Müssen Autofahrer im Stadtverkehr wie Vierjährige behandelt werden?

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Psychologie

verwirrung_schilder_small.jpg Jeder, der ein Auto fahren will, muss das längere Zeit lernen, üben und eine Prüfung dafür ablegen. Trotzdem haben wir uns daran gewöhnt, durch unzählige Verkehrszeichen auch danach noch oft gemahnt und genau vorgeschrieben zu bekommen, was wir dürfen und was nicht.

Zu diesem Konzept der unverlangten „Nacherziehung“ gehört auch die Überzeugung der bisherigen Verkehrsplanung in Dörfern und Städten, dass den einzelnen Verkehrsbeteiligten unterschiedliche Räume zuzuteilen sind. Autos, Straßenbahn, Fahrradfahrer und Fußgänger – jeder braucht eine eigene Spur.

Leider kreuzen sich diese Spuren naturgemäß immer wieder. Deshalb wird fürsorglich jedem Verkehrsteilnehmer durch unzählige Schilder, Ampeln, Begrenzungsspuren vorgeschrieben, wo – und wie – er sich im Verkehr aufzuhalten hat. Das bringt die bekannten Schwierigkeiten und fördert in vielen das bekannte kleinkindliche Trotzverhalten „Das ist mein Weg!“ Die Folge sind häufiges Schimpfen über die Rücksichtslosigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer, gefährliche Situationen durch Racheaktionen oder Unfälle.

Wir sind diese Aufteilung des Verkehrsraums in unseren Städten so gewohnt, dass wir uns kaum vorstellen können, dass es auch anders ginge. Probieren Sie es trotzdem!

 

Stellen Sie sich vor, wir machen es ganz anders.

Wir sorgen dafür, dass alle am Verkehr Beteiligten realisieren, dass sie den gemeinsamen Verkehrsraum nutzen und sich dementsprechend verantwortlich verhalten. Und wir unterstützen diese Veränderung durch folgende Maßnahmen:

 

  • Sämtliche Verkehrsschilder werden entfernt.
  • Alle Ampeln werden abgebaut.
  • Rad- und Fußwege werden entfernt.
  • Es gibt keine Bordsteine mehr, keine Abbiegespuren.
  • Dafür ein einheitliches rotes Kopfsteinpflaster.

Was meinen Sie? Würde das gut gehen?

Sie sind skeptisch?
Nun, in der niederländischen Gemeinde Drachten hat man das ausprobiert. Mit erstaunlichen Ergebnissen. Innerhalb weniger Wochen sank die Unfallquote auf ein Viertel. Der Verkehr beruhigte sich. Alle fahren langsamer – und kommen dennoch schneller vorwärts. Alle nehmen mehr aufeinander Rücksicht, weil keiner sich mehr so sehr im Recht fühlt auf seiner Spur.

Diese Initiative ist Teil eines EU-finanzierten Verkehrsprojekts „Shared Space“. Damit sollen Methoden entwickelt werden, den innerstädtischen Verkehr neu zu regeln. Jedem soll bewusst werden, dass er Teil eines sozialen und kulturellen Gefüges ist und dementsprechend sein Geh- oder Fahrverhalten anpassen muss.

Neben Städte und Provinzen in Belgien, Dänemark, England und den Niederlanden gibt es auch ein Beispiel in Deutschland: die Gemeinde Bohmte. Das Land Brandenburg schreibt derzeit ein Pilotprojekt aus, bei dem in drei brandenburgischen Gemeinden die Prinzipien von Shared Space angewandt werden sollen. Nach ersten Erkenntnissen gingen in den Gemeinden, die Shared Space umgesetzt haben, die Unfallzahlen zum Teil drastisch zurück; der Verkehr läuft insgesamt flüssiger. Systematisch werden die Projekte von Shared Space jedoch erst 2008 ausgewertet.

Wie Straßenverkehr ohne viele Vorschriften recht gut klappt, sieht man auf diesem Video aus Indien:

[youtube]http://de.youtube.com/watch?v=QQalBee97-8[/youtube]

Diese Annahme, dass erwachsene Menschen wie schwer erziehbare Kinder zu betrachten und dementsprechend zu maßregeln sind, hat Parallelen zu diesem Blog-Artikel.

Was meinen Sie zu der Idee eines „Shared Space“ in Ihrer Stadt?
Würde das funktionieren? Besser? Schlechter?
Würden Sie es wollen?

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.