„VERGISS ES EINFACH. Männer lügen alle. ALLLEEEEEE!!!! Weil sie feige sind. Schwaches Geschlecht. Können eigentlich fast nix dafür…“
Ein Gastbeitrag von Susanne Asser.
So das resignative Zitat meiner hübschen, intelligenten Freundin, Anfang vierzig, die zum wiederholten Male belogen und betrogen wurde. Das erste Mal war‘s die große Liebe. Man traf sich so oft wie möglich, verlebte schöne Wochenenden und Urlaube miteinander. Nach einem Jahr wurden gemeinsam Pläne zum Zusammenziehen geschmiedet.
Kisten und Koffer waren gepackt. Meine Freundin kam glückselig mit Hab und Gut in Nürnberg an, wo ihr dann der ehrenwerte Prinz eröffnete, er habe nicht mit offenen Karten gespielt – er sei verheiratet und wolle die Beziehung zu ihr nun beenden.
Als sie nach geraumer Zeit der Schock überwunden hatte, versuchte sie noch zweimal, der Liebe eine Chance zu geben. Mit demselben Ergebnis. Auf meine Frage, was denn passiert sei, sagte sie: „Beide haben mich belogen, betrogen und mich obendrein für komplett blöd gehalten, indem sie trotz eindeutiger Beweise alles leugneten!“
Ich kann mir gut vorstellen, dass Psychotherapeuten (v.a. Familienaufsteller) jetzt schnell denken: “Welche Geschichte oder Dynamik spielt da aus dem Familiensystem dahinter? Was ist das Thema, das diese Frau so oft begleitet?“ Wer weiß, vermutlich hat es doch etwas mit dem „Gesetz der Anziehung“ auf sich.
Diese Geschichte und weitere Gespräche mit Freundinnen und Bekannten in den vergangenen Monaten haben mich nachdenklich gestimmt und zu diesem Artikel angeregt: Lügen alle Männer?
Lügen Männer und Frauen aus unterschiedlichen Gründen?
Was ist bloß mit den Männern los? war mein erster Gedanke. Andererseits ist solches Verhalten ja nicht auf Männer begrenzt. Frauen tun sich mit der Wahrheit oft genauso schwer, wenn es an Eingemachtes geht.
Warum lügen Menschen überhaupt?
Beim Lügen geht es ja um den Versuch, unangenehme Gefühle zu vermeiden. Meistens Scham und Angst vor Strafe. Insofern hat die Tendenz zum Lügen viel mit der eigenen Einstellung zu Konflikten und dem Aufrechterhalten des Selbstbildes zu tun.
Nach meiner Beobachtung haben Frauen oft weniger Angst, sich mit unangenehmen Gefühlen auseinanderzusetzen, weil auf der weiblichen Landkarte „schwache“ Gefühle eher erlaubt sind als bei Männern.
Die obigen Aussagen habe ich auf Facebook, in einer „Geheimen Gruppe“, die nur aus Männern bestand, zur Diskussion gestellt. Hier einige Zitate:
- „Das ist jetzt natürlich eine wunderbare Steilvorlage für uns Typen, in Zukunft unser Lügen auch noch „wissenschaftlich“ zu untermauern…“
- “Ich kann das so nicht stehen lassen. Einerseits stimmt es: Alle Männer lügen. Auf der anderen Seite: Alle Männer? Man muss differenzieren: Wann lügen sie? Warum lügen sie? Welche Gründe haben sie? Das wäre sonst eine logische Ableitung nach dem Schema: „Herbert lügt. Herbert ist ein Mann. (Alle) Männer lügen.“
- „Ich würde mir dann eher die Frage stellen: Wieso treffe ich immer wieder in meinem Leben auf Männer, die lügen? Gibt es irgendetwas, wo ich selbst nicht ehrlich zu mir bin und wird mir so ein Spiegel vorgehalten?“ – aber das wäre eine andere Kiste.“
Tatsache ist: viele Menschen lügen.
Auf Facebook berichtet jemand: „Ich habe damit schon in Kindheit und Jugend begonnen. Als Kind, um mich zu schützen. Als Jugendlicher um besser da zu stehen. Irgendwann merkte ich, dass Lügen anstrengend ist, weil man sich an die ganzen Lügen merken muss und nicht vergessen darf, wem man welche Version erzählt hat. Das mag Gehirn, Merkfähigkeit und Kreativität trainieren, macht aber das Leben ganz schön kompliziert.“
Danach beschloss ich, nur noch die Wahrheit zu sagen. Das war zwar auch anstrengend, weil ich manchen vor den Kopf stieß und es kostete auch einige „Freundschaften“. Aber es macht das Leben um einiges einfacher.“
Lügen bleibt meist nicht unbemerkt.
„Denn langfristig spürt das Gegenüber natürlich auch die Lügen. Wenn auch meist nur unbewusst. Man kann es nicht beweisen – aber es bleibt ein komisches Gefühl, wenn man sich mit so jemandem unterhält.“
Wenn Menschen – Männer wie Frauen – lügen, geschieht es meist aus Unsicherheit. Vor allem, wenn Männer beim Fremdgehen Frauen belügen dann vor allem deshalb, weil sie sich tief im Innern unsicher sind.“
Zu dem Thema bekam ich noch den Kommentar eines Coaches:
“Ich finde die Diskussion amüsant. Denn wie kommen wir dazu, Aussagen in Lüge und Wahrheit zu klassifizieren? Schon allein unsere unterschiedlichen Wahrnehmungen der Realität stellt das Konzept von Lüge und Wahrheit auf eine arge Probe.
Als Coach wirst Du häufig von Kunden belogen, weil sie gerne besser dastehen wollen als Sie sich selbst wahrnehmen. Doch die Essenz dieser Lügen ist wieder eine Wahrheit. Denn so würden sie gerne sein. Also erzählen Dir die Menschen immer die Wahrheit, nur ist sie eben manchmal Realität und manchmal Fiktion.“
Ich selbst halte die Sichtweise mit der mangelnden Konfliktbereitschaft am plausibelsten, denn das zeigt sich z.B. in folgendem Szenario, bei dem nicht gleich mit der Wahrheit rausgerückt wird.
Ein frustrierter Ehemann beginnt z.B. während einer langjährigen Partnerschaft eine längere Affäre. Ihm ist von Beginn an eigentlich klar, dass er seine Familie und das, was er mit ihr aufgebaut hat, niemals für die andere Frau verlassen wird.
Auf der anderen Seite weiß er, dass die Frau, mit der er ein Dreiecksverhältnis eingeht, eine langfristige Beziehung sucht. Warum dann nicht gleich mit offenem Visier antreten? Weil „dating from a point of strength“ risikoärmer ist? Zu diesem Thema sind schon Tausende Blogbeiträge, Zeitschriftenartikel und Bücher verfasst worden.
Sind Männer am Ende einfach nur Schweine?
Hat Lügen etwas mit der Midlife-Krise zu tun?
Ich möchte hier etwas tiefer gehen. Sich als Mann oder Frau einzugestehen, dass man vor etlichen Jahren aus den falschen Gründen den Partner gewählt hat, ist eine bittere Erkenntnis. Vielleicht mit dem Gefühl, in diesem Punkt, versagt zu haben.
Im Grunde ist so eine Krise auch eine Chance. Wären beide Partner jetzt ehrlich zueinander, könnten sie einander eine neue Chance geben, ihr Glück mit jemand anderem zu finden.
Ich habe mit vielen Männern und Frauen um die 40, die ihre Partner so Mitte Ende zwanzig oder gar früher geheiratet haben, geredet. Dabei habe ich folgende Gemeinsamkeiten festgestellt:
- Außer, dass sie ihre berufliche Richtung kannten und wussten, dass sie eine Familie gründen wollten, stellen sie in der Retrospektive fest, dass sie erst ab Mitte 30 wirklich wissen, was sie wollen.
- In der Karriere hat man rauschende Erfolge gefeiert und erste niederschmetternden Pleiten eingefahren. Man weiß, wie sich Kinder auf eine Beziehung auswirken, besonders dann, wenn diese von vornherein keine stabile Basis zur Grundlage hatte.
- Oft spielt in Beziehungen auch die Achtung und der Respekt vor den Eltern des Partners eine wichtige Rolle. Denn wie soll man seinen Partner respektieren und achten, wenn man vor dessen Eltern keine Achtung hat? Schließlich gäbe es ihn ohne diese Eltern nicht.
- Manchmal werden auch die Kinder vorgeschoben. Hierzu ein Beispiel. Oft haben sich auch die Wünsche und Erwartungen geändert. Nur werden diese aus Angst vor den Konsequenzen geheim gehalten. Lieber tätowiert man sich den Opferstempel auf die Stirn und hält noch eine Weile aus. Nur mit dem Fremdgehen hält man(n) es zu Hause noch aus.
Ich bin überzeugt, dass in vielen Fällen, wenn als Grund, sich nicht zu trennen, die Kinder angegeben werden, obwohl klar ist, dass das Haltbarkeitsdatum der Paarbeziehung definitiv abgelaufen ist, es vor allem um nicht gelöste Ablösungskonflikte von den Eltern geht. - In der Mitte des Lebens ist dann möglicherweise auch die Lösung aus einer Beziehung möglich, die in der Rückschau betrachtet doch nur zweite Wahl war. Vielleicht findet sich erst in der zweiten Lebenshälfte für viele der Partner erster Wahl.
Sieht das Fazit bezüglich der männlichen Lügen etwa so aus, wie einer meiner Freunde die Eingangsfrage beantwortete: „Ja, alle Männer lügen. Aber eine Welt mit brutal ehrlichen Männern wäre bestimmt nicht zwingend lebenswerter, oder?“
Mein Plädoyer: Beziehungen ändern sich. Jeder, der den Mut zur Selbstreflexion hat, entdeckt im Laufe der Jahre vieles, was ihm im Vorfeld gar nicht bewusst war und es öffnen sich unerwartet verlockende Türen und Tore.
Für Beziehungen heißt das: Schauen, was man wirklich will, „Landkarten“ über das gemeinsame Leben miteinander abgleichen und Konsequenzen daraus ziehen, statt sich selbst etwas vorzumachen.
Da sich 2011 noch in der Phase der guten Vorsätze befindet, bleiben doch noch ganze 357 Tage zur „mannhaften“ Umsetzung. Die Investition zahlt sich langfristig garantiert aus!
Dies ist ein Gastbeitrag von Susanne Asser, einer freiberuflichen Trainerin.
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Warum Lügen Männer?
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