Kind und Karriere – wie lässt sich das vereinbaren?

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Trotz  hoher Scheidungsraten bleibt das Modell Familie aktuell. Doch wie verträgt sich das mit dem Beruf?

Vor allem, wenn beide Karriere machen wollen. Theoretisch ist das heutzutage möglich. Familienfreundlichkeit wird zunehmend ein Argument für Unternehmen, um im Kampf um begehrte Mitarbeiter zu punkten. Doch wie schaffen Paare den Spagat zwischen Familie und Karriere?

In einem interessanten Interview in brandeins erklärt der Soziologe Armin Nassehi den Wandel des Familienmodells:  „Alle sozialutopischen Ideen – von rechts bis links – haben ein Problem mit der Familie, weil sie sie als natürliches Gegenmodell zur Gesellschaft verstehen. Wer die Gesellschaft verändern will, der muss die Leute in die Gesellschaft holen – und das heißt immer – raus aus der Familie. Diese Leute sind stark daran interessiert, dass zum Beispiel Kinder in Schulen und Gruppen reinkommen, die der Staat organisiert und kontrolliert.“

An die Stelle des Staats treten immer mehr Firmen, die Betriebskindergärten oder eine flexible Kinderbetreuung anbieten. Aus dem selben Grund: sie wollen Mann und Frau aus der Familie an den Arbeitsplatz holen. Familienfreundlichkeit gilt im „War of talents“ mittlerweile als Wettbewerbsvorteil.

Das kostet eine Firma eine Menge Geld, bringt aber auch etwas. Denn durch den demografischen Wandel wird sich der bestehende Fachkräftemangel noch verschärfen. Da liegt es nahe, speziell Frauen den Verbleib oder Wiedereinstieg nach der Familiengründung zu erleichtern.

Denn viele gut ausgebildete Frauen bekommen auch deshalb keine Kinder, weil sie Probleme mit dem Berufsalltag fürchten. Zum Vergleich:  in Frankreich ist die Geburtenquote von gut ausgebildeten Frauen deutlich höher als bei uns.

Denn dort ist es normal, dass eine Frau mit guter Ausbildung arbeitet und Kinder hat. In Deutschland herrscht da allenthalben noch das „Rabenmutter-Gespenst“ und Frauen müssen erst ihre Schuldgefühle überwinden oder lernen, derlei spitze Bemerkungen zu überhören.

Doch wie lassen sich Familie und Beruf vereinbaren?

Der Soziologe Nassehi schlägt vor, das Ganze als ein herausforderndes logistisches Projekt anzugehen. Man muss verschiedene Einzelinteressen koordinieren, unterschiedliche Arbeitszeiten koordinieren, jeweilige Freizeitverhalten zusammenbringen.

Dazu braucht es viel Kommunikation und Organisation und dauernde Verhandlungen. Was viele beruflich aus Projektteams kennen, muss man jetzt auch in der Familie lernen.

Unterstützt wird dieser Trend auch von der Politik. „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Unter diesem Motto startete das Bundesfamilienministerium dieses Jahr gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Initiative „Familienbewusste Arbeitszeiten“ in Berlin.

Sie soll Arbeitgeber dabei unterstützen, mehr familienfreundliche  Arbeitszeitmodelle anzubieten. Denn davon profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Unternehmen, wie diese Datenbank mit 100 guten Beispielen zeigt.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht länger nur Privatangelegenheit des Paares, sondern auch ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Vorbildhaft ist hier Microsoft Deutschland, denn dort gibt es viele Formen von Teilzeitmodellen, Jobsharing und virtuelle Teams, die per Internet zusammen arbeiten.

Aber die enorme Flexibilität bedeutet für Vater und Mutter auch eine enorme Kraftanstrengung. Mancher wünscht sich vielleicht die Losung dieses Plakats von 1956 zurück, als die Strukturen noch von außen gesetzt wurden.

Denn wenn beide arbeiten und sich um den Nachwuchs kümmern, braucht das auch bestimmte Voraussetzungen:

  • Beide Partner müssen sich selbst Strukturen schaffen.
    Wenn beide arbeiten und sich um die Kinder kümmern, bedeutet das auch oft ständige Hetze und keinen geregelten Feierabend. Denn wenn man von der beruflichen Aufgaben nach Hause kommt, wartet die Familienarbeit. Einkaufen, kochen, aufräumen, Hausaufgaben betreuen usw.
    Die gewonnenen Freiräume und die dadurch fehlenden Strukturen erfordern, dass man sich selbst Grenzen setzt und Strukturen schafft.
  • Eine Partnerschaft auf Augenhöhe.
    Früher im patriarchalen Modell konnte der Mann bestimmen und lästige Diskussionen abkürzen, weil er der Ernährer war – und Trennung für viele Frauen der wirtschaftliche Ruin gewesen wäre. Im partnerschaftlichen Modell muss dagegen fast alles ausgehandelt werden. Das braucht Zeit und zwei Partner, die die entsprechende Reife mitbringen und sich nicht hinter tradierten Rollenmodellen verstecken.
  • Mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber.
    Das kann ein Unternehmen in eigener Regie tun oder delegieren. So wie viele Betriebe die Kantine abgeschafft und durch ein Catering-Unternehmen ersetzt haben, geht das auch bei der Kinderbetreuung. Der gemeinnützige Trägerverein Fröbel beispielsweise betreibt bundesweit über 100 Kindergärten, Horte und Beratungszentren, hat 1800 Mitarbeiter, die sich um 10.000 Kinder kümmern. Für das Unternehmen ist so ein Service kostenneutral, für die Eltern aber unbezahlbar und somit oft ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers.
  • Gute Vorbilder und ein Mentalitätswandel in Deutschland.
    „Ich war überrascht, dass man sich hier entschuldigen muss, wenn man als Mutter arbeiten will“, wird eine Französin, die von Kanada hierher zog, in diesem brandeins-Artikel zitiert.
    Doch das ändert sich. Nicht nur durch die Einführung des Elterngelds wird es in naher Zukunft immer normaler, dass auch Väter ihre Kinder betreuen – und Frauen in Spitzenpositionen kommen. Jedenfalls ist die die Voraussage einer Studie der Deutschen Bank für das Jahr 2020.
  • Die Einsicht, dass nicht alles geht.
    Trotz Skype, Smartphone, E-Mail und anderen Möglichkeiten der digitalen Welt: der persönliche Kontakt lässt sich nicht ersetzen. Ein Vater drückt in dem Artikel diesen schwierigen Erkenntnisprozess so aus: „Wenn man ganz nach oben will, darf man keine Kompromisse eingehen. Man macht Karriere, je mehr man bereit ist, Dinge zu tun, die nicht jeder tun will. Heute heißt das vor allem: Mobilität.“

Mein Fazit:

Familie hat ihren Preis. Karriere auch. Ich selbst war in meiner Trainertätigkeit lange Zeit über 100 Tage im Jahr unterwegs. Bis ich erkannte, dass dies zwar Geld und Renommee bringt – aber letztlich familienschädlich ist.

In meinen Coachings und Persönlichkeitsseminaren erlebe ich immer wieder, dass die Entscheidung zwischen Job und Kind auch von Erfahrungen aus der eigenen Herkunftsfamilie beeinflusst wird. Entweder man macht dasselbe, weil man es nicht anders kennt.

Oder man erinnert sich, wie die eigene Mutter in späteren Jahren es bedauerte, dass sie einen beruflichen Wiedereinstieg „wegen den Kindern “ immer wieder aufschob. Oder wie einem der eigene Vater als Kind fremd wurde, weil er selten anwesend war. Und man entscheidet sich, es anders zu machen.

Hilfreich ist auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Werten. Also mit der Frage, was dem eigenen Leben wirklich Sinn gibt. Ist es tatsächlich die nächste Stufe auf der Karriereleiter? Und was ist der Preis dafür? Andererseits ist ein Job mit weniger Reisetätigkeit oder geregelten Arbeitszeiten mitunter mit einer Zurückstufung verbunden.

Diese Frage kann man am besten aus der Rückschau auf das eigene Leben beantworten:

Angenommen, Sie schauen mit siebzig oder achtzig Jahren zurück auf Ihr Leben. Was hat dann Bestand? Was bleibt wertvoll? Und was schrumpft aus dieser Perspektive in seiner Bedeutung?

Jeder Mensch und jedes Paar muss klären, was ihm wichtig ist und wie das zusammengehen kann.

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Foto: © eyezoom1000, H. Eichinger, Fotolia.com,

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

9 Kommentare

  1. Sophie sagt

    Vorab: ich habe dieses Problem noch nicht gelöst, habe aber ein paar kurz- und mittelfristige Strategien in Petto. Als Ingenieurin bin ich mit meinem Arbeitgeber nicht zufrieden (auch nach einigen Monaten genau so unzufrieden wie im ersten Monat),
    Variante 1:
    – etwas ausharren, versuchen ein Kind anzusetzen und dem „unliebsamen“ Arbeitgeber die Elternzeit „zumuten“, dann aber sich langfristig aus der Elternzeit heraus zu bewerben. Ggf dem ersten Arbeitgeber mit kurzem Abstand die 2. Elternzeit ebenfalls auf das Auge drücken und somit dem Personaler das Fürchten lehren.
    Variante 2:
    – wie Variante 1, nur danach wieder zum aktuellen Arbeitgeber zurück kehren in Teilzeit und sich dann aus dem Job heraus etwas besseres suchen.
    Variante 3:
    – wie Variante 1, nur aus der Elternzeit sich im Forschungssektor der Befristung/geringen Vergütung, aber unglaublich guten Betreuungsmöglichkeiten auszusetzen. In der Forschung bis zur Ausreizung des Wissenschaft-Zeit-Gesetzes arbeiten und Benefits nutzen, danach in die Wirtschaft mit Tagesmutti + Großeltern.
    Variante 4:
    – älteres (Klein-)Kind adoptieren, reguläre Adoptions-Elternzeit nehmen und kein eigenes Kind ansetzen. Anschließend Betreuung durch Tagesmutti, Kindergarten (falls sie den Kulturschock überleben, die Großeltern)
    Variante 5:
    – Keine Kinder und den Eltern, Großeltern und manchen Freunden den nonverbalen Mittelfinger entgegen strecken, wenn sie ihre „Du bist eine Frau, du musst Kinder bekommen“-Karte ausspielen. Und ja das ist eine ernsthafte Option. Braucht man tatsächlich Kinder um sich einen Lebenssinn zu schaffen und will ich das dem Kind zumuten? (Ich versuche gerade noch heraus zu finden, ob mein Kinderwunsch mein Wunsch ist, oder der soziale Druck meines Umfelds.)
    Variante 6:
    Existenzgründung aus der Elternzeit heraus, wenn meine Ideen Realitätstauglich sind… Finanzielle Reserven sind vorhanden.

    *Seufts* Ich wäre gern in solchen Situationen ein Mann, obwohl diese es auch nicht leicht haben oder ein weibliches Seepferdchen…
    Ich warte als Teil der Generation, der digital natives endlich auf echtes Home-Office/reguläre Eltern-Kind-Büros mit Betreuung und einfach modern denkende Arbeitnehmer. Ich sollte wohl mit meinem Partner nach Schweden auswandern…

  2. Man muss sich eben entscheiden. Entweder man verbringt viel Zeit mit dem Kind oder man legt mehr Wert auf eine Karriere. Früher oder später wird sich meiner Meinung nach die 2 . Variante durchsetzen.

  3. Heikestan sagt

    Es ist eine viel, viel größere Herausforderung, als ich mir vorgestellt hätte, aber sie lohnt sich. Ich würde es immer wieder so machen. Und ob mein Kind unglücklicher ist? Nöh, ist überhaupt nicht mein Eindruck. Sie erzählt immer mit großem Stolz, was ihre Eltern machen.
    Aber meine Kompromisse betreffen auch eher den Haushalt, meine Freunde, meinen Job, als unsere Tochter.
    Und obwohl ich das erste Jahr zu Hause war, haben wir in dieser Zeit schon neben meinem Mann und mir zwei weitere Bezugspersonen zeitweise in unserem Haushalt gehabt – dies hat sich in der Folgezeit sehr bewährt.
    Es ist die schwierige Herausforderung diese Prioritäten jeden Tag neu zu leben. Und beileibe nicht einfach, aber es lohnt sich!

  4. Kunstrasen sagt

    Ich schließe mich der Meinung von Captain Kirk an.

  5. Beides ist meiner Meinung nach nicht wirklich miteinander vereinbar. Das eigene Kind von einer fremden Person betreuen lassen? Für mich nur schwer vorstellbar. Wenn überhaupt dann nur an Personen die man persönlch schon länger kennt.

  6. Hallo Herr Kujawa,
    ich habe die Einschätzung aus dem Artikel entnommen. Vermutlich ist gemeint, dass sich die Kosten für die Kinderbetreuung und der Nutzen (weniger Fehlzeiten, gute motivierte Mitarbeiter, Identifikation mit dem Unternehmen etc.) die Waage halten.

  7. Hallo Herr Kopp-Wichmann,

    können Sie eventuell noch etwas ausführlicher beschreiben, was Sie mit kostenneutral in Bezug auf die FRÖBEL Competence GmbH (vorm. Fröbel Service GmbH) meinen ?

    Herzlichen Dank!

  8. Gabriela Bäuml-Westebbe sagt

    Karriere im Reißverschlußverfahren kann klappen, erfolgreicher sind beide Partner wohl dann, wenn die Kinder fremdbetreut werden. Zeit ist leider eine sehr endliche Ressource, und in Beziehungen nicht skalierbar.

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