Das führende Weiterbildungsmagazin „managerSeminare“ schreibt in der Titelstory des Märzhefts 2009 „Lerntrend Kürze: Die Weiterbildungsminis kommen.“
– Warum Lerninhalte immer stärker komprimiert werden.
– Wie die neuen Formate den Trainingsmarkt verändern.
– Was sich nicht in Kurzform vermitteln lässt.
Kommt jetzt die „You-Tubisierung“ der Weiterbildung ?
Man könnte es meinen – oder befürchten. Tom Peters beispielsweise, ein berühmter Managementtrainer, hat etliche seiner markanten Botschaften bei youtube eingestellt. Immer mehr Trainer und Management-Denker (wie Michael Porter, Gertrud Höhler, Miriam Meckel, Peter Drucker) präsentieren sich online per Videoclip. Die Videoschnipsel dauern meist nur drei bis fünf Minuten und enthalten eine, höchstens zwei zentrale Botschaften.
„Alles muß schnell gehen, auch das Lernen“ wird der Rhetoriktrainer Harry Holzheu zitiert. Viele Firmen begrüßen diesen Trend. Denn gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mag man erstens nicht viel Geld ausgeben für „lange“ Seminare und außerdem fehlt der Mitarbeiter dann am Arbeitsplatz.
Etliche Weiterbildungsanbieter haben mit ihrem Angebot darauf reagiert und aus längeren Seminaren (ein bis 3 Tage) kurze Module gezimmert, die in Workshops am Abend oder in Kurz-Lehrgängen vermittelt werden.
Kürzer geht immer: Pecha-Kucha & Co.
Wer glaubt, dass ein Referent am Abend schon eine starke Verkürzung darstellt, hat noch nichts von Pecha-Kucha gehört. Denn bei einer solchen Abendveranstaltung verkünden nämlich mindestens vierzehn (!) Referenten zu Wort. Das geht durch eine rigorose Verkürzung. Jeder Vortragende darf maximal 20 Folien jeweils höchstens 20 Sekunden lang zeigen. Macht insgesamt 6 Minuten vierzig Sekunden.
Wer jemals unter einer zweieinhalbstündigen Powerpoint-Folienschlacht gelitten hat, wird diese Idee, die ursprünglich aus Tokio stammt, freudig begrüßen. Solche Abende gibt es mittlerweile in Berlin, Köln, München oder Dortmund.
Apropos Folienschlacht: Pecha-Kucha darf nicht mit Powerpoint-Karaoke verwechselt werden. Hier handelt es sich um einen Ableger des klassischen Karaoke, bei dem die Teilnehmer keine Liedtexte nachsingen, sondern aus dem Stegreif einen Vortrag zu ihnen vorher nicht bekannten, zufällig ausgewählten Folien halten. Es handelt sich also hier um eine Art Kreativitätsübung, das an Improvisationstheater erinnert. Und auch nicht zu verwecheln mit einer Slideluck Potshow, wie sie in Berlin stattfand. Eine Art Diashow mit Fremden, bei der man sein Essen und trinken mitbringt.
Wie kurz lässt sich Wissen vermitteln?
Eine Zürcher Bank bietet ihren Mitarbeitern in kurzen Filmen Wissenshäppchen an zu Themen wie „Führen eines Mitarbeitergesprächs“ oder „Was man beim Einstellungsinterview beachten muss.“ Vorteile sind die schnelle Verfügbarkeit und die zeitliche Flexibilität für die Mitarbeit. In der Mittagspause ode einfach mal zwischendurch kann man sich gebündeltes Wissen anschauen.
Bei der Deutschen Bank in Frankfurt wird in „Mikro-Trainings“ jeden Morgen ein kritisches Thema vor Mitarbeitern präsentiert. Aber nicht per Video, sondern live. Jeder Kollege, der ein Thema gut beherrscht, stellt so sein Wissen dem Team im Rahmen eines Kurzvortrags zur Verfügung.
Doch natürlich gibt es auch Einwände gegen die Verkürzung von Weiterbildungsveranstaltungen:
- Die Mini-Informationseinheiten berühren nur die Sachebene.
Natürlich lassen sich alle Inhalte auf wesentliche Kernpunkte reduzieren. Ob es jetzt die „7 wichtigsten Regeln bei Verhandlungen“ oder „Fünf Dinge, die Sie bei Einstellungsgesprächen beachten müssen.“
Doch gilt auch hier der Konrad Lorenz zugeschriebene Spruch:Gesagt ist nicht gehört.
Gehört ist nicht verstanden.
Verstanden ist nicht einverstanden.
Einverstanden ist nicht behalten.
Behalten ist nicht angewandt.
Angewandt ist nicht beibehalten.Es ist wie mit dem Lesedienst getabstract.com, der von über 5.000 wichtigen Fachbüchern kurze Zusammenfassungen liefert und mit dem Argument wirbt: 10 Minuten statt 10 Stunden.
Für Möchtegern-Wissende, die auf einer Party damit angeben möchten, dass Sie selbstverständlich alle fünf Bestplazierten der Spiegel-Bestsellerliste kennen, mag das angehen. Auch wer überraschend zu einer Polit-Talkshow eingeladen wird und keinen Schimmer vom Thema hat, wird über diesen Service froh sein.
Es darf bloß niemand nachfragen und tiefer bohren.
- Viele Fähigkeiten brauchen zur Umsetzung die persönliche Ebene.
In mehreren Beiträgen dieses Blogs habe ich meine Skepsis gegenüber vielen Methodentrainings dargelegt:
„Warum man Selbstbewusstsein nicht trainieren kann.“
„Was man im Verkaufstraining nicht lernt.“
„Was hilft gegen Zeitmangel?“Ein simples Beispiel. Die drei Geheimnisse einer guten Gesprächsführung lauten:
1. Zuhören
2. Fragen stellen
3. Nicht rechthaben wollen.Die Regeln sind einfach und so kurz, dass ich Sie Ihnen in vier Sekunden verkünden kann. Aber ist diese Information auch nützlich und brauchbar für Sie?
Wohl kaum. Abgesehen davon, dass Sie die drei Regeln vermutlich schon kennen, werden Sie sie bei Ihren nächsten Gesprächen wohl nicht immer anwenden. Nicht, weil Sie nicht wollen oder nicht beste Absichten haben, sondern weil diese drei schlichten Regeln – außer der Informationsebene – noch etwas ganz anderes berühren: Ihre Persönlichkeit.
Und hier erlebt jeder seine individuellen Schwierigkeiten. Manche können gut zuhören, trauen sich aber nicht, eigene Gedanken oder Beiträge einzubringen. Andere können sich gut darstellen, kommen aber selten auf die Idee, dem anderen Fragen zu stellen oder werden schnell nervös, wenn Sie länger einem anderen zuhören. Wer sich durch andere Standpunkte bedroht fühlt, wird schnell versuchen, den anderen von seiner Meinung zu überzeugen.
Diese Schwierigkeiten lassen sich nicht nur durch entsprechende Hinweise: „Hören Sie besser zu!“, „Stellen Sie mehr Fragen!“ oder „Lassen Sie den anderen ausreden“ verändern. Denn derjenige kennt im besten Fall seine Schwächen im Gespräch, weiß aber selten den Grund dafür.
- Verhaltensänderung braucht Reflektion und Übung.
Es gibt zwei Arten von Verhaltensänderung. Wer als PC-Neuling beim Installieren der Software den Hinweis liest: „Press any key!“ kann beim Suchen dieser Taste verzweifeln. Bis er auf die Bedeutung dieser Information kommt.Viele Dinge des Lebens lassen sich bewältigen, indem wir eine verständliche Gebrauchsanweisung bekommen.
Deshalb wollen ja auch die meisten Seminarteilnehmer Tipps, Rezepte, Methoden. Diese Tools gibt es ja auch zuhauf. Und sie sind selten neu, sondern seit Jahrzehnten bekannt. (Lesen Sie dazu meinen Beitrag über Zeitmanagement-Methoden)Doch viele Verhaltensweisen im Beruf oder Privatleben sind von einer anderen Art. Wie man ein schwieriges Kritikgespräch führt. Wie man sich gegen unfaire Angriffe seines Vorgesetzten wehrt. Wie man als Frau ein Männerteam leitet. Auch dazu gibt es jede Menge Ratgeberbücher mit wertvollen Tipps.Doch anwenden können Sie es nach der Lektüre noch lange nicht.Dazu müssen Sie reflektieren können, warum Ihnen das eine oder andere schwerfällt. Und Sie brauchen klarere Gründe als „Sowas liegt mir einfach nicht.“ „Ich bin eben ein harmonieliebender Mensch.“
Diese Gründe finden Sie meist nicht durch Nachdenken. Sondern erst durch eine vertiefte Auseinandersetzung mit Ihrer Persönlichkeit.
Und das geht nicht in fünf Minuten, auch nicht in drei Stunden mit zwanzig oder fünfzig Leuten. In meinen Persönlichkeitsseminaren brauchen wir dafür drei Tage – mit maximal sechs Teilnehmern.
Mich interessiert, ob und wie sich die veränderte wirtschaftliche Situation sich auf die Weiterbildung in Ihrer Firma ausgewirkt hat.
Machen Sie doch mit bei dieser kleinen Umfrage:
Neu: 2-Tages-Persönlichkeitsseminare
PS: Ich will nicht verhehlen, dass auch bei mir die Seminaranmeldungen in den letzten Wochen spärlicher hereinkommen. Ob das nur eine „gefühlte“ Veränderung ist oder ein ernster Trend, kann ich noch nicht abschätzen.
Dennoch will ich darauf reagieren und habe mir Folgendes überlegt. Versuchsweise will ich meine 3-Tages-Seminare komprimiert anbieten. Das hat folgende Vorteile:
- Fast denselben Inhalt von drei Tagen in zwei Tagen.
Dies erreichen wir durch veränderte Arbeitszeiten, indem wir früher anfangen und abends länger machen.
1. Tag 10.00 bis 20.00 Uhr, 2. Tag 8.00 bis 18.00 Uhr. - Deutlich reduzierter Preis.
Statt 1390 € für Firmen nur 990 €, für Selbstzahler statt 590 € nur 490 €. - Verringerte Kosten insgesamt.
Ein Tag weniger „Fehlzeit“ am Arbeitsplatz und Wegfall der Kosten für eine Übernachtung und einen Tag. - Keine Einbuße an Qualität und Intensität.
Es wird mit Sicherheit ein Stück anstrengender für die Teilnehmer und auch für mich. Aber die Intensität wird wohl eher zunehmen.
Ich bin gespannt, ob dieses Angebot in der veränderten wirtschaftlichen Situation Ihnen als Seminarinteressent und Ihrer Firma entgegenkommt.
Hier geht zu den Terminen für die „2-Tage-Seminare“
Was halten Sie von kürzeren Seminaren?
Wie wird das in Ihrer Firma gemacht?
Welche Ideen haben Sie noch zu dem Thema?
Schreiben Sie hier Ihre Meinung dazu.
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Fotos: © rolphoto, M. Roche, Mweichse – Fotolia.com
Es kommt darauf an worum es geht. In der Kürze ein Verfahren nachschlagen können ist hilfreich, weil es Sicherheit schafft, z.B: bei Abläufen, die man persönlich selten verwendet. Bei Themen, die eine Verhaltensänderung oder ein tiefes Wissen erfordern hilft die Kürze nichts. Erfahrung und Information verdichten sich zu Können und Effektivität.
Gruß,
Andreas Hennecke
Hallo Frau Renger,
genau! Deshalb predige ich ja in diesem Blog und auf meiner Website immer wieder, dass Verhaltensänderung immer die Persönlichkeit mit einschließen muss und reine Methodenvermittlung meist zu kurz greift.
Warum das so ist, erkläre ich zum Beispiel auf diesem Video.
Danke für Ihren Kommentar.
Hallo Herr Koop-Wichmann,
das was Sie heute schreiben, deckt sich mit einer gestrigen Erfahrung.
Ich besuchte ein Seminar: „Gelassen nein sagen.“ In 8h lernen, wie ich gelassen bei mir bleibe und mich ganz entspannt zwischen ja und nein entscheiden kann – das und nichts weniger war mein Ziel für diesen Tag. Beim Theorieteil schien alles noch verständlich, einleuchtend, vieles war schon bekannt, einiges neu. Ich war guten Mutes (dieses Mal endlich und für immer) mein Ziel zu erreichen. Und dann kam die erste praktische Anwendungsübung. ‚Pah,‘ dachte ich noch im Sitzen, ‚das mach ich doch mit links. Die kommt auf mich zu und ich muss einfach nur Nein sagen. DAS kann ja nicht so schwer sein.‘ Und dann standen die Trainerin und ich uns gegenüber und … ich konnte nicht. Der Verstand wusste, was zu tun war und ich … wurde das kleine hilflose Mädchen. DAS war eine Erfahrung. Zu meinen, ich könne etwas, weil ich es logisch nachvollziehen und somit meinem Körper „befehlen“ kann. Und dann zu spüren, dass zwischen wissen … verstehen und … anwenden Welten liegen.
Ich bin ziemlich geplättet aus dem Seminar gegangen mit der Erkenntnis, dass es wohl doch mehr braucht, als Wissen und Verstehen. (Wenn man dabei wirklich gelassen – i.S. von bei sich bleiben – will.)
Ich glaube, Ihre oben beschriebenen Mittagspausen-Seminare sind so bequem, weil sie an der Oberfläche bleiben und nicht „weh tun“. (Auch Bücher lesen und im Internet surfen tut nicht weh.) Man kann sich einen Schlagabtasch auf intellektueller Ebene liefern, und bevor es noch dazu kommen kann, sich so richtig mit Haut und Haaren darauf einzulassen, ist es auch schon wieder vorbei und man wieder weg. Da sind keine Gefühle im Spiel, da wird man nicht wirklich konfrontiert. Was würde passieren, wenn man sich wirklich darauf einließe, so richtig mit Gefühl, als ganzer Mensch?! Ich könnte mir vorstellen, dass bei einigen kleine Jungen und Mädchen übrigblieben, die in verschiedenen Situationen ganz schön hilflos wären bzw. unerwachsen reagieren würden.
Ich glaube, deshalb scheitern viele beruflich erfolgreiche Menschen auch in ihren Beziehungen. Beziehung bedeutet, sich auf Augenhöhe zu begegnen, sich wirklich aufeinander einzulassen und seine Gefühle mitzunehmen. Sich mit sich und dem anderen auseinandersetzen. Da gibt es keine Rolle mehr, hinter der man sich verstecken kann. Aber das würde hier und heute zu weit führen und ginge am Thema vorbei.
Schon Menschen vor uns wussten, dass es mit reden und verstehen nicht getan ist. Ich möchte heute mit Erich Kästner schließen: „Es gibt nichts gutes, außer man tut es.“
Yvonne Renger
Hallo Michael,
Ihre Erfahrungen sind zutreffend beschrieben. Verhaltensveränderung ist nicht leicht. Es braucht eine wiederholte Beschäftigung und Übung mit dem Thema.
Meinen Seminarteilnehmern empfehle ich immer, sich mindestens zweimal am Tag mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Also angenommen, jemand will im Job mehr Nein sagen. Dann kann er morgens beim Aufwachen oder bei der Fahrt ins Büro schon geistig durch den Tag gehen und Situationen aufsuchen, wo dieses Thema auftauchen könnte. Sich überlegen, wie er konkret „Nein“ sagen könnte, spüren, welche Befürchtungen er dazu hegt usw.
Dasselbe am Abend. Reflektieren, wo er sich am Tag gut abgegrenzt hat oder wo er es im Nachhinein hätte tun mögen und sich nicht getraut hat. Warum? Welche Angst?
Das ist so eine Art mentales Training, wie es Hochleistungssportler auch tun. Das gewünschte Verhalten immer wieder im Geist durchgehen. Auf diese Weise schafft man auch neurologisch schon neue Verknüpfungen.
Viel Erfolg weiterhin!
Schöner ausführlicher Artikel! Auch ich als Schüler profitiere nebenbei von den verkürzten Seminaren, die per Youtube ausgestrahlt werden. Ob Motivationstrainer oder GTD-Vertreter, alles ist in ein paar Minuten einfach und verständlich übermittelt.
Doch auch ich bemerke, dass sich erst eine Veränderung meines Verhaltens zeigt, wenn ich mich mit der Materie länger befasse. Das heißt, dass das Video öfters angeschaut wird, eine Selbstreflexion über den aktuellen Zustand (am besten auf Papier) gemacht wird und erste Methoden zur Anwendung (!) ausgetüftelt werden.
Und da haben wir es wieder: Ich selber versuche nach der Informationsflut einen Weg zu finden, um die neuen Erkenntnisse im Alltag anzuwenden. Wenn das die Seminarteilnehmer nicht tun, dann hilft auch kein 30 Tage Seminar.
Letztendlich hängt es immer vom Teilnehmer ab, deswegen sollten die Vortragenden immer Tipps hinzufügen, wie man die neu aufgenommenen Informationen auch anwenden kann. Oder immerhin darauf hinzuweisen, dass man sich öfter mit der Thematik auseinandersetzen sollte. Oder soll. Doch was tun, wenn sich der Teilnehmer gar nicht dafür interessiert?