„In der Wahl seiner Eltern kann man nicht vorsichtig genug sein.“

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Persönlichkeit

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DDiesen launigen Spruch von Paul Watzlawick stellte ich aus Spaß auf mein Facebook-Profil. Und ergänzte ihn durch den Hinweis: „Leider kommt das Mitspracherecht zu spät.“  Daraus entwickelte sich ganz unerwartet für mich eine engagierte Diskussion.

Aus meiner täglichen Arbeit weiß ich ja, wie oft Erwachsene mit ihren Eltern auch hadern. Aber wie wäre es, wenn wir uns tatsächlich unsere Eltern aussuchen könnten?

Für ganz viele Menschen auf der Welt ist das gar keine Frage. In Glaubenssystemen wie dem Buddhismus, ist Wiedergeburt eine Tatsache, und man hat sich seine Existenz ausgesucht, um etwas zu lernen. Und an „schwierigen“ Eltern kann man besonders viel lernen.

Wiedergeburtslehren haben ja auch im Westen eine breite Anhängerschaft gefunden. In „Krankheit als Weg“ von Thorwald Dethlefsen las ich vor vielen Jahren das erste Mal, dass wir  beileibe nicht zu unserem Vergnügen hier auf der Welt sind. Sondern, dass das Leben so eine Art Schule ist.

Danach scheint es nicht auszureichen, dass wir überleben und unseren evolutionären Auftrag, die menschliche Art zu erhalten, erfüllen. Nein, wir sind vor allem hier, weil wir noch etwas lernen müssen.

Und dass man, genauso wie in der Schule, sitzenbleiben kann und dann die Klasse wiederholen muss. Nur dass das dann nicht ein Jahr dauert, sondern ein ganzes Leben. Also besser gleich aufpassen und alle Hausaufgaben machen!

So was können sich nur Lehrer ausgedacht haben, finde ich.


 

Und ein Facebook-Mitglied fragt sich verwundert: „Es gibt ja Leute, die sagen, wir suchten uns unsere Eltern aus. Wenn ich da auf meinen Vater schaue, frage ich mich, was ich da gesucht habe? Mütter sind schon okay, aber Väter…uijuju..no comments.“ (Lutz O.)

Und eine Frau schrieb: „Also wenn ich mir meine Eltern hätte aussuchen können – ich hätte sie nicht genommen. Ich pflichte Herrn O. bei in seiner Aussage, dass das mit der Wahl ziemlich schwierig ist, wenn Eltern in ihren eigenen alten Verhaltensmustern agieren. Sie können dann ebenfalls nicht anders. Sie projizieren ihre eigenen Sehnsüchte und Ängste dann auf ihre Kinder, die damit leben lernen.

Ab einem gewissen „Alter“ kann ich es mir bedingt aussuchen, wie ich die Beziehung zu meinen Eltern gestalte. Das geht meiner Meinung nach aber nur, wenn die Eltern ihren Kindern nicht irgendwelche „ungeschriebenen Gesetze“ ins Verhaltensmuster implementiert haben. Die ganze Sache ist viel schwieriger, als man denkt und die Aussage von Herrn Watzlawick hat nicht nur etwas Provokantes, sondern auch viel Sinniges.
Wer Kinder in die Welt setzt, sollte sich vorher darüber im Klaren sein, welche Verantwortung er auf sich nimmt, ein Kind zu einem lebensfähigen und geistig/emotionalen gesunden und erwachsenen Menschen zu erziehen.“ (Silvia W.)

Doch vielen gefällt die Idee mit dem Aussuchen der Eltern. Für diesen Blogautor ist ganz klar:

„Wir sind hier auf der Erde um verschiedene Lektionen zu lernen, und unsere Defizite weisen genau darauf hin, wieso wir dort inkarnierten, wo wir es taten, denn in dieser Umgebung können wir am meisten lernen und am besten wachsen.“

Was mich da skeptisch macht, ist der versteckte Schuldvorwurf. So wie man in psychotherapeutisch gebildeten Kreisen nicht mal einen simplen Schnupfen haben darf, ohne dass einen bald jemand fragt: „Na, von was hast Du denn wirklich die Nase voll?“

Und wie das mit hypnotischen Sprachmustern so ist, denkt man darüber nach, fällt einem meistens auch was Passendes ein. Aber habe ich mir deshalb den Schnupfen ausgesucht? Oder gebe ich nur hinterher einer lästigen Sache einen Sinn, um mich nicht ganz so hilflos zu fühlen?


 

Anhand welcher Kriterien sollte man seine Eltern aussuchen?

In einem Forum lese ich: „Eine Araberin hat mir dazu etwas gesagt:
Nach moslemischem Glauben steht bei jedem neugeborenen Kind dessen Leben auf der Stirn. Das Kind wird dann gefragt, ob es dieses Leben annehmen will. Sagt es ja, lebt es weiter; sagt es nein, stirbt es.“

Da heißt es also für die noch nicht inkarnierten Seelen: ganz genau hinschauen!

Aber worauf eigentlich?

Wer würde sich schon aussuchen, das neunte Kind eines nord-sudanesischen Ziegenhirten werden zu wollen. Dann vielleicht doch lieber in eine westliche Königsfamilie geboren werden. Aber dann ist man plötzlich ein Leben lang nur Anwärter auf den Thron und muss auch noch mit Frau Bowles das Bett teilen.

Wann kommt Mami wieder?

Oder man sucht sich einen musischen Vater ohne Ehefrau und landet bei zwei schwulen Sängern. Materielle Sorgen hätte man da zwar nicht und für die musikalische Früherziehung müsste man nicht aus dem Haus. Aber der Vater wäre bei Geburt schon 62.

Das will alles wohlüberlegt sein.

Und überhaupt, was tun, wenn man bei der vorgeburtlichen Elternwahl sich täuschen ließ und daneben griff? Wie wäre es mit einem anschließenden Umtauschrecht? Lebenslang.

So etwas stellt sich wohl diese enttäuschte Frau vor:

„Wünsche mir neue Eltern oder neue Mutter. Ich bin 32 Jahre und meine Eltern interessieren sich rein gar nicht für mich. Ich hab noch einen Bruder, nur er zählt und das war leider schon immer so. Nun bin ich soweit, das ich den Kontakt komplett abgebrochen haben, weil ja doch nichts von ihnen kam.

Vielleicht gibt es da draußen auch ein einsames Ehepaar oder Frau ab 50, die sich eine Tochter mit Herz wünschen. Ich meine es aufrichtig, ich wünsche mir nichts sehnlicher als eine Familie mit Herz und Liebe, für die ich da sein kann und die für mich da sind. Bitte nur ernst gemeinte Zuschriften.“

Ja, in einer Zeit, wo Slogans „Nichts ist unmöglich!“ und „Geht nicht, gibt’s nicht“ nicht belächelt sondern geglaubt werden, gedeihen die abstrusesten Ideen auf der Suche nach dem perfekten Leben.

Wenn wir schon bei den Phantasien sind, die heute noch als Utopie gelten: warum sollte der wachsende Trend zu Mitbestimmung und Volksbegehren  vor der Familie Halt machen? Mit anderen Worten: Wie wäre es, wenn Eltern sich auch das Kind aussuchen könnten?

Auf Facebook bekam ich dazu geharnischten Widerspruch: „“Was für ein Satz. Das hätten sie nicht tun sollen. Manche Sätze sind schonungslos, der gehört dazu! Satz mit Nebenwirkung!“ (Hans-Lutz O.)

Doch mit der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik sind wir ja schon ein Stück auf diesem Weg. Und in einer Samenbank können sich Frauen oder Paare den Wunsch-Vater aus einer großen Liste aussuchen.

Und warum nicht auch das eigene Kind bei Nichtgefallen zurückgeben? Manches Kind hat diesen Gedanken schon nach einigen Wochen der Geburt  des Geschwisters ganz arglos geäußert: „Können wir das Baby jetzt wieder zurückgeben? Ich hätte lieber einen Hamster.“


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Mama, ist das da deine Nase in meinem Auge?

Wie gehen wir mit unumkehrbaren Entscheidungen um?

Das scheint mir der Kern des Themas zu sein. Den Job kann man kündigen, wenn einem zu viel nicht passt. Sogar den erlernten Beruf wechseln. Vom Partner kann man sich scheiden lassen. Die Religion kann man kündigen oder wechseln. Das Land kann man verlassen. Es gibt nur noch wenige unumkehrbare „Entscheidungen“ im Leben.

Die Entscheidung für ein Kind ist eine davon.

In welche Familie man hinein geboren wird, eine andere.

Ob letzteres eine Wahl ist oder nicht, lässt sich schwer entscheiden.   Es sei denn, man folgt der Reinkarnationslehre und kann sich in schwierigen Momenten damit trösten, dass man sein Schicksal wenigstens selbst herbeigeführt hat.

Wenn man an einer Sache faktisch nichts ändern kann, bleiben einem drei Möglichkeiten:

1. Man beklagt sich, gründet ein Internetforum oder einen Verein und sucht Gleichgesinnte.

Dazu muss man aber in die Opferposition gehen und zwar für den Rest seines Lebens. Der Vorteil dieser Strategie ist, dass man sich im Recht fühlt und Ansprüche erhebt. Das fühlt sich viel besser an als über Verluste zu trauern und sich damit abzufinden. Als Opfer findet man auch ganz schnell Kontakt zu anderen Menschen, die sich auch als Opfer sehen. Hier zwei Beispiele für Vereine, die das umgesetzt haben: www.vgbe.de und diesen hier.

Aber es gibt auch Nachteile der Opferhaltung. Man entwickelt kaum konstruktive Ideen und auf Lösungsvorschläge von anderen,hat man sofort drei Einwände., warum das nicht geht. Verlässt man die Opferposition und ändert seine Einstellung, tragen das einem die anderen „Opfer“ nach und man muss  mit dem Vorwurf des abtrünnigen Verräters leben.

2. Man geht in die Wissenschaft und widmet sein Leben der Aufgabe, doch noch einen Ausweg zu finden.

Das kann einem – sofern man etwas Größeres erfindet – akademischen Ruhm, und eine Menge Geld bringen. So machte der britische Forscher Robert Edwards machte das erste „Retortenbaby“ im Jahr 1978 möglich und bekam 2010 dafür sogar den Nobelpreis.

Und wen es als neuen Vater zu sehr schmerzt, dass die männliche Brust  sich nicht zum Stillen eignet, erfindet eben solch ein Gerät.

Und wer gegen eine andere unumkehrbare Entwicklung im Leben – den Tod – aufbegehrt, wird halt Kryoniker und lässt sich gleich nach dem Ableben einfrieren.

3. Man verändert die eigene Einstellung.

Getreu der alten Seglerweisheit „Nicht der Wind, sondern wie die Segel gesetzt sind, bestimmt den Kurs.“

Die eigene Sichtweise zu ändern, ist für die meisten der unangenehmste Weg. Denn man ist ganz auf sich gestellt. Meist ist es aber der beste Weg. Denn man bleibt weder in der Opferhaltung stecken, noch muss man auf Wiedergutmachung hoffen.

Das empfahl auf Facebook auch Christiane K.: „Wir haben die Wahl wie wir mit unseren Eltern in Beziehung sind und wie wir diese Beziehung erleben. Das ist sehr viel Wahlfreiheit. Viele sind sich dieser Wahl nicht bewusst und weder „vorsichtig“ noch achtsam.“ …“Das würde heißen: „Erwachsen werden“ (altersunabhängig) bringt eine bewusste und adäquate Beziehungsgestaltung zu seinen Eltern mit sich.“

Doch Hans-Lutz O. warnt: „In der Forderung nach Verantwortung liegt eben auch schon wieder die Überhöhung, wie Eltern zu sein haben – weniger ist mehr. Ich für meinen Teil, glaube wenn sie etwas wenig Anspruch voll wären, wären sie auch in ihren Beziehungen echter und griffiger. Es gibt diese Eltern, die wunderbare Beziehungen knüpfen – die Kinder Menschen sein lassen und wirklich loyal sind und ihre eigenen Bedürfnisse pflegen und achten.“

Und Silvia W. meint dazu: „Eltern sind oftmals mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Seelisch, emotional, physisch. Schwangerschaften erfolgen selbst im heutigen Zeitalter leider immer noch unüberlegt.

Und die Gruppe der „Spätgebärenden“ Frauen über 40 zeigt meiner Meinung nach deutlich, dass es nicht darum geht, der biologischen Uhr ein Schnippchen zu schlagen, um den gesellschaftlichen Normen zu genügen. Ist eine Frau nur dann Frau, wenn sie der Gesellschaft zeigt, dass sie schwanger werden kann? Oder verliere ich den Gültigkeitsvermerk „Frau“, wenn ich mich dem verweigere?“


Mein Fazit:

Wenn ich auf mein Leben schaue, ehrlich gesagt, ich wüsste jetzt nicht, worauf ich bei der nächsten Inkarnation achten sollte. In diesem Leben bin ich nach einigen beruflichen Stationen Psychotherapeut geworden. Welches Karma arbeite ich damit ab? Aber dann dürfte mir ja meine Arbeit nicht soviel Freude und Befriedigung schenken, oder?

Ach, mit den moralischen Weltbetrachtungen hab ich’s einfach nicht so. Sie scheinen mir zu menschlich kurz gedacht denn als Ergebnis eines göttlichen Plans. Aber die Idee fasziniert mich trotzdem, aber als Gedankenexperiment.

Zu Beginn des neuen Jahres haben ja viele Menschen gute Vorsätze. Die Klassiker sind weniger Stress, mehr Zeit für die Familie, und natürlich gesünder leben. Das klappt ja vermutlich ohnehin nicht. Wie wäre es denn mit einem Experiment, das Sie wirklich herausfordert?

Haben Sie Lust? Beschäftigen Sie sich doch mal mit dieser Frage:

Angenommen,
Sie hätten sich Ihre Eltern tatsächlich ausgesucht:
Was könnten Sie dann in diesem Leben lernen?

Vielleicht kommen Sie dabei auf Punkte wie diese:

  • Dass Sie ein paar Dinge anders machen als Ihre Eltern – und ihnen danken, dass Sie dazu die Gelegenheit haben.
  • Dass Sie alles  ganz anders machen als Ihre Eltern – ohne sie zu verachten.
  • Dass Elternsein kein Wettbewerb mit einer Jury ist, sondern es dabei „nur“ um die Weitergabe des Lebens. Und das haben Ihre Eltern geschafft.
  • Dass Sie akzeptieren, dass Ihre Eltern einfach normale Menschen waren – und keine Übermenschen.
  • Dass Sie verstehen, dass Menschen meistens Fehler machen, weil sie keine Alternative zu ihrem Verhalten sehen.
  • Dass es nie zu spät ist, erwachsen zu werden und sich von seinen Eltern abzulösen – anstatt in Vorwurf, Aufrechnung oder Rache ein Leben lang an sie gebunden zu bleiben.

 

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Foto: © pixabay.com

 

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.