7 populäre Irrtümer und Ausreden über persönliche Veränderung.

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Neurobiologie / Persönlichkeit

„Ich habe einfach nicht genug Leidensdruck!“ sagte vor einiger Zeit ein Teilnehmer im Seminar. Er wollte damit erklären, warum seine bisherigen Versuche, nicht unpünktlich zu sein, nichts gefruchtet hatten.

Diese Äußerung brachte mich darauf, mal die sieben häufigsten Erklärungen aufzuschreiben, die Menschen immer wieder sich und anderen sagen, wenn es nicht gelang, das eigene Verhalten zu verändern.

1. „Nicht genügend Leidensdruck.“

Die Vorstellung, dass genügend Druck Menschen zu einer Veränderung bringen könne, ist ja weit verbreitet. Bei der Hartz 4-Gesetzgebung spielt ja auch die Überlegung mit, dass man durch immer weniger Unterstützung mehr Menschen dazu motivieren könne, zu arbeiten.

Oder das größte Argument gegen das „bedingungslose Grundeinkommen “ ist, dass dann doch die meisten Leute auf der faulen Haut lägen. Anders gesagt: der Druck der Existenzsicherung allein treibt uns alle morgens ins Büro.

Doch meine Erfahrung ist anders. Die meisten Menschen sind enorm leidensfähig und ziehen das einer Veränderung auch vor. In einem Klinikpraktikum während meines Psychologiestudiums betreute ich  mal Raucher, denen gerade das Bein abgenommen worden war. Und als ich sah, was das erste war, was diese Menschen taten, als sie gerade aus der Narkose erwacht waren, wusste ich, dass das Konzept des Leidensdrucks nichts taugt.

2. „Man kann einen anderen Menschen ändern.“

Dieser Glaubenssatz ist ja den meisten Frauen und allen Verkaufsleitern zu eigen. Wenn etwas nicht so läuft, wie man sich das vorstellt, muss man eben auf den Menschen einwirken und ihn ändern.

Viele Frauen starten dann Nacherziehungsprogramme und der Vertriebsleiter das nächste Incentive. Aber wie wir spätestens nach Reinhard Sprengers „Mythos Motivation“ wissen: es geht nicht.

Sicher, Sie können Menschen bedrohen, bestechen, bestrafen. Und aus Angst tun Menschen vieles, was sie freiwillig nicht tun würden. Aber deswegen haben sie doch nicht ihr Verhalten geändert. Sondern Sie gehorchen oder unterwerfen sich jemandem, den sie als mächtig erleben.

Wenn jemand unter der Folter etwas gesteht, was er zuvor weigerte preiszugeben, kann nur der Zyniker von einer Verhaltensänderung sprechen. Das merkt man spätestens dann, wenn der Druck nachlässt oder der Incentivewettbewerb mal ausfällt.

Nein, Menschen lassen sich nicht ändern. Sie nicht, ich nicht. Jeder Mensch ändert sich, wenn überhaupt, nur aus freien Stücken.

3. „Das ist bei mir vererbt.“

Wofür muss die Vererbungslehre alles herhalten. Schlechte Manieren, Liebe zum Alkohol oder fettem Essen, Faulheit oder Perfektionismus. Alles vererbt. „Das liegt bei uns in der Familie. Schon mein Vater war jemand, der alle tyrannisierte.“

Der Vorteil dieser Argumentation liegt in der Schuldabwehr. Ja, wenn es die Gene sind, dann kann ich ja nichts für mein Verhalten. Sicher, es gibt offenbar eine gewisse genetische Disposition zum Beispiel für Depression, Fettzellen und Alkoholismus. Doch eine Disposition ist keine Determination. Vererbt wird eine gewisse Veranlagung, doch was man daraus macht oder wie man damit umgeht, ist persönliche Entscheidung.

Das sieht man ja in der eigenen Familie, wenn man auf seine Geschwister schaut. Sie haben mit Sicherheit eine ähnliche genetische Ausstattung, verhalten sich aber gemeinhin ganz unterschiedlich.

4. „Männer/Frauen sind ebenso.“

Eine Variation des vorherigen Punktes. Da wird dann evolutionsmäßig begründet, warum Frauen nicht einparken und Männer schlecht zuhören können sollen.

Leider verwechseln hier die meisten Menschen Wahrscheinlichkeit und Wirklichkeit. Und unterschätzen die Macht von selbst erfüllenden Prophezeiungen. So galt lange Zeit das Diktum, dass Mädchen schlechter in Mathematik seien als Jungen. Breit angelegte Schulversuche zeigen jedoch, dass in reinen Mädchenklassen diese „natürlichen“ Defizite in der  mathematischen Begabung fast vollständig verschwinden.

Das Fatale daran ist, dass Vorurteile eben auch auf die Betroffenen wirken können.

5. „Ich habe zu wenig Disziplin.“

Disziplin ist etwas anderes Motivation. Wer motiviert ist, nicht durch andere, sondern durch ein Ziel, das er sich selbst gesetzt hat,verfügt fast immer über die notwendige Ausdauer, auch Durststrecken zu überwinden.

Andersherum, wer zu wenig motiviert ist, weil der das Ziel oder den Sinn nicht kennt, erlahmt schneller in seinen Bemühungen und schimpft sich dann der fehlenden Disziplin.

Über diesen wichtigen Unterschied habe ich einen eigenen Artikel verfasst, den Sie hier lesen können …

6. „Die Umstände haben mich dazu gezwungen.“

Das ist der beliebte Sachzwang. Oder der dominante Chef. Oder der manipulierende Partner. Auch hier geht es im Kern um das Zuschreiben von Schuld – anstatt um das Übernehmen von Verantwortung.

Von einigen existenziellen Situationen abgesehen, kann niemand Sie zu irgend etwas zwingen. Jemand kann versuchen, Sie zu bestechen, bedrohen oder bestrafen. Aber es gehören trotzdem zwei dazu.

„Geld oder Leben!“ Selbst diese Drohung zeitigt unterschiedliche Reaktionen. Wer gerade mit Suizidabsichten auf dem Weg zur Brücke ist, hört diese Frage anders als jemand, der gerne lebt.

7. Mein Aszendent, (Biorhythmus, der Mond, der Fön usw.) ist gerade schlecht.“

Auch eine Variation von Nummer sechs. Ich will nicht verhehlen, dass es für manches einen richtigen Zeitpunkt gibt. Doch ob der von außen kommt, ist fraglich. Meist sind es doch nicht fremde Mächte, schlechte Schwingungen oder das Schicksal, das uns hindert, das zu vollbringen, was wir wollen.

Jemand, der fest entschlossen ist, etwas zu erreichen und – ganz wichtig – von seiner angeblichen schlechten Sternenkonstellation nichts weiß, wird auftauchende Hindernisse zum Anlass nehmen, diese zu umgehen oder sich mehr anzustrengen.

Weil er unbedingt sein Ziel verfolgt, kann er keine Ausreden gebrauchen.

Was braucht es dann zu einer Veränderung?

Bei sich selbst sind es vor allem drei Dinge. Erstens  Ihren Entschluss, dass Sie etwas ändern wollen. Ein Entschluss ist mehr als eine Absicht. Es ist eine Entscheidung, die Sie für sich selbst treffen.

Zweitens ein klar formuliertes Ziel, was Sie ändern wollen. Dazu eignet sich die SMART-Formel. Ihr Ziel sollte also so definiert sein:

  • S-pezifisch,
    also möglichst genau beschrieben sein.
  • M-essbar
    also in irgendeiner Weise quantifizierbar. Nicht nur besser oder mehr, sondern um wie viel.
  • A-ktionsauslösend
    also etwas beschreiben, was Sie tun können, nicht etwas, worauf Sie warten müssen, dass es ein anderer tut.
  • R-ealistisch
    Überschätzen Sie sich nicht. Lieber ein realistisches, kleineres Ziel nehmen, das Sie auch tatsächlich zeitlich und kräftemäßig bewältigen können als ein zu ambitioniertes Ziel, das Sie überfordert.
  • T-erminiert
    Ganz wichtig ist ein Starttermin oder eine Frist, bis zu der Sie das Ziel erreicht haben.

Ein schlecht definiertes Ziel lautet also: „Ich müsste mal wieder was für meine Fitness tun.“ Ein gut formuliertes dagegen: „Ab übermorgen jogge ich jeden zweiten Abend für 5 Minuten.“

Als drittes brauchen Sie Ausdauer. Durchhaltevermögen. Das hängt mit unserem Gehirn zusammen. Alle Gewohnheiten sind dort über neuronale Verschaltungen tief eingegraben. Wenn Sie jetzt etwas verändern wollen, müssen Sie das neue Verhalten eine Weile durchhalten, bis es sich neuronal in Ihrem Gehirn eingenistet hat.

Manche Untersuchungen sagen, es braucht 21 Tage. Sicher ist, mit jedem  Tag stärken Sie das Neue und machen daraus eine neue, „alte“ Gewohnheit.

Und wie ändert man das Verhalten eines anderen?

Die schlechte Nachricht – oder die gute, wie man’s nimmt: GAR NICHT.  Wie oben beschrieben, kann man andere nicht ändern.

Die gute Nachricht: auch Sie kann man nicht ändern. Da scheitert jeder an der Autonomie des anderen. Entweder man ändert selbst etwas oder es bleibt eben so, wie es ist.

Eine Hoffnung gibt es. Man kann andere zur Veränderung einladen. Durch das eigene Vorbild oder indem man es attraktiv für den anderen macht, sich anders zu verhalten.

Ein Beispiel: Angenommen, Sie wollten dafür sorgen, dass mehr Leute ihr Altglas zum Container bringen anstatt es so zu entsorgen. Wie macht man das am besten? Durch Androhungen von Strafen? Durch moralische Appelle an das ökologische Gewissen? Durch mehr Anzeigen und Plakate?

Oder man lädt die Leute ein, sich in die gewünschte Richtung zu verhalten. Zum Beispiel so:

[youtube]httpv://www.youtube.com/watch?v=zSiHjMU-MUo[/youtube]

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.