„Spuren statt Staub.“ Oder: Warum Ihre Arbeit Sinn machen muss.

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Als ich das Ziel verloren hatte, verdoppelte ich das Tempo. (frei nach Mark Twain)

Als ich das Ziel verloren hatte, verdoppelte ich das Tempo (frei nach Mark Twain)

Rezension des Buches von Anja Förster und Peter Kreuz.

Ob ich ein Fachbuch gut finde, merke ich daran, wie gelb es am Ende ist. Denn ich lese immer mit einem gelben Marker in der Hand. Meine letzte Lektüre „Spuren statt Staub“ ist ziemlich gelb geworden.

Der Buchtitel stammt von einem Zitat von Saint-Exupéry („Der kleine Prinz“):

„Geh nicht nur die glatten Straßen.
Geh Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt
und nicht nur Staub.“

Das Buch handelt also von Veränderung und weil das auch mein Thema ist, hat mich das Buch interessiert. Schon beim Durchblättern merkt man: das Buch plädiert nicht nur für das „Anderssein“, es ist auch anders. Eine sehr aufgelockerte Typographie, auf  jeder Seite ein kleiner Infokasten oder ein Bild (u.a. die Autoren beim Hausputz und beim „Kärchern“). Der Schreibstil ist direkt, frech und oft ironisch.

Das Buch ist unbequem – und gut.

Unbequem, weil es einem die Ausreden aufzeigt, mit denen man die eigene Unzufriedenheit sich immer wieder wegerklärt. Dies aber nicht belehrend, sondern mit vielen tollen Beispielen, wie Menschen, denen es auch so erging, anders gemacht haben. Individuell oder als Unternehmen. Und gut, weil es viele Beispiele und Denkanstöße gibt.

Ein Beispiel: Meinen Sie, dass es Sinn macht, für ein Unternehmen, das  Putzmittel herstellt, besondere Unternehmenswerte aufzustellen? Wie zum Beispiel: „Wir glauben, dass Dreck in all seinen schleimigen, stinkenden, giftigen Inkarnationen der öffentliche Feind Nummer Eins ist.“ Und diese vielleicht auch auf der Website als „Manifest“ zu veröffentlichen?

Es gibt viele Unternehmen – weltweit und in Deutschland – die es „anders“ machen. Und Erfolg damit haben. Und Geld verdienen. In dem Buch finden Sie als Unternehmer, Führungskraft, Selbständiger Anregungen und Argumente, warum es wichtig, sich neu zu erfinden und seinen eigenen Weg zu gehen. Warum ist das wichtig?

Die betriebswirtschaftliche Begründung lautet, weil Übergang zur Wissensgesellschaft, Globalisierung, demografischer Wandel, Facharbeitermangel etc. für genügend Veränderung sorgen werden. Eine andere Perspektive wäre: weil der wichtigste Wettbewerbsvorteil leidenschaftliche und engagierte Mitarbeiter sind, die ihr volles Potenzial ausschöpfen wollen. Und weil engagierte Mitarbeiter von sich aus motiviert sind und mehr Spaß bei der Arbeit haben.

Die zentrale These von Förster und Kreuz steht auf Seite 13:

Einzig Unternehmen, denen es gelingt,
Mitarbeitern und Kunden einen echten Beweggrund anzubieten
– nicht nur eine Geschäftsbeziehung -,
haben künftig eine Chance gegen die globale Konkurrenz.

Rumms.

Dieser Beweggrund lässt sich mit einem kurzen Wort beschreiben: Sinn.

Menschen, die mehr Erfolg und Befriedigung in ihrem Beruf suchen, gibt es viele. Doch was ihnen zumeist fehlt, ist Inspiration, also Sinnstiftung. „Spirit“ (engl. für Sinn, Geist etc.) In 24 Kapiteln zeigt das Autorenduo, warum es sich lohnt, ausgetretene Pfade zu verlassen, und wie sich Sinn im Management und im eigenen Leben manifestieren kann.

Denn Deutschlands Arbeitnehmer finden immer weniger Sinn in ihrer Arbeit. Das zeigt der Engagement-Index des Gallup-Instituts Jahr für Jahr: 67 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland fühlen sich kaum noch an ihr Unternehmen gebunden und machen Dienst nach Vorschrift, 20 Prozent haben innerlich bereits gekündigt. Lediglich 13 Prozent der Beschäftigten verspüren eine echte Verpflichtung gegenüber ihrem Unternehmen und arbeiten hoch engagiert.

Doch wie erzeugt man Sinn?

Ein Experte auf diesem Gebiet ist der österreichische Psychiater Viktor Frankl, den seine Erfahrungen im Konzentrationslager der Nazis dazu brachten, auf diese Frage Antworten zu finden. Nach dem Krieg entwickelte er daraus die Logotherapie. Er fand heraus:

„Sinn kann nicht gegeben werden, sondern muss gefunden werden.“

Sinn ist notwendig. Denn „durch die Realisation eigener Stärken im Rahmen eines Dienstes an einer höheren an einer höheren Sache erhalten Menschen die Chance auf ein erfülltes, sinnvolles Leben und Arbeiten.“ (S. 183) Und die Autoren fanden bei ihren Recherchen: „Menschen, die für ihre Sache brennen und weit über ihren Gesichtskreis hinaus Anziehungskraft entwickeln, sind immer auch Sinnstifter.“ (S. 191)

Sinn ist jetzt keine Selbstzweck und auch kein Plädoyer für Gutmenschentum. Sinn hat auch knallharte ökonomische Gründe. Einige der Kapitelüberschriften weisen darauf hin:

  • Wie Chefs beides schaffen: Sinn und Profit
  • Warum Bilanzen keinen Sinn stiften
  • Wie man es schafft, Talentmagnet zu werden statt Mitarbeiter zu rekrutieren
  • Wie man es schafft, Kundenmagnet zu werden statt Kunden zu werben
  • Wer Spuren hinterlassen will, muss vorausgehen
  • Warum laue Ziele keinen Spirit erzeugen
  • Wo Spirit herrscht, sind Menschen motiviert
  • Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser

Doch wie bekommt man solche leidenschaftlichen Mitarbeiter? Wo verstecken die sich?

Die gute Nachricht: wahrscheinlich in Ihrem Unternehmen.

Wer erwachsene Mitarbeiter haben will, darf diese nicht wie Kinder behandeln.

Zwei Gründe, warum ich nie mehr als Angestellter in bestimmten Firmen arbeiten könnte, lauten Stechuhr und Urlaubsantrag.Es ist  grotesk, dass erwachsene Menschen, die außerhalb der Firma Familien gründen, Regierungen wählen, gemeinnützige Projekte leiten, Häuser bauen oder Kinder erziehen, in vielen Unternehmen wie kleine Kinder behandelt werden.

Und penibel nachweisen müssen, wie viel Geld sie für Reisespesen ausgegeben haben. Wo schief geguckt wird, wenn sie morgen zehn Minuten „zu spät“ kommen oder abends eine Stunde „zu früh“ gehen. Die für einen Arztbesuch einen Antrag ausfüllen oder einen halben Tag frei nehmen müssen. Die eine betrieblich notwendige Ausgabe über 72 Euro vom Vorgesetzten abzeichnen lassen müssen usw. Da bleibt der Sinn schnell auf der Strecke, was auch immer wohl tönend in der Imagebroschüre des Unternehmens stehen mag.

Dass es auch anders geht, zeigen zum Beispiel die Prinzipien, nach denen die brasilianische Firma Semco arbeitet oder das Projekt ROWE-Prinzip, nach dem die US-Kette Best Buy viele innerbetrieblichen Kontrollen einfach abschaffte und Mitarbeiter und Geschäftsführung zufriedener als vorher wurden.

Doch das Buch wendet sich nicht nur an Unternehmer, Vorstände und Geschäftsführer. Es ist auch ein Buch für jeden, der hin und wieder über sein Leben reflektiert und sich fragt, warum er eigentlich arbeitet. Und den die üblichen Gründe „Von irgendwas muss man ja leben“ nicht genügend überzeugen. Darum geht es im Kapitel 23: „Sein Leben entwerfen und umsetzen“.

Die wichtigste Frage: „Was wollen Sie eigentlich vom Leben?“

Der Teil gefällt mir mit am besten. Denn Menschen, die zu mir in Seminare und Coachings kommen, wollen auch etwas verändern. Und haben oft dieselben Erklärungen wie sie Förster und Kreuz zitieren:

„Ich würde ja so gern xy machen, aber es geht halt nicht.“
„Ich kann ja nicht.“
„Das Risiko kann ich nicht eingehen.“

Ein 5-Sterne-Gefängnis in Australien

Wer wollte aus diesem 5-Sterne-Gefängnis in Australien noch ausbrechen?

Und sie zitieren Dostojewski (S. 238):

„Die beste Methode, einen Gefangenen davon abzuhalten, aus dem Gefängnis auszubrechen, besteht darin, ihm das Gefühl zu vermitteln, dass er sich gar nicht in einem Gefängnis befindet.“

Und wer an die scheinbare Sicherheit seines Jobs glaubt (lesen Sie meinen Blogartikel zu dem Thema)  und sich an die Annehmlichkeiten von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Firmenwagen plus Anrecht auf einen Parkplatz,  Urlaubsgeld etc. gewöhnt hat, tut sich oft schwer mit der Idee, noch mal etwas ganz anderes zu tun – und dafür erst einmal auf all das verzichten zu müssen.

Oft ist diese Suche nach einer sinnerfüllenden Tätigkeit nicht leicht. Die wenigsten Karrieren beginnen mit einer großen Entscheidung, die dann für das ganze Leben gültig ist. Meist ist es ein laufender Suchprozess:

„Einfach mal anfangen. Lernen, Entscheidungen treffen. Zuhören. Fragen stellen.
Auf seinen Bauch bzw. sein Herz hören.
Die Initiative ergreifen. Wieder Entscheidungen treffen. Ziele definieren.
Die weitere Zukunft planen. Neue Ziele definieren. Wieder Entscheidungen treffen. Und so weiter.

Die schlechte Nachricht: Das hört nie auf. Die gute: Zum Glück hört das nie auf!“ (S. 242)

Arbeit ist dann für uns attraktiv und macht Spaß, wenn sie auf der Ebene des individuellen Erlebens als sinnvoll empfunden wird, die individuellen Stärken eingebracht werden können und man sich entfalten kann.

Für diesen Suchprozess schlagen die Autoren drei Fragen vor:

  • „Was sind meine individuellen Stärken?“
  • „Wofür brenne ich?“
  • „Was kann oder will ich überhaupt nicht?“

Als Führungskraft im Unternehmen gelten ähnliche Fragen: (S. 54)

  • Wozu sind wir hier?
  • Wozu tun wir das?
  • Wozu sollten wir das Projekt anpacken, jenes Ziel verfolgen oder die Veränderung mitmachen?
  • Wozu arbeiten wir so zusammen, wie wir es tun?
  • Wozu wollen wir besser sein als die Konkurrenz?Oder noch etwas visionärer:
  • Welcher Zweck würden den größten Einsatz aller unserer Mitarbeiter verdienen?
  • Welche lohnende Sache würde die Menschen dazu bewegen, ihr Talent großzügig in den Dienst unseres Unternehmens zu stellen?

Klar ist, drei Prozent mehr Umsatz im Quartal erzeugt bei den meisten Mitarbeitern keinen Sinn. Auch hehre Unternehmensleitbilder sind oft austauschbar, nichtssagend und kaum motivierend.

Eine Ausnahme sind zum Beispiel die Werte von netflix:

In ihrem Buch „Spuren statt Staub“ zeigen die Autoren an vielen Beispielen, wie Wirtschaft Sinn macht. Dabei werden nicht nur große Firmen wie Apple, Microsoft, Gore zitiert, sondern auch die deutsche Kammerphilharmonie in Bremen, die dm-Drogeriemarktkette, Weleda, der Babynahrungshersteller Hipp oder eine Metzgerei.

Das Buch macht Mut.

Den Menschen, die spüren, dass die Gehaltszahlung am Monatsende eine Gegenleistung für die gegebene Arbeitskraft darstellt. Aber dass Geld allein keinen Sinn erzeugt.

Den Menschen, die manchmal männchenmalend im Meeting sich die Frage stellen: „Was mache ich eigentlich hier?“

Den Menschen, die nach der Lektüre begreifen, dass sie nicht allein mit ihrer Suche sind. Und dass es viele Menschen gibt, die etwas Entscheidendes in ihrem Berufsleben geändert haben.

Meine Empfehlung: Lesen Sie das Buch. Und beschäftigen Sie sich mit der Frage: „Welche Spuren will ich hinterlassen?“

kommentar Wie sinnvoll empfinden Sie Ihre Arbeit?
Oder welche Aufgabe wäre für Sie sinnvoller als Ihre jetzige?

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Foto: © dietz artwork, Fotolia.com u. istockphoto.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

8 Kommentare

  1. Andrea sagt

    Ich habe diesen Artikel fast andächtig gelesen. Ich liebe meine Arbeit. Allerdings wurden die Rahmenbedingungen so verändert, dass die Arbeitsmenge nicht mehr zu schaffen war. Da meine Meinung dazu ja irrelevant ist, habe ich es dennoch versucht mit dem Ergebnis, dass ich krank geworden bin.
    Ich habe mich nun entschieden, dass ich so bald wie möglich in Rente gehen will, da ich es nicht einsehe, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Sehr schade….

  2. Michael Blanz sagt

    Hallo Herr Kopp-Wichmann,

    ich wollte selber gerade eine Rezension dieses tolles Buches schreiben, da bin ich auf diesen tollen Artikel gestoßen, der alle Kernpunkte trifft und auch meine Meinung zum Buch wiederspiegelt.
    Mitunter ist das auch ein Grund warum ich meinen sicheren Job als Filialleiter einer Sparkasse gekündigt habe, um jetzt endlich das zu machen, was ich möchte. Total verrückt, was dieses und noch ein paar andere Bücher für eine Wirkung haben können!
    Nun meine Frage:
    Dürfte ich evtl. eine Kopie des Artikels in meinem Verkaufsblog als Gastbeitrag von Ihnen veröffentglichen?

  3. Hallo Herr Rumpf,
    ja, die Fragen von John Strelecky sind wirklich die zentralen Fragen, die man in unterschiedlichen Kontexten stellen kann. Eine gute Ergänzung zu „Spuren statt Staub“ ist auch das Interview mit Nils Pfläging über die Entbehrlichkeit von Budgets, Planung und Zielen im Juni-Heft von brandeins.

    Danke für Ihren Beitrag.

  4. Hallo Herr Kopp-Wichmann,

    eine tolle Zusammenfassung des Buches. Ich habe es vor kurzem als Hörbuch gehört. Da sprechen die beiden Autoren selbst und das gibt dem Ganzen noch ein wenig zusätzliche Würze, weil Ironie und Ablehnung (zu bestimmten Vorgehen und Verhalten) noch stärker rüber kommen! Ebenso wie in deren Buch/Hörbuch „Alles, außer gewöhnlich“, das die beiden davor veröffentlicht haben.

    Auch mir haben bei „Spuren statt Staub“ die Fragen zum Sinn des Lebens sehr gefallen, da sie vieles bewirken können, doch fehlt vielen der Anstoß, sich damit zu beschäftigen „Ich habe ja keine Zeit …“

    Als tolle Ergänzung zu dem Buch von Anja Förster und Peter Kreuz finde ich die Bücher von John Strelecky, in denen es (aus Sicht des Einzelnen) ebenfalls darum geht. Den ZDE (Zweck Deiner Existanz) zu erkennen. Eine Kurzrezension des Buches „Das Cafe am Rande der Welt“ habe ich in meinem Blog: http://bit.ly/Cafe_am_Rande
    In seinem zweiten Buch „The Big Five for Life“ geht es zum einen darum, seine 5 Dinge/Erlebnisse zu notieren, die jeder unbedingt noch erleben will. Und es schließt sich der Kreis zur Wirtschaft. Einen Sinn in der Arbeit finden vor allem jene, die in einem Unternehmen arbeiten, das den gleichen oder ähnlichen ZDE haben wie das Unternehmen, denn auch das sollte ja seinen Sinn definieren.

    Ich wünsche jedem die Erkenntnis, zu wissen was ihn wirklich bewegt und was ihm wichtig ist. Dazu den Mut auch Dinge zu tun für die man die Komfortzone verlassen muss (Thema angestellt oder selbständig, was ist sicherer?)

    Gruß
    Oliver Rumpf

  5. Diese anregende Buchrezension passt sehr gut zur Tagung „Zukunft der Arbeit – Karma des Berufs“, die letzte Woche in Bochum statt fand.

    Also gebt eurem Leben – und insbesondere eurer Arbeit – endlich einen ganzheitlichen Sinn.
    Danke!

    M. E. kann da auch eine zeitgemäße Karmaarbeit hilfreich sein.

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