Warum Aufschreiben helfen kann, Ihr Problem zu lösen.

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Methoden

Emotionale Probleme lassen sich selten durch Nachdenken oder Reflektieren allein lösen. Denn diese Tätigkeiten behandeln nur die sachlichen  Aspekte des Problems. Übrig bleiben die Gefühle.

Deswegen ist es meistens hilfreich, seinen Kummer jemand zu erzählen, der darauf verständnisvoll reagiert. Dann ergibt sich oft die paradoxe Erfahrung, dass sich an der konkreten Situation nichts geändert hat, man sich aber deutlich besser fühlt. Weil man sich vom anderen angenommen oder bestätigt fühlt. Weil man das Problem etwas besser verstanden hat oder es emotional ein Stück „verdaut“ hat.

Doch was kann man tun, wenn gerade niemand da ist, dem man seinen Kummer erzählen könnte? Oder einem gerade nicht nach Reden ist?

Die Antwort lautet: Schreiben Sie es auf.

Fast jeder, der dies mal ausprobiert hat, spürt die heilsame Wirkung. Aufschreiben klärt. Aufschreiben hilft sortieren. Aufschreiben entlastet.

Das ist auch einer der Gründe, warum ich Teilnehmern meiner Persönlichkeitsseminare manchmal empfehle, einen Brief zu schreiben. Zum Beispiel an den Partner, an den Vater oder die Mutter. Eben jemandem, mit dem man etwas klären möchte aber eine direkte Aussprache nicht möglich ist oder man sich dazu nicht traut.

Doch Gefühle verschwinden nicht, indem man sie herunterspielt oder sich wegerklärt. Gefühle bleiben in einem drin. Finden ihren Weg über beunruhigende Träume, zwanghafte Grübeleien,  in bedrängenden Phantasien oder auch in psychosomatischen Symptomen.

Warum ist das Aufschreiben von Problemen oder Konflikten so hilfreich. Ich sehe vier Gründe:

  1. Aufschreiben hilft, es genau zu beschreiben.
    Wenn man ein Problem „nur“ durchdenkt“, kommt man oft in dieselben Gedankenschleifen. Schreiben zwingt einen dazu, es genau zu benennen.
  2. Beim Aufschreiben „fliesst“ das Problem aus Ihnen heraus.
    Beim Durchdenken bleibt es in einem drin. Deshalb ist ja auch das Darübersprechen mit einem anderen Menschen so befreiend. Man teilt es mit dem anderen. Beim Aufschreiben fliesst es aus einem heraus. Auf’s Papier, in den Computer – Hauptsache, nach außen.
  3. Aufschreiben hilft, sich davon zu distanzieren.
    Wenn Sie einen Konflikt aufschreiben, steht er außerhalb von Ihnen. Sie können das Tagebuch oder das Notebook zuklappen und wissen, das Geschriebene geht nicht verloren. Aber es ist getrennt von Ihnen. Wenn Sie es nach zwei Stunden oder einer Woche noch einmal lesen, merken Sie vermutlich, dass Sie anders lesen. Distanzierter, gelassener, weniger verstrickt.

Es gibt sogar zwei besondere Schreib-Anwendungen und zwei gute Bücher, die Sie dazu hinführen können.

Das biographische schreiben

Hier geht es darum, mit dem eigenen Leben sich bewusster  zu befassen und auseinanderzusetzen. Ich hatte mal einen achtzigjährigen Klienten, dem ich nach einigen Gesprächen diesen Weg empfahl. Er war sofort hellauf begeistert, wälzte alte Fotoalben, befragte die Verwandschaft und machte sich daran, sein Leben aufzuschreiben.

Aber auch wenn man nicht sein ganzes Leben aufschreiben will, hilft biographisches Schreiben, die eigene Vergangenheit „aufzuarbeiten“. Das müssen nicht immer schwierige Situationen sein. Herrad Schenk empfiehlt in ihrem Buch, die Einfälle und Erlebnisse zum eigenen Vornamen aufzuschreiben. Wie kam es zu diesem Namen? Was bedeutet er? Was hat man damit erlebt?

das therapeutische schreiben

ist mittlerweile als eine bewährte Methode zur Überwindung und Verarbeitung von Traumata und Konflikten anerkannt. In einer Studie konnte der Psychologieprofessor James W. Pennebaker zeigen, dass Studenten, die vier Tage hintereinander nur 15 Minuten über ein sehr belastendes Ereignis schrieben, in den folgenden Monaten weniger krank wurden, seltener zum Arzt gingen und sich emotional stabiler fühlten als eine Kontrollgrupe.

Hier einige Anregungen von mir, wenn Sie das biographische oder therapeutische Schreiben einmal ausprobieren möchten:

  • Als ich als Kind einmal glücklich war.
  • Mein Lieblingsbuch als Kind und was ich daraus für mein Leben lernte.
  • Brief an die Lieblingsfigur meiner Kindheit oder Jugend.
  • Brief an Ihr „inneres Kind“.
    (Was Sie heute wissen und was dem kleinen Jungen, dem kleinen Mädchen damals niemand sagte oder erklärte.)
  • Brief an das „Leben“.
  • (Wofür möchten Sie sich beim Leben bedanken, beschweren …?)

    Beim therapeutischen Schreiben ist der Kunstgriff des Perspektivenwechsels oft erhellend. Dabei schreibt man einen Brief aus Sicht des Problemträgers oder der Sache, die einem Sorgen macht.

  • Was mir meine Migräne (Herzinfarkt, Erektionsschwäche, etc.) mitteilen will.
  • Brief Ihrer Weinflasche, Zigarettenpackung, Fernseher an Sie, warum Sie soviel Zeit damit verbringen.
  • Brief Ihres Partners an Sie, wie er/sie das Leben mit Ihnen findet.

Bestimmt finden Sie noch andere Themen, die Sie interessieren. Wichtig ist, dass Sie es wirklich aufschreiben, nicht nur gedanklich durchspielen.

kommentar Haben Sie Erfahrungen mit dem Aufschreiben?
Wollen Sie es mal ausprobieren?

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Foto: ©  istock.com
Die Anregung zu diesem Beitrag entnahm ich einer
Rezension aus PSYCHOLOGIE HEUTE vom Juli 2010

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

4 Kommentare

  1. Gandalf sagt

    super Text.
    Hilft mir mega für meine Deutschprüfung die ich morgen schreiben muss…

  2. André Flecken sagt

    Wenn ich mit meiner Frau über Geschäft, Zukunft etc. spreche, sprudeln schon während ich spreche neue, gute Ideen heraus. Denke ich allein über solche Dinge nach, hat sich eine Denkblockade eingenistet. Ich probiere das aufschreiben mal, kann mir gut vorstellen, das es funktioniert.
    Guuute Idee!

  3. Karl Hinkel sagt

    Wichtiges Thema, gut dargestellt, nicht so überladen, danke, – also ich schreibe viel im Zug, wenn ich da so halb in Trance durch die Lande fahre, einfach kritzeln, skizzieren, einstecken – toll, was da oft rauskommt.

  4. Hallo Roland,

    ja, aufschreiben hilft total – egal, um was es gerade geht – ich habe jedenfalls diese Erfahrung gemacht.

    Mir helfen Morgenseiten, mit mir selbst in den Dialog zu kommen. Es entsteht, ohne dass ich das bewusst mache, ein Dialog zwischen Irene und Irene – das ist vor allem spannend, wenn man es dann Wochen später nochmal liest.

    Auch meinem inneren Kind bin ich nun dadurch öfters begegnet – und seit dem habe ich hier ein ein Bild am Schreibtisch stehen, das mich und meine Schwester als Kinder zeigt. Immer, wenn ich die kleine Irene ansehe ist sofort das Gefühl der Verbundenheit da.

    Danke dir für diesen schönen Artikel und liebe Grüße
    Irene

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