Gibt es eine Gebrauchsanweisung für ein sinnvolles Leben?

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Glück / Persönlichkeit

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„Alle Menschen wollen glücklich sein“, erkannte schon Aristoteles. In der amerikanischen Verfassung ist das Streben nach Glück sogar als eines der Grundrechte aufgenommen worden.

[tweetable]Aber ist ein glückliches Leben automatisch auch ein sinnvolles Leben?[/tweetable]

Tatjana Schnell, eine Professorin aus Österreich, die seit zehn Jahren sich mit Sinnforschung beschäftigt, verneint das. Mit ihr gibt es ein gutes Interview in der aktuellen PSYCHOLOGIE HEUTE.

Unter Glück versteht man, möglichst viele angenehme und positive Erfahrungen zu erleben und negative, belastende Gefühle zu vermeiden. Ist einem der Sinn wichtiger, geht es nicht darum, das Angenehme zu tun, sondern das Richtige.

Wer sich je um einen kranken oder pflegebedürftigen Angehörigen gekümmert hat – ich tue das gerade mit meiner 93jährigen Mutter – kennt den Unterschied. Die Erlebnisse sind mitunter nicht angenehm, sondern belastend und auch sehr anstrengend. Und dennoch kann sich ein Gefühl von Sinnhaftigkeit einstellen, das mit anderen Tätigkeiten kaum vergleichbar ist. Die Forscherin stellt dazu fest: „Wer ein sinnerfülltes Leben führt, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine Art Lebensglück zu erreichen.“

 

Was macht ein Tun sinnvoll?

Die österreichische Forscherin hat in ihren empirischen Studien vier Bedingungen herausgefunden:

1. Zusammenhang Haramis Kalfar_xs - Fotolia
Das eigene Handeln sollte zu Zielen führen, die man für richtig hält, die also zu den eigenen Werten und Bedürfnissen passen. Um sich treu zu bleiben, muss man sich bisweilen abgrenzen, Konflikte wagen, nein sagen und Position beziehen.

Das gilt nicht nur für das Innere, sondern auch für den äußeren Zusammenhang. Der ist nicht immer leicht herzustellen, denn in den meisten Berufen muss man sich an ein berufliches Umfeld anpassen, den offiziellen und inoffiziellen Regeln am Arbeitsplatz zu entsprechen.

2. Bedeutung
Wer seine Arbeit als austauschbar und sich selbst nur als winziges Rädchen in einem großen Getriebe erlebt, wird schwerlich Sinn empfinden. Auch die immer mehr digitalisierte Welt, in der am Ende des Arbeitstags nur ein virtuelles Ergebnis auf dem Monitor steht, fördert nicht das Sinnempfinden.

Manch einer, der den größten Teil der Arbeitszeit in Meetings oder vor dem PC sitzt, wünscht sich in Träumen, Motorräder zu reparieren, als Schreiner zu arbeiten oder Pferde zu pflegen – allein aus dem Grund, weil das eigene Tun sichtbare Ergebnisse zeigt.

3. Orientierung
[tweetable]Wer am Bahnhof steht, muss wissen, wo er hin will. Und auch im Leben mit seinen vielen Möglichkeiten ist es hilfreich, zu wissen, wohin man will – und wohin nicht.[/tweetable] Das Leben ist wie ein Schiff auf hoher See – und es ist gut einen Kompass dabei zu haben, um dahin zu gelangen, wo man hin will.

4. Zugehörigkeit
Menschen sind soziale Wesen, die nicht allein überleben können. Sinn entsteht für die meisten Menschen, wenn sie sich als Teil eines größeren Ganzen begreifen und erleben. Das kann die Familie, der Freundeskreis, ein Sportverein, eine spirituelle Gemeinschaft sein.

 

[tweetable]Der Sinn im Leben wächst durch 26 Bedeutungen.[/tweetable]

Tatjana Schnell stellt ein beeindruckendes Inventar von fünf Sinndimensionen mit insgesamt 26 Lebensbedeutungen vor.

 

Besonders wichtig ist dabei die Dimension der horizontalen Selbsttranszendenz. Die Professorin belegt durch ihre Untersuchungen:

Man wird sein Leben umso sinnstiftender erfahren, je stärker man es in einen das Ich überschreitenden, übergeordneten Zusammenhang einbetten kann und Verantwortung übernimmt.
Am sinnproduktivsten ist dabei die Generativität, die wichtigste Sinnquelle überhaupt: etwas von bleibendem Wert tun oder schaffen, seine Erfahrungen, sein Wissen und Können weitergeben, sich den kommenden Generationen und der Menschheit im Allgemeinen verpflichtet fühlen – und entsprechend handeln.

 

Braucht jeder Mensch Sinn?

Für erstaunlich viele Menschen sind die Fragen oder Themen dieses Beitrags irrelevant. Sie sehen keinen besonderen Sinn in ihrem Leben, suchen ihn aber auch nicht bzw. leiden nicht unter dieser „Sinnlosigkeit“.

Dabei spielt der Familienstand eine entscheidende Rolle.

  • Verheiratete (und auch Menschen die einmal verheiratet waren) erleben ihr Leben öfter als sinnerfüllt, als es existentiell indifferent Personen tun. Die Bereitschaft, offiziell eine feste Bindung einzugehen, kann also Sinnerfülltheit fördern – oder Sinnerfüllte sind eher zur Heirat bereit.
  • Singles hingegen (und Verheiratete, die getrennt leben) erleben häufiger eine Sinnkrise. Das Single-Dasein scheint somit einen Risikofaktor für Sinnkrisen darzustellen.

Sinn Frau Schnell definiert vier Sinnzustände, in denen man sich befinden kann.

  1. Sinnerfüllt: sinnerfüllt ohne Sinnkrise
  2. In einer Sinnkrise: nicht sinnerfüllt und in einer Sinnkrise
  3. Existentielle Indifferenz: nicht sinnerfüllt aber auch nicht in einer Sinnkrise
  4. Widersprüchlich: sinnerfüllt aber auch in einer Sinnkrise

 

Mein Fazit:

Ich kenne die vier verschiedenen Sinnzustände auch aus meinem Leben. In meinen früheren Berufen als Bankkaufmann, EDV-Operator und Versicherungsvertreter war ich oft im 2. Zustand. Als Werbetexter war ich überwiegend im Zustand 3. Kurz vor dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg wusste ich nicht, ob ich Psychologie oder Kunst studieren sollte – 4. Zustand. Als ich als Methoden-Trainer erlebte, wie wenig von den Seminarinhalten von den Teilnehmern umgesetzt wurde, war ich längere Zeit im 2. Zustand.

Seit vielen Jahren, in denen ich in Seminaren und beim Schreiben immer mehr meinen Stil gefunden habe, finde ich mich oft im ersten Zustand. Die Arbeit ist manchmal anstrengend – aber sehr befriedigend.

Ich kann in diesem Beitrag nur einen kleinen Einblick in die Pionierarbeit von Tatjana Schnell geben. Damit will ich Sie neugierig machen, Sinnfragen in Bezug auf ihr eigenes Leben zu stellen. Sehr viele weiterführende Informationen finden Sie auf ihrer Website: www.sinnforschung.org

podcast_symbol4_kebox - Fotolia Diesen Beitrag können Sie sich hier als Podcast anhören oder herunterladen.

kommentar Wo erleben oder vermissen Sie Sinn?

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Bilder: © Haramis Kalfar, XtravaganT – Fotolia.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

7 Kommentare

  1. In der Schule habe ich mich auch gelangweilt und wusste oft nicht, wofür das alles gut sein soll.
    Einen sinnvollen Beruf kann auch ganz schön lange dauern, wie man an meiner Biografie sehen kann. Manchmal muss man einiges ausprobieren, um zu sehen, ob es für einen taugt.
    Also Geduld!

  2. Lalaland sagt

    Ich habe noch nie so etwas gemacht- einen Kommentar geschrieben. Aber ich musste das hier einfach loswerden, in der Hoffnung jemand würde mich verstehen. Naja, ehrlich gesagt habe ich mich einfach an meinen Laptop gesetzt, den Begriff „sinnvoll“ gegoogelt und bin dann auf diesen Blog gestoßen.
    Ich habe das Gefühl, mein Leben sei zurzeit nicht sinnvoll genug. Ich besuche noch die Schule, und ich habe ganz sicher genug Sachen zu tun (lernen, Hausübungen, VWA…) aber ich weiß nicht mehr recht wozu das alles eigentlich führen wird. Ich möchte später studieren, nur weiß ich überhaupt noch nicht was. Außerdem, möchte ich einen wirklich schönen Beruf ausüben. Ich möchte aber nicht nur, dass er mir selbst gefällt, ich will das er sinnvoll ist. Ich würde am liebsten sofort damit anfangen, denn dass, was ich zurzeit mache, empfinde ich oft als große Zeitverschwendung. Ich habe nur Angst, ich könnte meine Ziel, meine Erwartungen an mich selbst, nie erreichen. Ich habe Angst, ich würde ein Versagen nicht verkraften.
    In dem Blog ist außerdem von einem Kompass die Rede, und davon, dass dieser einem den Weg, den man zu gehen wünscht weist. Ich denke mein Kompass muss mir irgendwo abhanden gekommen sein (wahrscheinlich hatte ich nie einen) und auch wenn ich im Besitz dieses Kompasses wäre, wüsste ich nicht, wohin. Er zeigt zwar nach Norden, aber will ich dort wirklich hin? Es gibt ja immerhin noch drei andere Himmelsrichtungen.
    Ich weiß, das klingt alles ziemlich übertrieben und passt wahrscheinlich gar nicht so recht zu dem Blog, aber ich bin ehrlich und meine alles absolut ernst. Vielleicht hat es sogar wen interessiert (auch wenn ich meine Situation vielleicht ein bisschen zu ausführlich beschrieben habe) und wenn ich dann einmal wirklich mein noch unbekanntes Ziel, mein sinnvolles Leben, erreicht haben sollte, melde ich mich wieder und gebe gerne ein paar Tipps:)

  3. cesar robledo sagt

    Dieser Text über den Unterschied zwischen ein glückliches und ein sinnvolles Leben finde ich sehr interessant. Das ist ja ein Thema, mit dem sich schon viele Philoshoper befasst haben, aber dass heute vielen als altmodisch finden.
    Als Psychologe frage ich mich danach, wie man ein Therapie dem Patienten helfen kann, ein Sinn für sein Leben zu finden und nicht nur ihre geistliche Störungen leichter zu ertragen oder zu lösen.
    Dir alles gute und Grüsse aus Spanien,
    César

  4. Schöne Ergänzung, liebe Frau Ast! Danke.
    Ich glaube auch, dass es nicht nur DEN Sinn des Lebens gibt aber für verschiedene Bereiche unterschiedliche Sinnerlebnisse. Nur: die zu finden und als solche wahrzunehmen udn sich davon „beglücken“ zu lassen ist vermutlich doch iweder eine Suche.

  5. Mir hat der Ansatz im Buch des Philosophen Wilhelm Schmid „Dem Leben Sinn geben“ gefallen. Er stellt DIE Sinnhaftigkeit in Frage, nach der ja meiner Erfahrung nach so viele suchen. Er fragt, ob es nicht eine Vielzahl Sinne geben sollte?
    Am Ende des Buches habe ich mich jedenfalls für alle Zeit und Ewigkeit von DER Sinnsuche verabschiedet und habe es so zusammenfasst:
    Ich binde mir jetzt einen Sinnstrauß – aus vielen Dingen/Menschen, mit denen ich in Beziehung stehe. Rückmeldung Schmid: Dann hätte ich den Sinn des Sinnbuches verstanden!
    Im Buch sind ganz viele konkrete Vorschläge zu finden, wo und wie mensch Sinn-volles finden kann, u.a. über die Sinne. Einfach, aber oft vergessen.

    Empfehlen kann ich auch von W. Schmid: „Glück – Alles, was Sie darüber wissen müssen und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist“, wo er ebenfalls für SINN statt Glück plädiert.

    Herzliche Grüße aus dem Norden.
    Maria Ast (Ex-jahrzehntelange GROSS Sinnsucherin)

  6. Janine de Penguern sagt

    Hallo Marginata,
    Eine Seminarteilnahme kann ich Dir nur empfehlen. Mir ging bzw. geht es ähnlich wie Dir, was grundsätzliche Lebensfragen anbelangt.
    Auch ich schätze die verschiedenen Beiträge von Roland Kopp-Wichmann sehr und Sie bringen mich immer wieder dazu, ehrlich mit mir selbst zu sein (nicht immer einfach). Deshalb habe ich mich vor Kurzem bei einem seiner Seminare ‚Emotionale Intelligenz‘ angemeldet. Ich dachte, es ginge mehr um berufliche Fragen. Aber es geht hauptsächlich um einen selbst, mit sehr viel Tiefgang, wenn man das will und wenn man mitmacht. Es ist dann wirklich sehr intensiv und aufwühlend, aber für mich war und ist es noch immer eine große Hilfe. Wenn Du wirklich etwas ändern möchtest, kommt der Hauptteil an Aufgaben allerdings zu Hause. Das ist richtig harte innere Arbeit und nicht einfach, aber aus meiner kurzen Erfahrung kann ich wirklich nur sagen: es lohnt sich!
    Dir alles Gute,

  7. Marginata sagt

    Lieber Herr Kopp-Wichmann,

    zur Zeit bin ich gerade in der Übergangszeit von Verheiratet zu Single und in einer Sinnkrise. In der Ehe schien der Sinn klar, jetzt auf einmal muss ich sowohl über meine privaten, aber auch über berufliche Ziele zweifeln. Ich habe das Gefühl, dass es an Ordnung und Klarheit in meinem Leben fehlt.

    Seit bereits ca. 2 Jahren lese ich Ihr Blog und höre Ihr Podcast und das mit großer Begeisterung. Ich habe den Eindruck Sie wären jemand, der mir meinen „blinden Fleck“ aufzeigen könnte. Nur: hätten Sie ein geeignetes Seminar für mich? Alle beschriebenen scheinen in der ersten Linie mit dem Beruflichen zu tun. Mir scheint, ich könnte die beruflichen Herausforderungen bewältigen können, wenn ich nicht so viel über mein privates Leben grübeln müsste.
    Vielen Dank!

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