Hinweis für kompetente Frauen: „Nein, Sie sind keine Hochstaplerin!“

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frau hochstapler rkwichmann persönlichkeits-blog„Ach das war doch nichts Besonderes. Jeder hätte das gekonnt“, sagte eine der Frauen, als ich ihr zu ihrer beeindruckenden Rede gratulieren wollte.

„Ganz bestimmt nicht, Sie haben das Thema umfassend und sehr anschaulich dargestellt“, versuchte ich noch nachzulegen, ahnte aber, dass es wohl vergeblich sein würde. Ich war auf eine notorische Tiefstaplerin getroffen.

Menschen, die mit dem „Hochstaplersyndrom“ kämpfen, fällt es schwer, ihre Leistungen anzuerkennen.

Egal, wie viel sie beruflich erreicht haben oder welche äußeren Anerkennungen sie bekommen  – innerlich sind sie überzeugt, dass sie all das nicht verdient haben und gar nicht an  diese berufliche Position gehören. Sie kämpfen mit der Furcht: „Irgendwann kommt raus, dass ich doch nichts kann und werde als Hochstaplerin entlarvt.“

Obwohl diese Angst auch bei Männern vorkommt, sind Frauen viel öfter davon betroffen. In PSYCHOLOGIE HEUTE las ich diesen interessanten Artikel, der mich zu diesem Beitrag anregte. Geprägt wurde der Begriff des „Hochstaplersyndroms“ von der US-Psychologin Pauline Clancer. Sie beschrieb bei diesen Menschen folgende Merkmale:

  • Sie quälen sich mit Gedanken, dass sie den erarbeiteten Erfolg nicht wirklich verdient haben.
  • Sie glauben eher, dass sie ihre attraktive Position nur durch Glück oder das Wohlwollen des Vorgesetzten bekommen haben.
  • Sie fürchten, eines Tages als Betrügerin entlarvt zu werden.

Die Professorin Astrid Schütz, die über Selbstwertunterschiede forscht, hat herausgefunden, dass Frauen unabhängig von ihrer Kompetenz ihre Aufmerksamkeit vor allem auf ihre Schwächen lenken und sich unter Umständen via selbsterfüllender Prophezeiung tatsächlich schwächen.

Männer dagegen fragen sich eher danach, worin sie gut sind, was sie können oder könnten. So kommt es dann zu Karrieren von richtigen Hochstaplern wie dem Postboten Gert Postel, der es ohne Medizinstudium bis zum leitenden Oberarzt in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie schaffte. wo er beeindruckende Vorträge hielt. Kurz vor der Ernennung zum Professor und der Beförderung zum Chefarzt flog er erst auf.

In „Die Bekenntnisse des Felix Krull“ hat Thomas Mann ja die Phantasiewelt von solchen Männern literarisch verarbeitet. In  dem Film „Catch me if you can“ wird die wahre Geschichte von Frank W. Abagnale  erzählt, der bereits mit 17 Jahren als falscher Pilot unterwegs  war und später als Rechtsanwalt und Arzt Karriere machte.

 

Warum machen sich Frauen schlechter als sie sind? Und vor allem – wie?

Frauen sind heute im Durchschnitt besser ausgebildet als Männer. Sie machen häufiger Abitur und haben bessere Noten als die Jungen. Bei den Studienabschlüssen liegen sie gleichauf mit den Männern, und haben  zusätzlich meist jene soziale Kompetenzen, die bei Personalern begehrt sind.

Doch selbst nach bald fünfzig Jahren Emanzipationsbewegung tun sich viele Frauen schwer, in Konkurrenzsituationen sich zu behaupten oder sich und ihre Ideen genauso gut zu verkaufen wie ihre männlichen Kollegen. Woran liegt das?

Erschwerend sind vor allem diese fünf Punkte:

1. Ungünstige Erklärungsmuster für Erfolg und Misserfolg.
Schon 1993 wurde in einer Studie festgestellt, dass Mädchen ihre  Fähigkeiten kritisch beäugen und Erfolge eher auf Glück anstatt ihre eigene Anstrengung zurückführen. Misserfolge erklären sie sich dagegen meist damit, dass sie  nicht genug gearbeitet hätten. Bei Jungen ist es genauso umgekehrt.

Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede im Attributionsstil setzen sich im Erwachsenenalter fort.

2. Unterschiedliche Geschlechtsstereotype sind verinnerlicht.
In das Poesialbum von Mädchen schrieb man Ende der 50er Jahre gern rein:

Sei wie das Veilchen im Moose,
sittsam bescheiden und rein.
Nicht wie die stolze Rose,
die immer bewundert will sein.

Unbewusst scheint dieses Motto heute noch in vielen Frauen von heute zu wirken. Denn häufig wird dasselbe Verhalten von Männern und Frauen unterschiedlich bewertet. Eine Frau, die ihre Idee in einem Meeting energisch vertritt, wird schnell als arrogant oder zickig wahrgenommen. Bei dem männlichen Kollegen interpretiert man dasselbe Verhalten eher positiv als Durchsetzungsstärke. Und zwar von Männern und Frauen (!).

3. Frauen wollen vor allem nicht als unweiblich wahrgenommen werden.
Das heißt, sie wollen oft eher gemocht als respektiert werden. Das schließt sich im Berufsleben jedoch oft aus. Damit Frauen nicht als karrieregeil, zu ehrgeizig oder kalt wahrgenommen werden, verstecken viele Frauen oft ihre Fähigkeiten oder reden sie kleiner: „Das ist doch nichts Besonderes.“

4. Frauen nehmen Kritik oft zu persönlich.
Das hängt mit dem Wunsch, geliebt zu werden, zusammen. Wenn dann der Kollege die Stirn runzelt oder der Chef einen schlechten Tag hat, beziehen Frauen das schnell auf sich.
Männer können sich da innerlich oft besser abgrenzen, grübeln nicht so lange darüber, was die Reaktion des anderen wohl bedeuten könnte oder denken insgeheim „So isser halt„.

5. Frauen verkaufen ihre Leistungen zu wenig.
Sie denken meist, dass ihre Arbeit doch für sich spreche und man nicht extra dafür die Werbetrommel rühren müsse. Auch überschätzen sie oft das Aufnahmevermögen ihrer Adressaten. Doch wichtige Punkte der eigenen Leistung oder Argumentation müssen mehrmals wiederholt werden, damit sie beim Empfänger wirklich ankommen und haften bleiben.

Und wie können Sie das jetzt ändern?

Das ist natürlich nicht so einfach, wie regelmäßige Leser dieses Blog inzwischen wissen. Einfach deshalb, weil stereotype Einstellungen wie zum Beispiel über Mann und Frau über Jahrzehnte und länger gelernt wurden. Und solche Gewohnheiten sind tief in unserem Gehirn als sechsspurige Autobahnen eingegraben.

Um solche Verhaltensweisen zu ändern, muss man sich raus aus der Komfortzone trauen. Das ist nicht angenehm, da man dabei zumeist Ängste entwickelt, die rational zwar wenig haltbar sind, einen aber doch massiv hindern können, sich anders zu verhalten.

Hier also einige Experimente für Frauen mit „Hochstaplersyndrom“:

  • Ändern Sie Ihre Denkmuster.
    Wenn Sie bemerken, dass Sie wieder Gedanken haben, dass Sie nichts können, Sie bald auffliegen werden oder eigentlich die Stelle gar nicht verdienen, überlegen Sie sich gegenteilige Botschaften.
    Also zum Beispiel:
    „Ich bin hier eine der besten Mitarbeiterinnen.“
    „Ich gehöre hierher.“
    „Ich bin kompetenter als manche Kollegen.“

Natürlich sind diese Sätze für Sie anfangs schwierig. Lieber würden Sie sich die Zunge abbeißen als so einen grässlichen Satz auszusprechen. Aber das ist ein Zeichen, dass Sie auf dem richtigen Weg sind, weil diese Sätze Ihren unbewussten Konflikt ansprechen.
(Mehr über den Zusammenhang von ungünstigen Denk- und Verhaltensgewohnheiten und innere Konflikte finden Sie in meinem Buch.)

  • Trauen Sie sich, stolz zu sein und Neid zu erregen.
    Das ist ganz schwer für viele Frauen. Der tiefere Sinn Ihrer Tiefstapelei ist nämlich genau das. Sie haben Angst davor, dass andere schlecht über Sie reden, vielleicht sogar neidisch auf Sie sind. Für Männer ist das weniger schwer, weil deren Devise ist: „Mitleid bekommt man geschenkt. Neid muss man sich erarbeiten.“
    Doch das hat viel mit Geschlechtsstereotypen zu tun. Jungen lernen früh, sich mit anderen zu messen und ihren Platz in der Hierarchie zu finden. Bei den Spielen der Mädchen geht es jedoch selten um das Messen von Fähigkeiten und das Gewinnen.
    Hier müssen alle gleich sein und wer sich herausstellt, gilt schnell als zickig und wird ausgegrenzt („Die will was Besseres sein.“)

    Hier also zwei Experimente dazu. Wenn Ihnen das nächste Mal etwas toll gelingt, sagen Sie nicht: „Das war Zufall … das hätte jeder gekonnt … das war doch nichts Besonderes.“
    Sondern probieren Sie aus, erst mal den Satz zu denken: „Das tolle Ergebnis habe ich allein mir und meinen Fähigkeiten zu verdanken.“ Oder „Ich bin einfach gut.“

 

Auch den Satz werden Sie wahrscheinlich nicht ohne Kloß in der Kehle oder Magengrummeln denken können. Macht nichts – Sie üben.

Wenn Sie ihn denken können ohne dass Ihnen übel wird, probieren Sie aus, ihn ganz leise zu flüstern – wenn niemand in der Nähe ist. Und achten Sie auf Ihre Reaktionen.

Nach einiger Zeit gehen Sie mal volles Risiko und probieren aus, den Satz im Beisein von anderen zu sagen. (Jetzt wissen Sie, was ich mit „Verlassen der Komfortzone“ meine.)

Dasselbe können Sie ausprobieren, wenn Ihnen etwas misslingt. Statt alle Schuld auf sich zu nehmen, lernen Sie von Männern und erklären Sie: „Das war aber auch verdammt schwer“ oder „Da hatte ich keinen guten Tag.“
Bei beiden Experimenten geht es nicht darum, dass Sie das immer machen. Es geht darum, dass Sie Optionen zu Ihren bisherigen Denk- und Verhaltensgewohnheiten entwickeln.

  • Üben Sie, nicht alles auf sich zu beziehen.
    Nach dem 4-Ohren-Modell von Schultz von Thun hat jede Nachricht vier Ebenen. Viele Menschen tendieren dazu, kritische Aussagen vor allem auf dem „Beziehungsohr“ zu verstehen. Das mag vom Sender sogar so gemeint sein. Dennoch sagt der Sender damit auch gleichzeitig etwas über sich selbst aus.

 

Wenn der Chef Sie ärgerlich anraunzt, heißt das nicht unbedingt, dass Sie eine komplette Versagerin sind. Es kann auch bedeuten, dass er Ärger mit seiner Frau oder ein Magengeschwür oder einfach kein Benehmen hat.

Bleiben Sie in solchen Momenten bei sich. Grenzen Sie sich innerlich ab. Schaffen Sie eine Distanz zwischen sich und dem anderen und schauen die Szene von außen an.

  • Finden Sie Ihren zweiten Teil dieses Satzes.
    Der erste Teil lautet: „Nein, ich bin keine Hochstaplerin, sondern …“
    Zum Beispiel:
    „…, sondern genauso gut wie die anderen.“
    „…, sondern genau am richtigen Platz.“
    „…, sondern ziemlich unentbehrlich.“
    „…, hier weil mich meine Chefin dringend braucht.“

    Sie verstehen das Prinzip. Nehmen Sie den Satz, der Ihnen am schwersten fällt. Das ist wahrscheinlich der richtige.

kommentar Fühlen Sie manchmal auch als Hochstaplerin?

 

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Foto: © istock.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.