„Sitz nicht dauernd rum, tu was“, schalt einst die Mutter.
„Tu nicht dauernd was, setz dich hin, mahnt später der Zen-Meister.
„Meditation macht gesund und glücklich!“ Auf diese Kurzformel gebracht, beginnt ein Artikel in einer Frauenzeitschrift. Und in der Tat sind die positiven Wirkungen des Meditierens zahlreich:
- Es vertieft Ihre Selbstheilungskräfte
- Es entspannt und stärkt Körper und Geist
- Es lässt Ihr Gehirn wachsen
- Sie können darin zur Ruhe kommen und finden Lösungen für Ihre Probleme
- Sie können Kontakt finden zu einer inneren Lebensquelle
- Sie können sich neue Erfahrungsräume jenseits des Verstands erschließen
- Sie erleben, was es heißt, im Moment zu leben
Meditation hat mich schon in jungen Jahren interessiert.
Im Alter von 25 Jahren belegte ich einen Kurs in Transzendentaler Meditation, bekam für siebzig DM mein persönliches Mantra und meditierte fleißig jeden Tag.
Noch während des Psychologiestudiums war ich Sannyasin bei Bhagwan, heute Osho, und probierte ganz andere Meditationen aus wie Dynamische, Kundalini, Nataraj usw. und war von den Wirkungen sehr beeindruckt.
Natürlich trug ich auch nur rote Kleidung und verpatzte mir dadurch einige bessere Noten bei der Diplomprüfung. So schrieb ich die erste Diplomarbeit über NLP mit dem Titel „Reframing bei Sprechängsten“, Therapeut war Gunther Schmidt. Das war damals natürlich ein völlig exotisches Thema, der Prüfer wusste gar nicht so recht, was er mich dazu fragen sollte. Die Note war entsprechend und meine wissenschaftliche Karriere schon zu Beginn zu Ende. Aber wenn ich mal von etwas überzeugt bin, kann ich ziemlich kompromisslos sein. Und was zählt eine Vier für die Diplomarbeit, wenn man
gerade auf dem Weg zur Erleuchtung ist.
Durch Zufall – oder die Wirkungen früherer Leben – bekam ich Kontakt zum Tibetischen Buddhismus und praktizierte diesen mehrere Jahre. In etlichen Retreats meditierte ich über viele Stunden, oft tagelang. Die Erfahrungen waren ähnlich wie die, die ich zuvor in einem Enlightment Intensive gemacht hatte.
Hier beschäftigt man sich mehrere Tage immer nur mit einer von drei Fragen:
- Was bin ich?
- Was ist das Leben?
- Was ist ein Anderer?
Nun finden Sie darauf mal eine Antwort. Vor allem, wenn Sie sich eine Stunde damit beschäftigt haben, dann Ihre Antwort präsentieren und die Reaktion des Lehrers darin besteht, die Frage zu wiederholen. Und das drei Tage lang – oder sieben. Das Ganze kann man nicht beschreiben, aber wenn man nicht entnervt aufgibt und durchhält, ist es eine tiefe Seinserfahrung oder anders ausgedrückt: „Niemand, der direkt erfahren hat, wer er wirklich ist, war bisher enttäuscht.“
Es gibt zahllose Formen von Meditation
und viele Anleitungen, entweder in der Volkshochschule, in Büchern oder im Internet. In einem Meditationszentrum sich von einem Lehrer unterweisen zu lassen, hat den Vorteil, dass man auftauchende Fragen mit einem Erfahrenen besprechen kann.
Am meisten bekannt ist die Meditationsform, wo man sitzt, die Augen ganz oder halb geschlossen hat, und seinen Atem zählt. Man kann sich dabei aber auch auf einen Gegenstand vor sich (Kerze, Blume usw.) konzentrieren.
Für Menschen, die gern verstandesmäßig an neue Dinge herangehen, ist das Meditieren über ein Koan vielleicht der richtige Weg. Ein Koan ist eine Art Zen-Rätsel, das man nicht einfach lösen kann, weil dazu die Grenzen des logischen Denkens durchbrochen werden müssen. Wenn Sie das mal ausprobieren möchten, können Sie sich hier ein spezielles Koan für Ihre gegenwärtige Situation geben lassen und darüber meditieren (auf Zen-Koan klicken).
Wie Meditation und innere Achtsamkeit zusammenhängen
Im Rahmen meiner psychotherapeutischen Ausbildungen lernte ich bei Ron Kurtz die „Innere Achtsamkeit“ kennen, die den größten Einfluss auf mein Leben bis heute hatte. Bei Wikipedia ist sie gut beschrieben:
Mit Achtsamkeit im Sinne von Mindfulness ist diejenige geistige Einstellung gemeint, in der man sich um ein breites und gleichmütig-akzeptierendes Achtgeben auf alle Phänomene bemüht, die „im Geist“, also „in“ der Wahrnehmung oder Vorstellung („im Bewusstsein“) auftauchen: Gedanken aller Art wie Erinnerungen oder sonstige Vorstellungen, Sinneswahrnehmungen aus der Umgebung sowie aus dem eigenen Körperinneren einschließlich aller emotionalen Vorgänge.
Einübung und Entwicklung einer derart breiten Achtsamkeit ermöglicht ein offenes und umfassendes Gewahrwerden – und mit der Zeit schließlich auch beständiges Gewahrbleiben – aller geistigen Vorgänge einschließlich eines unablässigen Gewahrseins seiner Wahrnehmungen vom eigenen Handeln und Verhalten in der jeweiligen Umwelt.
In dieser Auffassung kann Achtsamkeit klar von Konzentration unterschieden werden. Diese besteht ähnlich der Trance in einer mehr oder weniger engen Fokussierung von Aufmerksamkeit und damit ihrer Begrenzung, Beschränkung oder Zuspitzung auf einen meist selbst „bestimmten“ Bereich des Erlebens.
Die Entwicklung von Achtsamkeit hat eine dazu gegenläufige Ausrichtung: die unter den Bedingungen des gewöhnlichen Lebens bedarfsmäßig entwickelte und üblicherweise oder gewöhnlich eingenommene Aufmerksamkeitsspanne soll überwunden werden, indem der Aufmerksamkeitsfokus nach und nach auszudehnen und zu erweitern versucht wird. Mittels dieser „Aufmerksamkeitsweitung“ soll eine „Bewusstseinserweiterung“ im besten Sinn des Wortes erreicht werden und zu einer „weitwinkelartig“ offenen und wachen Präsenz voller Aufmerksamkeit oder eben Achtsamkeit führen.
Mit seiner Methode der freien Assoziation hatte Sigmund Freud den Nutzen dieser gleichschwebenden Aufmerksamkeit des Analytikers auch entdeckt. Er nannte sie die kritiklose Selbstbeobachtung.
Als ich in den 70er Jahren die innere Achtsamkeit lernte und danach über zwanzig Jahre im HAKOMI-Institut in Workshops und Ausbildungen lehrte, war das damals im Feld der Psychotherapie völlig neu. Ich muss deshalb immer etwas schmunzeln, wenn in den letzten paar Jahren auf Kongressen und in Ausbildungen die Achtsamkeit als „state-of-the art“ verkauft wird.
Auch in meinen Persönlichkeitsseminaren arbeite ich viel mit der „inneren Achtsamkeit“, weil es die einfachste und die direkteste Möglichkeit ist, den inneren Autopiloten mal abzuschalten und einen anderen Kontakt zu sich zu finden.
Hier zwei Anleitungen von mir, einmal fünf, einmal zwanzig Minuten lang
Wer eine andere strukturierte Anleitung möchte, dem empfehle ich die Website von Detlef Bartel. Sein Buch und vor allem seine geführte Meditation ist ein erstaunlich tiefführender Weg, um zum Beispiel zu erleben, was der Unterschied ist zwischen dem eigenen „Ich“ und dem „Selbst“.
Und was nutzt einem Meditation und Achtsamkeit?
Meine Erfahrung kann ich so zusammenfassen:
Die Quelle unserer Unzufriedenheit, vieler Probleme und Krankheiten ist der ununterbrochene ruhelose Strom unserer Gedanken. Diese Gedanken lenken einen von der Wirklichkeit, der Gegenwart ab. Sie verschleiern unser Wesen wie Wolken den blauen Himmel.
Gedanken sind nie aus der Gegenwart, sie sind immer aus der Vergangenheit oder gehen in die Zukunft.
Aus der Sicht des Verstandes ist unser Leben ein lineares, beschränktes Ereignis, das durch den Lauf der Zeit bestimmt und begrenzt wird. Diese Perspektive erschafft auch die Angst vor dem Tod. Wenn man mittels Meditation in den Bereich jenseits des Verstandes gelangt, erlebt man etwas, was die die Zeit sofort transzendiert.
Denn die Gegenwart – dieser Moment jetzt – ist zeitlos.
Insofern ist Meditation keine Technik und braucht auch keine.
Meditation ist in erster Linie ein tieferes Verstehen.
Meditieren Sie? Wenn ja, warum und wie?
Wenn nein, warum nicht?
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