Wie ist Ihre Beziehung zum Geld? Oder: Warum wir nie fragen: „Was verdienen Sie eigentlich?“

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Persönlichkeit / Psychologie

abgebrannt-small-photocase4c26nehcn29uWarum diese einfache Frage so heikel sein kann.

Wie ist Ihre Beziehung zum Geld? Glücklich oder tränenreich? Gefühlvoll oder sachlich? Besser als vor zehn Jahren oder schlechter?

Sie finden diese Fragen ungewöhnlich? Geld sei doch nur Mittel zum Zweck,  ein schlichtes Tauschmittel? Nun, ich finde, Geld ist ein hochemotionales Thema, in dem sich viel von unseren Beziehungserfahrungen und unserer Art, in der Welt zu sein, abbildet.

Machen Sie doch mal beim nächsten privaten oder beruflichen Treffen ein Experiment. Stellen Sie die einfache Frage:

„Was verdienen Sie im Monat?“

Sie können auch eine Variation ausprobieren. Nennen Sie erst Ihr Monatseinkommen und stellen Sie dann die Frage. Also so: „Ach übrigens, ich verdiene im Monat viertausenzweihundert Euro, was verdienen Sie denn so?“


Ich weiß, ich weiß: das geht nicht. Aber warum eigentlich nicht? Zu privat, zu persönlich? Aber wir erzählen anderen doch auch, wo wir im Urlaub waren. Welchen Ärger wir im Büro haben. Welche Schwierigkeiten wir mit unseren pubertierenden Kindern haben. Welche Krankheiten wir haben.

Aber über Geld reden?

Ja, wenn es zu wenig ist oder es uns fehlt, dann können wir gut jammern. Aber warum sprechen wir nicht genau so offen darüber, wenn wir welches haben. Wir wissen, was die Bundeskanzlerin monatlich verdient (ca. 15.000 €) und diskutieren gerade über eine Begrenzung der Managergehälter. Ärzte geben derzeit Einblick in ihre Einkommenssituation, wir werden aufgeklärt, was ein Hartz IV-Empfänger zu erwarten hat, aber im privaten Umfeld ist die Frage nach dem Einkommen verpönt. Zumindest in Deutschland. Kommt man in Amerika in ein Gespräch über Berufliches ist die Frage „How much money do you make?“ eine interessierte Frage unter vielen. Und egal, welche Antwort man gibt, bekommt man ein Feedback dazu. Fährt man dort ein teures Auto, sind neugierige Fragen und anerkennende Kommentare die Regel. Fährt man hierzulande ein dickes Auto, muss man sich oft auf hämische Kommentare (Wohl im Lotto gewonnen?“) einstellen. Oder man vermeidet gleich solche Diskussionen und lässt die Typenbeschreibung des Daimlers gleich ab Werk weg. Warum tun wir das?

Ganz einfach: aus Angst vor dem Neid anderer.

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Doch was ist schlimm daran, wenn jemand viel Geld verdient? Wir gehen in ein Konzert, zahlen pro Karte hundert bis hundertfünfzig Euro und können schätzen, was der Künstler an einem Abend verdient. Bekommen Sie vom Chef eine Zulage mit der Bitte, es bloß nicht unter den Kollegen zu erzählen, halten Sie sich daran. Psychologisch kann man vier verschiedene Neid-Reaktionen unterscheiden:

  1. „Das will ich auch!“ Hier reagiert man auf das, was einem bei einem anderen gefällt mit Ehrgeiz. Die Leistungen und Fähigkeiten einer beneideten Person werden anerkannt und motivieren einen dazu, demjenigen nachzueifern, um das Gleiche oder mehr zu erreichen. Der Neid funktioniert hier als Antrieb.
  2. „Das brauche ich nicht!“ Hier ist man auch neidisch, gesteht sich dieses Gefühl aber nicht zu. Statt dessen greift man zu einer Rationalisierung und erklärt anderen und sich selbst wortreich, warum „so etwas“ nicht ewig hält, auch nicht glücklich macht etc. und man deshalb gleich darauf verzichte. Der Neid funktioniert hier als moralische Besserstellung.
  3. „Das schaffe ich nie!“ Hier würde man gern auch das haben oder sein, was der Beneidete für einen verkörpert, traut es sich aber nicht zu. Meist ist das mit Gefühlen wie Ärger und Wut auf sich selbst verbunden, auf jeden Fall mit Selbstabwertung. Der Neid funktioniert hier als Selbstbestrafung.
  4. „Das ist nicht gerecht!“ Hier würde man auch gern an Stelle des Beneideten sein, scheut jedoch die damit verbundene Anstrengung. Oder man verkennt, dass es Unterschiede im Leben gibt und weigert sich, dies anzuerkennen. Statt dessen reagiert man empört, findet, dass die beneidete Person das begehrte Gut zu Unrecht besitzt und fordert – meist mit anderen gemeinsam – eine gerechtere Verteilung der Güter. Der Neid funktioniert hier als Forderung nach Gerechtigkeit.

Wie ist Ihre Beziehung zum Geld?

Das war die Eingangsfrage. Ist es eine Liebesgeschichte? Oder eine schwierige Beziehung mit Hoffnungen und Enttäuschungen? Oder ist es eine Affäre, die Sie geheim halten wollen? Oder haben Sie eine eher sachliche Beziehung zum Geld. Wie das meiste im Leben, ist natürlich auch Geld mit Beziehungen und entsprechenden Erfahrungen verknüpft. Denn Geld existiert ja nicht per se, sondern kommt zu uns durch andere Menschen, indem wir etwas mit ihnen oder für sie tun. Die Beziehungsgeschichte mit dem Geld beginnt schon ganz früh im Leben und durchdringt alle persönlichen Bereiche:

  • Welche Sprüche haben Sie in Ihrer Familie über Geld gehört? „Über Geld spricht man nicht.“ „Geld verdirbt den Charakter.“ „Das letzte Hemd hat keine Taschen.“ Spare in der Zeit, dann hast du inder Not.“usw.
  • Wussten Sie, was Ihre Eltern verdienen? Haben Sie gefragt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was war die Antwort?
  • Wie behandeln Sie das Thema in Ihrer Partnerschaft? Wissen Sie, was Ihr Partner verdient? Und wofür er es ausgibt? Haben Sie ein gemeinsames Konto?

Befasst man sich näher mit dem Thema, wird offensichtlich, dass Geld sich gut als Projektionsfläche eignet. Geld an sich bedeutet nichts aber wir geben ihm je nach unseren Bedürfnissen und Werten eine entsprechende Bedeutung. So kann Geld für Sicherheit und Macht stehen. Für Unabhängigkeit und Wahlfreiheit. Für Erfolg und Anerkennung. Für Lebensqualität und Genuß. Aber auch entsprechende Konflikte mit Geld lassen auf tieferliegende Motive und Überzeugungen schließen. In meinen Coachings erlebe ich zum Thema „Geld“ meist die folgenden inneren Überzeugungen und Konflikte:

  • „Ich bin nicht gut genug.“ Das zeigt sich oft daran, dass sich jemand nicht traut, um eine längst angemessene Gehaltserhöhung zu bitten oder es so zaghaft anstellt, dass der Vorgesetzte den Wunsch gar nicht versteht. Bei Selbständigen wirkt es sich aus, dass man Schwierigkeiten hat, ein angemessenes Honorar für seine Leistung zu verlangen und zu vertreten.
  • „Ich darf nicht zuviel Geld haben oder genießen.“ Hierzu gehören Menschen, die gutes Geld vegeld-baden_small_fotolia_917250_xsrdienen und es dann durch einen „dummen Zufall“, haarsträubenden Leichtsinn oder riskante Manöver schnell wieder verlieren. Hier spielen oft unsichtbare Loyalitäten eine Rolle, wenn zum Beispiel ein Erwachsener mehr Geld verdient als die Eltern und die Geschwister.
  • „Die Welt ist schlecht – aber ich bin gut.“ Hier wird die negative Einstellung zum Geld („Verdirbt den Charakter!“) auf die ganze Welt – und die „Reichen“ übertragen.  Um sich davon abzugrenzen, predigt man entweder die Freuden der Bedürfnislosigkeit oder liegt in einer Dauerfehde mit der habgierigen Welt, in der nur der Mammon regiert und die wahren Werte keinen Platz mehr haben.

Wie können Sie Ihre Beziehung zum Geld verbessern?

Ich denke, es ist wie in der Beziehung zu Menschen auch. Ehrlichkeit zu sich selbst ist hilfreich. Dann kann man seine Projektionen erkennen und zurücknehmen. Und dann ist es gut, weniger daran herumzunörgeln, was alles fehlt, sondern sich an dem zu erfreuen, was da ist.

Hören Sie hier den Podcast dazu.

 

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.