Wenn das Kriegstrauma der Eltern und Großeltern das eigene Leben belastet.

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Auch 73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs leiden noch viele Menschen unter negativen seelischen Folgen. Selbst bei den Kindern der Kriegskinder zeigen sich Kriegstrauma wie Einsamkeit, Unsicherheit, Angst und Entwurzelung.

Denn die beiden Weltkriege wirken bis heute nach – bei den Überlebenden, Versehrten, Traumatisierten und sogar in der Enkelgeneration, den Kriegsenkeln. Wenige Eltern oder Großeltern haben über ihr Schicksal gesprochen. Viele vom Krieg traumatisierte Erwachsene waren emotional verstummt, haben ihre eigenen schmerzlichen Empfindungen unterdrückt und ihren Kindern und Enkeln seelische Trümmer hinterlassen. Doch nur über die Erinnerung, das Erzählen und Verstehen ist es möglich, die Weitergabe dieser traumatischen Erinnerungen zu unterbrechen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten viele Menschen auch eine Therapie gebraucht. Doch damals mussten die Überlebenden Deutschland wieder aufbauen. Außerdem wusste man noch nicht, dass sich hinter Albträumen, schlimmen Erinnerungen und Ängsten eine Erkrankung verbergen könnte.

Erst nach dem Vietnamkrieg (1964-1975) änderte sich daran etwas. Als Soldaten die typischen Symptome einer „Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zeigten, die man schon von anderen Opfern von Krieg und Gewalt her kannte, widmete man den Kriegsveteranen mehr Aufmerksamkeit, gab es Geld für Forschung und Studien.

Doch zuvor wurden viele betroffene Kreigsheimkehrer in ihrem Umfeld als Versager bezeichnet und trauten sich auch später nicht mehr, ihre Probleme einem Arzt oder Psychotherapeuten anzuvertrauen. Viele wurden alkoholkrank oder flüchteten in die soziale Isolation.

Ein Kriegstrauma zeigt sich oft erst bei den Kindern der Kriegskinder.

Ich bin 1948 geboren. Genau wie meine Altersgenossen, die in den Aufbaujahren der Bundesrepublik geboren wurden,  kennen wir den 2. Weltkrieg nur aus den Erzählungen unserer Eltern. Wenn überhaupt. Denn meist redeten die Eltern nicht oder nicht gern über diese Zeit. Weil sie nicht erinnert werden wollten. Weil sie ihre Kinder nicht mit schrecklichen Erlebnissen belasten wollten. Weil sie selbst mal beschlossen hatten, all das Schreckliche ganz fest in sich wegzuschließen.

Doch auch wenn in vielen Familien über das Erlebte kaum gesprochen wurde, ist es nicht verschwunden.

Erst seit einigen Jahren gibt es ein Bewusstsein dafür, dass sich die Traumata der Eltern und Großeltern in den Nachkriegsgenerationen fortsetzen und verschiedenste Symptome produzieren können.

In meine Einzelcoachings oder die Persönlichkeitsseminare kommen immer wieder Menschen zwischen 40 und 60 Jahren mit den verschiedensten Problemen:

  • Zweifel bezüglich der Existenzberechtigung.
  • Überstarker Leistungswille – oft bis zum (mehrfachen) Burnout.
  • Emotionale Blockaden und dadurch Partnerschaftsprobleme oder häufige Trennungen.
  • Geringes Selbstwertgefühl und gnadenlose Strenge mit sich selbst.
  • Streben nach Erfolg bei gleichzeitigen Sabotage, wenn dieser greifbar wäre.
  • Diffuse, unerklärliche Ängste.

Die wenigsten Betroffenen führen ihre Beschwerden und Symptome auf Erfahrungen der Eltern im Krieg zurück. Auch weil oft über das Erlebte im Krieg von diesen selten gesprochen wurde. Viele Kriegsenkel, also die Kinder der Kriegskinder, haben den Krieg abgespeichert wie Faktenwissen aus dem Geschichtsbuch. Die dazu gehörigen Gefühle haben sie meist verdrängt, weil dies auch die Eltern so machten.

Wie sich vererbte Traumata zeigen können.

„Immer wenn ich kurz davor bin, ein wichtiges Ziel zu erreichen, vermassele ich es!“
Mit diesem Satz beginnt Albrecht Holst die Sitzung. 53 Jahre, Entwicklungsingenieur in einem Automobilunternehmen. „Seit Jahren arbeite ich darauf hin, Leiter der Abteilung zu werden. Ich habe auch nach Auskunft meiner Vorgesetzten das Zeug dazu. Aber wenn es dann zum entscheidenden Schritt kommt, passiert etwas in mir und ich sorge dafür, dass es schiefgeht.

Entweder verpasse ich eine wichtige Frist, um Unterlagen einzureichen oder mache bei einer Präsentation so blöde Fehler, dass man doch Abstand von mir nimmt.

Diese Pechsträhne zieht sich durch mein Leben. Als würde ich mich selbst sabotieren. Ich habe mir schon den Kopf zerbrochen, warum ich das mache, verstehe es aber nicht.“

Wenn ich solche Schilderungen von Klienten höre, überlege ich, welche unbewusste Botschaft in diesem Verhalten stecken könnte. Denkbar wären zum Beispiel:

  • „Es klappt sowieso nicht. Wenn Du selbst in den Sand setzt, bist Du nicht so enttäuscht.“
  • „Du hast doch schon so viel erreicht. Warum willst Du immer noch mehr?“
  • „Wir waren immer für Dich da. Du darfst nicht größer werden als wir.“
  • „Ich konnte auch nicht werden, was ich wollte. Warum soll es bei Dir anders sein?“

Viele Berufskarrieren der Eltern und Großeltern wurden durch den Krieg zerstört. Ausbildung und Studium konnten nicht begonnen werden, wurden unterbrochen und nach dem Krieg musste man vielleicht schnell seinen Lebensunterhalt  verdienen anstatt seinen Wunschberuf anzustreben.

Bezeichnend ist bei Kriegsenkeln oft die enorme Leistungsbereitschaft für den Erfolg – mit der Angst, den Erfolg auch tatsächlich zu erreichen.

Als ich mit Herrn Holst seine Herkunftsgeschichte untersuchte, trafen wir auf eine ähnliche Entwicklung in der Berufsbiografie seines Vaters. Vor dem Krieg war er Kfz-Mechaniker in einer Autowerkstatt gewesen. Nach dem Krieg hatte ihm der Inhaber angeboten, die Meisterlehre zu machen, um die Werkstattleitung zu übernehmen. „Das ist nichts für mich“, hatte mein Vater damals gesagt, berichtete der Klient. „Ich habe die Gründe dafür nie verstanden.“

Als ich diesen letzten Satz für Herrn Holst noch einmal langsam wiederhole, erschrickt er. „Ich habe genau den gleichen Gedanken gehabt, wenn mal wieder was schiefging, auf das ich lange hingearbeitet hatte und es dann doch vermasselte: Das ist nichts für mich!“

Auf diese Weise konnte er diese Zusammenhänge zwischen seinem Verhalten und dem Schicksal seines Vaters besser verstehen und durch weitere Arbeit sich von dieser ungünstigen Loyalität lösen.

Unbewusste Traumata der Eltern und Großeltern können vererbt werden.

Was bringt es, an den alten Geschichten zu rühren?

Diese Frage höre ich immer wieder. Und es ist auch meist die Antwort, die erwachsene Kinder bekommen, wenn Sie die Eltern danach fragen wollen, was diese im Krieg erlebt haben. „Was bringt es …?“

Der wichtigste Grund ist:
Damit Sie dadurch vielleicht etwas bei sich selbst besser verstehen.

Zum Beispiel:

  • Seltsame, übertriebene Ängste ohne eigene Erlebnisse dazu:
    – In Panik geraten, wenn sich der Partner oder Kinder um ein paar Minuten verspäten.
    – Alle Türen dreimal abschließen und noch mal kontrollieren.
    – Angst vor Einbrechern, Überfällen, Vergewaltigung, Naturkatastrophen.
    – Häufiges Umziehen und Probleme, sich im Leben niederzulassen und einzurichten.
    – Fehlende Zivilcourage oder mangelndes Eingreifen bei Missständen, stattdessen weggucken.
  • Seltsame Verhaltensweisen, die Sie stören, die Sie aber nicht abstellen können.
    Hamstern von Lebensmitteln oder verstärktes Surfen auf Seiten wie
    Ich erinnere mich noch, wie 1961 der Bundesernährungsminister zum Anlegen von Nahrungsreserven durch Konserven mit dem Slogan „Denke dranschaff Vorrat an“ aufrief. Was meine Mutter Jahrzehnte machte. Und noch heute beschleicht mich ein ungutes Gefühl, wenn ich Brot wegwerfen will, das alt und ziemlich hart geworden ist. Denn Brot wegwerfen, das gab es bei uns zu Hause nicht.
    Alles aufessen müssen oder andere anhalten, dies zu tun.
    Gefühle bei sich und anderen nivellieren oder rationalisieren („Ist doch nicht schlimm!“ „Es gibt noch viel mehr Leid auf der Welt!“)

Der zweitwichtigste Grund:
Damit Sie vererbte Kriegs-Traumata nicht an ihre Kinder und Enkel weitergeben.

„Über die Spiegelneuronen und über Resonanzerfahrungen spüren Kinder, was ihre Eltern oder Großeltern erleben. Dieses Fühlen, dieses Spüren, dieses Weitergeben erfolgt weitgehend unbewusst und ist so wenig zu kontrollieren wie ein ansteckendes Lachen oder Gähnen.

Dieser Prozess wird durch einen besonderen Umstand verstärkt: Wenn Kinder bei ihren Eltern ein Geheimnis spüren, dann strengen sie sich besonders an, dieses Geheimnis zu ergründen. Wenn ein Kind merkt, dass die Mutter oder der Vater einen Kummer hat, aber nicht darüber redet und das Kind den Grund des Kummers so nicht ergründen kann, dann entwickelt das Kind besonders starke Antennen für das Geheimnis, für den Kummer, für das Verstecken des Kummers, für die Leere, für das Schweigen.

Das bestätigen die Traumaforschungen und die praktischen Erfahrungen der therapeutischen Traumaarbeit. Man kann deshalb zugespitzt sagen: Wenn Sie eine Traumafolge an Ihre Kinder weitergeben wollen, dann verschweigen Sie diese. Sie erreichen dadurch, dass die Kinder besonders neugierig werden und besonders empfänglich für das, woran Sie leiden. Das wollen Sie natürlich nicht, aber Ihre Eltern und Großeltern, die diese Konsequenz höchstwahrscheinlich auch nicht wollten, haben so gelebt und so gehandelt.“
Quelle: Baer, Udo/Frick-Baer, Gabriele 2015: Kriegserbe in der Seele

Mein Fazit:
Für viele ist es ja schon schwer einzusehen, dass die Erfahrungen, die man als Kind in der Familie erlebte, einen großen Einfluss auf das heutige Leben haben sollen. Sie lehnen das als Psychologen-Schwachsinn ab. Oft braucht es erst eine Krise, in deren Nachgang man durch eine Reha, Psychotherapie oder ein Coaching darauf kommt, dass Kindheitserlebnisse frühe Prägungen verursachen. Im Guten wie im Schlechten.

Noch unvorstellbarer mag manchem vorkommen, dass sogar Erlebnisse der Eltern oder Großeltern ihre neuronalen Spuren im Gehirn hinterlassen und so zu unerklärlichen Ängsten oder unpassenden Einstellungen und Verhaltensweisen führen können.

Ich selbst habe durch lange Therapien und entsprechende Seminare den Einfluss dieser Faktoren in meinem Leben ein Stück klären können.

kommentar Welche Erfahrungen haben Sie mit der Weitergabe von Traumata gemacht?

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

18 Kommentare

  1. Claudia Kappe sagt

    und es geht weiter und weiter, mit jedem Krieg nicht nur Tote und Veletzte… sondern auch Traumata ohne Ende. Man kann schon fast erstaunt sein, wie viel Gutes es dennoch gibt.

  2. Claudia Kappe sagt

    Zu Hartz-4- Opferverband

    das ist ein beeindruckender Gedanke. Ich rede mit allen Menschen, geal ob Hartz 4 oder Bischof oder…ganz norma-
    ler Mitmensch.
    Dieser Aspekt ist mir neu: Dass Ausgegrenzte oder sich immer wieder ausgrenzende Menschen dies aus solch einem unbewussten Antrieb heraus machen könnten. Sehr hilfreich, denn dann erfahre ich noch ganz anderes ‚Leid und kann mitfühlen und wenigstens zuhören. Vielen Dank dafür.

  3. Karl-Heinz Ganghof sagt

    Ich bin 1939 in Gleiwitz O/S geboren und habe beim Einmarsch der Roten Armee im Januar 1945 traumatische Erlebnisse gehabt. Darüber habe ich das Buch „Laband-Gleiwitz: Lebensspuren eines Kriegskindes“ geschrieben. Bei meinen Lesungen habe ich erfahren, wie viele Kriegskinder und Kriegsenkel noch traumatisiert sind. Ich habe mit der Volkshochschule einen Gesprächskreis für Traumatisierte Kriegsopfer eingerichtet. Ihr Beitrag ist sehr wertvoll.

  4. Karina Pöhlmann sagt

    Mein Vater war in Stalingrad. Er schaffte es an 23. 12. 42 zu fliehen, indem er sich wohl im Bombenschacht eines Flugzeuges versteckt hat, so hat es mir meine Mutter später mal gesagt. Als mein Vater 1972 an Lungenkrebs, vielen anderen Krankheiten und wohl auch an den Folgen dieses schrecklichen Krieges starb war ich erst sechs. Mein Vater schlief nicht im Schlafzimmer bei meiner Mutter, angeblich weil er schnarchte, aber ich höre noch heute wie er nachts oft geschrien hat. Er muß schreckliche Alpträume gehabt haben.

  5. Manfred Schiebel sagt

    Ein sehr interessanter Beitrag. Mein Vater war in Stalingrad, wurde sehr schwer verwundet und hatte das Glück mit einer der letzten Maschinen ausgeflogen zu werden. So entkam er vermutlich dem Tod, aber in jedem Fall einer russischen Kriegsgefangenschaft. Sechs Jahre später, 1946 wurde er aus seiner Heimat Mähren vertrieben. Trotz allem habe ich die Wahrnehmung, dass wir sechs Kinder keine Traumata erlitten haben.

  6. Sich schon damit zu beschäftigen, dass die eigenen Ängste und Phantasien vielleicht gar nicht nur mit einem selbst zu tun haben, entlastet. Je mehr Informationen man dann von seinen Eltern etc. bekommt, umso besser.

  7. Claudia Rinne sagt

    Es ist eine verheerende Erfahrung, wenn die Traumatisierungen der Eltern – in Form von ausgeprägten sog. Persönlichkeitsstörungen via Affekten – auf das Kind übertragen werden. Man will dieses Gift – das im kollektiven familiaeren Unbewussten in jeder Körperzelle schlummert – loswerden. Je mehr man dagegen ankaempft in Form von Verdrängung… „Es“ tut gut zu wissen, nicht allein zu sein.

  8. Hallo !

    Als ich den obigen Blog las, viel es mir wie Schuppen von den Augen. Ohne dass ich es wusste oder registrierte, dass mir etwas fehlte bzw. fehlen könnte, wusste ich mit einem Schlag, warum ich keinen Bedarf an HEIMAT empfinde. Meine Heimat war bisher dort, wo mein (schutz- und fürsorgebepfohlender) Mandant war.

    Meine Eltern kamen als Kinder mit den Großeltern und der Familie als Flüchtlinge aus Ostpreußen in die westfälische Provinz. Bis zu deren Tod ging es thematisch bei Familienfeiern IMMER darum: „wann können wir wieder in die Heimat zurück“. Das wird sich wohl in meine Seele „eingefräst haben“.

    Das endete mit meinem Umzug nach Berlin,
    wo „mein Wessi-Gesinde“ seit 15 Jahren fortdauernd als „Pollacken“ (Aufgrund des Namens „-ski“) auch keine Heimat zugestanden wird (wohlgemerkt, in der preußischen Hauptstadt !)

    —————————————————————–

    Beruflich, als Sozialarbeiter, hatte ich bislang nur das Leid der „Ostler“ im Fokus. Die waren in hohem Maße Vertriebene des eigenen Landes.

    Das Problemklientel:
    (a) Republikfeinden abgenomme Kinder (Kinderheim, Zwangsadoption, etc.)
    (b) eingesperrte und gefolterte Republikfeinde

    Alles Menschen, ohne Heimatgefühl,
    mit „durchgeknallten Stasi-Eltern“ UND
    „abgedrehten, getöteten oder verheimlichten leiblichen Eltern“.

    —————————————————————

    Nebenbei baue ich derzeit einen Hartz4-Opferverband auf. In Gedenken der 5-stelligen Opferzahlen sowie deren mitbetroffenes familiäres und soziales Umfeld.

    Auch hier sind die Zahlen der mittelbaren (Familien-Angehörigen) und unmittelbaren Opfer (die Verstorbenen) , im 6-stelligen Bereich einzuschätzen (über den gesamten bisherigen 12-jährigen Zeitraum).

    Zerbrochene Menschen und gesprengte Familien-Sicherheitszonen.

    Angehörige, die zu großen Teil, nicht nur eine Aversion gegen Heimat haben, sondern auch eine gegen eine Wohnräumlichkeit. Einzelgänger in der Straßengosse, denen jedes menschliche soziale Verlangen abhanden kam.

  9. C. Liese sagt

    Meine Uroma und auch meine Oma wurden beide im Krieg sexuell missbraucht . Später erfuhr ich das meine Mutter von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht wurde . Und mit 35 Jahren erinnerte ich mich das erste mal durch einen Flashback , das ich als Kind von meinem Stiefvater sexuell missbraucht wurde . Ich kam durch die Psychiatrie in Berührung mit Psychologie und Verstehen und erkannte rechtzeitig das mein damaliger Narzisstischer Partner dabei war sich meiner Tochter unsittlich zu nähern und ich floh mit ihr in eine andere Stadt , da er uns regelmäßig stalkte . Auch meine Uroma hatte einen Stalker der sie sogar umbringen wollte . Eine Spirale in unserer Familiengeschichte die ich hoffentlich unterbrechen konnte .

  10. Kerstin sagt

    Ich finde diesen Artikel sehr interessant und möchte mich dafür erst mal bedanken.
    Es gibt einen Punkt, den ich noch nicht ganz verstehe und würde mich über eine Erklärung dazu freuen:
    Das Beispiel von Herrn Holst und dass sein Vater die Meisterlehre nach dem Krieg ablehnte. Dass er sich ähnlich verhält und wir ja auch den Einstellungen der Eltern gemäß erzogen wurden, ist mir klar.
    Aber was hat das Beispiel jetzt speziell mit dem Krieg und dem Kriegstrauma zu tun? Sie schreiben, dass Herr Holst die Gründe nicht verstand. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesen Zusammenhang erklären würden. Ich stehe da etwas „auf dem Schlauch“.
    Viele Grüße
    Kerstin

  11. Ich bin im Inneren ein ängstlicher und schreckhafter Mensch (viele würden das nicht glauben, denn „Mut ist, wenn man etwas trotzdem macht“). Als Ausgleich? sehr diszipliniert. Niemals einen Auftrag für einen Kunden zu spät abliefern, und wenn man sich morgens um halb 6 im Krankenhaus Papier von den Schwestern erbettelt, um schreiben zu können.
    Ich hätte nie gedacht, dass das mit den Erfahrungen meiner Mutter als Kriegskind zusammenhängen könnte, ich dachte immer, es käme „nur“ von einem Erlebnis mit einem Lehrer aus der dritten Schulklasse.
    Aber seit kurzem weiß ich mehr. Meine Mutter (80) schreibt seit über 1 Jahr alles aus ihrem Leben auf. Erst sollten es bloß die Kriegs- und Nachkriegserinnerungen sein, dann hat es eine Dynamik bekommen und sie macht immer weiter und ist jetzt schon in den 90er Jahren angekommen, es wird ein großer Bildband für ihre Familie werden.
    So oft ich kann, helfe ich ihr dabei viaTeamviewer. Da finden sich die Szenenen:
    Von einem fremden Mann an die Hand genommen übers Feld rennen, während man dem feindlichen Flieger ins Gesicht sehen kann, in Panik aus dem Keller über einen Notdurchbruch fliehen, weil eine Bombe vor der Kellertür eingeschlagen hat, zurückzukommen und zu sehen, dass eine Brandbombe ins Bettchen der Schwester eingeschlagen hat.
    Kein Wunder, dass ich der Silvesterknallerei im ganzen Leben noch nichts abgewinnen konnte. Ich bleibe im Haus und versuche, meinen Kater auf dem Schoß zu halten und streichelnd zu beruhigen, weil ich seine Angst verstehen kann.

  12. Gitta Weinberg sagt

    Leidvolle Erfahrungen mit diesem Thema habe ich auch gemacht. Meine Eltern und Großeltern haben viel durchgemacht.
    Oma war als 5 jährige schon Vollweise. Wuchs bei ihren Großeltern auf. Opa und sie lernten sich in Danzig kennen, heirateten und bekamen Kinder. Meine Mutter und meine Tante. Sie wuchsen in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg mit allem, was so gang und Gäbe damals war auf. Mein Vater wurde mit 15 noch eingezogen und konnte aus der sowj. Gefangenschaft entfliehen. Er lernte meine Mutter auf der Flucht kennen.
    Meine Oma und meine Mutter sind von polnischen Offizieren missbraucht worden.
    Das habe ich erst vor einigen Jahren erfahren, als mir selbst bewusst wurde, das mir das auch in meiner Kindheit viele male passiert war und meine Eltern mir damals nicht halfen und das nicht erkennen konnten. Meine 3 Geschwister sind davon, Gott sei dank, nicht betroffen.
    Bei dem Gespräch mit Mutti und Vati über mich, mit eben diesem Thema, erzählte die Kriegsereignisse meine Mutter unter Tränen.
    Darauf die Zeit, bis heute immer noch fallen mir viele Begebenheiten ein an denen sich meine Mutter und auch Oma merkwürdig verhalten haben. Nun war mir klar, dass das von ihren Traumata aus hervorgerufen wurde.
    Mein Leben wurde dadurch zu einem sehr schweren Leben mit ständigen und immer wieder neuen Erkrankungen. Ein Leben ohne Schmerzen kenne ich nicht. Ich bin immer wieder depressiv geworden und meine Traumata habe ich noch nicht überwunden. Ich mache eine spezielle Traumatherapie und hoffe darauf, das ich noch ein paar schöne Jahre leben kann.

  13. Beatrice Legien sagt

    Danke für den wertvollen Artikel. Ich finde das Thema sehr wichtig. Nur leider tun sich die Menschen sehr schwer, sich damit genauer auseinander zu setzen und was das mit den Nachkriegsgenerationen gemacht hat oder noch macht. Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, dass das sehr schmerzhaft sein kann.

    Meine Eltern wurden mitten im Krieg geboren. Mein Vater musste als Dreijähriger aus Ostpreussen flüchten. Beide Familien wurden zerstört oder auseinandergerissen. Meine Eltern wuchsen ohne Vater auf. Beide hatten sich in ärmlichen Verhältnissen durchschlagen müssen. Vieles habe ich erst sehr spät erfahren. Denn sie versuchten so gut es geht ein funktioniertes Familiensystem aufrecht zu halten.

    Doch mit der Zeit zeigten sich an allen Stellen, wie beeinträchtigt und anstrengend das Leben in allen Bereichen für jeden doch war und zum Teil noch ist. Das geht bis zu den Kriegsenkeln. Und niemand versteht so richtig, was da los ist mit einem und wieso sich alles so schrecklich anfühlt.

    Ich fand es erschreckend und erkannte immer mehr, welch ein Horror Kriegserfahrungen für alle bedeutet. Es ist ein Schrecken ohne Ende, weil er weitergegeben wird von Generation zu Generation, ohne dass man begreift, was da mit einem passiert ist. Es braucht Menschen, die eine Umkehr, ein Aufwachen aktivieren, die sich trauen, sich mit dem ganzen auseinanderzusetzen und das „Weitervererben“ zu stoppen.

    Ich habe vieles erst verstanden, als ich über einige der Grausamkeiten, die Menschen im Krieg erlebten, hörte und es nachfühlen könnte. Nur so konnte ich verstehen, wieso meine Eltern sich so seltsam und leider auch grausam, manchmal sogar lebensfeindlich verhielten. Es hilft, dass die Wunden heilen können oder wenigstens, dass man damit konstruktiver umgehen kann.

  14. Lieber Roland,

    danke für diesen Beitrag.
    Ich kenne das Thema privat und wie Du aus meiner langjährigen beruflichen Arbeit durch meine KlientInnen und SeminarteilnehmerInnen.

    Lange konnten ja bestimmte Phänomene nicht richtig zugeordnet werden. Dieses übertriebene „Das heben wir noch auf, das können wir noch mal brauchen oder reparieren“ oder „Jeden Tag brauche ich mein Stück Fleisch auf dem Teller, ich will nie wieder hungern“ oder eine unbestimmte Suche bei Menschen, die aus Vertriebenenfamilien kamen oder Unsicherheiten bezüglich ihrer Herkunft.
    Oder die Träume eines Klienten, die mit NS-Symbolen durchsetzt waren und sich nach einiger Ahnenforschung als Hinterlassenschaften des verbrecherischen SS-Großvaters herausstellten.
    Und ich kenne die – eigentlich unrealistische – Panik auch, wenn meine Töchter sich verspäten oder ich sie auf dem Handy spät abends nicht erreiche.

    Mein Vater (Jahrgang 23, mit 10 als Pimpf in die Hitlerjugend, mit 18 in die Wehrmacht und nach Holland an die Front) ist durch seine Erlebnisse immerhin zum entschiedenen Kriegsgegner geworden. Die damals anerzogene Härte gegen sich und andere hat er aber nie ablegen können und war auch Teil seiner Erziehung. Es gab nur seltene Momente, wo ich mich von ihm in meiner Tiefe verstanden fühlte. Das war wie ein fernes Land für ihn. Er sah sich immer in Konkurrenz zu mir, das er der Beste, Tollste und Größte ist. So ein typisches Männerding.

    Bei meiner Mutter hat von ihrer 6 köpfigen Familie nur ihren Bruder überlebt, der erst 1948 mit grade mal 22 aus der amerikanischen Gefangenschaft zurückkam. Die Mutter und der jüngste Bruder sind 1944 in Koblenz bei einem nächtlichen Bombenangriff der British Air Force ums Leben gekommen. Die Bombe explodierte erst im Luftschutzkeller. Meine Mutter konnte ihre Mutter im Leichenschauhaus nur an der Kittelschürze und am Ehering, den sie ihr noch vom Finger zog, identifizieren. Beim 14-Jährigen Bruder brannte noch seine Taschenlampe an der HJ-Jacke, als sie ihn morgens von ihrem Dienst beim Nachausekommen fand. Er hatte ihr noch frische Reibekuchen in den Dienst gebracht und wollte schnell nach Hause, um die seinen heiß zu genießen. Sie konnte ihn nicht zurückhalten, obwohl sie durch ihren Dienst wusste, das die Engländer ihre Bomben noch nicht ausgeklinkt hatten. Ich glaube, sie hat sich lebenslang für seinen Tod die Schuld gegeben.

    Ihr Vater kam nie von der Ostfront zurück. Auf den Brief, den er ihr wie im letzten Telegramm 1944 angekündigt, von seinem neuen Einsatzort schreiben wollte, hat sie bis zu ihrem Tod bewußt und unbewußt gewartet. Sie war oft mehr mit ihrer toten Familie verbunden, als mit ihren lebenden Söhnen.
    Ich wurde so in eine latent depressive und traumatisierte Atmosphäre hineingeboren. Meine Mutter war ja tagsüber meist um uns rum.

    Wie Du, konnte ich zum Glück in Therapie und Ausbildung vieles von diesen Eindrücken verarbeiten. Bei einem Intensivteil meiner Ausbildung schrie ich mir im Sommerseminar in Frankreich die Seele aus dem Leib, weil ich die englischen Bomber über mir fühlte. Das Kriegstrauma meiner Mutter steckte tief in meinem Körper. Mittels meiner (Körper-)therapie konnte ich das bearbeiten und der Schrecken konnte so seine Wirkung weitgehend verlieren.

    Hilfreich war, das beide Eltern offen über ihre Erfahrungen berichten konnten und wollten. Mein Vater allerdings immer sehr nüchtern, ohne seine damaligen Ängste thematisieren zu können. „Die längste Kesselschlacht des Krieges war damals in Holland und nicht in Russland und ich war dabei.“ Das klang immer mehr nach Heldentum und nicht nach Schrecken und Todesangst. Lebenslang ist er in seiner Haltung vor allem ein Kämpfer geblieben.

    Es ist dann wohl Bestimmung, dass ich seit über 20 Jahren Trauerarbeit als einen Schwerpunkt meiner Praxis habe in Form von Trauergruppen, Vorträgen, Fortbildungen, Supervision für Hospizgruppen, Einzelbegleitungen oder einen Artikel für ein Fachbuch eines Kollegen.

    Die einzelnen Erlebnisse haben zwar nicht mehr den emotionalen belastenden Gehalt wie früher, aber ich kann sie immer noch „wie gesprudelt“ erzählen, wenn mich jemand darauf anspricht. Die Länge dieses nun recht umfangreichen Kommentars belegt das.

    Also Kriegspuren in nachfolgenden Generationen sind keine esoterischen Hirngespinste, sondern recht konkrete Niederschläge in meinem und vielen anderen Leben.

    Zum Lesen kann ich mehrere Suhrkamp-Bücher zum Thema von Tilman Moser aus Freiburg, der Psychoanalyse und Körpertherapie fruchtbar verbindet und Alexander und Margarete Mitscherlichs Klassiker „Die Unfähigkeit zu Trauern“ sehr empfehlen.

  15. Ed Kuijper sagt

    Was mir zu diesem Thema einfaellt ist das mir schwer faellt mich durchzusetzen gerade bei Menschen die mir nahe stehen und Abschied ihnen zu nehmen, obwohl Sie sich nicht kuemmern um mein Wohl. Ich hantiere moralistische normen, bin streng fuer michselbst gegenueber andere die sich nicht so nach mir verhalten. Deshalb finde ich mein Glueck in Sachen Beziehungen nicht.

  16. Mirco Olschok sagt

    Ich bin 48 Jahre alt umd habe genau diese Erfahrung gemacht. 2 gescheiterte Ehen mit 4 Kindern. Vom gelernten Koch ohne Abi zum Unternehmensberater. Aktuel 50% Schwerbehindert und in den letzten 4 Jahren 2 Jahre AU .. kurz vor der Frühverentunf. Kurzum – ich bitte Sie um Hilfe. Bitte nehmen Sie Sie mit mir Kontakt auf.

  17. Karl Hinkel sagt

    Eine limbische Wüste. Das wäre die Kurzbeschreibung der Zeit, die ich beginnend gerade mal 9 Jahre nach Ende des letzten Krieges erlebte. Und das ist wahrlich irre, total irre. Denn egal, was du bist oder tust, was du willst oder anstrebst, es versickert oder verdampft im limbischen Wüstensand. Was du gibst wird nicht gesehen, nicht anerkannt, was du meinst, zählt nicht. Es ist so egal, dass es weh tut.

    Den sie mir als Vater vorsetzten, der kam kriegsversehrt zurück und führte den Krieg auf den Heuwiesen und Äckern fort. Was da gelaufen war, was sie gemacht hatten mit und auch ohne Befehle auf dem Balkan, damit konnte kaum einer leben. Egal was er ackerte und eggte, säte und erntete auf dem Bauernhof, freuen konnte sich da keiner. Meine stärkste Conciliencestrategie bestand darin, mich auf dem hohen Heuwagen bei röhrendem Traktor auszuheulen. Genau so gezielt konnte ich damit wieder aufhören, bevor die Zugmaschine stand. Niemand hat was gemerkt.

    Der richtige Vater erzählte von 1916, wo sie ein Jahr lang an der Westfront im Graben gelegen haben, Trommelfeuer ohne Pause. Sie haben sich in die Hosen geschissen, keine Versorgung, keine Hoffnung auf ein Ende. Wer sich bewegte, war eine Zielscheibe. Sie haben Ratten gegessen, Gras und Erde. Vier Jahre im Dreck. Nie wieder habe ich solch dicke Tränen auf faltigen Wangen gesehen, wie damals, als er erzählte. Danach war ich der Junge im Schützengraben. Dadurch Konzentrationsstörungen und ständige Verdopplung der Anstrengungen. Lange Zeit (mit Unterbrechungen dann, wenn gut abgelenkt durch Studium, Prüfungen und Karriere) lag ich selbst dort im Graben. Während ich die Grauen des zweiten Weltkrieges ganz gut rational verarbeiten konnte, ging das beim Ersten nur emotional. Immer wieder hat es mich erschüttert. Denn den hatte ich richtig in den Genen.

    In der Schule bei einer BDM-Jungfrau eingeschult, wurde ein Teil des Grauens Realität für mich. Ein Sturm hatte den Hafer flach auf die Erde gedrückt. Diesen haben wir Kinder händeweise aufgelesen, dann gebunden. Der schwarze Dreck ging von den Händen nicht weg. Am nächsten Tag standen wir Kinder in einer Reihe, die Hände vorgestreckt. Zuerst schlug sie mit dem Stock drauf, um dann auszurasten. Sie ergriff mich mit riesigen Pranken und zerrte mich in die Schulküche, wo die größeren Mädchen am Backen waren. Dort erfriff sie eine Wurzelbürste und schruppte mit vor den amüsierten Mädels die Hände blutig. Dann zerrte sie mich zurück, wo sich alle anderen amüsierten.

    Der Grundschulleiter kam direkt von der HJ und lebte nun als Scharleiter. Beim Sport fiel ich hin. Er kam, trat nach mir, schimpfte wie im Kasernenhof: `Flasche du, steh auf du Drückeberger !´ und trat mit seinen Stiefeln nach mir. Als ich liegen blieb, wurde ein Taxi gerufen, welches mich zum Krankenhaus fuhr. Kniescheibe gebrochen, Bein komplett in Gips. Zu Fuß mühte ich mich den Berg hinunter, einige Kilometer zur Oma in die Küche. Dort saß ich, die größeren Halbbrüder kamen: „Na du Drückeberger ! Dat macht der nur, weil der nich mit aufs Feld will !“

    Monate später, nach einigen Horror – Sportstunden, wo der Volksschulleiter seinen HJ-Cirkus veranstaltete, schlug er mit dem Tauende zu, oftmals; denn springen konnte ich ja nicht. Nach wochenlanger Feldarbeit waren die Glieder steif. Beim Hundertmeterlauf fiel ich wieder hin und krümmte mich vor Schmerzen. Diesem Typ fehlte nur noch die Uniform. Er kam gelaufen, trat mit dem Stiefel, schrie und erniedrigte, bis der Krankenwagen kam. Blinddarmbruch. NotOP. Niemand kam dort, von der Sippe nicht, von der Klasse nicht. Sie waren alle fleißig beschäftigt mit dem Verdrängen.

    Die Männer des Dorfes, sicher nicht alle, gingen täglich in die Kneipe und brachten ihren bescheidenen Lohn dorthin. Ab und zu eine Blaskapelle, ein Schützenfest, ein Schäferstündchen am Waldrand, – im Abenteuerdorf war man stets beschäftigt. Mit Verdrängen. Als ich den Wehrdienst verweigerte, um mein Gewissen staatlich prüfen zu lassen, rasteten einige Leute aus. Alt sahen sie alle aus, die Männer und Frauen, gequält und erkaltet, wortkark und verwirrt. Und ich merkte an allen Ecken, dass etwas nicht stimmte. Vieles stimmte nicht. Weitere Detail darf ich nicht; denn einige leben ja noch. Gekränkt und verhärtet wirkten auch die Kriegerwitwen, die in einem bescheidenen Siedlungshäuschen ihre Kinder alleine durchbrachten mit einer bescheidenen Rente.

    Gesprochen wurde eigentlich nie über den Krieg. Später dann begann ich einige Recherchen. Eine Tante hatte den einzigen Friseurladen im Dorf. Die wusste alles. Jedenfalls alles, was unter den Lockenwicklern und der Trockenhaube erzählt wird. Ich liebe alle und sage respektvoll Danke an alle, die mir meine Fragen beantwortet haben. Leicht ist das nicht. Denn auf dem Dorfe wissen ja bekanntlich alle alles, nur die Betroffenen meistens wenig oder nichts. Das ganze Land war unter der Knute und nachher erschüttert und traumatisiert. Es gab niemanden, der nicht betroffen war.

    Am kommenden Sonntag ist dort Goldene Konfirmation unserer Schulklasse. Ich werde bekannt geben, dass ich es nicht zulassen werde, wenn man den Dorfbrunnen nach dem früheren Grundschulleiter benennt. Für mich hat es über fünf Jahrzehnte kein Vergessen gegeben. Und dieser Schulleiter brauchte nun wirklich zu dem Leid, das dem Krieg nachhallte, nicht täglich Erniedrigungen und Verletzungen hinzufügen. Viele sind bereits tot und haben ihren Schmerz mit ins Grab genommen. Für mich gab es dieses Verdrängen als Nachkriegskind und Kriegstraumaerbe nicht. Vielleicht fahre ich am Sonntag auch nicht ins Abenteuerdorf. Dann ist vielleicht auch das egal, wie früher eigentlich alles egal war.

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