Was man im Verkaufstraining nicht lernt, warum viele Verkäufer schlecht sind und Online-Shops boomen.

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Methoden / Psychologie

Vor Weihnachten wollte ich mir eine zusätzliche Digitalkamera kaufen. Mit einem 28- mm-Weitwinkel, weil meine beiden anderen Digicams dies nicht haben. Nach dem Besuch von zwei Fachmärkten und einem Fotofachgeschäft bestellte ich die Kamera dann in einem Onlineshop.

Wie konnte das geschehen?

Ich war bereit, bis zu 300 Euro auszugeben, wusste genau, was ich wollte und dennoch konnte mir keiner etwas verkaufen? Als ich über das Geschehene nachdachte, fand ich folgende Gründe für meinen Entschluss, die Kamera dann doch online zu kaufen.

  • Der Verkäufer nahm mich ziemlich lange nicht als Interessent wahr.
  • Der Verkäufer stellten zu wenige Fragen.
  • Der Verkäufer ging nicht auf meine Einwände und Bedenken ein.
  • Der Verkäufer versuchte, mich in eine bestimmte Richtung zu lenken.
  • Der Verkäufer war uninteressiert, mir etwas zu verkaufen.

Sicher kennen Sie meine Erfahrungen und könnten diese noch um einige ergänzen. Genauso sicher ist, dass es viele gute Verkäufer gibt. Es geht mir in diesem Beitrag darum, Gründe dafür zu finden, warum es trotzdem oft frustrierende Erfahrungen gibt, die man als Käufer erleben kann.

Ich habe jahrelang als Verkaufstrainer gearbeitet. Für verschiedene Branchen und verschiedene Unternehmen. Dass ich heute fast nur noch Persönlichkeitstrainings leite, hat mit den Erkenntnissen aus diesen Trainings zu tun.

Verkaufen ist ja an sich ein einfacher Prozess in fünf  Schritten:

1. Smalltalk
Bevor Sie dem Kunden etwas verkaufen wollen, brauchen Sie eine Beziehung zu ihm. Sie müssen persönlich werden. Etwas von sich erzählen und vor allem sich für den Menschen interessieren.

2. Bedarfsanalyse
Bevor Sie dem Kunden etwas verkaufen wollen, müssen Sie wissen, was er will. Welche Bedürfnisse er hat. Was ihm an dem bisherigen Produkt nicht gefällt. Was er lieber haben würde.

3. Präsentation
Jetzt erst stellen Sie Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung vor. Aber nicht alle fünfzehn Eigenschaften Ihres Produkts. Sondern nur die drei oder fünf, die den Kunden wirklich interessieren. Welche das sind, haben Sie in Schritt eins und zwei herausgefunden.

4. Einwandbehandlung
Der Kunde kauft nicht gleich, sondern hat Einwände. Die müssen Sie überzeugend beantworten. Weniger mit sachlichen Argumenten, sondern indem Sie herausfinden, welche Motive und Ängste bei dem Kunden im Spiel sind.

5. Abschluss
Dem Kunden gefällt Ihr Produkt. Falls er nicht gleich kauft, darf er entweder nicht selbst entscheiden oder er hat Angst vor der Festlegung und sagt: „Will nochmal überlegen.“ Mit den richtigen Abschlusstechniken nehmen Sie den Kunden an die Hand und führen ihn zum Abschluss.

Fast alle Verkäufer kennen dieses Modell. Die sehr guten Verkäufer wenden es auch in allen fünf Schritten an. Aus meiner langen Erfahrung als Vertriebstrainer weiß ich, welche Fehler die weniger guten Verkäufer machen.

Diese Fehler haben nichts mit der Intelligenz oder dem Willen des Verkäufers zu tun. Sondern mit seiner Persönlichkeit, konkret, seinen unbewussten Themen und Ängsten, die an bestimmten Punkten des Verkaufsprozesses berührt werden. Hier die wichtigsten davon:

Wer verkaufen will, muss seine Angst vor Ablehnung überwinden.

Verkaufen beginnt mit dem Aufbau einer Kundenbeziehung. Begrüßung, Smalltalk. Sich auf „diesen“ Kunden einstellen. Dabei ist die Frage „Kann ich Ihnen helfen?“ zwar die häufigste aber auch eine der schlechtesten Sprüche.

Wenn Sie etwas anbieten, müssen Sie damit rechnen, dass viele Menschen daran nicht interessiert sind. Verstandesmäßig weiß das jeder. Doch in der Praxis scheuen viele Verkäufer, einen Kontakt herzustellen, weil sie dieses Desinteresse fürchten – weil sie es persönlich nehmen.

Viele Verkäufer drücken sich um die Kaltakquise. Also fremde Menschen anzusprechen oder anzurufen. Wenn ich Verkäufer dafür trainierte, sagte ich denen immer: „Die Rate ist acht zu zwei. Von zehn Leuten, die Sie anrufen, werden vermutlich acht kein Interesse haben. Nehmen Sie das nicht persönlich. Es ist bei allen Verkäufern so. Sie müssen aber zehn Leute anrufen, um die zwei Interessenten herauszufiltern.“

Die Verkäufer nickten – und vermieden weiterhin, wenn möglich, neue Kunden zu akquirieren. Denn persönliche Ängste überwindet man nicht durch Wissen, sondern nur indem man sich damit beschäftigt, woher diese Angst eigentlich kommt.

Wer verkaufen will, muss Fragen stellen.

Um gut zu verkaufen, müssen Sie erfahren, was der Kunde eigentlich will. Meist weiß er das selbst nicht so genau. Weil Kaufen oft kein rationaler Prozess ist. Die Aufgabe des Verkäufers ist es, dem Kunden zu helfen, herauszufinden, was er eigentlich will.

Dazu müssen Sie ihm viele Fragen stellen. Was er mit dem Produkt machen möchte. Welche Erfahrung er bereits damit hat. Was ihm an anderen Produkte nicht gefallen hat. Was er gern lieber hätte. Auf diese Weise erfahren Sie eine Menge von Ihrem potenziellen Kunden. Antworten, die er Ihnen ohne Ihre Fragen gar nicht hätte geben können.

Die meisten Verkäufer im Consumer-Bereich stellen nur eine Frage: „Wie viel wollen Sie denn ausgeben?“ Und präsentieren dann zwei oder drei Alternativen. Und dann fragt der Kunde! „Was ist denn der Unterschied zwischen deKamera und dieser?“ „Was kann man denn mit einem Weitwinkel machen?“

Dieses Problem, dass Verkäufer zu Beginn zu wenig Fragen stellen, betrifft vor allem männliche Verkäufer.

Warum stellen Männer wenig Fragen (nicht nur beim Verkaufen)?

Meine Antwort: weil ihnen unbewusst ein persönliches Thema in die Quere kommt. Denn Fragen stellen, impliziert, dass man etwas nicht weiß. Rational betrachtet ist das kein Problem. Woher soll der Verkäufer wissen, wie viele Kameras ich schon zu Hause habe? Muss er auch nicht. Aber warum fragt er es nicht?

Weil im Gehirn von uns Männern der Bereich „Weiß ich nicht“ schwer vermint ist. Diesen Bereich meiden wir – und erklären lieber und tun so als wüssten wir Bescheid. Männer stellen ungern Fragen, weil sie das unbewusst so verstehen, dass man sie für doof halten könnte.

Natürlich würde ich das als Kunde nicht denken, sondern mich über das Interesse des Verkäufers, das mir seine Fragen signalisieren, freuen. Es ist die unbewusste Angst des männlichen Verkäufers. Übrigens dieselbe Angst, die den Mann, wenn er mit seiner Partnerin im Urlaub schon eine halbe Stunde auf der Suche nach dem Hotel herumirrt, daran hindert, jemanden nach dem Weg zu fragen.

Wer verkaufen will, darf auf Einwände nicht gekränkt reagieren.

Als ich eine vom Fotofachverkäufer empfohlene Kamera mit dem Argument ablehnte, sie habe im Test ein zu hohes Bildrauschen gezeigt, reagiert er mit dem Satz: „Das kann man auch überbewerten.“

Diese indirekte Kritik des Verkäufers ließ meine Kaufbereitschaft stark abkühlen. Hätte er mit der Frage reagiert: „Wie meinen Sie das?“ hätte ich erklären müssen, warum mich die Information aus dem Test beschäftigt, wie ich sie einschätze usw. Der Verkäufer hätte viel von mir erfahren (durch eine einzige Rückfrage), was er im weiteren Beratungsprozess hätte nutzen können.

Statt dessen reagierte der Verkäufer gekränkt, weil ich seiner Empfehlung nicht gleich folgte. Viele Verkäufer sind mit ihrem Produkt sehr identifiziert und sind deshalb für Einwände des Kunden nicht offen. Statt dessen wollen sie Recht behalten und den Kunden überreden.

Man kann aber einen Kunden nicht überreden, auch nicht überzeugen. Der Kunde überzeugt sich selbst – oder eben nicht. Er überzeugt sich selbst, hoffentlich mittels der Argumente des Verkäufers. Doch dazu muss der Verkäufer ganz genau wissen, was ich will, worauf es mir bei dem Produkt ankommt etc. All das klärt er in der Bedarfsanalyse. Hat er das unterlassen, kann er auf meine Einwände nur mit Allgemeinplätzen („Das ist eben in der Preisklasse so.“) oder offener Rechthaberei („Das sehen Sie ganz falsch!“) oder indirekter Besserwisserei („Der Kunde will das heute so.“) reagieren.

Wer verkaufen will, muss sich trauen, den Kunden zu führen.

In zu vielen Verkaufsgesprächen führt der Kunde. Er stellt die Fragen, er bringt die kritischen Einwände – und er entscheidet, ob er kauft oder „es sich noch einmal überlegt.“

Doch ein Verkaufsgespräch sollte der Verkäufer führen. Führen – nicht dominieren. Der Kunde soll reden, aber der Verkäufer soll das Gespräch steuern. Durch Fragen, genaues Zuhören und dem indirekten Führen auf den Abschluss. In schlechten Verkaufsgesprächen ist es umgekehrt. Der Verkäufer redet mehr als der Kunde.

Etwas kaufen ist für die meisten Menschen ein ambivalentes Geschehen. Außer man will etwas haben – koste es was es wolle. Ein Teil in einem will es haben, ein anderer Teil wägt Nutzen und Preis ab, noch ein anderer Teil scheut vielleicht die Entscheidung wegen des Risikos der Enttäuschung.

Für diesen gefühlsmäßig schwierigen Prozess braucht es den Verkäufer. Aber nicht, um mir alle Produkteigenschaften aufzuzählen. Nicht um mir zu sagen, dass viele Kunden dieses Produkt gekauft haben. Nicht um mir zu prophezeien, dass ich damit bestimmt eine gute Wahl treffen würde.

Ein guter Verkäufer spürt, wann er den Kunden auch ein Stück an die Hand nehmen und ihn zum Kaufabschluss führen muss. Wer hier zu sehr zögert und mit Erleichterung reagiert, wenn der Kunde sagt, dass er noch einmal alles überlegen will, tut nicht nur sich selbst sondern auch dem Kunden selten einen Gefallen. Gerade jetzt bräuchte der Kunde einen Gesprächspartner, um seine Wünsche und Bedenken zu besprechen.

Wer verkaufen will, muss nutzenorientiert denken und sprechen.

Viele Verkäufer sprechen produktbezogen statt nutzenorientiert. Der Kunde ist aber nicht an Produkten und Eigenschaften interessiert, sondern an Nutzen und vor allem Gefühlen. Wer einen Porsche kauft, will nicht in erster Linie von A nach B kommen. Wer ein iphone ersteht, berauscht sich nicht daran, dass man damit telefonieren und Emails verschicken kann. Wer bei Aldi kauft, dann nicht deswegen, weil es nicht auch woanders ähnliche Produkte gäbe.

Kunden kaufen keine Produkte, sondern Lösungen für Ihr Problem. Und sie kaufen das Produkt und die Dienstleistung, die ihnen diesen Nutzen versprechen.

Viele Verkäufer denken aber in Produktdetails und wollen auch so verkaufen. Begriffe wie Sensorauflösung 10,2 Megapixel , 7 Linsenelementen in 6 Gruppen, XD Picture Card, Memory Stick Pro Duo hörte ich bei meinen Foto-Einkaufsversuchen. Mit den meisten Worten konnte ich etwas anfangen, da ich mich breit informiert hatte.

Doch der durchschnittliche Käufer will einfach eine gute Kamera. Und wenn er derlei Begriffe hört, muss er wieder fragen. Und oft kann der Verkäufer ihm den Nutzen verschiedener Features nicht erklären, da er sich nicht in die Lage des Kunden versetzt. Die Antwort eines Verkäufers auf meine Frage nach dem Unterschied zwischen einer Kamera mit acht und einer mit zehn Megapixel lautete: „Bei der mit zehn Megapixel ist die Auflösung höher. Da werden die Bilder schärfer.“

Das ist erstmal sachlich nicht ganz richtig. Doch ob das ein Nutzen für diesen speziellen Kunden ist, weiß der Verkäufer nicht. Denn das müsste er in der Bedarfsanalyse erfragen („Was ist Ihnen denn bei einer Kamera wichtig?“). Oft weiß es der Kunde auch nicht genau, dafür braucht er den Verkäufer. Der mögliche Nutzen ist immer auch mit persönlichen Motiven gekoppelt. Der eine ist bequem und will einfach automatisch gute Bilder machen. Ein anderer ist anspruchsvoll und will möglichst viele Einstellungen selbst wählen. Ein anderer ist statusorientiert und will mit der Kamera bewundert werden.

Diese Flexibilität, sich auf unterschiedliche Kunden und deren verschiedene Nutzenwünsche eingehen zu können, macht den guten Verkäufer aus.

Wer sich schlecht beraten fühlt, kauft meist im Online-Shop.

Verkaufen ist also einfach, aber nicht leicht. Es setzt Interesse am Kunden, am Produkt und am Prozess des Verkaufens voraus. Und es dürfen einem persönliche Themen wie oben skizziert nicht in die Quere kommen: Angst vor Kontakt und vor Ablehnung, Besserwisserei, mangelnde Bereitschaft, sich in den Kunden hinein zu versetzen.

So wie letztlich auch ich handeln mittlerweile viele Kunden. Wer sich in Geschäften von Verkäufern schlecht beraten fühlt, muss den Verkaufsprozess mit sich selbst machen:

  • Man holt sich Prospekte von mehreren Herstellern und geht die Eigenschaften der verschiedenen Produkte durch. Durch Ankreuzen (brauche ich unbedingt, wäre ganz schön, brauche ich nicht) macht man die Bedarfsanalyse mit sich selbst.
  • Durch Tests, Meinungen in entsprechenden Foren und Herumfragen im Bekanntenkreis kann man noch mehr klären, was einem wirklich wichtig ist.
  • Die aufkommenden Einwände beantwortet man sich selbst, indem man die jeweiligen Nutzenvorteile mit den entsprechenden Nachteilen und letztlich mit dem Preis vergleicht.
  • Die Kaufentscheidung trifft man dann auch selbst oder verschiebt die Sache noch für eine Weile.

Das ist der Verkaufsprozess, für den ich mir einen entsprechenden Verkäufer wünsche, so dass ich mit einem guten Gefühl zum Kaufabschluss komme. Wenn ich aber den ganzen Prozess alleine machen muss, dann will ich aber auch nur noch den günstigsten Preis zahlen, denn ich weiß ja bis zur Typbezeichnung ganz genau, welche Kamera für mich richtig ist. Und dann ist der Weg frei zum Online-Versender. (Damit heiße ich nicht die Praxis gut, sich im Fachgeschäft umfassend beraten zu lassen und dann online zu bestellen).

PS: Falls Sie sich als Verkäufer/in bei einem Problem angesprochen fühlen, ist vielleicht dieses Seminar interessant für Sie …

Podcasts von Roland Kopp-Wichmann Diesen Beitrag können Sie sich hier als Podcast anhören:

Wie sind Ihre Erfahrungen als Kunde mit Verkäufern?

Wie sind Ihre Erfahrungen als Verkäufer mit Kunden?

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Danke für Ihr Interesse.

Foto: © rtimages, Falco – Fotolia.com, stockxpert

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.