Wie, Sie haben so ein Schlagfertigkeitstraining noch nicht besucht?
Ja, was antworten Sie denn, wenn jemand Folgendes zu Ihnen sagt?
- „Sie haben die Schulbildung eines Orang Utan.“
- „Ich glaube du hast zugenommen.“
- „Sie sind ein schlechter Redner.“
- „Das sieht man doch. Das ist doch gesunder Menschenverstand.“
Die Beispiele sind von Matthias Pöhm (Deutschlands Schlagfertigkeitstrainer Nr. 1), der auf seiner Website 300 Verbalattacken zum Üben anbietet. In seinem Seminar wird gezeigt, wie Sie auf Verbalattacken witzig reagieren, geschickt ausweichen oder mit einem Gegenangriff kontern können.
In seinem Newsletter wird jedes Mal die beste Antwort auf eine gestellte Situation ausgezeichnet. Im April wurde gefragt, wie man schlagfertig auf den Angriff „So steht es im Vertrag.“ reagieren könnte. Die prämiierte Antwort: „Daneben wäre auch ein bisschen merkwürdig.“
Hmm.
Auch für den privaten Bereich, meint Pöhm, seien schlagfertige Antworten sinnvoll. Zwei Beispiele:
- „Wann gedenkst Du aufzuräumen?“
„Dann, wenn der Mond auch endlich um die Sonne kreist.“ - „Ach, Sie trinken Alkohol? Ich habe das nicht nötig, ich kann auch so lustig sein.“
„Aha, Sie finden also, dass Sie irgendwann schon mal lustig waren.“
Tja, Hauptsache unverwundbar tun. Ob derlei Repliken der Beziehungszufriedenheit dienen, bezweifle ich. Aber von der monogamen Zweierbeziehung hält Matthias Pöhm ohnehin nichts, wie er in einem Newsletter mit teilweise kruder Argumentation seine Leser wissen lässt.
Gleichwohl, die meisten seiner Seminarbesucher sind begeistert und die Medien feiern ihn. Übrigens: meine Kritik gilt nur dem Schlagfertigkeitstrainer Pöhm. Sein Rhetoriktraining, an dem ich selbst teilgenommen habe, halte ich viel.
Einen anderen Schlagfertigkeits-Guru stellt uns der Marketingexperte Giso Weyand in einem fünfseitigen Artikel des Weiterbildungsmagazins „managerseminare“ vor: Rolf Ruhleder. Er gilt als Deutschlands härtester und mit 17.500 € Tageshonorar teuerster Trainer.
Nun wissen wir ja spätestens seit Jürgen Höller, dass die Höhe des Trainer-Einkommens nicht zwangsläufig ein Qualitätsmerkmal sein muss. Aber lassen wir den Marketingexperten Weyand, der Ruhleder in einem Seminar und im Interview kennenlernte, selbst sprechen.
Selbst auf die Bühne gebeten, wird Weyand mit u.a. folgenden Bemerkungen konfrontiert:
- „Wie können Sie es wagen, ohne Jackett auf die Bühne zu kommen?“
- „Warum haben Sie eigentlich keinen Gürtel an?“
Als er verblüfft nachsieht, stellt er fest, dass er doch einen trägt. - Der Blick Ruhleders fällt auf Weyands braune Schuhe und bemerkt dazu: „Braune Schuhe tragen nur feurige Italiener.“
Natürlich johlt das Publikum und freut sich, wenn es einen anderen erwischt.
Ich halte derlei Sprüche für Potenzgeprotze.
So wie zehnjährige Jungs auf dem Schulhof sich darin zu übertreffen suchen, wer die spannendste Geschichte oder den dreckigsten Witz erzählen kann. Dort lernt man auch das Handwerk des gegenseitigen Diffamierens, also wie man mit vermeintlich witzigen Bemerkungen den anderen sprachlos machen kann.
Für Heranwachsende ist das ja in Ordnung, üben sie doch dadurch, wo sie auf der sozialen Hierachieleiter ihren Platz haben. Und für Jungs und Männer ist der Platz in der Hierarchie ein wesentliches Merkmal der Identität. Dieselbe Unsitte findet man ja auch immer mehr bei Politikern, die in Interviews und Talkshows oft mehr durch einen flotten Spruch auffallen als durch eine flotte Argumentation.
Aber Ruhleder hat dieses Prinzip früh erkannt und zur Perfektion gemeistert: Form vor Inhalt. Oder auch: Im Zweifelsfall siegt die Frechheit. Und wer auf einen unfairen Angriff noch eins draufsetzen kann, hat gewonnen. Ganz anders verhält sich Ruhleder – dem Artikel nach – übrigens in seinen Privatcoachings.
Das Ganze lässt sich besser verstehen, wenn man den Begriff des „Status“ berücksichtigt, wie er von Keith Johnstone im Rahmen seiner Theaterarbeit als nützliches Werkzeug für die Analyse und die Steuerung von Kommunikationsprozessen verwendet wurde.
Danach unterscheidet man drei Arten von Status:
1. Im Hochstatus ist, wer durch sein Verhalten seine Überlegenheit und/oder die Unterlegenheit seines Gegenüber demonstriert. Dito: Ich habe die Kontrolle.
2. Im Tiefstatus ist, wer durch sein Verhalten seine Unterlegenheit und/ oder die Überlegenheit seines Gegenüber demonstriert. Dito: ich gebe die Kontrolle ab.
Was Schlagfertigkeitstrainer meiner Meinung vernachlässigen ist, dass es noch einen dritten Status gibt.
3. Im Gleichstatus ist, wer durch sein Verhalten seine Ebenbürtigkeit bezüglich des Gegenübers demonstriert. Dito: ich teile die Kontrolle.
Mehr dazu hier:
Wie man durch Körpersignale den Hoch- oder Tiefstatus erkennen oder steuern kann, lesen Sie hier.
Mich stören an den Schlagfertigkeitstrainings zwei Dinge:
Erstens das Prinzip: Form geht vor Inhalt.
Das ist leider ein allgemeinerTrend. Ob im Fernsehen, bei der Produktgestaltung oder auch in jedem Wahlkampf gut zu beobachten ist. Und was Hape Kerkeling („Isch kandidiere“) mit seinem Film oder „Die Partei“ mit ihrem Programm für »…für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative« satirisch zu übertreffen suchen.
Zweitens die Art der Beziehungsgestaltung.
So wie ich es in Konzerten nicht leiden kann, wenn man auf den Künstler länger als eine Stunde warten muss (Hoch-Status-Signal) regen mich solche testosteron-gesteuerten Verbalattacken wie oben auf, wenn sie einem als Schlagfertigkeit und Kommunikationswerkzeug verkauft werden. Vor allem dann, wenn die Schlagfertigkeit auf Kosten des Gegenübers geht.
Wie zwei Führungskräfte in einer ungewöhnlichen Situation erfolgreich um den Status kämpfen ohne sich gegenseitig herabzusetzen, demonstrierte bereits Loriot vor vielen Jahren in diesem berühmten Sketch:
Man achte auf den schlagfertigen Einsatz der Bemerkung „Ach was!“
Was halten Sie von Seminaren zur Schlagfertigkeit?
Wie gehen Sie mit verbalen Angriffen um?
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