Achtsamkeit – das beste Mittel gegen Ihren Alltagsstress.

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Achtsamkeit / Emotionale Intelligenz / Gesundheit / Zeitmanagement

Wie finden Sie die Balance zwischen Reagieren und Handeln?

In den letzten Jahren wird Achtsamkeit öfters als „State of the Art-Ansatz“ in der Psychotherapie gelobt.

Ich lernte Achtsamkeit bereits 1983 auf einem Workshop mit Ron Kurtz kennen – und war von diesem Ansatz restlos begeistert. Deshalb absolvierte ich meine Ausbildung (damals meine dritte Therapieausbildung) bei ihm und Halko Weiss und gründete mit einigen Kollegen zusammen das HAKOMI-Institut in Europa, das wir gemeinsam zwanzig Jahre leiteten.

Noch heute ist Achtsamkeit ein wesentliches Element in meinen Persönlichkeitsseminaren und der Arbeit mit Menschen. Ich glaube mittlerweile – auch durch meine Beschäftigung mit der Neurobiologie – dass es ohne Achtsamkeit kaum möglich ist, sich nachhaltig zu verändern.

Was ist „Achtsamkeit“?
Und was macht sie so wertvoll?

Das moderne Leben ist für viele  Menschen mit einer enormen Informationsüberflutung verbunden. Morgens im Bad hört man schon Nachrichten, beim Frühstück wird die Zeitung überflogen, im Auto zum Büro telefoniert man mit Kunden, im Büro die übliche Hektik.

In der Mittagspause essen Sie mit Kollegen, nachmittags wieder Arbeit und Termindruck, zu Hause wartet die Familie oder Sie landen – zum Entspannen – vor dem Fernseher. Kurz vorm Schlafengehen werden noch die letzten Mails vom Smartphone gecheckt. Gute Nacht!

Dieses gewaltige Pensum an permanenter Informationsverarbeitung schaffen wir mit Hilfe unseres „Alltagsbewusstseins“. Das ist ein bestimmter psychischer Zustand, den man sich wie den „Autopilot“ eines Flugzeugs vorstellen kann. Routineaufgaben werden durch automatisierte Gewohnheiten erledigt, ökonomisch, effektiv, zeitsparend.

Doch wer sein Leben überwiegend im Modus des Autopiloten verbringt, verpasst das Leben. Er funktioniert, aber er lebt nicht. Das Leben besteht dann nur noch aus einer endlos scheinenden „To-do-Liste“, die nie abgearbeitet ist, weil sie immer nachwächst.

„Achtsamkeit“ ist ein anderer psychischer Zustand, der uns zur Verfügung steht. Praktisch ist Achtsamkeit das Abschalten des eigenen Autopiloten durch eine andere Form der Wahrnehmung.

Im Autopilotmodus funktioniert man. Man betrachtet die Dinge des Lebens vor allem als etwas, auf das sofort reagiert werden muss. Sie treten morgens aus der Haustür, Ihr Blick geht in den Garten und Sie denken: „Der Rasen muss mal wieder gemäht werden.“

Im Zustand der Achtsamkeit fällt Ihr Blick morgens unter der Haustür vielleicht auch auf den Garten. Sie sehen das Gras, vielleicht die Tautropfen auf den Halmen, bemerken einige Blätter auf dem Terrassenboden, sehen das Blau des Lavendelstocks.

Das heißt jetzt nicht, dass im Zustand der Achtsamkeit Ihr Rasen meterhoch wächst. Der Autopilot ist ja nicht schlecht, sondern sehr nützlich – wenn Sie ihn immer wieder abschalten können. Wenn Sie eine Wahl haben, nicht nur automatisch zu reagieren.

Ein Beispiel: auf der Fahrt im Auto, Sie wollen noch über die Kreuzung, würden es auch schaffen, wenn da nicht ein Auto vor Ihnen langsam zuckeln würde. Die Ampel springt auf Gelb, sie rufen „Fahr doch!“. Der Wagen vor Ihnen bremst. Sie auch. Aber innerlich sind Sie auf Hundert. Pures Adrenalin. Sie schimpfen auf den Vordermann, als wieder grün ist, überholen Sie und schauen verächtlich auf den lahmen Fahrer.

Das Fatale daran: Sie waren nicht in einem Formel-Eins-Rennen auf dem Hockenheimring, sondern in der Weserstrasse vor einer Ampel. In Nullkommanix war Ihr Stresspegel hoch – und Ihr Körper braucht etwa zwanzig Minuten, diesen Stress wieder abzubauen. aber eigentlich ging es um nichts. Außer, dass Ihr innerer „Beeil-Dich-Antreiber“ am Steuer saß.© Roman Milert - Fotolia.com

Die Kenntnis der Achtsamkeit hilft, automatische Gedanken- und Gefühlsabläufe zu unterbrechen. Das kann Ihnen helfen, eingeschliffene Verhaltensreaktionen auf äußere Reize oder innere Gefühle zu regulieren. Insofern ist Achtsamkeit ein Prozess der De-Automatisierung von den eigenen Denk- und Gefühlsroutinen. Nicht um sie los zu werden, denn sie sind ja oft nützlich. Sondern um die Wahl zu haben, sie abzuschalten und die Welt, die Menschen und sich selbst anders wahrzunehmen.

Wie lernt man nun Achtsamkeit kennen?

Hier eine kurze Anleitung:

  1. Sie setzen sich hin.
    Am besten an einem Ort, wo Sie für eine Weile ungestört sind. Das kann Ihr Büro, Ihr Fernsehsessel, der Sitz im Auto (nicht während der Fahrt!) sein.
  2. Sie schließen die Augen.
    Das hat den Vorteil, dass Sie keine optische Informationen verarbeiten müssen.
  3. Sie richten Ihre Aufmerksamkeit zuerst auf Ihren Körper.
    Zum Beispiel auf Ihre Füße. Spüren Ihren Rücken, wie er gegen die Lehne drückt. Nehmen Ihre Hände wahr. Spüren Ihren Atem usw.
  4. Sie richten Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Gefühle.
    Versuchen zu spüren, wie es Ihnen gerade geht. In welcher Stimmung Sie gerade sind.
  5. Sie richten Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Gedanken.
    Stellen Sie sich vor, Sie sollten Ihre Gedanken aufschreiben. Dazu müssten Sie beobachten, was für Gedanken auftauchen.
  6. Dann nehmen Sie einen tiefen Atemzug und öffnen wieder die Augen.
    Das kann nach drei Minuten sein oder nach zehn Minuten, ganz wie Sie wollen.

Achtsamkeit ist aus meiner Sicht keine Übung. Auch wenn Autoren wie Jon Kabat-Zinn Achtsamkeit aus dieser Methode ein Programm zur Reduktion von Stressreduktion entwickelt haben.

Wenn Sie lieber bei der Achtsamkeit angeleitet werden, hören Sie eine Anleitung für 5 Minuten Achtsamkeit:

Also, Achtsamkeit hat kein Ziel. Es gibt nichts zu verbessern oder zu verändern. Sie können damit sich anders kennenlernen, vielleicht einen anderen Kontakt zu sich finden. Aber bitte keine neue Aufgabe auf der To-Do-Liste daraus machen. Konkret heißt das während der Achtsamkeit:

  • Sie müssen nichts verändern.
    Angenommen Sie bemerken eine Anspannung im Körper. Sie brauchen jetzt nichts tun, um sich zu entspannen. Es reicht, die Anspannung wahrzunehmen, vielleicht genauer zu untersuchen. Aber alles ohne Druck, etwas erreichen zu müssen. Die Anspannung, Ihren Ärger oder einen Gedanken einfach nur wahrzunehmen, genügt.
    Achtsamkeit ist ein Weg, um etwas zu entdecken nicht um es zu verändern. Paradoxerweise kann sich gerade durch dieses „Nicht-Tun“ viel verändern.
  • Sie müssen nichts erklären.
    Angenommen Sie spüren eine Spannung im Rücken. Sie müssen jetzt nicht erklären, woher die kommt (schlecht geschlafen, zu wenig Bewegung, Bandscheibenvorfall). Achtsamkeit ist die Erlaubnis, etwas einfach wahrzunehmen, was da gerade ist. Es ist keine Anamnese- oder Diagnosemethode.
  • Sie müssen nichts bewerten.
    Im Autopilotmodus vergleichen und bewerten wir unaufhörlich. In der Achtsamkeit ist das nicht nötig. Was Sie innerlich beobachten (Körperempfindungen, Gefühle, Gedanken) brauchen Sie also nicht zu bewerten („Das klappt prima/überhaupt nicht.“ „Ich kann sowas nicht.“ etc.) Wenn Sie bewertende Gedanken beobachten, macht nichts. Sie lassen sie einfach vorüberziehen.

Wie hilft Achtsamkeit, Stress zu reduzieren?

Vor allem dadurch, dass Sie mittels Achtsamkeit erst einmal kennenlernen können, wie Sie sich selbst stressen. Sie haben richtig gelesen: Wie Sie sich selbst stressen!

Denn entgegen der landläufigen Meinung, dass das Leben (die Arbeit, der Chef, der Stau) uns stresst, denke ich, das sind einfach nur Situationen. Den Stress daraus müssen Sie sich schon selbst machen.

Ein Beispiel: Ihr Chef schnauzt Sie und Ihren Kollegen an. Sie sind nach einer halben Stunde immer noch aufgebracht und gestresst über diese Ungerechtigkeit. Ihr Kollege ist ganz ruhig und sagt zu Ihnen: „Der hatte schlechte Laune heute morgen. Das nehme ich nicht persönlich.“

Vielleicht stimmen Sie der Einschätzung Ihres Kollegen zu und Ihr Ärger verschwindet. Wenn nicht, machen Sie sich wahrscheinlich weiter Stress. Aber Sie wissen im Grunde gar nicht genau, wie Sie das machen. Dabei kann Ihnen nun die Achtsamkeit helfen (Hinsetzen, Augen schließen, Körper, Gefühle und Gedanken beobachten).

In der Achtsamkeit könnten Sie zum Beispiel einen Gedanken beobachten wie „Das ist total ungerecht, dass der mich so anschnauzt!“ Sie spüren eine Anspannung im Hals oder ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Jetzt brauchen Sie nichts analysieren, bewerten oder krampfhaft suchen. Achtsamkeit öffnet Ihnen nämlich den Weg zu Ihrem eigenen Unbewussten. Sie können wahrnehmen, wie  Ihre Psyche arbeitet.

Dazu brauchen Sie nur achtsam wahrnehmen, was als nächstes auftaucht. Vielleicht eine Erinnerung an eine andere Ungerechtigkeit, die Sie erlebt haben. Vielleicht taucht auch eine Erinnerung an eine Szene aus Ihrer Kindheit auf, als Ihr kleiner Bruder etwas anstellte und Sie bestraft wurden …

Und plötzlich verstehen Sie etwas besser über sich. Warum Sie die Einstellung Ihres Kollegen zu Ihrem Chef nicht so einfach übernehmen konnten. Weil die Situation mit dem Chef bei Ihnen das Thema „ungerecht behandelt werden“ auslöste. Und dieses Thema noch nicht gut verarbeitet wurde.

Achtsamkeit ist also eine Möglichkeit des „Self-Monitoring“.
Das heißt, wenn Sie das, was an Gedanken, Gefühlen oder Handlungsimpulsen in Ihnen aktiviert wird, gleichzeitig beobachten und reflektieren können, haben Sie bessere Chancen zu verstehen, was in Ihnen los ist. Und dadurch haben Sie auch die Chance, sich davon zu lösen.

Wenn Sie Lust und Zeit haben (ca. 20 Minuten) hier eine Anleitung, wie Sie mittels Achtsamkeit eigenen Themen auf die Spur kommen können:

Oder wenn Sie nicht so viel Zeit haben, hier ein fünfminütiges Video:

httpv://www.youtube.com/watch?v=1IQA_IRZNPE

kommentar Wie gehen Sie mit STress um?

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.