Wie dreck rechtsradikale Ansichten Fördern kann.
„Wie sieht’s denn hier aus?“ und „Kann hier vielleicht mal jemand aufräumen?“ Solche Ausrufe von Müttern oder genervten Partnerinnen könnten möglicherweise wichtige Hinweise sein. Nicht nur zur Wiederhersstellung der Ordnung, sondern sogar zur Erziehung zu mehr Toleranz und dem Abbau von Diskriminierung.
Denn nicht nur Vorurteile sorgen dafür, dass wir dunkelhäutige Menschen meiden, sondern schlichter Schmutz und eine dreckige Umgebung!
Das ist das Resultat einer neue Studie, die zwei holländische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht haben. Ihre These:
Eine schmuddelige Umgebung könne die Sehnsucht nach Ordnung auslösen und Menschen dazu bewegen, im Geiste die Dinge zu vereinfachen und in verschiedene Kategorien einzuteilen.
Sie überprüften ihre Hypothesen während eines Streiks des Reinigungspersonals am Bahnhof Utrecht, wo täglich mehrere Tausende Reisende auf ihre Züge warten. Vierzig Reisende, ausschließlich „weiße“ sollten in einem Fragebogen auf einer Skala von 1 bis 9 beantworten , ob bestimmte Eigenschaften auf Muslime, Homosexuelle oder Niederländer im Allgemeinen zuträfen.
Jetzt kommt der Clou.
Als Sitzgelegenheit zum Ausfüllen des Fragebogens bot man den Studienteilnehmern eine Reihe von sechs Plätzen an, von denen der erste jedoch bereits von einem dunkelhäutigen oder weißen Landsmann besetzt war.
Eine Woche später – der Streik war inzwischen beendet und der Bahnhof wieder gesäubert – wiederholte man das Experiment. Dann verglichen die beiden Forscher, wie viel Abstand die Versuchsteilnehmern zu ihrem weißen und zu ihrem farbigen Landsmann eingehalten hatten.
Das Ergebnis war eindeutig.
- War der Bahnhof sauber, so setzten die Reisenden sich meist etwas mehr als zwei Plätze von ihrem Landsmann entfernt nieder, um den Fragebogen auszufüllen. Der Unterschied zwischen weißen oder schwarzen Sitznachbarn betrug hier nur wenige Zentimeter.
- Als der Bahnhof schmutzig war, blieb der Abstand zwischen weißen Holländern praktisch unverändert. War der Nebenmann jedoch ein Farbiger, so wuchs der Abstand um fast eine Sitzbreite auf durchschnittlich drei Reihen.
- Zugleich ergab die Auswertung der Fragebögen, dass die Reisenden in einer schmutzigen Umgebung die Muslime und Homosexuellen viel stärker mit negativen Stereotypen beschrieben, als auf einem sauberen Bahnhof.
Auch Unordnung führt zu Diskriminierung.
In einem zweiten Experiment befragten die Forscher wieder 47 Passanten auf einer Straße in einer wohlhabenden Nachbarschaft. Doch zuvor hatten sie eigens ein paar Pflastersteine aus dem Belag gelöst, ein Auto falsch geparkt und ein Fahrrad an den Straßenrand gelegt.
Tags darauf wiederholten sie die Befragung mit anderen Fußgängern. Doch diesmal war alles aufgeräumt. Die Pflastersteine an ihrem Platz, das Fahrrad ordentlich abgestellt und das Auto anständig geparkt.
- Wiederum zeigten die Antworten der Versuchspersonen auf der verwahrlosten Straße einen Hang zur Diskriminierung.
- Und in einer angeblichen Geldsammlung für “Minderheiten, Immigranten und Obdachlose” spendeten die Anwohner an diesem Tag von fünf möglichen Euro durchschnittlich nur 1,70 €.
- Am nächsten Tag auf der ordentlichen Straße waren sie großzügiger und gaben durchschnittlich 2,35 €.
Drei weitere Untersuchungen bestätigten die Vermutung der Wissenschaftler: “Menschen reagieren sehr empfindlich auf Unordnung.” Und weiter: “Eine Umgebung, die als unordentlich empfunden wird, lädt die Menschen dazu ein, gegenüber anderen in Klischees zu denken.”
Vorurteile sind also eine Art “Reinigungsmittel” für den Verstand, mit dem es leichter falle, in unordentlichen Verhältnissen sich zurecht zu finden.
Konkret für unsere Städte heißt das:
Zeichen der Unordnung wie zerbrochene Scheiben, Graffiti und herumliegender Müll fördern nicht nur antisoziales Verhalten, sie führen automatisch auch zu Stereotypen und Diskriminierung.
Der Zusammenhang zwischen Dreck, den man draußen ortet und dem Wunsch nach „sauberem Denken“ im eigenen Oberstübchen, ist nicht neu.
Schon vor 30 Jahren wurde die “Broken-Windows-Theorie”durch einen Artikel in der Zeitschrift The Atlantic bekannt. Mitte der 1990er Jahre begann der damalige Bürgermeister von New York, Rudolph Giuliani, seine Null-Toleranz-Politik.
Jede zerbrochene Fensterscheibe musste sofort repariert werden. Für auf der Straße ausgespuckte Kaugummi musste man ein Bußgeld zahlen. Binnen weniger Jahre reduzierte sich die Zahl der Raubüberfälle auf ein Drittel, die Zahl aller Straftaten ging um 75 Prozent zurück und New York zählt noch heute zu den sichersten Großstädten in den USA.
Was bedeutet das jetzt konkret?
Muss in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen besonders aufgeräumt werden? Denn immerhin erzielte dort bei der letzten Bundestagswahl die NPD bundesweit die meisten Stimmen?
Braucht es nicht nur Bürgerwehren, sondern selbsternannte Sauberkeitsbeauftragte, wie diesen hier in Braunschweig?
httpv://www.youtube.com/watch?v=W6KsDO1jbso
Muss Stadtreinigung Chefsache werden wie in Berlin? Oder helfen drakonische Strafen wie in Singapur? Wer dort wagt, Glimmstengel oder Bonbonpapier auf die Straße zu werfen, zahlt 1000 Singapur-Dollar (500 Euro) Strafe. Coladosen und Papiertaschentücher, die nicht in der Tonne landen, kosten das Doppelte. In der U-Bahn ist es bei Strafe verboten zu essen, man darf nicht einmal trinken. Auch in Wien machte sich eine Umweltstadträtin Gedanken um mehr Sauberkeit.
Meine launigen Beispiele sollen nicht den Eindruck erwecken, dass ich das Thema nicht ernst nehme. Ganz im Gegenteil. Hier ein Beispiel, wie Sie in Ihrem ureigensten Bereich für mehr Ordnung sorgen können.
Schaffen Sie sich einen ordentlichen Arbeitsplatz.
Wenn Sie die wichtigen Dinge Ihres Lebens endlich anpacken und schaffen wollen, müssen Sie sich vor allem: fokussieren.
Das gilt vor allem für Ihre Aufmerksamkeit. Telefone und Handys klingeln. Outlook meldet neue Mails. Im Browser stehen sieben Fenster offen, die interessant sind. Da kommt eine Facebook-Meldung, die Twitter-Tweets strömen … Ab und an kommt noch ein Kollege und will was wissen.
So kann niemand konzentriert arbeiten. Auch Sie nicht.
Multitasking beherrscht vielleicht Ihr Computer. Dessen Arbeitsspeicher ist aber auch um einiges größer als Ihr Aufnahmevermögen. Und den Arbeitsspeicher können Sie für ein paar Euro aufrüsten. Ihr Gehirn nicht.
Also verabschieden Sie sich von der Illusion, Sie könnten mehrere wichtige Sachen gleichzeitig machen. Das gilt nur für Routinearbeiten, bei denen es wenig bewusste Konzentration braucht. Aber bei anspruchsvolleren Arbeiten brauchen Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit.
Das heißt konkret: schaffen Sie sich einen Arbeitsplatz, an dem Sie nicht abgelenkt werden. Wie Sie das in 5 Minuten schaffen, steht in meinem E-Mail-Kurs „Anpacken statt aufschieben!“
Hängen Ordnung und Vorurteile wirklich zusammen? Was meinen Sie?
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Fotos: © – CC D.A. Stapel, istock.com