Was Sie über Erkenntnisse der Neurobiologie unbedingt wissen sollten.

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Gesundheit / Neurobiologie

Zu diesem Thema gibt es einen neueren Artikel, den Sie hier lesen können.

Letzte Woche war ich auf einem dreitägigen Symposion, das mein alter Kollege Gunther Schmidt (er half mir bei meiner Diplomarbeit über NLP) in Heidelberg veranstaltete: „Die Kraft von Imaginationen und Visionen“.

Dort gab es u.a. Vorträge von Luise Reddemann, Verena Kast und eine eindrucksvolle Live-Demonstration von Horst Kraemer, der mittels Imaginationen einer Teilnehmerin mit einem Schleudertrauma innerhalb einer Stunde zu weitgehender Schmerzfreiheit verhalf.

Doch es waren vor allem Vortrag und Workshop von Gerald Hüther, die mich begeisterten. Selten hat mich ein Wissenschaftler mit seinen Inhalten und seiner Art in den letzten Jahren so fasziniert und angeregt, über meine Arbeit und mein Leben kreativ nachzudenken, wie dieser Mann.

In den nächsten Wochen werde ich noch ausführlicher über einiger seiner Erkenntnisse hier in diesem Blog etwas schreiben. Für den Anfang eine Zusammenfassung seines Vortrags:

  • Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte kann man das Gehirn beobachten.
    Durch die Einführung der Magnetresonanztomographie kann man beobachten, wie sich das Gehirn verändert, wenn Patienten neurologische oder psychiatrische Störungen entwickeln. Bisher war man auf Gehirne von Toten oder von neurochirurgischen Patienten angewiesen. Auch die in einem Gehirn ablaufenden Erregungsprozesse können jetzt durch diese bildgebenden Verfahren als funktionierende Aktivierungsbilder dargestellt werden. Mit anderen Worten: man kann beobachten, wo es im Gehirn „flackert“, wenn ein Mensch spricht, an sein Lieblingsessen denkt oder eine Hand ausstreckt.
  • „Use it or lose it!“
    Dieser Merkspruch, der bisher nur für den Körper und die Muskeln galt, hat auch für das Gehirn große Bedeutung. Unser Hirn ist eine Baustelle – ein Leben lang. Wie wir es benutzen, hat einen entscheidenden Einfluss auf dessen strukturelle Ausformung. So ist zum Beispiel der Hippocampus (zuständig für die räumliche Orientierung) bei langjährigen Taxifahrern deutlich größer als bei Neueinsteigern ins Taxigewerbe. Ebenso beobachtbar war bei britischen Jugendlichen eine sich ständig vergrößernde Region im motorischen Rindenfeld, das für die Daumenaktivität zuständig ist. Die Lösung: das häufige SMS-Schreiben hatte seine Spuren im Gehirn hinterlassen.

  • Lernen muss unter die Haut gehen.
    Unser schlechtes Abschneiden bei der PISA-Studie und die dafür bemühten Erklärungsmuster (zu frühe Selektion in weiterführende Schulen etc.) kann aus neurobiologischer Sicht überdacht werden. Denn damit ein Mensch (Kind oder Erwachsener) etwas lernt, braucht es neben der Wissensvermittlung vor allem eine Aktivierung emotionaler Zentren im Gehirn!
    Das ist einer der Gründe, warum man Kindern nicht die komplizierte Bedienung eines Handys oder des PC’s beibringen muß. Sie lernen es, weil sie dabei emotional stark beteiligt sind. Auch die Verbreitung von Computerspielen (und die daraus möglicherweise entstehende „Sucht“) zeigt, zu welchen intellektuellen Ausdauerleistungen Jugendliche fähig sind, wenn sie sich emotional angesprochen fühlen.
    Eine mangelnde Begabung oder die Reizüberflutung der heutigen Zeit in den Köpfen der Schüler, so lautet die unbequeme Botschaft der Hirnforscher an die Bildungspolitiker, Lehrer und Erzieher und auch an manche Eltern, sind jedenfalls nicht die Ursache der sich ausbreitenden Bildungsmisere in unseren Schulen.
    Der Pädagoge Heinrich Roth sagte schon 1958: „Es kommt nicht darauf an, die Kulturgüter weiterzugeben, sondern den Geist, der diese Kulturgüter hervorgebracht hat.“ Was in unseren Schulen, die ja eher Pflichterfüllungsanstalten sind, aber noch zu oft weitergegeben wird, ist das Kulturgut („Schiller’s Glocke“, binomische Formeln etc.). Aber nicht der Geist, der dieses Kulturgüter erschaffen hat. Will heißen: die Lust am Gedicht oder an der Mathematik werden damit allzuoft ausgetrieben.

  • Im Alter sind Brainjogging und Kreuzworträtsel nicht genug.
    Gerade ältere Menschen brauchen Anreize, damit sie auch geistig rüstig bleiben. Der wöchentliche Bingo-Abend im Altersheim reicht da nicht aus.
    Das heißt: ein Siebzigjähriger kann theoretisch auch noch Chinesisch lernen. Doch wird er es kaum in einem Volkshochschulkurs in einem halben Jahr lernen. Verliebt sich der Siebzigjährige jedoch in eine junge Chinesin und siedelt mir in ihr Heimatdorf – wird er in einem halben Jahr die fremde Sprache gelernt haben. Nicht weil sein Gehirn anders wäre, sondern weil er dann mit Lust und Liebe bei der Sache wäre.
    Ältere Menschen brauchen also Stimuli, damit sind nicht nur angenehme Gefühle gemeint. Auch Probleme, die als Herausforderungen gesehen werden, regen das Gehirn an. Mit anderen Worten: alte Menschen brauchen Kinder. Denn Kinder bringen Leben in die Bude. Es ist eine Verbindung, die beiden Gruppen eine Menge bringt.
  • Sie wollen Ihr Gehirn optimal trainieren?
    Dann fangen Sie an zu singen! Denn nichts schult das Gehirn und die Feinmotorik der Stimmbänder (nicht nur der Schreibhand) so sehr wie das Singen. Außerdem berührt Singen das Gefühl, vor allem, wenn man es mit anderen tut. (Siehe „Stiftung Singen„)
    Also singen Sie mit Ihrem Kind. Oder bringen Sie Ihr Kind in Kontakt mit älteren Menschen zum Singen.
    Dass immer weniger Eltern mit ihren Kindern singen, hat u.a. zur Folge, dass HNO-Ärzte seit Jahren eine fortschreitende Verkürzung der Stimmbänder bei Jugendlichen feststellen.
    (Wenn Sie in der Nähe von Heidelberg oder Karlsruhe wohnen oder mal ein ungewöhnliches Seminar mit diesem Thema planen, empfehle ich Ihnen meine Gesangslehrerin.)
  • Ihre inneren Bilder entscheiden über Ergebnis und Qualität Ihres Lebens.
    Die Realität können wir nicht direkt erfassen. Deswegen machen wir uns von allem „innere Bilder“ (die ich in meiner Arbeit „Landkarten“ nenne). Mit Hilfe dieser inneren Bilder entscheidet ein Mensch, was ihm wichtig ist, womit er sich beschäftigt, wofür er sich einsetzt, worauf er seine Aufmerksamkeit fokussiert und wie er seine Vorstellungen umsetzt. Der Umstand, dass diese inneren Vorstellungsbilder bis heute in unserem Kulturkreis als belanglose, wirklichkeitsfremde Illusionen und Konstrukte abgetan werden, macht deutlich, wie sehr die Macht dieser inneren Bilder gegenwärtig noch völlig unterschätzt wird. (So spottete der geschätzte Altbundeskanzler Helmut Schmidt ja „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!“)
  • Führung, Weiterbildung und Coaching sind wirksam, sofern …
    Die Erkenntnisse der Neurobiologie haben auch Konsequenzen für die Arbeit von Führungskräften, Trainern und Coaches. Denn alle drei Berufsgruppen wollen ja in ihren Mitarbeitern, Teilnehmern oder Coachees etwas bewirken. Wollen also, dass der/diejenigen etwas lernen und in ihr Verhaltensrepertoire übernehmen.
    Alle diese Interventionen in dem jeweiligen Bereich führen, wenn sie effektiv sind, auch zu einer Neuordnung und Umformung der Struktur und Funktion, also der inneren Organisation des Gehirns. Wie diese Interventionen beschaffen sein müssen, steht weiter oben beim Absatz über das Lernen. Sie müssen „unter die Haut gehen“. Müssen also herausfordernd aber auch bewältigbar sein. Und müssen gleichzeitig die emotionalen Zentren im Menschen ansprechen. Mit bunten Powerpointbildchen oder abgedroschenen Phrasen schaffen Sie das nicht als Führungskraft.
    Ohne die Arbeit von Gerald Hüther damals zu kennen, habe ich deshalb vor vier Jahren meine bis dahin methodisch orientierten Seminararbeit völlig umgestellt. Statt mit bis zu sechzehn Teilnehmern in zwei Tagen „Verkaufen“ oder Kommunizieren“ zu trainieren, arbeite ich heute mit maximal sieben Menschen in drei Tagen in einem emotionalen Prozess an den Fähigkeiten und Barrieren der Teilnehmer. (Mehr Info)

Was halten Sie von diesen Thesen der Neurobiologie?
Wo wenden Sie sie heute schon an?
Wo und wie könnten Sie sie in Ihrem Leben umsetzen?

Ihre Erfahrungen und Ideen interessieren mich. Schreiben Sie mir doch dazu einen Kommentar. Ich werde Ihnen auf jeden Beitrag antworten.

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Danke für Ihr Interesse.

Fotos:
Creative Commons License photo credits: krischall; CaptPiper
Andrew Mason

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.