiviert werden und stehen Ihnen dann hilfreich in jeglichen Alltagsituationen zur Verfügung.
Tja, hier kann man zur Flexibilisierung des Denkens mal nachlesen: http://www.hypnose-therapie.com/info/Neuronen-processing.html … und wer weiß, vielleicht erkennen wir solche Genies etwas schneller =o ).
http://www.youtube.com/watch?v=3C3rQad5I6c
Herzliche Grüße aus meinem Universum
Andreas T. Schwarz
Hallo,
die These von Effektivität und Belastbarkeit läßt sich auf die unterschiedlichsten Bereiche übertragen. Selbst unsere Kinder bleiben nicht davon verschont. Bereits im Babyalter beginnt die Frühförderung, in den Mittelstufen der Gymnasien gibt es die sogenannten „verkürzten Züge“, die das Abitur mit 17 Jahren ermöglichen sollen. Die gesparte Zeit verbringen die dermaßen früh Ausgelaugten vielleicht schon mit zwanzig Jahren mit Burn-Out Symptomen auf der Couch eines Psychotherapeuten. Gut, wenn Eltern sich noch daran erinnern, wie wohltuend ungeplante Freizeit und kreatives Spielen sich auf die Kinderseele auswirken und dem Mensch Ressourcen und Belastbarkeit für ein ganzes Leben verleihen.
Nicole Theisen
Hallo liebe Frau Ast,
schön gesagt, wie Sie meinen Job hier beschreiben: „Anderen ein bisschen die Welt erklären.“ Zumindest die Welt und bestimmte Erscheinungen aus psychologischer Sicht zu beleuchten.
Dass man Experten nicht alles glauben soll – auch mir nicht – ist tatsächlich einer meiner Kernbotschaften. Dass das sogar für hochgelobte Weinprüfer gilt, wird ein Thema im nächsten Blogartikel sein.
Danke für Ihren Kommentar.
Hallo, Herr Kopp-Wichmann,
ich mag’s, wie Sie ‚einem die Welt erklären‘. DANK für Ihre Artikel, die komplexe Dinge für mich qualitativ und verständlich zusammen fassen.
Zum Thema:
Meiner Meinung nach tragen viele Medien- und Marketing-Botschaften doch dazu bei, Expertentum als DEN Garanten für Erfolg, Gesundheit, Reichtum zu predigen: angefangen von EKS-Lehrgängen bis zu Bewergungtrainings, wo jede/jeder wie aus der Pistole daherbeten können sollte: „Ich bin Expertin für….“
Als ich zu Beginn meiner Selbständigkeit meiner Marketingfrau sagte: Ich bin Expertin für Fülle: an Lebenserfahrung, Methoden, Ups und Downs, da hörte ich nur: das kannste vergessen! Das klingt nach Bauchladen! und ich habe mich lange verunsichern lassen, hab mich verbogen, mein Wissen, meine Art, meine Fülle beschnitten – meinte ich doch dadurch ‚erfolgreich‘ zu werden.
Ich wohne in Bielefeld, da ist Oetker zu Hause und dort habe ich letztes Jahr mal an einer Firmenbesichtigung teilgenommen.
Den Fertigpudding habe ich zwar stehen lassen, dafür habe ich den Spruch eines Seniors des Hauses mit nach Hause genommen, der da in etwa lautete:
Man soll nicht alle Eier in einen Korb legen.
Das hat mir – Kind vom Lande – spontan eingeleuchtet, selbst, wenn ich ’nur‘ Expertin für Hühnereier sein sollte und nicht gleich nen ganzen Bauernhof betreiben will, um auf Nummer sicher zu gehen.
Hallo Ruben,
richtig, die Balance nicht einfach zu finden, sondern muss andauernd neu gefunden und hergestellt werden. Ein Seiltänzer hat die Balance ja auch nicht einmal und dann die ganze Zeit.
Gut ist ja schon, wenn man bemerkt, dass man dabei ist, die Balance zu verlieren. Wenn man das nicht merkt – und so geht es ja vielen so – ist es fatal.
Danke für Ihren Kommentar.
Also erstmal habe ich ganz schön doof gekuckt, als ich die Überschrift gelesen habe. Die Krise mit deiner Ehe gleichzusetzen ist ja schon mal etwas Außergewöhnliches. Aber als ich den Beitrag dann gelesen habe, war mir das schon irgendwie verständlicher. Ich muss sagen, dass die Balance nicht sehr einfach ist zu finden und auch zu halten. Ich habe damit schon noch meine Probleme, aber ich habe eine Lebensgefährtin, die das dann ausgleicht. Dann geh das schon. Wie sagt man so schön „Das Leben ist ein Balanceakt“