Bekommen Sie genug Resonanz in der Welt?

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Persönlichkeit / Psychologie

Resonanz rkwichmann persönlichkeits-blog

Sie kennen das aus dem Physikunterricht. Resonanz entsteht, wenn der Geigenbogen über die Saiten streicht und diese zur Schwingung anregt. So entsteht der Ton.

Diese Schallenergie ist aber zu gering, um sie gut zu hören aber sie reicht aus, um den Körper der Geige zu Schwingungen anzuregen. Es gibt unendlich viele Resonanzphänomene. Erwünschte und unerwünschte:

  • Wer sein Kind auf der Schaukel anstoßen will, muss sich auf die Schwingungsfrequenz des Schwingens einstimmen.
  • Wenn bei einer Lesung der Autor aus seinem Thriller vorliest und die Zuschauer Angst bekommen, ist das Resonanz.
  • Der Comedian, dessen Witze schal sind, erntet bei seinem Publikum keine Resonanz.
  • Bei der Konstruktion von Autos oder Maschinen versucht man, unerwünschte Resonanzen zu vermeiden.
  • Aus demselben Grund sollen ja auch Soldaten nicht im Gleichschritt über eine Brücke gehen.
  • Viele Uhren im selben Raum aufgehängt, gleichen sich mit der Zeit an. Von menstruierenden Frauen, die nah beieinander leben, wird dasselbe berichtet.

Wie wichtig Resonanz für uns Menschen im täglichen Leben ist, wurde mir noch einmal durch das Buch von Hartmut Rosa

konzert_resonanz_flickr_Greyworld

Ein gutes Konzert erzeugt immer Resonanz.

„Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung“.

Das Buch habe ich nicht ganz geschafft, weil mir der Kopf wegen der vielen theoretischen Ausführungen brummte.Da stehen dann so Sätze drin wie: „Gelingende Weltbeziehungen sind solche, in denen die Welt den handelnden Subjekten als ein antwortendes, atmendes, tragendes, in manchen Momenten sogar wohlwollendes, entgegenkommendes oder ›gütiges‹ ›Resonanzsystem‹ erscheint.“

Zum Glück hat er einige gut verständliche Interviews gegeben. In der ZEIT und jetzt gerade in PSYCHOLOGIE HEUTE.  Daraus möchte ich die wichtigsten Passagen vorstellen. Rosas Hauptthese:

„Menschen sind glücklich, wenn sie in einer resonanten Austauschbeziehung mit der Welt stehen. Dabei gibt es drei Arten von Welterfahrung:

1. Beziehungen zur Natur, zu Bäumen und Pflanzen und zu Dingen.
2. Beziehungen zu Menschen.
3. Und die Welt unsere eigenen Erfahrungen, Empfindungen, Wünsche und Nöte.

Ein Leben gelingt, wenn diese Weltbeziehungen – subjektive Welt, Dingwelt und Sozialwelt – als resonant erlebt werden.

Das finde ich in wenigen Sätzen sehr gut zusammengefasst, was Menschen zufrieden macht oder wenn diese Resonanz fehlt auch unglücklich.

Was heißt das jetzt konkret? Im Bereich der Partnerschaft versteht man jetzt besser, was der Paarforscher John Gottman herausfand, worin sich langjährige Paare unterscheiden von Paaren, die sich getrennt haben.

httpv://www.youtube.com/watch?v=Xw9SE315GtA

Das Verhältnis von positiver Zuwendung vs. negativen Reaktionen sollte 5 zu 1 sein. Denn durch positive Zuwendung (Fragen stellen, zuhören, Anerkennung, Berührung etc.) erfährt man als Partner positive Resonanz.

Resonanz ist nicht Echo.

Doch wenn wir etwas tun in der Welt, reagiert die Welt nicht immer so, wie wir das erwarten. Das ist das Risiko und der Reiz der Beziehung. Doch erfahren wir, dass auf unsere Handlungen etwas in gewandelter Form zurück kommt.

Nicht-Reaktion ist ja oft das Schlimmste, wenn man sich in einer Sache engagiert hat und es kommt keine Reaktion darauf. Hartmut Rosa sagt: „Immer mehr Menschen erfahren in ihrer Arbeit keine Resonanz mehr und haben das Gefühl sich zu verausgaben, ohne dass etwas zurück kommt.“

mann_schreibtisch_burnout_ xs_lichtmeister - FotoliaGerade zeigt ja der „Stressreport Deutschland 2012“ der Bundesregierung, dass jeder zweite Arbeitnehmer sich gestresst fühlt. Neben den geänderten Arbeitsbedingungen spielen vermutlich die fehlenden Resonanzerfahrungen eine wichtige Rolle.

Man arbeitet an einem neuen Konzept und weiß, bei der nächsten Umstrukturierung wird ohnehin alles über den Haufen geworfen. Oder man hat sich mit anderen monatelang in ein Projekt hineingekniet. Doch der erfolgreiche Abschluss ist schnell abgehakt und der nächste Auftrag liegt da. Nichts Substanzielles bleibt.

Rosa erklärt die zunehmende Bereitschaft von Menschen, ein Ehrenamt zu übernehmen mit diesem Mangel an resonanten Erfahrungen in der übrigen Welt. Egal ob man alte Menschen unterstützt oder einem türkischen Jungen die deutsche Sprache näher bringt – wenn es klappt, erfährt man Resonanz.

 

Resonanz braucht ein Gegenüber – und Zeit.

Das Gegenteil von Resonanzerfahrung nennt Rosa „Indifferenzerfahrung“. Der andere reagiert einfach nicht. Wenn Eltern über ihr Kind ärgerlich oder enttäuscht sind, ist es wichtig, dass das Kind in angemessener Form erfährt. Das Schlimmste, was man Kindern antun kann, ist – Schweigen und Ignorieren.

Nicht umsonst gibt es in archaischen Kulturen den sozialen Tod, bei dem die Angehörigen des Stammes den zu Bestrafenden über Wochen vollkommen ignorieren. Auch die Isolationshaft in Gefängnissen nutzt den zerstörerischen Effekt der kompletten Resonanzverweigerung.

In unserem modernen Leben gibt es jedoch zwei Faktoren, die das Bilden von Resonanzbeziehungen erschweren.

1. „Wir glauben, dass Optionssteigerungen das Leben verbessert. Von diesem Irrglauben lasen wir uns immer wieder verführen. Wir glauben, mehr ökonomische Ressourcen, mehr technische Möglichkeiten und mehr soziale Freiheit würden uns ein besser Leben bescheren.“

2. „Beschleunigung untergräbt Resonanz.“ „Das Wegwerfprinzip gehört dazu. Doch damit tun wir nicht nur der Umwelt etwas Schlechtes, sondern auch uns selbst. Wenn ich von vornherein weiß, eine Beziehung wird nicht dauerhaft sein, ist es geradezu unklug, eine Resonanzbeziehung aufzubauen.“ (H.Rosa)

 

Wo finden Menschen Resonanz?

Wendet man die beiden Faktoren, die Resonanzbeziehungen erschweren, auf diese Frage an, wird klar, dass zwei Entscheidungen notwendig sind, will man in seinem Leben mehr oder stärkere Resonanz erfahren:

Die Beschränkung auf Wesentliches und mehr Zeit dafür aufwenden.

Dazu muss man allerdings erst mal herausfinden, was einem wesentlich ist. Auch dafür braucht man vielleicht Zeit. Hier ein paar Ideen:

  • Zwiegespräche führen.
    Eine ganz Stunde einander gegenüber sitzen. Einer hat 10 Minuten Sprechzeit, der andere hört nur zu. Dann Wechsel. Anleitung hier.
  • Fernsehzeit einschränken.
    Und ausprobieren, was man als Familie zusammen machen kann.
  • Zeug wegschmeißen.
    Ich habe das ja mal mit meinen Büchern gemacht und hier berichtet.
  • Achtsamkeit anwenden.
    Immer mal wieder am Tag die Augen schließen und die Aufmerksamkeit nach innen richten.

Resonanzbeziehungen aufzubauen kostet Zeit. Egal ob Sie sich in Ihr Hobby vertiefen oder besser Klavier spielen wollen. Ob Sie im Team für mehr Kontakt und bessere Beziehungen sorgen. Ihr Handy auf stumm schalten, wenn Sie Ihrem Kind die Gutenachtgeschichte vorlesen. Ihre Newsletter-Liste bereinigen, wie ich das vor zwei Wochen tat.

Es gibt sehr viele Möglichkeiten.

Die schlechtere Alternative ist ein „instrumentelles Weltverhältnis“. Wenn am Arbeitsplatz durch Umorganisation dauernd die Beziehungen zu den Menschen wechseln, interessiert man sich immer weniger für deren Geschichte. Wenn man öfters umzieht, bemüht man sich nicht um einen guten Kontakt zu den Nachbarn. Meinem ersten Auto (einem gebrauchten VW-Käfer) gab ich einen Namen. Mittlerweile bekomme ich alle vier Jahre ein neues Leasing-Auto. Da ist mir die Namensgebung nicht wichtig.

Wem das Aufbauen von langfristigen Resonanzbeziehungen zu mühsam ist, der bleibt entweder einsam oder er muss sich mit schnelllebigen Kommentaren oder hochgereckten Daumen auf Facebook begnügen.

Wem das Aufbauen von langfristigen Resonanzbeziehungen zu mühsam ist, der bleibt entweder einsam oder er muss sich mit schnelllebigen Kommentaren oder hochgereckten Daumen auf Facebook begnügen.

Wenn Sie bisher gelesen haben, gehören Sie vermutlich nicht dazu. Deshalb an Sie meine Frage:

 

kommentar Wo in Ihrem Leben erfahren Sie immer wieder Resonanz ?

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Foto: © Grey World- Flickr.com, lichtmeister – Fotolia.de

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

17 Kommentare

  1. M. Schulze sagt

    Sie schreiben: „Wie wichtig Resonanz für uns Menschen im täglichen Leben ist, wurde mir noch einmal durch das Buch von Hubert Rosa „Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung“.“

    Der Name des Autors ist Hartmut Rosa. 😉

  2. Hallo Anne,
    ja, Tiere können sich schlecht verstellen und auch nicht lügen. Da ist die Kommunikation oft einfacher – aber auch eingeschränkter.

  3. Anne sagt

    Ich erfahre tagtäglich Resonanz durch meine Tiere: Aus dem einstigen „Problem“Pferd ist ein vertrauensvolles, sensibles, aufmerksames Tier geworden. Aus dem bereits aus gesundheitlichen Gründen, aufgegebenem Kaninchen ein aktiver Wirbelwind, der einem jeden Tag ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.
    Für mich ist der Umgang eine sehr große Quelle der Kraft und Ruhe. Man lernt dabei sehr viel über sich selbst und muss das eigene Verhalten reflektieren, wenn man eine intensive Beziehung zum Tier aufbauen möchte. Das kann man 1:1 auf menschliche Beziehungen übertragen, was aus meiner Sicht allerdings ungleich schwieriger ist.

  4. Hallo Petra,
    die Erfahrung mache ich auch öfter. Es gibt wenig Menschen, die Fragen stellen, wenn man mal was berichtet. Viele Menschen hören nicht zu, um etwas besser zu verstehen, sondern hören zu, um beim passenden Stichwort selbst zu Wort zu kommen.

  5. Petra sagt

    Genau mit diesem Thema beschäftige ich mich zur Zeit. Allerdings fällt mir auf, dass viele Menschen derart oberflächlich sind und sie nur „Interesse“ heucheln, solange du Interesse an ihrem Leben hast. Von selbst kommt nichts und damit stirbt die Beziehung. Denn immer nur einseitig den Kontakt aufrecht erhalten, kann nicht die Lösung sein. Ich sei zu verbindlich – hat mir vor Kurzem ein ebenso verbindlicher Mensch gesagt. Schade, dass es davon nicht noch viel mehr gibt.

  6. RK sagt

    … ganz so leicht war es nicht. Es war ein langer Prozess des Verstehens und Begreifens – insgesamt zwei Jahre. Die Umsetzung fiel aber natürlich leicht, nachdem ich es begriffen hatte. So habe ich mich z.B. mit der Frage auseinander gesetzt, warum ich überhaupt Karriere machen will? Was steckt hinter diesem Wunsch?

    Ein einfacher Satz eines Coaches prägte mich dann ebenfalls: „Welche Bedingung muss erfüllt werden, damit sie wieder glücklich sind.“

    Ein weiterer Satz prägte mich ebenfalls: „Finde heraus was du willst (alleine das ist schon eine große Hürde) und lerne es einzufordern (eben nicht nur von anderen, sondern auch von dir selbst).“ Zwei riesen große Hürden insgesamt.

    So suchte ich nach einem Job, der mit der Familie vereinbar ist, aber auch mich glücklich macht. Ich fand ihn zum Glück.

  7. Hallo,
    ja, es hat seinen Preis zu erkennen, was einem wirklich wichtig ist – und danach zu handeln. Sie schreiben, dass es Ihnen ganz leicht fiel, Ihre Karrierefixierung aufzugeben, den meisten anderen fällt es schwerer. Letztlich geht es dabei ja darum, seine Werte neu zu sortieren und Änderungen im Leben umzusetzen.
    Es freut mich sehr, dass meine Artikel hier Sie angeregt oder bestärkt haben, das umzusetzen.
    Alles Gute für Sie!

  8. RK sagt

    Hallo zusammen.

    Ein sehr schöner Artikel. Resonanz wird in heute sowohl im privaten Bereich als auch im Berufleben sehr unterschätzt.

    Ich habe (mit meinen nur 35 Jahren) vor einem Monat meinen Job gekündigt, bei dem ich sehr viel international unterwegs war und sehr vieles erlebt habe. Und ich gebe meinen teuren Dienstwagen zurück, ohne nur einen Hauch von Reue zu haben.

    Wieso? Weil ich begriffen habe, dass ich so intensiv mit meiner Karriere beschäftigt war, dass ich nicht mehr mitbekommen habe, was mir meine Kinder sagen wollten, was meine Frau bewegt und was das Wichtigste im Leben ist.
    Als ich das begriffen hatte, habe ich mein Leben geändert (einer der wesentlichen Gründe dafür war übrigens diese Seite). Seit dem nehme ich wahr und erlebe meine Familie sehr intensiv. Die Worte meiner Tochter: „Papa, ich hab dich sehr lieb“ oder die meines Sohnes: „Du bist der beste Papa der Welt“, sind unbezahlbar. Manches kann man eben mit Geld nicht kaufen.

    Seitdem schenke ich meinen Kindern und meiner Frau viel Aufmerksamkeit und Zuneigung. Ich höre zu. Und ich bekomme viel Resonanz zurück. Anscheinend ist mein Sohn bereits jetzt klüger als ich (:-)), wenn er sagt: „Papa, ich bin froh, dass du bei X gekündigt hast und jetzt bei Y anfängst, weil du mehr Zeit für uns haben wirst“.
    Ich bin dankbar dafür, dass ich erkannt habe, was wesentlich ist.
    Danke.

  9. Michael Homeyer sagt

    In Resonanz komme ich mit meinem Gegenüber,wenn ich ihn da lasse wo er steht. Mit einer Situation, wenn ich ihr ganz -oder zunehmend immer mehr- zustimmen kann. Einem äußeren oder inneren Widerstand, wenn ich aus einer bewussten inneren Haltung heraus ihm Raum gebe und mich ihm -meine Chancen darin mehr udn mehr sehend- öffne. Offenheit, Gratefulness und Freundlichkeit statt Ehrlichkeit, Thankfulness und Höflichkeit führen in resonanz ohne eigenes Zutun.

  10. Diana sagt

    Hmm, Resonanz auf arbeit wird immer weniger..ich mein heutzutage ist alles so schnelllebig, wann nimmt man sich schon mal Zeit für sein gegenüber…ich denke am Besten funktioniert das innerhalb einer Beziehung, obwohl ich da auch ab und zu bemerke, wenn beide gestresst sind und der Fernseher läuft sinkt die Kommunikation auf null…dann heißt es Fernseher aus und Kommunikation an, klappt meistens auch ganz gut 😀

  11. Inga sagt

    Vielen Dank! Und wieder sind mir über einen Teilbereich im Leben, der nicht optimal läuft, die Augen aufgegangen. Ich bin ehrenamtlich tätig, im Rahmen einer Grundschule und bekomme dort abwechselnd ganz viel Resonanz, dann macht es Spaß und gibt Energie und ich weiß wieder, warum ich das mache. Oder es kommt gar nichts. Besonders jetzt, wo ich eine Aufgabe abgeben möchte… ich erlebe hier nicht, dass sich wieder mehr Menschen ehrenamtlich engagieren.
    Aber wie gesagt, ihre klaren Worte lassen mich das besser verstehen, was mit mir los ist. Danke!

  12. herbert mayer sagt

    Ein sehr guter Artikel am frühen Morgen nach dem Frühstück.

  13. Iris sagt

    Bücher sollte man nicht wegschmeißen, sondern verschenken.Da bekommt man noch mehr Resonanz. Klasse Artikel.

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