Fünf Dinge, die ich von meinem Vater lernte.

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Karriere / Persönlichkeit

D er eigene Vater prägt einen Jungen in besonderer Weise. Egal ob man viel Kontakt mit ihm hat oder wenig und der Vater dann mehr in der Phantasie lebendig ist.

„Als ich vierzehn war, war mein Vater so verbohrt, dass ich ihn kaum aushalten konnte. Aber als ich einundzwanzig wurde, staunte ich, wie viel er in diesen sieben Jahren gelernt hatte.“ Dieser Satz von Mark Twain drückt für mich schön das schwierige Verhältnis aus, das viele Jugendliche zu ihrem Vater haben.

Manche Männer bleiben ein halbes Leben lang in der pubertären Rebellion stecken und arbeiten dies an Vorgesetzten, Ordnungshütern und anderen Autoritäten  ab. Auf der Rückfahrt von einem 4-Tage-Intensiv-Seminar, wurde mir noch mal deutlich, wie stark Männer in ihrem Leben von ihrem Vater geprägt werden und ich dachte darüber nach, was ich von meinem Vater gelernt habe.

Mir fielen vor allem diese fünf Dinge ein.

1. Kontakt zur Natur.
Geprägt haben mich unsere sonntäglichen Spaziergänge im Wald am Vormittag, als meine Mutter kochte und niemanden um sich herum haben wollte. Ich hatte früh Bestimmungsbücher von Kosmos wie „Was wächst denn da?“ und lernte von ihm, woran man eine Eiche von einer Buche oder einem Ahorn unterscheiden kann. Er zeigte mir, wie man aus Baumrinde Schiffchen schnitzen kann und wie man Blüten und Pflanzen presst.

Später brachte er mir bei, wie man Schmetterlinge fängt, sie auf kleinen Brettchen aufspannt und daraus Bilder macht. Ich lernte, wie man an Brennnesselbüschen nach den Raupen des Tagpfauenauges sucht und einige davon mit nach Hause nehmen kann. Dort bauten wir zusammen einen Kasten, in dem die Raupen lebten, nach einigen Wochen sich verpuppten und der unförmige braune Kokon eines Tages aufplatzte und sich daraus ein wunderschöner Schmetterling aufspannte.

In der Wohnung hatten wir immer viele Zimmerpflanzen, auf dem Balkon wuchsen Geranien, in Töpfen zogen wir Tomaten und Paprika. Und auch in meinem späteren Leben hatte ich immer einen Garten.

2. Liebe zur Fotografie
Ich bin 1948 geboren, da war Fotografieren ein Abenteuer. Mein Vater hatte sich einen Vergrößerungsapparat gebastelt und alle paar Wochen wurde die Küche verdunkelt und im Schein einer roten Glühbirne entwickelte er seine Fotos selbst. Das war spannend zu sehen, wie in den Schalen mit verschiedenen Chemikalien langsam Bilder auftauchten.

Früh hatte ich auch so einen eigenen Fotoapparat, wie auf dem Bild. Natürlich gab es Fotografien nur  in Schwarz-Weiß. Mein Vater zeigte mir, wie man gute Fotos macht, indem man auf den Bildausschnitt achtet und einen Vordergrund dazu wählt. Brachte mir später den Zusammenhang zwischen Öffnen der Blende und Länge der Verschlusszeit bei und wie das die Tiefenschärfe beeinflusst.

3. Handwerkliches Geschick.

In der Nachkriegszeit lernte jeder aufgrund der begrenzten Ressourcen, das, was er besaß zu pflegen und möglichst lange zu erhalten. Ging etwas kaputt, warf man es nicht gleich weg, sondern schaute erst mal, ob man es nicht noch reparieren konnte.

Dazu musste man natürlich wissen, wie etwas funktioniert und hier lernte ich viel über verschiedene Baukästen, die ich zum Geburtstag oder Weihnachten geschenkt bekam. Mit dem Kasten von Märklin lernte ich die Gesetze der Mechanik. Mit dem Elektrobaukasten von Kosmos kapierte ich früh, wie eine Klingel funktioniert, wie man einen Elektromotor bauen kann, indem man viele Windungen Kupferdraht eng auf eine Spule wickelt. Und wie man mit einem Detektor und einem Kopfhörer in einer Zigarrenkiste Radio hören kann.

Später schaute ich bei ihm ab, wie man Löcher in die Wand bohrt und einen Schrank daran aufhängt, wohlgemerkt in einer Zeit, als der Fischer-Dübel noch nicht erfunden war (statt dessen gipst man ein Holzstück in das Loch, in das dann die Schraube gedreht wird). Und wie sich 220 Volt am Finger anfühlen, habe ich auch früh erfahren, als ich den Unterschied zwischen Phase und Nullleiter noch nicht ganz begriffen hatte.

4. Interesse an Politik und Zeitgeschehen.

Mein Vater las jeden Morgen zum Frühstück die Zeitung, hörte Nachrichten und politische Sendungen auf einem Radio von Nordmende und sonntags immer den „Internationalen Frühschoppen“ von Werner Höfer.

Später kam diese Sendung auch im Fernsehen und man sah, wie sechs Journalisten aus fünf Ländern morgens Wein tranken und sich die Köpfe vollnebelten. Die Brillenmode und die Art sich zu kleiden war natürlich ganz anders als heute. Der Diskussionsstil aber genauso:

httpv://www.youtube.com/watch?v=WgjGKsi8rZ4

Gut erinnern kann ich mich noch an einen Sonntag im August, als mein Vater den Fernseher einschaltete und statt des erwarteten Frühschoppens eine Live-Übertragung kam. Es war der 13. August 1961, und das erste Programm übertrug stundenlang die Errichtung der Berliner Mauer.

Mein Vater wählte immer die CDU, meine Mutter immer die SPD. Als ich sie mal nach dem Grund dafür fragte, meinte sie, so würden die anderen auch eine Stimme bekommen und es wäre wieder ausgeglichen.

5. Humor

Bei der Freizeitgestaltung musste man sich in den 50er Jahren etwas einfallen lassen. Meine Eltern gingen nie ins Kino, nie ins Theater. Aber mein Vater konnte gut zeichnen, hatte eine scharfe Beobachtungsgabe und einen hintergründigen Humor.

So kam es, dass er einmal im Jahr in seinem Betrieb den Alltag der Kollegen und Chefs in einem bebilderten Vortrag beleuchtete. Er verkleidete sich als Moritatensänger, zeichnete über Wochen entsprechende Szenen und reimte zusammen mit meiner Mutter die Texte dazu, um sie dann vor der Belegschaft vorzutragen.

Diese Veranstaltungen waren sehr beliebt, heute würde man sagen, mein Vater machte nebenberuflich Comedy. Wenn ich so meinen Berufsweg anschaue, entdecke ich in meinem Stil zu schreiben und Seminare zu leiten, dass ich auch diese humorvolle Betrachtung von Menschen und Situationen von ihm gelernt habe.

Mein Vater ist schon viele Jahr tot. Er starb völlig unerwartet im Schlaf. Vermutlich schön für ihn, weniger schön für meine Mutter und mich, denn wir konnten nicht von ihm Abschied nehmen .

Was ich hier geschrieben habe, hätte ich ihm gern persönlich gesagt.

PS: Doch manchmal müssen Väter auch wieder etwas von ihren Söhnen lernen:

httpv://www.youtube.com/watch?v=mNK6h1dfy2o&

kommentar Was haben Sie von Ihrem Vater gelernt?

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Foto: © istock.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.