Was könnte man gegen Politikverdrossenheit tun?

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Psychologie

fdp-wahlplakat.jpg„Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform,
ausgenommen alle anderen.“
befand Winston Churchill.

Wenn ich mir Politiker in Wahlkämpfen anschaue – und was sie in der Zeit zwischen Wahlkämpfen tun, beschleicht mich immer wieder die sogenannte „Politikverdrossenheit“. Also eine Mischung aus länger aufgestautem Ärger und der resignierenden Einsicht in die Demokratie-Spielregeln. Jedenfalls schwöre ich mir dann manchmal „Nächstes Mal mache ich von meinem Recht der Wahlverweigerung Gebrauch“.

Was ich dann regelmäßig doch nicht mache, weil kurz vor Wahlen regelmäßig der Appell der Parteien kommt „Wer nicht wählen geht, unterstützt, die extremen Parteien!“ Das will ich als arrivierter knapp Sechzigjähriger natürlich auch nicht.

Politikverdrossen machen mich zum Beispiel diese Sachen:

  • Parteien, die ein Jahr nach einer Bundestagswahl laut schon über mögliche Koalitionen für die nächste Wahl nachdenken.
    (Das ist genauso, als würde man auf der Hochzeitsreise, schon mal vorsorglich online auf einer Partnerschaftsbörse surfen.)
  • Politiker, die in einer Talkshow dem Andersdenkenden nicht zuhören können (wollen?), keine Fragen stellen, sondern einfach ihre sattsam bekannten Standpunkte verbreiten oder auf konkrete Fragen nicht antworten.
    („Bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich noch ausführen …“)
  • Gesetze, die so fehlerhaft gestrickt sind, dass sie kurze Zeit später nachgebessert werden müssen.
  • Wahlkampfparolen, deren intellektuelle Schlichtheit auf niederste Instinkte und latente Ängste zielen
    („Wie gerade im Hessen-Wahlkampf erlebt oder auch hier in einer FDP-Werbung)

Genug gejammert. Wir wollen lösungsorientiert denken.
Ein Teil meiner Beschwerden hängt ja damit zusammen, dass all das meist funktioniert. Dass das Schüren von diffusen Ängsten und das Versprechen von Wohltaten, die dann oft doch nicht kommen, vor einer Wahl klappt und oft entscheidende Veränderungen bewirkt. Das hat aber auch etwas mit dem intellektuellen Horizont der Wähler zu tun.

(Vorsicht: ab hier wird es wieder politisch inkorrekt!)
Wer seine Informationen aus der BILD-Zeitung bezieht und sein juristisches Wissen aus Gerichtsshows, soll das tun – aber was erwarten wir dann von seiner Fähigkeit, sich bei einer Wahl zwischen Parteien zu entscheiden. Wessen Wissen über fremde Länder vor allem aus Dschungel-Camp-Shows stammt, hat zur Globalisierung und anderen wichtigen Fragen wohl einen anderen Horizont.

Konkret gesagt:
Das gegenwärtige Wahlrecht, bei dem jeder eine Stimme hat, führt dazu, dass die politische Entscheidungsmasse immer unterdurchschnittlicher wird. Doch lässt sich das in einer Demokratie überhaupt anders lösen? Für den Fundamentaldemokraten ist die Sache einfach: Alle Menschen sind gleich. „One Person – One Vote“.

Doch es gibt eine ganz andere Möglichkeit.

globalvoter.jpg Für den Gründer der Stiftung „Global-Voter“, Kim Peter Erichsen, liegt die Ursache der Politikverdrossenheit vieler Menschen auf der Hand. Es hat damit zu tun, dass Menschen für ihr Engagement für die Demokratie nicht belohnt werden.

Abhilfe soll das Konzept der „Global-Voter“ bringen.

Alle Bürger haben eine Stimme, können sich aber im Lauf ihres Lebens durch entsprechende Qualifikationen bis zu zehn Stimmen dazu „verdienen“.

Zum Beispiel durch einen Schulabschluss, durch Berufsausbildung, Meisterbrief oder Hochschulabschluss. Auch mehrere Jahre Selbständigkeit, ehrenamtliche Tätigkeit oder anderes soziales Wirken wird so mit mehr Mitspracherecht honoriert.All das soll im Sinne einer „Cyberdemokratie“ über das Internet abgewickelt werden.

Hier ein Interview mit dem Gründer der Initiative in brandeins.

Fazit: Gegner dieses revolutionären Konzepts werden jetzt vielleicht von „Elite-Demokratie“ reden. Andererseits wäre es ein bedenkenswertes Konzept gegen die Angewohnheit von Politikern vor Wahlen, ihre Programme und Parolen an die tiefsten Ängste und Instinkte der „breiten Masse“ zu adressieren – und damit oft (bei Roland Koch ging’s gerade nach hinten, nein nach links, los) Erfolg haben.

Wie?
Sie meinen, die heranwachsende Jugend sei aufgeklärter und informierter? Dann hören Sie doch mal – spasseshalber – in einige der SWR3-Comic-Beiträge der „Pisa-Polizei“ hinein. Hier werden Jugendlichen Fragen zum Allgemeinwissen gestellt wurden („Was feiert man am 3. Oktober? Wo liegt geographisch Österreich? Was ist ein Dalai Lama? usw.)
Hier der Link.
Der Late-Night-Moderator Jay Leno hat etwas Ähnliches in Amerika versucht…

Was mich jetzt interessiert?

  • Was macht Sie Politik-verdrossen?
  • Was halten Sie vom Konzept der Global-Voter ?
  • Wer sollte Ihrer Meinung nach wann mehr als eine Wahlstimme bekommen?

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Bild: eigenes Foto

 

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

10 Kommentare

  1. Miki sagt

    Hallo

    Was ich an der jetzigen Politik hasse ist die Arogans der Politiker Sie sollten sich mal Überlegen wo das Geld das Sie jeden Tag nur so um sich Schmeißen her kommt.Alle die Wir Morgens,Mittags.Abends.zur Lohnsteuerpflichtigen Arbeit gehen Verdienen Wir das Geld das Ilrim zum Studieren.Igor zum Hausbau.Memet für seinen neuen BMW,Aische für Ihr Rechtsanwalts Büro usw.Wenn Hans mal was braucht muß er erst Vormulare bringen die Abgelehnt werden.Ich wünsche alle die mit Hände Arbeiten mal Franzosen werden.Alle Räder Stehen Still wenn der Arbeiter es WILL.
    mittags

  2. Detlev sagt

    Im Artikel 38 Absatz 1, Satz 2 des Grundgesetzes heißt es:
    „Sie (die Abgeordneten) sind Vertreter des Ganzen Volkes,
    an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem
    Gewissen unterworfen“. –
    Jemand, der sich in seiner Freizeit hauptsächlich mit
    Fußball & Hollywood beschäftigt, dürfte demnächst noch
    einen gehörigen Schreck bekommen.

  3. GlobalVoter sagt

    Zu den jüngsten Ereignissen im „Steuerparadies“ und den sehr ergiebigen folgenden und informativen Diskussionen, kann ich mir den folgenden Nachsatz zum Thema der „qualitativen“ Mehrstimmendemokratie nicht „verkneifen“ .
    Wir stellen fest, daß 75% der deutschen Bürger „Steuerverkürzer“ sind und daß die Armen doppelt bis dreimal soviel hinterziehen, wie die Reichen! Kein Wunder!?
    Deutschland hat das schlechteste Steuersystem von 145 Nationen, nach Haiti! Sagt die OECD!
    Wir stellen, als Nation, fest, daß die Wertigkeiten in dieser Demokratie vor die Hunde gegangen sind. Politik (Kohl), Bürokratie (FA/BND) und Medien (ZDF) arbeiten zusammen, fast wie eine „kriminelle Vereinigung“.
    Die Persönlichkeitsentwicklung eines Einzelnen und damit die Gesellschaftsentwicklung der Gesamtheit hat, nunmal, auch mit der Entwicklung der moralischen, menschlichen Werten zu tun. Freiheit und Selbstbestimmung und das Einbeziehen, Fördern, Belohnen der Besten (Bitte!, immer relativ zu sehen und transparent angelegt) muss neu angedacht werden!
    Dazu ist das System GlobalVoter, die „Qualitaive Demokratie“ ein immer ernsthafterer Beitrag. Wir bitten um Mut zur faktischen Unterstützung.

  4. GlobalVoter sagt

    zu Roland:
    Das System GlobalVoter soll eine online + direkte Demokratie sein, sodaß Entscheidungen und die Mitbestimmung in der Politik, sofort, vonstatten ginge.
    Das zweite Kriterium wird ebenfalls erfüllt, da „online“ ständig diskutiert und entschieden werden kann. Die Dynamik, d.h. Selbstkritik, in der „Direkten Demokratie“ ist innovativ und konstruktiv.
    Wir wollen jeden Tag wählen und an der, unsrigen Macht teilhaben. Nein, sie geht vom Volke aus!(GG § 20(2)) Natürlich muss dies unter dem Aspekt der Arbeitsteilung gesehen werden in der Praxis. Keiner ist in allen Bereichen, Experte.
    Das Anfangsprinzip der Mehrstimmenverteilung in 10x „Gewichtungen“ ist kein Standard, sondern soll nach 3 Jahren oder 1 Mio Teilnehmern/GlobalVotern sich selbst neu definieren!
    Bildung und die Umsetzung sozial-politischer menschlicher Handlungsprinzipien, nachhaltig, sind wesentlicher Bestandteil der zukünftlichen, reifen und erfolgreichen demokratischen Gesellschaft.

    zu Mario:
    Das Projekt GlobalVoter ist inhaltlich mehr ein pädagogisches, als politisches. Die Kriterien der Stimmenverteilung scheinen willkürlich, sind aber unter Kriterien der menschlichen, psychlogischen Grundeigenheiten ausgewählt.
    Wesentlich ist, die Diskussion anzuwerfen, über den Weg nachzudenken, den wir, das „Säugetier Mensch“, begehen oder historisch begangen haben.
    Wir unterscheiden uns vom „Säugetier Tier“ durch die Umsetzung von Intelligenz + Ergeiz, also Bildung im weitesten Sinne und durch ein menschliches Sozialverhalten in der Gemeinschaft, welches wir gerade, auch weiter erlernen müssen. Kein Mensch ist als Demokrat geboren. Dies alles verpackt in ein System der „Belohnung“ für das konstruktive, verantwortliche Sozialverhalten in der Gesellschaft, weil es uns allen nutzt, ohne aber die Unterschiede an Intelligenz, Einsatz und Leistung wegreden zu wollen.
    Deine Befürchtungen basieren auf Prinzipien der „Alten Macht“, die wir gerade nicht mehr, so, wollen, aber ohne Selbstkritik auch nicht überkommen werden!
    Für eine „Neue Macht“, eigentlich die Umsetzung der wahrhaftigen Demokratie, die uns im Moment aus den Händen gleitet, müssen wir uns was ausdenken. Das System GlobalVoter, als pragmatischer Neuanfang.
    Demokratischer, direkter, wertfreier, erfolgsorientierter geht es nicht!?

    zu Hannes:
    Das System GlobalVoter ist viel umfassender, als Du es erlesen hast.
    Bildung, Bildung, Bildung ist die Zukunft für unsere Gesellschaft. Die Finnen und andere machen es uns vor. Dafür muss man sich aber anstrengen!
    Und die politischen und strategischen Vorraussetzungen schaffen, daß alle Bürger/Talente gleiche Chancen bekommen. Der GlobalVoter ist der permanente Anfang und nicht ein neues Ende. Neue Entwicklungen und Erkenntnisse werden offen einge- woben. Selbst die Renummerierung des aktiven Mitbürgers ist angedacht, welcher über ein bestimmtes Maß „mitregiert“. Gerade die Ehrenamtlichkeit und damit Untervergüt- lichkeit in der Politik wollen wir vernünftig überkommen, weil dies zu den unterdurchschnittlichen „Seilschaften“ führt, die der Gesamtheit nicht dienlich sind!

    zu Florian:
    Du scheinst in einer anderen Demokratie zu leben, als wir Alle? One man, one vote ist die Utopie, die uns vorgegaukelt wird! Warum? Weil die Menschen eben nicht gleich sind in ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, wie es unser GG § 33(2) auch impliziert.
    Schlimmer noch, sind die gewählten Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen NICHT gebunden und NUR Ihrem Gewissen unterworfen. GG§ 38 (1)
    D.h., daher kommt die Politverdrossenheit der mündigen Bürger, weil sie, defacto, nach der Abgabe ihrer Stimme, alle 4 Jahre, nichts mehr zu vermelden haben! Selbst jede Wahlaussage (d.h. eine „Eigen“ Weisung) des zu wählenden Kandidaten ist nach dem GG nichtig! Diese könnte also auch als Farce interpretiert werden oder demokratische Unwahrheit. (Schon Roussault hatte dazu seine klare kritische Stellungsnahme)

    Soweit zu Deiner Einschätzung des „edlen“Politikers, der sich um Bildung im Pluralismus „kümmert“!? Wohl ein Witz für jeden Zeitzeugen. Gerade die rasante Talfahrt der Bildung in Deutschland ist die Gegenwart. Anderseits widerspricht Du Dir semantisch, als daß Du meinst die fehlende Konkurrenz der Gesellschaft gegenüber den Politikern die Politverdrossenheit provoziert. Also sind die Wähler schuld.?
    Darin sind wir uns wieder einig! Aber wir wüssen, daß die Parteien, Politiker und Seilschaften alles dafür tun die Mittelmäßigkeit der Wähler zu „fördern“, weil die passive Ignoranz der mehrheitlichen Masse ihnen nutzt!
    Die Kluft zwischen der Politik und dem Wähler in der Demokratie ergibt sich genau aus der Nichtumsetzung und Pflicht der Politiker allen Wählern, nicht nur den hörigen Parteigängern, die Demokratie und deren „Künste“ beizubringen, was sie eben NICHT tun. So wie ein Lehrer sich dem Schüler überflüssig macht, weil er ihm alles, was er weis beibringt, so müsste der Politiker sich „entmachten“ weil er den Wählern beigebracht hätte, sich um sich selbst, die Ausübung der demokratische Macht, kümmern zu können!
    Den Aspekt der Umsetzung von Macht, auch in der Demokratie übersiehst Du. Hier sind die Strukturen geschaffen und umgesetzt, die den Bürger immer mehr entmündigen sollen, zum Befehlsempfänger werden lassen. Der transparente Bürger, aber ohne transparente Macht. Politiker, wie Kohl oder Stoiber haben „sauber“ ihren Teil dazu beigetragen.
    Dies schafft Politverdrossenheit, weil der Bürger/Demokrat glaubt einer übermächtigen Regierung + Bürokratie nichts mehr entgegen zu setzen zu haben. Allerdings, sind Politiker nicht blöd. Da sind wir auch Deiner Meinung! Sie wissen sehr genau ihre Macht + Vorteile umzusetzen. Prämeditiert! Diese Macht muss außer Kraft gesetzt werden. Zurück zu mehr direkter Demokratie, online! In der Schweiz geht es ja auch!?
    Die bittere Pille und die unliebsame Wahrheit ist, allerdings, daß wir uns kollektiv anstrengen müssen und wir werden nicht umhin kommen den Weg zu ebnen für die Besten in unserer Gesellschaft, die Führung und Verantwortung in einer transparenten neuen Demokratie einzunehmen und zwar so, daß es allen Beteiligten, möglichst gleichermaßen nutzt und Spaß macht. Keine Utopie!?
    Vielmehr Notwendigkeit der nächsten Generation.

  5. Was Mario und Hannes sagen, muss man unterstreichen. Die Idee, Stimmen abhängig vom Bildungsgrad hinzuverdienen zu können, wirft die Frage nach einem zuverlässigen System der Bestimmung und Anerkennung des Bildungsgrads auf. „One Man, one vote“ ist hingegen ein recht zuverlässiges und auch recht faires Konzept. Im Sinne der politischen Ökonomie ist der Politiker ein Stimmenmaximierer, der auf dem Stimmenmarkt seinen Anteil zu vergrößern versucht. Dies kann er zwar durch Populismus erreichen, nachhaltiger jedoch mittels Aufklärung. Schließlich wacht der plurale Wettbewerb und die öffentliche Kritik recht effizient darüber, was wahrscheinlich und was bloß populistisch ist. Man könnte also sagen, dass Lösungsvorschläge für politische Probleme erklärungsbedürftig sind, sodass das Konzept „one man, one vote“ die Politiker und Parteien zur Erklärung ihrer Programme zwingt, sofern sie für die Mehrheit der Stimmen vieler – auch schlecht ausgebildeter Menschen – dauerhaft vertrauenswürdig bleiben wollen. Kurz: Das Konzept „One Man, one vote“ nötigt im Pluralismus mittelfristig zum Bemühen um die Bildung/Information vieler.

    Das Problem der Politikverdrossenheit ist meines Erachtens nicht so sehr eine Frage des Wahlverhaltens, sondern eine Frage der politischen Kompetenz im handwerklichen Sinne. Probleme zu artikulieren, für diese Probleme Lösungsmöglichkeiten zu identifizieren und diese in den Gesetzgebungsprozess einfließen zu lassen erfordert kontinuierliche gesellschaftliche Teilhabe in Parteien oder Verbänden, deren Erfolg von spezifischen Kompetenzen des Einzelnen abhängt. Oder, ins betriebswirtschaftliche übersetzt könnte man sagen: Das Systemprodukt Demokratie ist relativ komplex und erfordert eine gewisse Kundenkompetenz.

    Was mich in meiner Arbeit interessiert ist, welches Handlungswissen notwendig ist und wie sich dieses Handlungswissen verbreitet. Hierbei spielen die Parteien eine entscheidende Rolle. Es stellt sich die Frage, inwiefern sie ihre Mitglieder oder politisch Interessierte rein handwerklich schulen und welche Reichweite sie dabei (in Zahlen) erreichen. Ich vermute, dass sich der Begriff der Politikverdrossenheit antiproportional zur Abnahme solcher politischen Bildungsarbeit und zur Zunahme der Organisationsferne der Bürger verbreitet hat. In diesem Zusammenhang ist mein Auszug aus Schönhagen 1999 (http://www.derdieckmann.de/?p=128) zu sehen, der allerdings weitere Erklärungen erfordern dürfte. Politikverdrossenheit heißt ja nicht zuletzt, dass die Bürger Erwartungen haben, die von der Politik nicht eingelöst werden. Und dies deutet u.U. gar nicht auf eine qualitative Veränderung der Politik hin, sondern auf ein mangelndes Verständnis für politische Prozesse, auf Unwissen um die Kompetenzen und Werkzeuge zur politischen Einflußnahme und daraus folgend auf einen empfundenen Mangel an aussichtsreichen Handlungsmöglichkeiten. Naiver weise versucht man dann, der Politik fern zu bleiben. Dabei gibt es für einen Politiker nichts besseres, als das Ausbleiben der Konkurrenz.

    Die von Kopp-Wichmann oben beschriebenen Phänomene, die ihn politikverdrossen machen, spiegeln allesamt eine spezifische politische Kommunikation wider. Diese entspringt m.E. politischen Vereinigungen (Parteien), die aufgrund ihrer Veränderung weg von der Mitgliederintegration hin zur „professionalisierten Wählerpartei“ via Massenmedien top-down zu kommunizieren versuchen, ohne aber in der Breite aufklären und überzeugen zu können, weil es ihnen an ausreichend vielen wohlinformierten und ausgebildeten Mitgliedern mangelt. Und dieser Mangel führt letztendlich dann auch zu den schlechten Gesetzen. Denn die Kommunikation läuft ja in zwei Richtungen. Mitglieder sind nicht nur Multiplikatoren, wenn es um die Erläuterung angebotener politischer Programme geht, sondern sie sind auch diejenigen, die Probleme benennen und Delegierte auf angemessene Lösungsmöglichkeiten hinweisen. Politiker sind, salopp gesagt, nicht blöd. Sie sind aber in gewisser Weise gefährlich einsam geworden, sodass sie für jeden noch so blöden Lösungsvorschlag zu haben sind, ohne ihn mit einer ausreichend heterogenen Bezugsgruppe diskutieren zu können oder sich deren Kritik ausgesetzt sehen zu müssen.

  6. Hannes sagt

    Schulbildung ist meiner Meinung nach aus zwei Gründen kein guter Maßstab. Erstens weil ich sehr viele Abiturienten kenne, die ähnlich ahnungslos sind wie der klischeehafteste Hauptschüler, und ich umgekehrt eben auch Leute mit Hauptschulabschluss und einer Ausbildung als Erzieherin oder Schreiner oder sonst was kenne, die top-informiert sind.
    Das viel größere Problem ist aber, dass in unserer Gesellschaft (Schul-)Bildung sehr eng mit dem Einkommen zusammenhängt. Typische „Arbeiterkinder“ sind auf dem Gymnasium selten (dazu gibt es irgendeine Statistik, die genauen Zahlen sind mir aber leider entfallen). Ähnliches gilt übrigens auch für ehrenamtliches Engagement (wenn auch in geringerem Maß). Wer mit 16 schon 8 Stunden am Tag arbeitet, wird nicht unbedingt noch die Zeit für Vereinsarbeit haben.
    Und das würde dann damit enden, dass die wohlhabende Minderheit der Gesellschaft besser repräsentiert wird als die, eh schon benachteiligte, Mehrheit. Zensurwahlrecht eben.
    Übrigens denke ich, dass alle anderen Maßstäbe ein ähnliches Gefälle ergeben würden. Und ehrenamtliches Engagement dass mit politischer Macht honoriert wird ist nicht ehrenamtlich.

  7. Mario sagt

    Was mich am Konzept des Global Voting stört, und das wird mich hier wohl zum Fundamentaldemokraten abstempeln, ist, dass hier Maßstäbe an Menschen hinsichtlich ihrer Fähigkeit zu wählen angelegt werden, die einigermaßen willkürlich sind. Fangen wir an, „bürgerliche“ Maßstäbe an den Wähler anzulegen, ist es zu anderen „Beschneidungen“ des Wahlrechts nicht mehr weit. Ich denke da konkret an eine in Preußen relativ lang praktizierte Art des Zensuswahlrechts.
    Ich für meinen Teil halte es zudem für überheblich anzunehmen, dass Menschen die sich sozial engagieren oder einen höheren Bildungsgrad erreicht haben, gegen die Aktivierung ihrer Triebe durch Propaganda gefeit wären.

  8. Agree @Roland.
    Was mich stört: einmal gewählt, können die Kasper doch tun und lassen, was sie wollen. Wahlversprechen werden noch am Wahltag über den Haufen geworfen, ich habe keine Möglichkeit, Inkompetenzbestien wie Trulla-Ulla oder Grundgesetzverachter wie den Schäuble wieder abzuwählen. Das macht politikverdrossen.

  9. Mathias sagt

    Ich finde die Idee von Global Voter auch toll. Eine ganz ähnliche Vorstellung hatte ich schon vorher von meiner „Wunschdemokratie“. Die Idee von Roland finde ich in dem Zusammenhang auch ganz gut. 🙂

    Überhaupt scheint die ach so hoch gepriesene westliche Demokratie mal eine Generalüberholung nötig zu haben, nicht nur in Deutschland.

  10. Roland sagt

    Hallo

    Mich macht politikverdrossen, dass sich nichts bewegt. Ich bin 30. Meine Generation braucht noch 30 Jahre, bis sie die Gesetze machen kann, die ich jetzt benötige. Das dauert mir zu lange, in 30 Jahren fange ich nicht nochmal von vorne an…

    Global Voter ist eine tolle Idee, aber auch schon wieder zu kompliziert. Es ist richtig, Menschen mit Verstand mehr zuzutrauen. Eine Komponente fehlt mir: Wenn ich eine Stimme vergeben kann, möchte ich diese, sollte ich unzufrieden sein, auch wieder dem Stimmenpool entnehmen oder eine Gegenstimme abgeben können. Sind 50% der Stimmen zurückgenommen worden, muss neu gewählt werden. Mal sehen, wer dann noch Wahllügen verbreitet, wenn es schon nach wenigen Wochen zu Ende sein kann mit dem Regieren. Dafür würde ich sogar mein Wahlgeheimnis, ob ich bei der Wahl war oder nicht, freiwillig aufgeben. =)

    Mehr Stimmen sollte man bekommen, wenn man über entsprechende Bildung verfügt. Das Alter würde ich nicht als Indikator für „politische Intelligenz“ hernehmen. Das Ganze sollte einfach gehalten werden und nicht mehr als 3-5 Stufen enthalten.

    Roland

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