Schlechte Nachrichten für Rechthaber: Die wichtigste Erkenntnis des amerikanischen Paarforschers John Gottman: Nur wer die grundsätzlichen Wünsche seines Partner akzeptiert – und seien sie auch von den eigenen Lebensvorstellungen noch so verschieden, kann mit einer längerfristigen Beziehung rechnen.
Deswegen genügten dem Paarforscher nach jahrelangen Studien bereits drei Minuten Beobachtung eines Streits bei einem Paar, um voraussagen zu können, ob dieses Paar in drei bis fünf Jahren noch zusammen ist oder sich hat scheiden lassen. Seine Trefferquote lag bei 90 Prozent.
Was muss man also tun, um seine Partnerschaft in den Sand zu setzen?
Das ist gar nicht so schwierig. Es gibt drei wichtige Regeln:
- Beginnen Sie ein Gespräch mit einem groben Auftakt.
Am besten eine kräftige Schuldzuweisung oder eine Unterstellung. - Lassen Sie den Standpunkt Ihres Partners nicht gelten.
Reagieren Sie stattdessen mit Rechtfertigungen, Ignorieren, Gegenkritik oder Verachtung. - Spielen Sie Psychologe und diagnostizieren Sie Ihren Partner.
Nach Studien von Frank Fincham und Mitarbeitern gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Gelingen einer Partnerschaft und der Art wie Mann und Frau die Verhaltensweisen des anderen für sich erklären:
- In glücklichen Ehen schreiben werden angenehme Verhaltensweisen des Partners dessen Persönlichkeit zugeschrieben, während negative Verhaltensweisen des Partners eher situativ, also auf externe Umständen zurückgeführt werden.
- In unglücklichen Ehen ist es genau umgekehrt.
Also angenommen, Ihr Partner hat vergessen, einen Kasten Sprudel aus dem Supermarkt mitzubringen. Wenn Sie bald wieder Single sein wollen, dann erkundigen Sie sich: „Hast Du eigentlich nur Stroh im Kopf?“ Oder liefern Sie ihm eine kostenlose Persönlichkeitsdiagnose: „Dein Problem ist, dass Du Dich immer verzettelst und Dich nicht auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren kannst. Werd‘ doch mal erwachsen!“
Und angenommen, Ihr Partner bringt überraschend Kinokarten für den Film mit, über den Sie sich gestern begeistert geäußert haben. In einer guten Partnerschaft freuen Sie sich darüber und denken: „Was habe ich doch für einen aufmerksamen Partner.“ In einer unglücklichen Partnerschaft werden Sie misstrauisch: „Was ist los? Wollte jemand im Büro die Karten loswerden?“
Konflikte sind nicht so schlimm. Wenn Sie sie früh wieder reparieren.
Lange Zeit dachte man in der Paarforschung, dass negatives Konfliktverhalten eine der Hauptursachen für scheiternde Paarbeziehungen sei. Tausende von Büchern und Seminaren versuchten, Menschen das „richtige“ Streiten beizubringen.
Doch seit der Metastudie von Karney und Bradbury wusste man: ob sich Paare streiten und auf welche Weise hat überraschend wenig damit zu tun, wie zufrieden diese mit ihrer Beziehung sind. Es kommt vielmehr darauf an, was beide tun, damit der Streit eskaliert oder zwischendurch das Konfliktklima wieder abkühlt.
John Gottman fand in seinen Studien ein günstiges Verhältnis von 5 : 1 heraus.
Das heißt, um eine kritische oder verletzende Bemerkung oder entsprechendes Verhalten wieder auszugleichen, braucht es nicht nur eine positive Handlung – sondern fünf. Interessanterweise gilt das vor allem für Frauen. Männer sind auch mit einem Verhältnis von 1 : 1 zufrieden.
Wie macht man Rettungsversuche?
Aus meiner eigenen Eheerfahrung und was ich von Paaren gelernt habe, sind es vor allem diese:
Eine kurze Auszeit beantragen.
Dies ist vor allem für Männer wichtig, denn sie werden oft schneller von Gefühlen überschwemmt. Sie greifen dann an, werden tätlich oder laut oder ziehen sich vollkommen zurück, mauern sich ein oder machen wortlos den Fernseher an.
Besser ist es, sich eine kurze Auszeit zu nehmen. Auf’s Klo gehen, Gesicht waschen, durchatmen – Ihre Gefühle sortieren.Das empfiehlt sich oft für beide.
Generell kann man sagen, dass Beziehungsgespräche, die nach 22 Uhr beginnen, garantiert schief gehen. Ein ungünstiger Zeitpunkt ist aber auch, wenn beide kaputt von der Arbeit nach Hause und in die unaufgeräumte Küche kommen. Jetzt über die Verteilungsgerechtigkeit bezüglich der Hausarbeit zu diskutieren, ist wenig erfolgversprechend.
Besser: „Lass uns schnell zusammen aufräumen und nach dem Essen nehmen wir uns Zeit und reden mal über das Hausarbeitsthema, einverstanden?
Wichtig: das Verschieben darf nicht zu lange dauern. Am besten eine Zeit dafür vereinbaren und sich daran halten.
Die Verschiedenheit benennen.
Ein Paar mag sich in vielen Bereichen ergänzen oder gleiche Ansichten haben, es gibt immer ein paar Themen, in denen beide einen unterschiedlichen Standpunkt vertreten. Manchmal geht es darum, wie beide den Film im Fernsehen fanden. Auf welche Schule die jüngste Tochter gehen soll. Wie man das gemeinsame Wochenende verbringen möchte.
Unterschiedliche Wünsche, Bedürfnisse oder Einschätzungen an sich sind noch nicht problematisch. Sie führen aber schnell zum Streit, wenn einer beginnt, das was vom anderen kommt, zu ignorieren oder abzuwerten.
Meist lassen sich für beide unterschiedlichen Meinungen oder Gefühle gute Gründe finden. Für manche Menschen ist das schwer auszuhalten. Sie fühlen sich nur dadurch, dass der andere nicht der gleichen Meinung ist, kritisiert oder abgewertet. Eskalieren wird eine solche Situation meist dann, wenn einer anfängt, den anderen nicht nur zu überzeugen, sondern zu attackieren.
Für eine Weile kann das eine notwendige Auseinandersetzung sein. Wenn man aber merkt, dass man sich in der Sache nicht annähert und als Paar immer feindseliger wird, hilft es, die Verschiedenheit anzuerkennen.
„Da sind wir offensichtlich anderer Meinung“ oder „Da finden wir jetzt keinen gemeinsamen Nenner“ sind mögliche Formulierungen. So ein einfacher Satz setzt keinen ins Unrecht, beide können erst mal bei ihren unterschiedlichen Positionen bleiben und es wird anerkannt, dass es jetzt keinen Konsens gibt, sondern Verschiedenheit.
Dieser Schritt ist wichtig, weil er deutlich macht, dass gerade etwas nicht zusammenpasst. Meinungen, Gefühle oder Wünsche jetzt nicht kompatibel sind. Inkompatibilität ist aber nicht die „Schuld“ eines Partners, auch nicht von beiden. Es betont nur die Unterschiedlichkeit.
Zurücktreten, sich entschuldigen und Mitgefühl äußern.
Obige Szene kann natürlich auch die Partnerin auflösen. Wenn ihr auf der Fahrt zur Arbeit auffällt, dass ihr Ton etwas heftig war, ist es ein guter Rettungsversuch, den Partner anzurufen und ihm das mitzuteilen: „Übrigens, ich hab dich vorher so angefahren, das tut mir leid. Ich war einfach in Eile, war nicht so gemeint.“
Mit „Zurücktreten“ ist gemeint, wenn Sie in einer Auseinandersetzung merken, dass Ihr Partner speziell auf einem Punkt herumreitet, dies als Alarmzeichen für Ihr Gespräch zu werten. Und nicht als Zeichen für die Empfindlichkeit Ihres Partners. Auch wenn da vielleicht da was dran ist, dies ist nicht der Moment, ihrem Partner seine Empfindlichkeit unter die Nase zu reiben.
Besser: „Du sagst jetzt schon dreimal, dass es dich stört, wenn ich x mache. Das scheint Dir wichtig zu sein. Ich würde gern verstehen, was Dich daran stört.“
Sich im Vorhinein für etwas zu entschuldigen anstatt es zu verschweigen und zu hoffen, dass es der andere nicht anspricht, ist auch oft ein Rettungsversuch, der nicht so viel kostet. „Ich weiß, ich bin zu spät. Hast Du arg gewartet? Tut mir leid.“
Mitgefühl äußern ist ein starker Rettungsversuch. „Es tut mir leid, dass Du durch meinen gebrochenen Arm jetzt so viel Extraarbeit hast. Das ist bestimmt nicht leicht für Dich.“ Mitgefühl äußern kann man auch dann, wenn man nichts dafür kann, was den anderen belastet.
Körperliche Berührung
Wenn man mit Worten den anderen nicht mehr erreicht, ist manchmal eine Berührung ein erster guter Schritt. Natürlich nicht, wenn der Partner schon auf hundertachtzig ist.
Sondern lange davor, wenn Sie merken, dass sich der Streit aufschaukelt. Dann ist manchmal eine sanfte Berührung am Arm eine andere Art zu sagen: „Ich hab’s nicht so gemeint. … Lass uns in Ruhe darüberreden … Ich habe Dich trotzdem gern …“
Noch mal von vorn anfangen
Er kommt nach Hause und freut sich auf einen geruhsamen Feierabend. Sie erwartet ihn sehnlichst, weil sie mit zwei Kindern am Ende ihrer Kräfte ist. Ihr erster Satz „Kannst Du gleich mal die Wäsche aufhängen und das Abendessen vorbereiten?“ beantwortet er mit einem demonstrativen „Guten Abend wünsch ich Dir!“
Ein Wort gibt das andere – bis beide merken, dass die jeweiligen Erwartungen an den anderen gerade gar nicht zusammen passten. Statt eines längeren Beziehungsgesprächs kann er jetzt auch sagen: „Wir machen das jetzt wie im Film. Die letzte Szene schneiden wir raus. Ich komme jetzt noch mal rein und dann sagt jeder was anderes.“ Und dann kommt er noch einmal zur Haustür rein und sagt: „Kann ich Dir irgendwie helfen, Schatz?“
Überhaupt ist Humor einer der besten Rettungsversuche.
Zuhören, von sich sprechen – und zu verstehen suchen.
Viele Konflikte eskalieren, weil beide mehr vom selben tun. Entweder beide reden aufeinander ein. Oder einer redet und der andere zieht sich immer mehr zurück. Oder beide sitzen dumpf brütend einander gegenüber.
Wenn einer das Gegenteil probiert, unterbricht das schon mal das Muster. Angenommen beide sind im Muster „Rede-Gegenrede“ drin, hilft es, wenn einer sich entschließt, mal eine Weile den Mund zu halten, dem Partner zuzuhören, um besser zu verstehen. Oder eine Frage zu stellen und damit dem anderen signalisieren, dass man etwas noch nicht genug verstanden hat.
Verantwortung für eigene Kränkungen übernehmen.
Ein Paar im Morgenstress. Frühstück zubereiten, Kinder fertig machen etc. Er stolpert über die Schultasche des Jungen. Sie erschrickt und fährt ihn an: „Guck doch, wo Du hintrittst!“ Dann müssen alle aus dem Haus.
Noch auf der Fahrt ins Büro ärgert ihn ihre Bemerkung. Nimmt er die Bemerkung persönlicher als sie vermutlich gemeint war, kann er den ganzen Tag darauf sitzen und abends den Coolen spielen, weil er meint, dass Sie ihn schließlich angefahren hat.
Besser ist es, die Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen und vielleicht in einer Pause anrufen und kurz über seinen Ärger berichten. Wichtig sind solche Mini-Reparaturversuche, wenn die emotionale Ladung bei einem selbst noch nicht zu groß ist. Dann kann man einigermaßen ruhig sagen: „Übrigens, Deine Bemerkung heute morgen hat mich geärgert.“ Wenn man schon den ganzen Tag den Ärger gehegt hat, kommt er vermutlich irgendwann später geballt raus.
Darauf zu warten, dass der andere die Situation gefälligst ansprechen und klären solle, mag Ihrem Gerechtigkeitsempfinden entsprechen, ist aber für ein Zusammenleben oft nicht zuträglich. Denn der Partner hat vielleicht die Situation längst vergessen, weil er ihr nicht soviel Bedeutung zugemessen hat wie Sie.
Für Rettungsversuche muss man die Macht teilen.
Über die meisten Themen in einer Beziehung kann man völlig verschiedener Ansicht sein. Und für jeden Standpunkt gibt es gute Argumente. Anders gesagt: keiner ist „richtig“, keiner ist „falsch“. Sondern eben subjektiv und fast nie objektiv.
Für manche Menschen, die Andersartigkeit nicht als Bereicherung, sondern schnell als Bedrohung erleben, ist das schwer zu verkraften. Sie müssen dann um ihre Meinung kämpfen. Das kann im Einzelfall richtig und notwendig sein. Aber in vielen Partnerschaftskonflikten geht es gar nicht um die Sache.
In einem Interview erzählt Gottman ein Beispiel:
„Die meisten Konflikte drehen sich darum, wie Partner in einer Beziehung streiten. In einem Fall ging es um eine Fernbedienung. Das Paar saß vor dem Fernseher. „Okay, mal sehen, was läuft“, sagte der Mann und begann, durch die Kanäle zu zappen.
An einer Stelle sagte die Frau: „Warte, lass das mal laufen. Das sieht interessant aus.“ Er antwortete: „Okay, aber lass mich zuerst schauen, was sonst noch läuft.“ Sie hat so lange Nein gesagt, bis er ihr schließlich die Fernbedienung mit den Worten in die Hand drückte: „Von mir aus. Bitte schön!“
Sie wurde wütend und sagte: „Wie du wieder ‚von mir aus‘ gesagt hast, das hat mich verletzt.“ Er schimpfte zurück: „Du musst doch auch immer deinen Kopf durchsetzen.“ Es mag banal klingen, aber das sind die Dinge, über die sich die Leute streiten. Leider werden die meisten dieser Probleme nie gelöst.
Jeder muss in einer Partnerschaft immer mal wieder die Frage klären, die ich bisweilen auch Paaren stelle:
„Was ist Ihnen wichtiger? Dass Sie immer recht behalten oder dass Sie zusammenleben?“
Wer immer Recht behalten muss, stellt damit seine Ansichten über den anderen – und über die Beziehung. Mit so jemand kann man auch in der Firma schlecht zusammenarbeiten. Man kann sich demjenigen unterordnen – und sich seinen Teil denken.
Im Beruf geht das, weil da hierarchische Beziehungen die Regel sind. In der Partnerschaft funktioniert es nicht. Da ist keiner ist dem anderen übergeordnet. Beide sind gleichberechtigt. Übersieht man das oder lässt es zu, rächt es sich früher oder später.
Gottman hat dazu in seinen Studien festgestellt: Wenn ein Mann nicht bereit ist, die Macht mit seiner Frau zu teilen, wird die Ehe mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht halten.
Oder positiv ausgedrückt: Je mehr ein Mann zulassen kann, dass seine Frau öfters Recht hat bzw. er sich von ihr kritisieren lassen kann, umso günstiger ist die Beziehungsprognose.
Für einen Rettungsversuch braucht es zwei.
Das heißt, einer muss damit anfangen – aber es kommt darauf an, ob der andere den Rettungsversuch auch als solchen wahrnimmt und daruf reagiert. Wenn der Streit schon heftig ist, kann es passieren, dass ein Rettungsversuch nicht als solcher erkannt wird. Das kann man sagen: „Ich habe gerade einen Rettungsversuch gemacht, indem ich x … gesagt habe – aber Du hast gar nicht darauf reagiert.“
Wenn beide auf Rettungsversuche kaum reagieren, kann das ein Zeichen sein, dass das jeweilige Reservoir an Verletzungen bereits größer ist als der Wille zur Versöhnung. Das ist ein ernstes Alarmsignal für die Beziehung – und sollte besprochen werden. Entweder in einem Zwiegespräch, vielleicht auch im Rahmen einer Paartherapie.
Eine lange Beziehung wünschen sich die meisten Menschen. Angesichts steigender Scheidungszahlen ist das Ziel des gemeinsamen Altwerdens jedoch keine leichte Sache.
Was kann Paaren noch helfen?
Für Partner oder Paare in Schwierigkeiten habe ich ein Webinar gemacht. Das ist ein kostenloses Online-Seminar, zu dem Sie sich anmelden können und wesentliche Impulse für Ihr Paarleben bekommen werden.
Hier können Sie sich einfach anmelden.
Welche Tipps haben Sie für eine lange Beziehung?
PS: Wenn Ihnen dieser Beitrag gefiel, dann sagen Sie es doch bitte weiter: auf Facebook, Twitter oder per Email.
… oder schreiben Sie einen Kommentar.
… oder abonnieren Sie neue Beiträge per Email oder RSS.
Diesen Beitrag können Sie sich hier anhören oder herunterladen.
Foto: © Liv Friis-larsen – Fotolia.com