Auf der Suche nach einem Thema zu Weihnachten stöberte ich auf dem Blog von Leo Babauta, von dem ich schon öfters Texte hier übersetzt habe. Das geht rechtlich in Ordnung, weil er für seine Blogtexte ein Uncopyright erteilt hat.
Der folgende Artikel, von ihm schon im Juni 2012 veröffentlicht, passt gut zu der Erfahrung meines Jahres in der Rückschau.
Dinge geschehen zu lassen. Das habe ich über die letzten Jahre gelernt.
Das geht erst einmal gegen die Gewohnheiten in der westlichen Gesellschaft – denn wir sind Macher, Gestalter unseres Schicksals, wir wollen, dass die Dinge passieren … wir wollen nicht warten, dass etwas geschieht!
Diese Denkweise lernen wir von klein auf, in der Schule, im Beruf und in jedem Sportfilm. Zu erlauben, dass Dinge geschehen ist nicht der normale Weg.
Ich war noch nie der passive Typ, der darauf wartet, dass Dinge geschehen anstatt viel dafür zu tun, dass sie passieren, jemand, der gern die Kontrolle über Dinge aufgibt.
Aber ich habe einiges dazu gelernt:
1. [tweetable] Der Gedanke, dass wir Kontrolle über unser Leben und unsere Bestimmung haben … ist eine Illusion.[/tweetable] Sie brauchen sich nur umzuschauen. Der Familienvater, der nach einem Herzinfarkt sein ganzes Leben umstellen musste. Die Frau, die ihren Vater verlor. Die Familie, dessen Zuhause von einem Hochwasser heimgesucht wurde. Der Existenzgründer, dessen Businessplan aufging – bis die Finanzkrise zuschlug. Der Fabrikarbeiter, der nach zwanzig Jahren seinen Arbeitsplatz verlor, weil das Werk geschlossen wurde. Der Fahrradfahrer, der von einem unachtsamen Autofahrer angefahren wurde …
Solche Dinge passieren jeden Tag.
Wir denken, wir haben das Leben im Griff aber es stimmt nicht. Noch nicht mal die Menschen, mit denen wir privat oder beruflich zusammen sind und die unser Leben ganz persönlich beeinflussen – noch nicht einmal darüber haben wir Kontrolle.
Es ist wirklich eine Illusion.
2.[tweetable] Wenn Du Deine Kuh kontrollieren willst, gib ihr eine größere Weide.[/tweetable]
Dieses Zitat stammt von dem Zenmeister Suzuki Roshi, als er darüber sprach, den Geist zu kontrollieren. Ich sehe die Kuh und ihre Weide als eine Form, Dinge geschehen zu lassen. Anstatt streng etwas kontrollieren zu wollen öffnen Sie sich dem, geben Sie ihm mehr Raum, eine größere Weide.
Die Kuh wird glücklicher sein, wird herumwandern, wird das tun, was sie will – und Sie bekommen trotzdem Ihre Milch. Das gilt für viele Gelegenheiten. Zurücktreten und den Dingen ihren Raum lassen und beobachten, dass Ihre Bedürfnisse trotzdem erfüllt werden. Und Sie haben keine Arbeit.
3. Sie haben weniger Stress, weniger Sorgen.
Stellen Sie sich vor, die Dinge passieren auf natürliche Weise, kommen zu einem Ergebnis und Sie durften lächeln und beobachten. Sie müssen sich nicht Sorgen machen, Dinge zu gestalten oder etwas zu kontrollieren, was nicht kontrolliert werden möchte. Sie müssen nicht Druck aufbauen, Löcher stopfen oder Feuer bekämpfen. Sie lassen Dinge auf ihre Weise geschehen. Und sie geschehen.
4. Dinge werden Sie überraschen.
Angenommen, Sie lassen etwas geschehen. Sie wollen eigentlich, dass es in einer bestimmten Weise von statten geht, ein bestimmtes Resultat hat. Das ist Ihr Ziel.
Aber was passiert, wenn Sie diese Idee loslassen? Was wäre, wenn Sie sagen: „Ich habe keine Ahnung, was passieren wird.“ (Was der Wahrheit übrigens ziemlich nahe kommt.) Was wäre, wenn Sie sagen: „Mal sehen, was sich entwickelt.“
Dann werden Dinge geschehen, aber nicht in der Weise, wie Sie es geplant haben. Das Ergebnis mag vollkommen anders sein als das, was Sie erhofft haben. Aber es kann trotzdem großartig sein, wenn auch ganz anders. Vielleicht ist es sogar wunderbar oder überraschend. Überraschungen sind gut, wenn wir akzeptieren, dass die Dinge sich ständig ändern und dass Veränderung gut ist.
5. Sie lernen, wie die Dinge funktionieren.
Anstatt die Sachen so hinzukriegen, wie Sie es wollen, beobachten Sie einfach, wie die Dinge sich von selbst entwickeln. Auf diese Weise lernen Sie mehr über die menschliche Natur und über die Natur der Welt.
Aber Vorsicht: es könnte Sie verändern.
[tweetable]Und was hat „geschehen lassen“ mit Weihnachten zu tun?[/tweetable]
In der Zeitung lese ich, dass an Weihnachten ein Drittel mehr Menschen mit Herzinfarkt in die Klinik kommen als an anderen Tagen. Ein Drittel!
Zyniker denken jetzt: „Das sind all die Leute, die unterm Jahr keine Zeit haben krank zu werden.“ Aber in Wahrheit geht Weihnachten wohl stark aufs Herz. Nicht so im romantisch-kuscheligen Sinn mit Bratäpfelduft und Glöckchenklang. Sondern als Folge von zu starkem Stress.
In meinen Persönlichkeitsseminaren sage ich: „Es gibt keinen Stress. Es gibt nur Situationen. Den Stress dazu müssen Sie sich schon machen!“
Das gilt natürlich auch für Weihnachten. Geschenke besorgen, niemanden zu enttäuschen, Erwartungen von Familie und Schwiegereltern erfüllen, den richtigen Baum aussuchen, den Braten nicht anbrennen lassen, die Bibel für die Weihnachtsgeschichte suchen …
Zu unterscheiden, was getan werden sollte und was man geschehen lassen kann, grenzt an Weisheit. Geschehen lassen statt alles kontrollieren zu wollen – dafür bietet Weihnachten gute Gelegenheiten. Denn nicht nur der Herzinfarkt häuft sich an den Feiertagen auch Beziehungsinfarkte sind an Weihnachten häufiger als unterm Jahr.
Der Baum ist nicht gerade. Elektrische oder Wachskerzen? Das Essen an Heiligabend. Wann fahren wir zu welchen Eltern? Es gibt viele Möglichkeiten, sich an Weihnachten in die Haare zu kriegen. Vor allem, wenn Sie zu viel bestimmen und kontrollieren wollen.
Also, probieren Sie es aus. Wenn etwas nicht so klappt, wie Sie denken, dass es abzulaufen hätte – lassen Sie es geschehen. Und beobachten Sie einfach, was passiert.
Wenn Ihnen oder jemand, den Sie mögen, so was schwer fällt, könnte mein eMail-Kurs „Achtsamkeit im Alltag“ vielleicht nützlich sein. Als Online-Weihnachtsgeschenk für die nächsten drei Wochen.
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