Achtsamkeit ist der Schlüssel zur Liebe.

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Partnerschaft

summer-loving_small-photocase795649393.jpg Ertappt!

Der Stock des Zen-Meisters saust sanft, aber bestimmt auf die Schultern des Meditierenden nieder. Wachheit und Achtsamkeit sind ihm während des Zazen, der traditionellen Sitzmeditation, abhanden gekommen. Der Meister hat es bemerkt.

„Na, und? Fällt dir nichts auf?“ Freundlich, aber bestimmt schaut Michaela auf ihren Mann. Eine klassische Szene, wenn die Aufmerksamkeit des Partners im Beziehungsalltag abhanden gekommen ist. Und weder der liebevoll dekorierte Frühstückstisch am Sonntagmorgen noch das brandneue H&M-Schnäppchen bemerkt werden.

Was der Zen-Meister für die Meditation ist, ist der Partner in der Liebesbeziehung. In der Meditation ist Achtsamkeit das Ziel. In der Liebe scheitert jede Beziehung ohne Achtsamkeit.


Achtsamkeit ist die Kunst, im viel zitierten „Hier und Jetzt“ des Augenblicks präsent zu sein. Klingt doch einfach. Ist aber tatsächlich das anspruchsvollste Programm der Welt. Weshalb auch nicht jeder gleich erleuchtet wird, der sich ein Meditationskissen unter den Po schiebt.

Buddhistische Mönche verbringen Jahrzehnte in tiefer Meditation, bevor sie zum Meister werden. Aber angenommen, wir könnten nur ein klein wenig davon verwirklichen, eine Prise, einen Hauch? Wenn wir aufmerksamer sein könnten. Uns selbst gegenüber und unserem Partner. Wenn wir die Sichtweisen und Erfahrungen des anderen genauso gelten lassen könnten wie unsere eigenen. Wie viel einfacher und liebevoller wären das Leben und die Liebe.

 

Verliebt sind wir immer achtsam.

Weshalb sind wir nur so endlos scharf darauf, verliebt zu sein? Wo doch der Zustand reiner Wahnsinn und der Absturz in den Alltag grausam ist. Der Grund ist Achtsamkeit. Verliebte erleben jede Begegnung stets völlig neu und unendlich aufregend. Jede Geste ist eine Offenbarung. Und niemals sonst erfahren wir so viel Aufmerksamkeit.

Später folgt der mehr oder weniger vollständige Abstieg in die alltägliche Paar-Routine. Wir vergessen unseren Jahrestag und das Versprechen, den Küchenschrank aufzuräumen. Wir werden unaufmerksam und wissen nicht mehr, was wir einander zum Geburtstag schenken sollen.


Sobald wir uns nicht mehr beachtet fühlen, bekommen wir das Gefühl, dem anderen nicht mehr wichtig zu sein. Wir glauben, wir seien ihm gleichgültig, er liebe uns nicht mehr. Die Paarforschung plädiert an dieser Stelle ganz dringend dafür, dass wir unsere „love-map“ aktualisieren sollten – die Partnerlandkarte in unserem Hirn, in der gespeichert ist, welche Jazz-CD er mag. Wenn wir wissen, mit wem unser Partner im Job gerade Stress hat, dann erlebt er darüber unsere Achtsamkeit.

Gerade in Krisenzeiten ist das Erleben gegenseitiger Wahrnehmung das Band, das eine Beziehung zusammenhält.

Achtsamkeit, das ist auch jene „freischwebende Aufmerksamkeit“, die schon Sigmund Freud seinen Psychoanalytikern empfahl, um ihre Patienten verstehen zu können. Natürlich wollen wir nicht zum Psychiater unseres Geliebten werden. Aber wenn wir schon seine leichte Anspannung bemerken, seine bedrückte Stimmung, dann schaffen wir dadurch einen Raum, in dem er sich geborgen fühlen kann. Wir sind im Kontakt zueinander.

Unbewusst lebt jedes Paar in einer Kultur der Achtsamkeit. Der Abschiedskuss, die Frage „Wie war dein Tag?“, die zärtliche Umarmung in der Küche. Doch ohne Achtsamkeit ist der Kuss Routine, ist der “ Schatz“ nichts wert.

Liebende behandeln einander – zumindest am Anfang – ganz selbstverständlich höflich und respektvoll. Doch wenn wir nicht achtsam bleiben, wird ausgerechnet unsere Liebesbeziehung zu dem Ort, an dem wir uns hemmungslos gehen lassen. Wir beschimpfen einander, machen einander vor Freunden lächerlich, reagieren unwirsch und genervt.

Wenn wir einander bewusst begegnen, mit allen Sinnen anwesend sind, schaffen wir eine Insel der Achtsamkeit im alltäglichen Ozean der Zerstreuung. Und selbst die wenige Zeit, die wir füreinander haben, wächst durch die entstehende Intensität.

„In einer älteren Partnerschaft kennen die Paare einander oft nicht viel besser als in der jungen. Im Unterschied zu den taufrischen Beziehungen glauben aber langjährige Partner sehr viel eher, sie wüssten über den anderen Bescheid“,fasst der Psychologe Professor Georg Felser die Befunde der Paarforschung zusammen.

 

Wir leben nicht mit unserem Partner zusammen.

Wir leben mit dem Bild, dass wir uns von ihm machen. Unsere Psyche ist träge. Eine Meinung oder eine Erwartung ändern wir nur schwer. Denn unser Gehirn vereinfacht die Wirklichkeit. Es schafft Kategorien, die es immer wieder benutzt. Wie „Jenny mag keine muskulösen Typen“. Mag sein, dass Jenny Arnie Schwarzenegger eklig findet. Aber den rothaarigen Fitnesstrainer findet sie ausgesprochen sexy.

Die wirklich gefährliche Paarklippe aber türmt sich vor uns auf, sobald wir den Charakter unseres Partners festlegen. „Thomas ist ein Chaot.“ „Elvira nimmt immer alles persönlich.“ Es führt nämlich dazu, dass wir Thomas wirklich zum Chaoten machen. Weil er es ja unserer Meinung nach nicht kann, räumen wir seine Sachen weg und organisieren sein Leben. Weshalb er es nicht mehr tut. Und wir den Chaoten geschaffen haben, den wir so bekämpfen.

Achtsamkeit bedeutet, den Autopiloten, mit dem wir normalerweise durchs Leben düsen, auszuschalten. Und stattdessen so wachsam und präsent zu sein, wie wir es in einer fremden, unsicheren Situation wären. Dann ist jeder Augenblick eine Chance, unseren Partner und uns selbst auf eine neuartige und tiefere Weise zu entdecken.


Alles verändert sich immer unaufhörlich. Es ist trivial, aber wenn wir im Augenblick leben, wird die Welt schlagartig bunter und die Partnerschaft lebendiger. Wenn wir nicht in die Ausstellung rasen, sondern schon die Fahrt dorthin genießen. Beim Vorspiel nicht an den Orgasmus denken.

Unachtsamkeit bindet uns an die Vergangenheit, an gewohnte Denkmuster, an Routinen. Die Veränderung des Partners entgeht uns. Glücksmomente entgehen uns. „Seit wann vermisst du deine Eltern?“ „Seit wann magst du eigentlich Sex am frühen Morgen?“ Achtsamkeit ist die Kraft, die unsere Urteile übereinander, die Stagnation und Routinen immer wieder auflösen kann. Abwechslung, neue Reize und ungewohntes Erleben sind aber nötig, damit sich Romantik und Hingabe und Sex nicht aus unseren Beziehungen verabschieden.

Achtsamkeit verhilft uns dazu, nicht von unseren Meinungen mitgerissen zu sein und unseren Gefühlen nicht ausgeliefert zu sein. Indem wir uns bewusst machen, dass sie nicht die Wirklichkeit, sondern Teil unseres Geistes sind, gewinnen wir Abstand zu schwierigen Emotionen wie Neid, Eifersucht, Hass, Schmerz und Kränkung.

Nicht, dass wir diese Gefühle nicht mehr hätten. Aber wir lernen, sie als Teil unseres Lebens anzuerkennen, ohne in ihnen zu versinken. Kompromisse und Verständnis werden einfacher, wenn die Weltmacht mit drei Buchstaben an Bedeutung verliert: ICH. Eine gute Selbstwahrnehmung macht uns beziehungsfähig – und zwar nicht nur in der Liebe, sondern im Umgang mit allen Menschen, mit denen wir zu tun haben. Achtsamkeit ist emotionale Intelligenz.

„Wenn wir voller Achtsamkeit in der Gegenwart ruhen, ist Mitgefühl die natürliche Reaktion auf das Leiden um uns herum“, schreibt der Meditationslehrer Joseph Goldstein. Wenn unser Liebster nörgelt oder nervt und wir nicht gleich engstirnig dagegenhalten, sondern achtsam offen bleiben, wenn wir nicht sofort bewerten und urteilen, dann sind wir dabei, so etwas wie emotionale Weisheit und Mitgefühl zu schaffen. Dann geht uns die Liebe nicht so schnell verloren.

Es dämmert, der Wecker piept, die ersten Sonnenstrahlen drängeln sich durch die Spalten der Jalousie, und neben uns schlägt unser Partner die Augen auf. Na? Wir kuscheln uns noch einen Moment schlaftrunken aneinander, warm und weich und geborgen, wir riechen einander, spüren die Haut, die Atembewegung des uns so vertrauten Körpers. Wir sind nicht allein auf der Welt, ein neuer Tag bricht an. Es könnte ein Moment von Glück und Liebe sein, wenn wir ihn bemerken. Wenn wir achtsam sind.

Dieser Artikel stammt von meinem Fachkollegen Oskar Holzberg, der regelmäßig Artikel über Liebe und Beziehungen in der BRIGITTE schreibt. Ich fand seine Betrachtung so gut und zu meinem Ansatz passend, dass ich ihn hier vorstelle.

Der Paarforscher John Gottman erforscht seit Jahrzehnten in seinem „Ehelabor“, was Paare, die über viele Jahre zusammenbleiben anders machen gegenüber Paaren, die nach einigen Jahren sich trennen. Das beste Buch von John Gottman ist dieses: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe

Auch von Oskar Holzberg gibt es ein gutes Buch: Wer die Liebe sucht…. Orientierungshilfen für Paare

 

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.