Gut, dass Chesley Sullenberger nicht arbeitslos ist und sich bewerben muss.

Kommentare 12
Allgemein / Karriere

Titel

Alle Zeitungen sind voll vom „Wunder auf dem Hudson“ und der spektakulären Landung durch den Piloten Chesley Sullenberger. Der Mann ist 57.

Doch normalerweise hat, wer das fünfzigste Lebensjahr hinter sich hat, es schwer auf dem Arbeitsmarkt.

Seit vielen Jahren liegt die Erwerbsquote Älterer in Deutschland unter dem europäischen Durchschnitt – nur 45 Prozent der Personen ab 55 Jahren waren im vergangenen Jahr erwerbstätig, im Vergleich zu rund 70 Prozent in den skandinavischen Ländern. Die schlechten Zahlen sind auch eine Folge der in Deutschland lange Zeit praktizierten Frühverrentungspolitik.

„Zu wenig belastbar, zu unflexibel, zu wenig bereit, sich weiterzubilden“ – so lauten die gängigen Vorurteile gegen ältere Arbeitnehmer. Zu den Defiziten, die Personen ab spätestens 50 zugeschrieben werden, zählen auch deren angeblich verminderte Leistungsmotivation, Leistungsfähigkeit und Produktivität. Auch wenn viele Studien das Gegenteil beweisen und zeigen, dass sogenannte Defizite von älteren Mitarbeitern durch Erfahrung und besonnenes Handeln mehr als wettgemacht werden, handeln viele Chefs und Personalverantwortliche noch nach dem Motto: „Ich habe mir meine Meinung gebildet, kommen Sie mir nicht mit Tatsachen!“

Ganz andere Erfahrungen mit älteren Arbeitnehmern macht die Firma „Vita Needle“ in der Nähe von Boston. Der Familienbetrieb, 1932 gegründet und heute in der vierten Generation, produziert hauptsächlich Spritzen. Das Ungewöhnliche an dieser Firma ist, dass hier lauter grau- und weißhaarige Rentner an den Maschinen sitzen, prinzipiell angestellt auf Lebenszeit.

In der Firma gibt es jedoch einen einfachen Test, wie lange jemand beschäftigt sein darf. Wer die neunzehn Stufen bis in den zweiten Stock nicht alleine schafft, muss aufhören. Der Test macht Sinn, denn das Durchschnittsalter der Mitarbeiter bei Vita Needle in Amerika ist vierundsiebzig.

Ursprünglich war die Anstellung so vieler alter Menschen eine Notlösung. Junge Teilzeitkräfte meldeten sich nicht, sondern nur Rentner, die sich zu Hause langweilten. Sie bewarben sich deshalb weniger wegen der Bezahlung, sondern sie suchten vor allem eine sinnvolle Beschäftigung und um etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit zu machen.

Im Schnitt arbeiten die Alten zwanzig Stunden dieTitel Woche, die meisten schon seit vierzehn Jahren. Flexibilität und freie Zeiteinteilung wird bei Vita Needle groß geschrieben. Sowohl was den täglichen Arbeitsbeginn angeht aber natürlich auch wenn man mal einen Tag frei braucht, um Zeit zu haben für Enkelkinder, Arztbesuche oder sonstige Aktivitäten.

Was sind die Vorteile der Alten?

  • Nun sie sind vor allem dankbar, arbeiten zu dürfen. Sie haben es nicht mehr nötig, etwas zu beweisen. Müssen sich nicht vergleichen mit anderen. Konkurrenzgerangel und Machtkämpfe gibt es daher nicht.
  • Sie haben keine großen Sorgen. Zudem müssen sie kein Haus bauen oder eine Familie versorgen. Kurz, sie konzentrieren sich gern und ganz auf die Arbeit.

Bei der Arbeitsleistung gibt es keine großen Unterschiede. Was an schneller Auffassungsgabe fehlen mag, wird durch Erfahrung wettgemacht.

Auch in Deutschland gibt es einige, wenn auch wenige Modelle, alte Menschen wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Bei der Firma Bosch Management Support sind 680 Veteranen zwischen 60 und 76 Jahren in der Kartei erfasst. Das Feedback der Kunden und der Umsatz sind durchweg positiv.

Zurück zu Chesley B. Sullenberger. Man stelle sich vor, er hätte sich vor seiner heldenhaften Tag als Pilot bewerben wollen:

„Guten Tag, ich bin Chesley Sullenberger und 57 Jahre alt. Ich habe mehr als 30 Jahre Flugerfahrung, auch in der amerikanischen Luftwaffe. Ich war Kampfjetpilot, absolvierte die U.S. Air Force Academy und habe zwei Abschlüsse an zwei US-Universitäten.“

Ich habe meine Zweifel, ob man ihn genommen hätte, vor allem dann, wenn gleichzeitig auch jüngere Piloten zur Auswahl gestanden hätten.

Doch bei uns gehören Arbeitnehmer, die die Fünfzig überschritten haben, schnell zum alten Eisen. Außer in der Politik. In Deutschland gibt es fast keine jungen Politiker in Regierungsverantwortung. Nach Recherchen der Zeitschrift Capital sind von den insgesamt einhundertsiebzig Ministern und Regierungschefs in Bund und Ländern nur fünf jünger als 40 Jahre. Um sich für das Amt des Bundespräsidenten zu bewerben, muss man sogar mindestens (!) vierzig Jahre alt sein. Hier in Blick auf die aktuelle Altersverteilung unserer Bundestagsabgeordneten.

Ich schreibe diesen Artikel auch mit dem Ärger eines Sechzigjährigen. Zum Glück bin ich seit über dreißig Jahren selbständig und nur durch mich selbst kündbar.

Ein Trost für alle heute über 40, 50 oder 60jährigen: die Zeit arbeitet für Sie. Durch den demographischen Wandel werden die Unternehmen bald immer mehr ihre altersfeindliche Einstellung ändern müssen. Zum Teil tun sie das schon heute. Einfach weil sie uns brauchen.

Wie gehen Sie mit dem Thema „Alter und Arbeit“ um?

Schreiben Sie hier Ihre Erfahrung oder Meinung dazu.

PS: Wenn Ihnen dieser Beitrag gefiel …… dann empfehlen Sie ihn doch weiter. Einfach hier unten auf “Weitersagen” klicken.
… oder schreiben Sie einen Kommentar.
… oder ganz neu: hinterlassen Sie Ihren Kommentar als
Sprach- oder Videonachricht

…  oder abonnieren Sie neue Beiträge per Email. Einfach links Adresse bei feed-icon-28×28.jpg eintragen.
Danke für Ihr Interesse.

Foto: © Frank-Peter Funke – Fotolia.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.