Männerschicksal: Konkurrenz, Karriere, Kollaps.

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Gesundheit / Partnerschaft

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Für ein Frauenleben galten früher häufig die 3 K’s: „Kinder, Küche, Kirche“.

Dank der Frauenbewegung wurden diese traditionellen Wertvorstellungen mit der Zeit abgebaut. Heute versteht man bei Frauen damit oft mehr den Konflikt zwischen Kindern, Küche und Karriere.

Doch für das durchschnittliche Männerleben herrscht immer noch die in der Überschrift genannte verhängnisvolle Dreierfolge „Konkurrenz, Karriere, Kollaps“.

Das zeigt wieder einmal die Untersuchung der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) in ihrem Bericht über die Männergesundheit. Welche erschreckenden Folgen für Männer diese einseitige Ausrichtung auf „männliche“ Werte hat, zeigen nüchterne Statistikzahlen (von 2007):

  • Männer wiesen fünfmal mehr Krankheitstage wegen Herzinfarkt auf als Frauen.
  • An Lungenkrebs und Leberzirrhose starben doppelt so viele Männer wie Frauen.
  • Wegen Schlafstörungen waren Männer fünfmal so häufig im Krankenhaus wie Frauen.
  • Wegen Depressionen stieg die Zahl der Fehltage von Männern seit dem Jahr 2000 um 18 Prozent.

Woran liegt das?

Es sind vor allem die verinnerlichten Geschlechterrollen, die ein angemessenes Gesundheitsverhalten ermöglichen bzw. erschweren.

  • Männer sind öfter als Frauen in Unfälle verwickelt, denn sie betreiben häufiger Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko und Konkurrenz. Verrenkungen des Sprung- oder Kniegelenkes sowie Frakturen von Händen, Füßen und im Schulterbereich sind bei Männern im Schnitt mehr als doppelt so häufig.
  • Lungenkrebs ist nicht nur extrem gefährlich, er betrifft auch fast doppelt so viele Männer wie Frauen. Männer rauchen nicht nur häufiger, sie gehen auch seltener zum Arzt. Auch Prostata- und Darmkrebsvorsorge nehmen viele Männer auf die leichte Schulter. Nur jeder Vierte lässt regelmäßig die empfohlenen Untersuchungen durchführen.
  • Männer kompensieren Stress und Probleme häufig auf besonders ungesunde Weise. Viele greifen beispielsweise zum Alkohol. Zwischen 40 und 45 Jahren ist die alkoholische Leberkrankheit bei Männern die häufigste Todesursache. Dazu kommt, dass der Alkohol häufig weitere Probleme verursacht, wie etwa psychische Konflikte, Streit in der Familie oder Jobverlust, was sich wiederum negativ auf die Gesundheit auswirkt.
  • Auch um gesunde Ernährung machen sich Männer typischerweise wenig Gedanken. Fast jeder Dritte sagt: „Hauptsache, es schmeckt!“ Tatsache ist aber: Eine ausgewogene Ernährung schützt vor schlechten Cholesterinwerten, Arterienverkalkung und verringert das Risiko von Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall.
  • Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Familie machen die meisten Männer allein mit sich selbst aus. Das verstärkt den Druck und kann mittelfristig zu Depressionen und anderen ernsten Krankheiten führen.

Speziell das Depressionsrisiko wird bei Männern zumeist unterschätzt. Sowohl von den Betroffenen als auch von Fachleuten.

Das hat auch etwas mit dem Genderbias bei der Diagnosezuweisung zu tun. Will heißen: bei Frauen werden wesentlich häufiger Depressionen diagnostiziert, obwohl Männer mit 63 Prozent aller Sterbefälle durch Suizid mehr als die Hälfte ausmachen. Das hängt damit zusammen, dass die männertypischen Symptome einer Depression, wie aggressives Verhalten, Feindseligkeit, Gereiztheit, Unruhe oder geringe Stresstoleranz häufig von Hausärzten nicht als ernstzunehmende Signale erkannt werden.
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Einige psychologische Hintergründe dieses „Männlichkeitswahns“ will ich hier nur kurz andeuten. Ausführlich, kompetent und humorvoll tut das mein Berufskollege Björn Süfke in diesem Buch: Männerseelen. Ein psychologischer Reiseführer

Was steckt hinter dem Männlichkeitswahn?

Es sind meiner Ansicht nach u.a. zwei Einstellungen bzw. Verhaltensweisen:

  1. Belastungen oder mögliche Gefahrensignale werden falsch interpretiert.
    Diese Signale werden nicht als nützliche Hinweise für eigene Grenzen gesehen, sondern als Herausforderung interpretiert, diese Grenzen „tapfer“ zu überschreiten („Das wollen wir doch mal sehen.“)
    Kein Mann würde bei einem Warnsignal seines Autos (Öldrucklampe geht an) sagen: „Das wird schon wieder!“ oder „Ich hab jetzt keine Zeit für sowas!“ sondern würde die nächste Werkstatt ansteuern. Doch bei körperlichen Warnsignalen reagieren viele Männer genauso.
  2. Wir Männer sind dauernd damit beschäftigt, unsere männliche Identität zu stabilisieren.
    Sozialisations- und erziehungsbedingt tun wir das häufig, indem wir unserer Konkurrenz beweisen wollen, dass wir stark, unverletzlich und unfehlbar sind.
    Deswegen können wir ja auch gemeinhin schlechter als Frauen mit Kritik oder Niederlagen umgehen. Mit diesem „Stark-Sein-Wollen“ („Ich bin doch kein Weichei!“) stabilisieren Männer also häufig die eigene männliche Identität. Dabei spielen innere Antreiber oft eine wichtige Rolle.

Dies lässt sich verstehen als ein Akt der Selbstvergewisserung.
Da Identität immer ein fragiles Konstrukt ist („Wer bin ich wirklich?“) muss diese immer wieder gestützt werden. Was wir dabei als unterstützend und was als destabilisierend erleben, hängt mit der persönlichen Landkarte zusammen, die man dazu hat.

Dabei gilt, je unsicherer man der eigenen Identität ist, umso mehr ist man auf die Stützung durch entsprechende Symbole angewiesen. Und umso mehr müssen Elemente, die man als schwächend für die eigene Identität erlebt, abgewehrt werden.

  • So haben beispielsweise machtbewusste kleine Männer oft große Frauen.
  • Fast die Hälfte der deutschen Top-Manager ist größer als 1,90 Metern, obgleich die Durchschnittsgröße deutscher Männer bei 1,77 Metern liegt.
  • Die NPD-Partei wird wohl nie einen schwulen Vorsitzenden wählen und die Bischöfe in Rom wohl nie eine Päpstin.
  • Auch der Anteil der Väter, die in Deutschland die bezahlte Elternzeit („Wickelvolontariat“) wählen, ist bei Männern und ihren männlichen Vorgesetzten – im Vergleich zu den skandinavischen Ländern – noch deutlich steigerungsfähig.

Zurück zur Männergesundheit.

All die oben erwähnten Gesundheitsrisiken, denen Männer sich aussetzen, dienen also auch der Stabilisierung der männlichen Identität. plakette.jpgAlles was dabei als „umsichtig“ oder gar „besorgt“ gelten könnte, muss erst mal ausgeblendet werden. Die Scheu vieler Männer, eigene Grenzen der Kraft, der Energie, der Erschöpfung angemessen zu berücksichtigen, gilt als unmännlich. Die regelmäßige Autoinspektion wird penibel eingeplant. Der jährliche Checkup für die Gesundheit wird dagegen oft nicht gemacht.

Die Heidelberger Psychologie-Professorin Monika Sieverding forscht seit Jahren über die akzeptanz von Vorsorgemaßnahmen. „Männer sind Vorsorgemuffel“ ist ihr Ergebnis. Vorsorge habe bei ihnen ein schlechtes Image. Wer beispielsweise Prostata und Darm regelmäßig untersuchen läßt, gilt laut der Studie als „ängstlich“ und „unmännlich. (Erinnert mich an den bekannten Autofahrerspruch: „Wer bremst, hat Angst.“ )

Diesen Beitrag können Sie sich hier als Podcast anhören oder auch hier herunterladen.

kommentar Wie gehen Sie als Mann mit Ihrer Gesundheit um?

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Foto: © Bernd Leitner – Fotolia.com, istock.com


Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.