Finanzkrise, Umweltgifte, Lebensmittelskandal: Lassen Sie sich nicht verrückt machen.

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Psychologie

TitelMomentan überschlagen sich ja die Untergangspropheten und Panikmacher aus der Wirtschaftsforscherecke. Auf die zweite Kommastelle genau wollen sie wissen, wie das Wirtschaftswachstum nächstes Jahr sich entwickeln wird.

Eine andere Zukunftsseherbranche, die Astrologie, muss jedes Jahr einräumen, dass ihre Voraussagen, die sie treffen, nichts taugen, wie dieser Bericht der FAZ zeigt. Das ernüchternde Fazit: „Je exakter eine Prognose, desto unwahrscheinlicher ist ihr Eintreffen.“

Dass das nicht nur für die Sterngucker gilt, sondern genauso für die als seröser geltende Zunft der Wirtschaftsforscher, enthüllt jetzt ein Bericht der dpa. Prognosen für das jeweils nächste Jahr haben sich in der Vergangenheit fast immer als ziemlich abwegig erwiesen. Meist stimmte nicht einmal der Trend, ob es im nächsten Jahr besser oder schlechter wird!

Dies zeigt ein Vergleich zwischen  den Voraussagen und der tatsächlichen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2001 bis 2007.

  • Für 2001 sagten die fünf Wirtschaftsweisen im November 2000 für das Jahr 2001 ein Wachstum von 2,8 Prozent voraus. Am Ende waren es dann 0,2 Prozent.
  • Für 2002 lag die Vorhersage bei 1,3 Prozent, tatsächlich waren es 0,2 Prozent.
  • Für 2003 sagte kein einziges Institut das Schrumpfen der Wirtschaft voraus. Prognosen 0,7 – 1,4 % Plus.
  • Für 2004 lagen sie ausnahmsweise mit einer 1,5 Prozent Plus-Prognose richtig.
  • Der 2005 erfolgte Absturz auf nur 0,9 Prozent wurde wieder nicht vorausgesagt, stattdessen ein Wachstum von 1,4 bis 2 Prozent.
  • Für 2006 wurden nur Wachstumsraten zwischen 1 und 1,6 % gesehen. Tatsächlich wuchs das BIP um 2,5 Prozent.
  • Die 2007-Prognose lag bei 1,4 – 1,9 Prozent. Erreicht wurden 2,5 Prozent.

Auch Fondsgesellschaften und Analysteenempfehlungen liegen in ihren Diagnosen meistens daneben. Das kann der kundige Privatanleger schon daran erkennen, dass kaum ein Aktienfond über mehrere Jahre es schafft, den zugrundeliegenden Aktienindex zu schlagen. Konkret: kaum ein DAX-Fond hat eine bessere Wertentwicklung als der DAX. Da fragt man sich, wofür man die nicht geringen Managementgebühren zahlt.

Eingedenk dieser Misere also am besten keine Wirtschaftsprognosen mehr! Das ist zumindest ein kluger Rat des Chefs des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann. Er empfiehlt, eine Weile mit den Prognosen auszusetzen, da in den meisten Berechnungsmodellen Entwicklungen wie die gegenwärtige Finanzkrise gar nicht gespeichert sind.

Überhaupt ist es ja so eine Sache mit der Statistik.

Ein interessantes Interview dazu las ich in brandeins.

Sogenannte Lebensmittelskandale und Nachrichten über drohende Gefahren  erreichen uns jeden Tag. Wie vor einigen Wochen die Meldung über Dioxin-verseuchtes Schweinefleisch aus Irland. In der Tagesschau sehen wir dann immer Bilder, wie eifrige Lebensmittelkontrolleure die Kühltruhen in den Supermärkten leerräumen und Tausende von Tieren getötet werden. In einer anderen Sendung hörte ich, dass man über einen längeren Zeitraum wöchentlich sieben Kilogramm von diesem Schweinefleisch essen müsste, bevor eine Gefährdung auftreten könnte.

In dem brandeins-Interview erklärt der Statistiker Walter Krämer, dass wir diese Meldungen oft falsch interpretieren, weil wir zu wenig von Statistik verstehen.

  1. Generell gilt, dass natürliche Risiken gewaltig unterschätzt werden, künstliche dagegen aufgebauscht. So sind 99,99 Prozent aller Gifte und Rückstände in Nahrungsmitteln von Natur aus drin. Nur 0,001 Prozent werden von Menschen nachträglich hinzugefügt. Doch über die letzte Zahl lesen wir in den Medien.
  2. Was wir zu verstehen glauben, macht uns weniger Angst. Weil wir glauben, dass das Herz wie eine Pumpe funktioniert, machen uns Herz-Kreislauf-Krankheiten weniger Angst als Krebs – obwohl erstere doppelt so viele Todesfälle verursachen.
  3. Überreaktionen, bei denen Nutzen und Schaden schlecht abgewogen wurden, sieht der Statistiker bei dem Verbot des Insektenvernichtungsmittel DDT oder der Rinderseuche BSE.

Gute Frage zum Schluss:
In welchem Land leben Sie am gesündesten?
In einem Land, wo die Krebssterblichkeit hoch ist oder wo sie niedrig ist?
(Erst nachdenken!)

Ich habe auch daneben getippt. Im Land mit der höchsten Krebssterblichkeit. Warum? Die Zahl sagt aus, dass dort die Menschen am längsten leben. Denn in Gebieten mit Cholera ist die Krebsmortalität vergleichsweise gering.  Das gesündeste Land ist demnach Island.

Sie sehen, der gesunde Menschenverstand leitet einen manchmal gefährlich in die Irre. Die hochgelobten Experten (Wirtschaftsweisen, Sachverständigenrat) aber genauso. Ach, die Welt und vor allem das Leben ist einfach eine unsichere Sache. Damit können wir meist schlecht leben. Und deswegen gibt es

  • Filmkritiker, die uns raten, welcher Film sehenswert ist und welcher nicht.
  • Restaurant-Tester, die Sterne verleihen oder wegnehmen.
  • Jährliche Rankings über Ärzte und Rechtsanwälte im FOCUS
  • Partnerschafttests in Online-Partnerschaftsvermittlungen

Die Crux damit ist, dass ein solches Urteil meist enormen Einfluss hat. Wenn jede Woche in der Zeitung steht, dass die Stimmung der Unternehmer sich verschlechtert hat und die Aussichten trübe sind, schwimmen die meisten mit dem Strom. Denn es gehört viel Mut und Selbstbewusstsein dazu, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese dann auch noch zu vertreten.

Wie groß der Druck sein kann, sich gruppenkonform zu verhalten, zeigt das berühmte Experiment von Asch aus dem Jahr 1956. Studenten sollten angeben, welche von vier gezeigten Linien die längste ist. Doch in der Gruppe mit sechs Versuchspersonen wurden fünf instruiert, falsche Angaben zu machen. Herausfinden wollte man, wie ein solches übereinstimmendes Gruppenurteil auf die eine Versuchsperson wirkt.

Sehen Sie selbst:

Erschreckend, oder?

Fazit: Bilden Sie sich ruhig eine eigene Meinung. Auch zur Finanzkrise. Schlimmstenfalls liegen Sie daneben. Aber da sind Sie ja dann in guter Gesellschaft.

PS: Da wir gerade bei Vorhersagen sind: Wussten Sie, dass sogar Ihr PC prophezeien kann, an welche Zahl Sie gerade denken? Okay, Sie sind jetzt durch den Beitrag misstrauisch geworden. Aber überzeugen Sie sich selbst …

Wie halten Sie es mit Vorhersagen und Skandalmeldungen?

Lassen Sie sich davon beeindrucken oder beeinflussen?

Schreiben Sie hier Ihre Erfahrung oder Meinung dazu.

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Foto: © Simone van den Berg – Fotolia.com

PS: Irgendwie sind hier viele Kommentare zu einem anderen Artikel reingerutscht.
Die passenden stehen ganz zum Schluss.
Ich bin dabei, den Fehler zu suchen.

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.