Es gibt keinen Zufall,“ las ich vor dreißig Jahren bei Thorwald Dethlefsen. „Wir erleben das, was uns zufällt, was also fällig ist.“
Schon damals war ich bei dieser apodiktischen Aussage skeptisch. Wirklich alles? Wen ich „zufällig“ auf der Straße treffe? Ob mir ein Buch, das ich lange gesucht habe, plötzlich in die Hände fällt? Ob ich meinen Kaffee auf die neue Hose schütte?
Ist das nicht der Versuch, Sinn in ein komplexes Leben zu interpretieren, wo keiner ist?
Bei einem Mastercoach lese ich mehr über diesen Versuch der totalen Kontrolle über das eigene Leben:
Nichts in Ihrem Leben ist Zufall. Ob Ihnen jemand die Vorfahrt nimmt, Sie zu wenig Geld in Ihrem Leben haben, oder Sie einen Schnupfen haben, es kommt NICHTS durch ZUFALL in Ihr Leben!
Das Universum ist Logik. Es gibt keine Willkür in Form eines Schöpfers, der Sie bestraft, wenn ihm danach ist.
Nein, Sie selbst erschaffen Ihre Lebensumstände zu 100% selbst. Entweder durch Ihr aktives Denken, oder Durch Ihre Programme und Glaubenssätze im Unterbewusstsein.
Ihr Leben, Ihre Erfahrungen und jede Situation in Ihrem Leben ist nur deshalb da, weil Sie sie entweder aktiv erschaffen oder passiv erlaubt haben – durch Ihre Glaubenssätze im Unterbewusstsein – in Ihr Leben zu kommen.
Darum ärgern Sie sich nicht über die Menschen oder Situationen in Ihrem Leben, sondern sagen Sie “Danke!”
Diese Situationen oder Menschen zeigen Ihnen, welche Gedanken und Glaubenssätze Sie in sich tragen. Gute Nachricht: Sie erkennen an Ihren Lebensumständen Ihre Glaubenssätze und gewohnheitsmäßigen Gedanken.
Wollen Sie bestimmte Aspekte Ihres Lebens ändern? Dann brauchen Sie lediglich die entsprechenden Glaubenssätze und Gedanken bzgl. der Situation ändern!“
Ach, so funktioniert das.
Jeder der Schöpfer seines eigenen Schicksals? Viele Menschen haben ja diese Einstellung. Systemtheoretisch nennt man das ein „geschlossenes System“. Wird gerne in Diktaturen verwendet. Der Führer meint es immer gut mit seinem Volk, wer das nicht erkennt und Zweifel hat, kommt ins Umerziehungslager, bis er es kapiert hat.
In der Hypnotherapie gibt es auch solche Suggestionen, mit denen man immer recht hat: „Wir wissen nicht, wann sich Ihre Hand heben wird, jetzt gleich, etwas später oder gar nicht.“
In der Psychosomatik gab es zum Beispiel viele Jahre auch den Mythos der „Krebspersönlichkeit„. Also der Glaube, bestimmte Menschen, die aggressionsgehemmt sind und keine Grenzen setzen, würden überzufällig an Krebs erkranken. Doch nur weil einem etwas plausibel erscheint, muss es nicht stimmen.
Das ist mir doch zu schlicht gedacht. Oder psychologisch gedeutet, der Versuch, den Unwägbarkeiten und Ungerechtigkeiten des Lebens doch nicht so hilflos ausgeliefert zu sein.
Allerdings impliziert diese Denkweise auch, das man an allem, was passiert, selbst schuld ist. Der Hartz IV-Empfänger hat eben ein Armutsbewusstsein. Das unfreiwillig kinderlose Ehepaar ist für andere Aufgaben bestimmt. Die im Holocaust ermordeten Juden waren Teil einer größeren Schicksalsaufgabe.
Dass wir etwas nicht erklären können, macht viele Menschen unruhig und sie suchen nach einer stimmigen Erklärung. Welche Rolle dabei der Zufall spielt, ist spannend.
„Der Zufall ist die Grundlage der Evolution.“
In einem zwanzigminütigen Video mit zwei gut aussehenden Franzosen finden sich diese Überschrift und noch ein paar bemerkenswerte Aussagen mehr zum Thema. Über jeden einzelnen könnte man eine halbe Stunde meditieren:
- Ist der Zufall nur Ausdruck unserer Unwissenheit?
- Wir kennen die Ursache nicht, suchen aber einen Sinn in dem, was geschieht.
- Aberglaube versucht dem Zufälligen eine Ursache zuzuschreiben.
- Der Zufall hat keine Absichten. Er ist Grundlage der Evolution.
- Es gibt kausale Notwendigkeiten aber keinen Zweck.
- Die Ereignisse eines Lebens folgen keiner Zweckbestimmung.
- Ereignisse als solche haben keinen Sinn. Es kommt darauf an, wie man sich den Zufall zunutze macht.
- Ohne Zufall kann es kein Handeln geben.
- Gesundheit ist die Fähigkeit, für den Zufall offen zu sein.
- Man kann die Welt durch Akzeptanz des Zufalls verzaubern.
- Der Zufall offenbart Dinge, die oft unbemerkt bleiben.
Das Video ist leider nicht mehr verfügbar.
3 Tipps für die Zufälle in ihrem Leben.
Lebensläufe hören sich ja oft geradlinig an oder werden so verfasst. Ganz so als ob das berufliche Leben vollständig planbar wäre. Statt dessen ist es von ganz vielen Zufällen bestimmt, die man jedoch nutzen kann.
Dass ich 1980 Ron Kurtz auf einem Workshop kennenlernte, was mein Leben und meinen Arbeitsstil enorm veränderte, war Zufall. Dass eine Lektorin einen Blogbeitrag von mir las und daraus mein erstes Buch entstand, war Zufall. Dass ich 2000 meinen größten Auftraggeber verlor und danach meinen eigenen Seminartyp entwickelte, war ein glücklicher Zufall.
Und so ging es mir auch mit dem Thema dieses Artikels. Beim Surfen über die Weihnachtstage entdeckte ich das tolle Video oben. Ein paar Tage später las ich „zufällig“ in der neuen Ausgabe der „managerSeminare“ diesen Artikel von Dr. Jens Braak, in dem er auf dasselbe Video verwies.
In seinem Beitrag plädiert er dafür, das Unplanbare des Zufalls sich zunutze zu machen. Denn neue Ideen, Produkte oder persönliche Karrierepfade nehmen oft einen langen Weg, bis sie sich als Innovation etabliert haben.
Ein persönliches Chancenmanagement kann hier in drei Schritten erfolgen:
- Sie erzeugen vielfältige Chancen, indem Sie offen auf Menschen und Themen zugehen und die sich daraus ergebenden Anregungen frei aufnehmen und weiterspinnen ohne jeden Druck, der sich aus Gedanken zur Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit ergeben könnte.
Um Chancen zu erzeugen, ist es hilfreich,
– neugierig auf andere Menschen und neue Themen zu sein
– und auf dieser Basis kreativ Ideen zu produzieren. - Sie erkennen Chancen und wählen sie sorgfältig aus, indem Sie Ihre intuitiven Signale ebenso ernst nehmen wie die rationale Analyse und die Einschätzungen anderer Menschen.
Um Chancen zu erkennen und zu ergreifen, ist es hilfreich,
– die richtige Mischung aus Bauchgefühl und Analyse zu finden
– und auch in komplexen Situationen stimmige Entscheidungen zu treffen. - Sie verfolgen nachhaltig Chancen, indem Sie ausgewählten Chancen trotz aller Widrigkeiten und Widerstände im Einklang mit den eigenen Ressourcen nachgehen und aus neuen Erfahrungen lernen.
Um Chancen zu verfolgen, ist es hilfreich,
– auch bei Widrigkeiten am Ball zu bleiben
– und bei Bedarf andere Menschen zu überzeugen und mitzunehmen.
Auf der Website von Dr. Jens Braak gibt es einen interessanten Test, mit dem Sie Ihre Verbesserungspotenziale entdecken können.
Und was ist mit Gott?
Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel nicht die religiösen Gefühle und Überzeugungen von Lesern verletze. Denn natürlich setzen viele Religionen statt des Zufalls eine überirdische oder göttliche Vorsehung ein.
Für viele Menschen ist das eine tröstliche Vorstellung, dass „da oben“ schon jemand aufpasst oder zumindest sich bei dem, was hier unten passiert, etwas gedacht hat. Ob dem so ist oder ob man das glaubt, muss jeder selbst entscheiden.
Aber ich schlage Ihnen zum Thema „Zufall“ ein spannendes Experiment vor:
1. Richten Sie in den nächsten drei Tagen Ihre Aufmerksamkeit auf einige Zufälle im Alltag.
Ein Buch, das Ihnen in die Hände fällt. Eine Szene in einem Film oder Fernsehen. Eine Geschichte, von der Sie hören. Ein Mensch, den Sie kennenlernen. Halten Sie Ihre Sinne nach Zufällen offen.
2. Fragen Sie sich, warum Ihnen das gerade jetzt begegnet.
Was könnte das bedeuten? Was will Ihnen dieser Zufall sagen? Was könnten Sie daraus für Ihr Leben oder eine anstehende Entscheidung lernen? Was hat das mit Ihrer beruflichen Karriere und/oder Ihrem Leben zu tun.
3. Gehen Sie der Sache nach.
Verfolgen Sie die eine oder andere Idee. Gehen Sie davon aus, dass Ihnen da etwas zufallen will – und Sie es nutzen können. Seien Sie weiter aufmerksam, welche weiteren Hinweise Sie in dieser Richtung bekommen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie in ein paar Tagen Ihre Erfahrungen mit diesem Zufalls-Experiment hier als Kommentar berichten.
Welche Zufälle haben Ihr Leben beeinflusst?
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