Wer Opfer ist, braucht keines zu bringen.
Zu dieser makabren Grafik hat mich ein Freund animiert, der erzählte, dass es solche Postkarten in Köln am Dom zu kaufen gäbe.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG Nr. 15 las ich dazu einen interessanten, wenn auch politisch nicht korrekten, Artikel: „Alle wollen Opfer sein“. Hieraus einige Auszüge:
- Gemäß der Rollentheorie ist die Wirklichkeit gar nicht wirklich, sondern ein sprachliches Konstrukt, das wir nach unseren Vorstellungen gestalten und verbiegen können. Die verwendete Sprache liefert dazu die Begriffe, die bei Bedarf die eine Wirklichkeit durch eine andere ersetzen können.
- So werden schnell aus Opfern Anspruchsberechtigte gemacht, die unter Hinweis auf auf ihr Opferdasein andere zum Opfer verpflichten dürfen
- Wenn es viele Opfer gibt, braucht es auch Täter.
Die „Gesellschaft“ wurde zum universellen Täter, gegen den man seine Ansprüche durchsetzt. Zahlreiche Verbände haben sich gebildet, um im Namen der Opfer (am liebsten mit Hilfe eines „Opferanwalts“) gegen den oder die Verantwortlichen zu klagen. - Aus Tätern können so schnell Opfer werden.
So wurde der jugendliche Straftäter Mehmet trotz einer langen Liste von Straftaten nach etlichen Jahren in die Türkei abgeschoben. Flugs bildete sich eine Bürgerinitiative, die forderte, dem jungen Mann wieder nach München zurückkehren zu lassen.
Der Jurastudent Gäfgen ermordete ein Kind, wurde vom Frankfurter Polizeipräsident unter Druck gesetzt und klagt heute als Opfer gegen die verhörenden Beamten durch alle Instanzen.
Und was hat das jetzt mit Köln zu tun?
Hier kann man dasselbe beobachten. Der mittlerweile zurückgetretene Oberbürgermeister Schramma erklärte in einem STERN-Interview:
„Die Schuldfrage richtet sich nicht an mich. Ich habe als Oberbürgermeister diese Aufgabe nicht selbst in der Hand. Der Bau basiert auf einem Beschluss des Stadtrates. Die Umsetzung und Bauausführung liegt in den Händen der Kölner Verkehrs-Betriebe, einer rechtlich selbständigen Tochter der Kölner Stadtwerke. Da liegt die Verantwortung für den Bau. Wir haben noch nicht einmal die Bauaufsicht.“
Die Kölner Verkehrsbetriebe verweisen ihrerseits wieder auf die Stadtwerke, diese auf die Sachverständigen, jene auf einen Sachbearbeiter in der Stadtverwaltung usw.
Bei der Finanzkrise ist es ähnlich. Die Banker verweisen auf die gierigen Anleger, die immer mehr Rendite wollten. Die Anleger mahnen die mangelnde Bankenaufsicht an, jene verweisen auf die engen Richtlinien, die ihnen die Politik erlaube usw.
Mein Fazit: Dies soll kein allzu kulturpessimistischer Beitrag werden. Mit ist klar, dass der Ruf nach dem Schuldigen leichter ist als die Suche nach ihm. In der Wirklichkeit ist ja auch alles miteinander furchtbar vernetzt und deswegen nicht leicht in Opfer und Täter aufzudröseln.
Die meisten Menschen sind beides zugleich, Täter und Opfer. Aber die zunehmende Tendenz in Deutschland, sich eher als Opfer zu gebärden, stört mich. Deshalb dieser Beitrag.
Wie ist Ihre Meinung?
Wo sind Sie Opfer, wo Täter?
PS: Wenn Ihnen dieser Beitrag gefiel … dann empfehlen Sie ihn doch weiter. Einfach hier unten auf “Weitersagen” klicken.
… oder schreiben Sie einen Kommentar.
… oder abonnieren Sie neue Beiträge per Email.
Einfach links Adresse bei eintragen.