Wie wichtig ist Anerkennung im Beruf und im Leben überhaupt?

Kommentare 12
Karriere / Persönlichkeit

Was ist Anerkennung?

Laut Wikipedia ist es „die Erlaubnis einer Person oder einer Gruppe gegenüber einer anderen Person, Gruppe oder Institution, sich mit ihren derzeitigen spezifischen Eigenschaften an der Kommunikation, an Prozessen des Entscheidens oder anderen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Der Begriff Anerkennung wird auch als Synonym für Akzeptanz, Lob oder Respekt verwendet.

Gegenseitige Anerkennung gilt als notwendig für jede Art von Zusammenleben, beispielsweise in der Ehe, in einer Schulklasse oder im Beruf. Wird ein Gruppenmitglied nicht anerkannt, gerät es in Gefahr, zum Außenseiter zu werden.“

Personaler und Betriebsräte denken beim Thema „Anerkennung“ vor allem an diese Punkte:

  • Bezahlung
  • Prämien als besondere Honorierung
  • Mitarbeitergespräche und Beurteilungsverfahren
  • Förderung  von  Mitarbeitern  durch  den Vorgesetzten
  • Integration durch gemeinsame Feiern (Betriebsausflug, Events etc.)

In einem Vortrag des Arbeitssoziologen Stephan Voswinkel, den ich 2009 hörte, fasste er das in dem Satz zusammen: „Wer Anerkennung sät, wird Leistung ernten.“

Doch warum ist Anerkennung so wichtig?

Anerkennung ermöglicht Identität.

Damit aus Babys keine Kaspar Hausers werden, brauchen sie ein „spiegelndes“ Gegenüber. Durch einen zugewandten Elternteil erlebt das Kind im Regelfall, dass es wahrgenommen und erkannt wird.

Auch der Wirtschaftstheoretiker Adam Smith und der Sozialpsychologe Herbert Mead verwandten das Bild, dass der Mensch sich „im Spiegel des Anderen“ sieht. Erst wenn wir Menschen erleben, dass wir in einer Gemeinschaft wahrgenommen, aufgenommen und anerkannt werden, können wir ein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein entwickeln.

Selbst Robinson Crusoe auf seiner Insel fing sich einen Papagei, um mit einem anderen Wesen sprechen zu können. Und später war es sein Gefährte Freitag. Nicht umsonst ist Isolationshaft eine Foltermethode.

In einem interessanten Interview der aktuellen „psychologie heute“ sieht Voswinkel hier drei Anerkennungsformen.
1. die Liebe in einer Familie oder Partnerschaft,
2. den Respekt im Beruf,
3. die Achtung als Staatsbürger.
Demnach seien gesellschaftliche oder politische Konflikte nicht nur Kämpfe um eine bessere materielle Situation, sondern immer auch ein Kampf um Anerkennung.

Dies kann man ja bei vielen Minderheiten, die um ihre Unabhängigkeit und gleichzeitige Anerkennung oft über Jahrzehnte kämpfen. Sei es der Kampf der IRA, der ETA oder russischer Republiken.

Anerkennung beinhaltet auch Rangordnungen.

Was ist die Arbeit einer Krankenschwester im Vergleich zu einem Arzt wert? Derlei Fragen gehen bis in die Familie hinein. Ist die Arbeit des allein verdienenden Ehemanns wichtiger als die „Erziehungs- und Haushaltsarbeit“ der Ehefrau?

Auch deshalb wird man ja auf einer Party selten gefragt: „Wer sind Sie?“ oder „Was sind Sie?“ sondern meistens „Was machen Sie beruflich?“ Die berufliche Stellung verleiht eine gewisse stabile Identität. Wer auf die letzte Frage wahrheitsgemäß oder experimenthalber antwortet: „Ich bin arbeitslos“ oder „Ich mache gar nichts“ wird interessante Reaktionen bei seinem Gesprächspartner beobachten können.

Weil mit der Arbeit nicht nur Geld verdient sondern auch Anerkennung erworben wird, wirken mitunter eine betriebsbedingte Kündigung oder Entlassung und sogar der all die Jahre ersehnte Ruhestand mitunter auf den Betroffenen psychisch destabilisierend. Selbst wenn das Finanzielle stimmt, fehlt plötzlich die Zugehörigkeit, die das Ich stärken hilft.

Anerkennung ist im Unternehmen fast immer hierarchisch angesiedelt. Der Vorgesetzte ist weniger von der Anerkennung seiner Mitarbeiter abhängig. Er darf es auch nicht sein, denn sonst kann er nicht mehr flexibel und unabhängig führen, wozu eben auch unpopuläre Maßnahmen gehören können.

Trotz des vereinzelt vorhandenen 360-Grad-Feedbacks beurteilt meist der Vorgesetzte den Mitarbeiter, was auch über die Höhe des Gehalts mitentscheidend sein kann.

Die Sichtbarkeit der Leistung schwindet.

In der zunehmenden Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft wird immer schwerer wahrnehmbar, was jemand eigentlich den ganzen Tag so macht.

Wer ein Sachprodukt herstellt, einen Tisch oder ein Auto kann seine Arbeit vorweisen. Schwieriger wird es mit all den anderen geistigen Leistungen, die weniger ein Sachergebnis zeitigen. Man telefoniert den ganzen Tag, sitzt in Meetings, schreibt etliche eMails. All das gehört zum Arbeitsprozess – aber was haben Sie am Ende des Tages wirklich geleistet?

Doch nicht sichtbare Leistungen sind schwerer anzuerkennen. Das heißt für immer mehr Menschen, sie  müssen auch lernen, ihre Arbeit „besser zu verkaufen“.

Sonst kann es passieren, dass im Meeting die drittbeste Idee genommen wird, nur weil der Urheber diese besser darstellen konnte als die schüchterne Mitarbeiterin, die glaubt, ihre tolle Idee würde doch für sich selbst sprechen.

Fatalerweise werden Leistungen, die nicht oder fehlerhaft erbracht wurden, sofort bemerkt.

Wie sieht Anerkennung im Beruf aus?

Im Interview unterscheidet Voswinkel zwei Arten von Anerkennung:

  1. Die Würdigung
    die auf Zugehörigkeit beruht. Hier wird die langfristige Arbeitsleistung anerkannt, also das Engagement für das Team, fürs Unternehmen.
  2. Die Bewunderung,
    die mehr für herausragende Leistungen, zum Beispiel einen tollen Verkaufsabschluss oder Projekterfolg gezollt wird. Hier ist eine längere Zugehörigkeit nicht notwendig, aber die Bewunderung hat auch eine kürzere Haltbarkeit.

Das heißt auch: „normale“ Leistungen werden nicht bewundert, aber man kann sie würdigen. Was beispielsweise in den Jubiläen zur längeren Betriebszugehörigkeit geschieht.

Setzt ein Unternehmen bei der Anerkennung vor allem auf Maßnahmen der Bewunderung kann das auch nach hinten losgehen. Denn wenn vor allem die High-Performer zum Beispiel als „Mitarbeiter des Monats“ gekürt werden, kann das von den anderen auch so verstanden werden, dass sie nur Low-Performer sind.

Es kommt also auf eine Balance zwischen bewundernden und würdigenden Ritualen an. Zu einer guten Anerkennungskultur gehören nach Voswinkel v.a. drei Prinzipien:

  1. Fehlertoleranz
    Menschen sind keine Maschinen, die immer perfekt funktionieren. Der Freiraum, Fehler machen zu können, ist sogar eine Voraussetzung für neue Ideen.
  2. Senioritätsprinzip
    Trotz Jugendwahn zwingt allein der demographische Faktor viele Firmen dazu, ältere Mitarbeiter mit ihrer Erfahrung und oft hoher Loyalität zum Unternehmen mehr zu schätzen.
  3. Life-Work-Balance
    Das Wort ist nicht falsch, sondern nur andersherum geschrieben. Es soll ausdrücken, dass bei Mitarbeitern verstärkt auf familiäre und private Verpflichtungen Rücksicht genommen wird. Gesetze zur „Elternzeit“ wie auch zur „Pflegezeit“ wollen diesen Unterschied zur Work-Life-Balance deutlich machen.

Fazit:
Wir können uns Anerkennung wünschen, sie einfordern, darauf warten. Doch gilt auch hier der bekannte Spruch von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Also dann:

  • Wen könnten Sie heute anerkennen? Und wofür?
    Denken Sie an Kollegen, Freunde, Ihren Partner, Ihre Kinder.
  • Und wofür könnten Sie sich heute selbst anerkennen?
    Das muss nichts Großes sein. Einfach für das, was Sie heute schon alles gemacht haben.

kommentar Wie geht es Ihnen mit dem Thema?
Bekommen Sie – geben Sie sich genug Anerkennung?

PS: Wenn Ihnen dieser Beitrag gefiel, dann sagen Sie es doch bitte weiter: auf Facebook, Twitter oder per Email.
… oder schreiben Sie einen Kommentar.
… oder abonnieren Sie neue Beiträge per Email oder RSS.

Fotos: © contrasterkstatt – Fotolia.com,
jokebird u. PhotoSuse photocase.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.