Seiwert, der Zeitmanagement-Papst widerruft.

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Zeitmanagement

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Zu viel Stress! Zu wenig Zeit!

Die Klagen sind alt und haben, seitdem wir eMail, Smartphones und Videokonferenzen haben, noch zugenommen. Früher (ich weiß, der Opa erzählt) schrieb man einen Brief, der war in zwei Tagen beim Empfänger. Das Telefon hatte eine Wählscheibe und konnte keine Nummern speichern.

Antwortet man heute im Geschäftsleben auf eine eMail nicht innerhalb von zwei Stunden, kriegt man einen Anruf: „Haben Sie meine Mail nicht bekomme?.“

Weil das Tempo seit den siebziger Jahren immer schneller, die Aufgaben immer mehr wurden, der Tag aber trotzdem nur 24 Stunden hatte – und das Internet noch nicht erfunden, erfand jemand das Zeitplanbuch.

Da konnte man seine Aufgaben und Termine eintragen. In Seminaren lernte man, seinen Arbeitstag zu planen, Pufferzeiten gleich mit, Aufgaben nach Wichtigkeit zu ordnen, den Unterschied von „Dringend!“ und „Wichtig!“.

Prof. Lothar Seiwert war einer der ersten, der solche Seminare zum Zeitmanagement anbot, dicke Bücher zu schrieb und auf vielen Vorträgen diese Werkzeuge zum Zeitsparen propagierte.

„Zeit sparen!“ und dadurch Stress vorbeugen, war damals die Botschaft und die Mehrzahl aller Berufstätigen folgte dieser neuen Doktrin. Prof. Seiwert wurde mit damit so bekannt, dass eine Zeitung ihn zum „Zeitmanagement-Papst“ kürte.

 

Und jetzt widerruft dieser Papst?

Ich selbst habe über fünfzehn Jahre Zeitmanagement-Seminare geleitet, merkte aber auch, dass alle gut gemeinten Zeitspar-Techniken immer auch persönliche Themen berühren, die die Anwendung dann in der Praxis oft scheitern lassen:

  • Perfektionisten beispielsweise tun sich schwer damit, Dringendes von Wichtigem zu unterscheiden.
  • Menschen, die ungern nein sagen, können sich schlecht störungsfreie Arbeitszeiten einhalten, in denen sie nicht gestört werden.
  • Mitarbeiter mit einem „Mach’s allen Recht“ trauen sich nicht zu delegieren oder eine Aufgabe mal abzulehnen.

Deshalb habe ich vor zehn Jahren ein Persönlichkeitsseminar zum Thema „Zeitmanagement“ entwickelt, in dem es keine Zeitspar-Tools gibt. Und auch Prof. Seiwert entdeckte früh, dass man Zeit nicht sparen kann. Deshalb schrieb er auch den Bestseller „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“ was ursprünglich ein japanisches Sprichwort ist.

Sein neues Buch heißt „Ausgetickt – Lieber selbstbestimmt als fremdgesteuert. Abschied vom Zeitmanagement.“ Das nahm ich zum Anlaß für ein Persönlichkeits-Interview, in dem mir der Zeitmanagement-Experterte u.a. folgende Fragen beantwortete:

  • Wie er zu der Erkenntnis kam, dass man die Zeit doch nicht managen kann.
  • Was statt Zeitproblemen der wesentlichste Faktor ist, warum viele  gestresst sind oder einen Burnout erleiden.
  • Warum für ihn Prestige, Status und öffentliche Anerkennung so wichtig sind. Und was das mit seinem Vater zu tun hat.
  • Was seine Mutter ausrief als er ihr sagte, dass er seine Beamtenstellung auf Lebenszeit aufgeben wolle, um selbstständig zu werden.
  • Wie er entdeckt hat, wie wohltuend Schweigen sein kann und nach welcher Methode er heute meditiert.
  • Warum er gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ist.
  • Und seine Antwort auf meine 5-Millionen-Euro-Frage …

Es ist ein spannendes, persönliches Interview geworden. (An der Tonqualität arbeite ich noch. Falls jemand einen Tipp hat…)

httpv://www.youtube.com/watch?v=khoPPhcY96w

Zum Thema „Zeit sparen“ ist mir mal Folgendes klar geworden:

Früher wuschen die Frauen die Wäsche am Fluss oder am Brunnen. Das dauerte einen halben Tag. Dafür hatten sie aber auch jede Menge körperliche Bewegung und waren über den neuesten Tratsch informiert.

Heute dauert das Wäschewaschen gerade einen Klick in der Maschine. Zeit gespart! Denn jetzt hat die Frau Zeit, wegen mangelnder körperlicher Bewegung ins Fitnessstudio zu gehen und sich auf Facebook über den neuesten Tratsch zu informieren …

Dies ist das zweite Persönlichkeits-Interview.  Alle weiteren finden Sie hier …

kommentar Was tun Sie für Ihr Zeitmanagement?

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Foto: © – privat

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

13 Kommentare

  1. Hallo Martin,
    freut mich, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meine Interviews anzuschauen.
    Die Reiss-Profile sind ein interessanter Ansatz, da ich mit anderen diagnostischen Methoden arbeite aber für viele ist es ein wichtiger erster Erkenntnissprung.

  2. Lieber Roland,
    gute Idee mit den halbstündigen Interviews! Ich habe beide interessant gefunden. Prof.Seiwert war spannend anzusehen.

    Es gelingt Dir gut, einen Kontakt herzustellen, interessante Fragen zu stellen und auch ein bißchen aus der Reserve zu locken, so daß auch die persönlichen Motivationen deutlich werden.

    Die Tonqualität lässt sich hoffentlich noch steigern, aber gut fand ich auch, daß Du wichtige Fragen oder Stichpunkte nochmal schriftlich auftauchen lässt.

    Zum Beispiel hatte ich von Stephen Reiss noch nie gehört, dabei gehört das Konzept der psychosozialen Grundbedürfnisse, inzwischen mehrfach empirisch abgesichert (Grawe/Rudolf/Stauss), zusammen mit den assoziierten psychodynamischen Konflikten schon seit langem zu meinen Fortbildungseinheiten.

  3. Hallo Matthias,
    die Zeit uns in Heidelberg zu treffen, hätten wir uns schon genommen, aber der Aufwand für ein Live-Video, auf dem beide drauf sein sollen, ist enorm.
    Zum Glück ist der Inhalt besser als der Ton.

    Danke für Ihr differenziertes Feedback!

  4. Matthias sagt

    Sehr geehrter Herr Kopp-Wichmann,
    Sie wohnen beide in Heidelberg und sprechen miteinander über Skype: Hatten Sie keine Zeit sich auf altmodische Weise (siehe Werbespot Skoda-Kleinwagen mit „Meet-Funktion“) Aug‘ in Aug‘ zu unterhalten? Nennt man das jetzt ein Zeitmanagement-Problem?
    Zum Zuhören inhaltlich ganz interessant aber klangtechnisch einfach grottenschlecht! Und: im Wesentlichen nix Neues, oder, wie Sie schon am 27.08. um 5:33 (!) geeschrieben haben: Es ist viel schwieriger, aber immens wichtiger sich selbst zuzuwenden, aber das ist vielen doch zu anstrengend.

    PS: ich danke aus vollem Herzen für Ihr großes Engagement auf Blog, Website, Facebook und nicht zuletzt Podcast, der immer eine schöne Bereicherung für mich darstellt!

  5. Es ist ja auch viel leichter, ein Tool anzuwenden als sich seiner Persönlichkeit, den eigenen Strategien und dahinter liegenden Ängsten zuzuwenden.
    Die meisten Zeitmanagement-Tools sind ja durchaus sinnvoll und praktisch. Und wer keine Zeitprobleme hat immer eine Methode, ob aus Büchernoder selbst entwickelt, wie er die tägliche Aufgabenflut in den Griff bekommt.
    Aber die Umsetzung kostet erst einmal Mühe und Konsequenz, das hoffen viele zu umgehen.

    Danke für Ihren Kommentar.

  6. Seltsam – Stephen Covey hat seinen Klassiker, in dem er statt Zeitmanagement und Persönlichkeitsentwicklung die Charakterethik propagiert, schon 1989 veröffentlicht. Aber es ist wohl war: die Zeit war damals noch nicht reif. Ich weiss zwar nicht, wie gut sich das Buch in den ersten Jahren verkaufte, doch nun ist es ja doch einigermassen weit verbreitet. Nur halt noch selten umgesetzt…

  7. Hallo Herr Schmid-Egger,
    Ich kann nicht für Herrn Seiwert sprechen. Bei mir ist es keine Marketingmethode, sondern die schlichte Einsicht, dass man derlei Methoden aus einem Taschenbuch für 8 Euro lernen kann.
    Wenn man dann merkt, dass man mit der Umsetzung nicht anfängt oder stecken bleibt, ist es sinnvoll, nach den persönlichen Gründen zu forschen.

    Danke für Ihren Kommentar.

  8. Christian Schmid-Egger sagt

    ..na ja, dem Zeitmanagement jetzt den Rücken zu kehren, ist doch auch wieder vor allem eine Marketingmethode, oder? Auch ich trainiere das Thema schon seit Jahren. Natürlich hat der Umgang mit Zeit immer etwas mit der Persönlichkeit zu tun. Und natürlich kann man mit guten Techniken seine Zeit effizienter nutzen. Beides widerspricht sich doch nicht???

  9. Hallo Toni,
    das hat er schon auch gemacht. Das zeigt ja auch schon die Buchtitel „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“ sowie „Die Bärenstrategie“. Aber die Sache mit der Zeit und dem Stress und dem Burnout ist eben komplex. Und viele Menschen wollen für komplexe Probleme einfache Lösungen. Da muss man sie erst mal da abholen, wo sie sind.

    Freut mich, dass Ihnen meine Video-Interviews gefallen. Das nächste werde ich mit dem Managementtrainer Boris Grundl führen.

  10. Toni sagt

    Nochwas, von dieser inhaltlichen Diskusion mal ab: Ich finde ihre Videointerviews übrigens ganz hervorragend.

  11. Toni sagt

    Gerne.

    Die Zeit war noch nicht reif? Das ist irgendwie eine sehr passive Betrachtungsweise.

    Was hätte ihn denn daran gehindert auch damals alle Zeitspartools zu lehren aber noch den Zusatz anzufügen, dass nach seiner Überzeugung eine weitere Komponente, die der persönlichen Antreiber und Glaubenssätze, mindestens ebenso wichtig ist?

    Er hat doch damals etwas verkauft, von dem er in dieser Form selber nicht hundertprozentig überzeugt war…

    Oder geht es nur darum Geld zu machen, egal ob ich dann damit etwas positives bei meinen Kunden bewirke, oder nicht?

  12. Genauer zuhören: Seiwert sagt, dass damals die Zeit nicht reif gewesen ist und er deswegen – übrigens bis heute – Zeitmanagementseminare anbietet. Viele Menschen glauben ja auch heute noch, dass sie nur die richtigen Werkzeuge brauchten, um mehr Zeit zu haben. Das das ein Trugschluss ist, muss wohl jeder für sich erfahren.

    Übrigens, der kürzeste Zeitspartipp heißt: „Nein“.

    Danke für Ihren Kommentar.

  13. Toni sagt

    Was soll das denn: „Ich wusste schon damals, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist, da es sich aber nicht verkaufen ließ hab ich einfach was anderes geschrieben.“
    Irgendwie unsymphatisch der Mann.

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