Wayne Gretzky gilt als „bester Eishockeyspieler aller Zeiten“, weil er die geniale Gabe hatte, Spielzüge des Gegners intuitiv zu erahnen. Die Strategie, mit der er so erfolgreich wurde, kleidete er in das Zitat:
Geh dort hin, wo der Puck sein wird.
Nicht dahin, wo er war.“
Das ist ein bemerkenswerter Satz, der sich auf viele Felder der Psychologie und des Lebens übertragen lässt.
- Jeder gute Libero, der einen Pass nach vorne schlagen will, versucht zu erahnen, wo sein Mittelstürmer in ein paar Sekunden sein kann.
- Jeder gute Marketingchef versucht, Trends der Zeit in seiner Zielgruppe zu zu erspüren und schickt Trendscouts aus, um Signale zu sammeln, wo die Wünsche der Menschen hingehen. Nicht umsonst wurde Gretzky’s Satz von Steve Jobs verwendet.
- Jeder gute Ermittler, der einen Serienmörder jagt, versucht dessen weitere Schritte vorauszuahnen, um mögliche Opfer zu retten.
- Jeder gute Fondsmanager muss aus den zahllosen Daten über Märkte, Unternehmen und Trends jene relevanten Informationen herausfiltern, um attraktive Aktien dann zu kaufen, wenn sie noch günstig sind.
Entscheidend für diese Fähigkeit ist die Achtsamkeit für schwache Signale.
Also kleine, fast unsichtbare Hinweise, die die meisten Menschen übersehen, als unwichtig interpretieren oder die Mühe scheuen, ihnen konsequent nachzugehen.
Das hat nichts mit Hellsehen zu tun. Niemand kann wissen, was morgen wirklich passiert. Und es gibt einige schlechte Beispiele von Unternehmen, die vollmundig Gretzkys Spruch zur Untermauerung ihrer Strategie nutzten – und Schiffbruch erlitten.
Es geht nicht ums Wahrsagen, sondern mehr darum, schwache Signale richtig zu deuten (wo wird der Puck sein?), um sich so zu positionieren, dass man sich mehrere Möglichkeiten offenhält.
Wenn es schon in der Zeitung steht (wo der Puck war), ist es meist zu spät.
Zwei Beispiele:
- Als ich mich vor dreißig Jahren nach dem Studium der Psychologie selbständig machte, überlegte ich, ob ich mich weiter freiwillig über die gesetzliche Rentenkasse versichern sollte.
Da las ich einen STERN-Artikel über die voraussichtlichen Probleme eines Systems, bei dem junge Beitragszahler für die laufenden Renten aufkommen müssen (Umlagesystem). Niemand sprach da vom „demografischen Faktor“, aber der Artikel warnte schon 1985, dass in Deutschland in einigen Jahrzehnten wahrscheinlich nicht genügend Kinder für dieses System geboren werden würden.
Das war ein schwaches Signal, das mir zu denken gab. Und ich entschied mich gegen das Verbleiben in der gesetzlichen Rentenversicherung. - Als Paartherapeut erlebe ich öfters langjährige Ehen, in denen die Frau sich nach dem Auszug der Kinder von ihrem Mann trennen will.
Der Mann ist fast immer überrascht und geschockt und wirft seiner Frau vor: „Warum hast du denn nie gesagt, dass du unzufrieden mit unsere Ehe bist?“
Die Antwort der Frau: „Aber ich habe doch in den letzten zehn Jahren dauernd darüber gesprochen.“
Oft scheitern Ehen nicht durch Fremdgehen oder andere einschneidende Ereignisse. Die meisten Ehen zerbrechen leise. Es sind schwache Signale, die nicht geäußert oder nicht wahrgenommen werden. Meistens Signale über ungeklärte Konflikte und nicht verarbeitete Kränkungen.
Deswegen ist Lebens- und Berufserfahrung oft nützlich. Ältere Menschen können meist mit der Schnelligkeit jüngerer Kollegen nicht mithalten. Aber dafür haben sie mehr unbewusste Muster, um an die richtige Stelle zu gehen – ohne genau zu wissen, warum sie so handeln.
Wie wird man achtsam für „schwache Signale“?
Aus der Nachrichtentechnik stammt der Begriff des Verhältnisses von Signal und Rauschen. Kurz gefasst besagt es: Je lauter das Rauschen ist, umso stärker muss ein Signal sein, damit es wahrnehmbar wird.
Das kennt jeder aus dem Alltag:
- Um sich in einem vollbesetzten Restaurant mit Ihrem Tischnachbarn zu unterhalten, müssen Sie lauter sprechen.
(Sie könnten auch versuchen, das „Rauschen“ zu reduzieren. Dazu müssten Sie aber aufstehen und die anderen Gäste im Lokal auffordern, leiser zu sein.) - Die Sterne am Himmel sind den ganzen Tag da. Aber das „Rauschen“ des hellen Sonnenlichts verhindert, dass wir sie sehen. Erst wenn dieses Rauschen weniger wird, werden in der beginnenden Dämmerung die Sterne sichtbar.
- Viele Krankheiten kündigen sich über leichte Symptome (z.B. morgendliches Abhusten eines Rauchers) an. Beachtet man sie nicht und geht ihnen nicht nach, kommen meist stärkere Signale. Ignoriert oder unterdrückt man diese oder bekämpft sie mit Schmerzmitteln, braucht es oft das starke Signal einer Krankheit, bis der Mensch versteht, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Um schwache Signale besser wahrnehmen zu können, hilft es vor allem, das Rauschen zu reduzieren, denn auf die Signalstärke haben wir erst mal keinen Einfluss.
Dabei helfen einem Achtsamkeit oder Meditation oder ganz generell Pausen, in denen wir stiller werden können. In der Meditation und Achtsamkeit können wir schwache Signale für Störungen besser bewusst wahrnehmen.
Im Kontakt mit anderen hilft Zuhören, das Rauschen zu verringern. Aber nur wenn wir dem anderen wirklich zuhören, sich für seine Sichtweise öffnen. Oft ist Zuhören ja nur das innere Warten auf das passende Stichwort des anderen, um seine eigenen Ansichten und Wertungen von sich zu geben.
Diese Achtsamkeit nach innen und nach außen kann hilfreich sein, verschiedene Bereiche in Ihrem Leben dahingehend bewusst zu betrachten.
Wo wird Ihr Puck im Leben wohl hingehen …
- In Ihrem Beruf?
- In Ihrer Familie oder Partnerschaft?
- Bei Ihrer Gesundheit?
- Bei Ihrer Lebensfreude und Zufriedenheit
- …
Den Kurs in bestimmten Bereichen zu korrigieren, ist leichter und effektiver, wenn Sie den schwachen Signalen mehr Achtsamkeit schenken.
Vor ein paar Wochen war ich im Vasa-Museum in Stockholm, wo 1628 der schwedische König Gustav II. Adolf das größte Schlachtschiff seiner Zeit bauen ließ. Doch es gab einen entscheidenden Konstruktionsfehler. Zu viele Kanonen und ein zu schmaler Rumpf (schwaches Signal) machten aus der Vasa eine Todesfalle.
Schon vor dem Absegeln wusste man, dass eine schwache Böe ausreichen würde, um die Vasa zu versenken. Bei der so genannten Krängungsprobe waren dreißig Mann auf dem Deck hin und her gelaufen. Bereits nach der dritten Runde mussten sie aufhören, sonst wäre die Vasa gekentert (mittleres Signal). Doch niemand wagte es, den König zu informieren, der alle Pläne genehmigt hatte und ungeduldig auf sein Lieblingsprojekt wartete.
So kam es, dass das stolze Schiff auf seiner Jungfernfahrt schon nach einer Seemeile kenterte und 150 Menschen mit in den Tod riss.
„Geh dorthin, wo der Puck sein wird – nicht wo er war.“
Diesen Beitrag können Sie sich hier als Podcast anhören oder herunterladen.
Wo wird Ihr Puck hingehen?
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Bild: © www.cartoon4you.de