Dem Lebenssinn mit sechs seltsamen Fragen näher kommen.

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Achtsamkeit / Glück / Zeitmanagement

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Eines Tages, ich war vielleicht fünf Jahre alt, stolzierte ich ins Wohnzimmer und verkündete meinen Eltern meinen Lebenssinn: „Ich werde mal Künstler!“ An die Reaktion meiner Mutter erinnere ich mich nicht mehr. Vermutlich irgendwas zwischen „Wenn du meinst,“ und „Du spinnst ja!“ Aber von da an stand es fest.

Was da wahrscheinlich durchschlug, war der genetische Code meines Vaters. Seine Eltern waren beide Künstler (erfolglos) und auch mein Vater konnte gut malen und schnitzen, was er neben seinem Beruf als Autoverkäufer aber nur in der Freizeit tat.

Leider hinkten meine künstlerischen Fähigkeiten im Gymnasium meinem Lebenssinn hinterher. Die Hausaufgaben im Zeichenunterricht musste mein Vater zu Hause (auf Geheiß meiner Mutter) immer noch verschönern.

Aber die Vision des Fünfjährigen hat mich immer begleitet. Nach dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg stand ich vor der Entscheidung: Psychologie- oder Kunststudium. Zum Glück entschied ich mich für ersteres und kann deshalb heute problemlos die Jahresrate der Autoversicherung bezahlen.

Gezeichnet und gemalt habe ich immer wieder im Lauf meines Lebens. Im Urlaub und in speziellen Mußestunden. Seit einem halben Jahr mache ich diesen Cartoon-Zeichenkurs.

Ich schreibe heute darüber, weil ich glaube, dass jeder im Grund seines Herzens weiß, was sein „Lebenssinn“ ist. Nur allzuoft ist einem der Zugang zu diesem Sinn versperrt.

Die meisten Menschen haben jedoch keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Schon gar nicht, wenn sie die Schule hinter sich haben. Oder nachdem Sie eine Ausbildung gefunden haben. Oder einiges Geld verdienen.

Es ist ein innerer Kampf, durch den jeder Erwachsene geht: „Was will ich mit meinem Leben anfangen? Was erfüllt mich mit Leidenschaft? Was ist der Sinn in meinem Leben?“ In meinen Persönlichkeitsseminaren fragen mich das sogar Teilnehmer, die vierzig oder fünfzig Jahre alt sind. Sie haben immer noch keine Ahnung, was sie erfüllt und der Sinn ihres Lebens ist.

Teil des Problems ist das Konzept des Lebenssinns.

Also die Idee, dass wir mit irgendeiner vorher bestimmten Aufgabe geboren werden und es jetzt unsere kosmische Aufgabe ist, diesen verborgenen Sinn zu finden.

Na dann, viel Glück.

Mittlerweile sehe ich das anders. Wir werden ins Leben geworfen, wie Sartre das ausdrückte, und dürfen hier eine unbestimmte Zeit verbringen. Während dieser Zeit machen wir alles Mögliche. Einige dieser Dinge sind wichtig. Manch anderes Thema ist unwichtig.

Aber nur die wichtigen Dinge, die wir tun, geben unserem Leben Bedeutung, Sinn und Zufriedenheit. Mit den unwichtigen Dingen schlagen wir lediglich die Zeit tot.

Wenn Menschen also fragen: „Was soll ich mit meinem Leben machen?“ oder „Was ist der Sinn meines Lebens?“ meinen sie eigentlich:
„Was kann ich mit meiner Zeit machen, das wichtig ist?“

Das ist eine viel konkretere Frage als die nach dem Lebenssinn. Denn jetzt kann man sich dran machen, alle möglichen Dinge, die es so gibt, daraufhin zu prüfen, ob sie für einen selbst wichtig sind.

Dabei können die folgenden sechs Fragen nützlich sein. Aber Vorsicht: möglicherweise kommen Sie mit Ihren Einfällen und Antworten auf diese Fragen Ihrem Lebenssinn bedenklich nahe. Bedenklich deshalb, weil wenn man weiß, was für einen wichtig oder unwichtig ist, kann man das nicht mehr so leicht verdrängen. Heißt also, man muss dann Entscheidungen treffen.

Also zur ersten Frage:

 1. Was essen Sie lieber: Thunfisch-Pizza oder vegetarische Lasagne?

Ah, die allerwichtigste Frage. Denn in dieser Entscheidung scheint ein Stück Wahrheit über das Leben auf, das uns in der Schule niemals verraten wurde:

Nichts ist umsonst. Jede Sache kostet etwas. Zeit.

Okay, keine weltbewegende Einsicht. Aber die Folgen dieses schlichten Satzes sind weitreichend. Man kann darüber verzweifeln – oder die große Freiheit darin sehen.

Alles hat seinen Preis. Man muss immer etwas hergeben. Nichts ist vergnüglich oder immer toll. Die Frage ist also: wie viel Kampf oder Opfer wollen Sie ertragen?

Das ist der Unterschied in der ersten Frage. Wenn Sie mit einem Mordshunger Abend nach Hause kommen. Haben Sie noch den Nerv, sich eine halbe Stunde in die Küche zu stellen, um Gemüse zu schnippeln und dann noch mal vierzig Minuten darauf warten, dass die Lasagne im Ofen schön braun wird? Oder reicht Ihr niedriger Blutzuckerspiegel maximal noch die sieben Minuten, bis Sie die Tiefkühlpizza aus der Mikrowelle holen können?

Denn bei der Frage nach dem Lebenssinn geht es genau um diese Frage:

Was ist Ihnen so wichtig, dass Sie Durststrecken, Misserfolge und lästige Begleitumstände in Kauf nehmen und vor allem auch durchstehen können?

  • Wenn Sie eine brillante Idee haben und sich damit selbständig machen wollen, müssen Sie viele Fehlschläge einstecken, vielleicht die ganze Verwandtschaft anpumpen und werden lange nicht wissen, ob Sie jemals davon leben können.
  • Wenn Sie ein berühmter Anwalt werden wollen, müssen Sie schon Ihr Examen mit Auszeichnung bestehen, sich in einer großen Kanzlei gegen andere durchbeißen und nichts gegen achtzigstündige Arbeitswochen über die nächsten zwanzig Jahre einzuwenden  haben.
  • Wenn Sie Schauspieler werden wollen, müssen Sie damit rechnen, Jahre in Provinztheatern  für viel Beifall und wenig Geld zu spielen. Ab einem bestimmten Alter engagiert Sie niemand, es sei denn, Sie sind Mario Adorf. Und die Rente aus der Künstlersozialkasse reicht vielleicht gerade für den Jahresausweis in der Stadtbücherei, damit Sie tagsüber einen warmen Ort mit viel Anregungen haben.

All das ertragen Sie nur dann, ohne depressiv zu werden, wenn Sie die Tätigkeit lieben. Wenn Sie also Ihren Lebenssinn gefunden haben.Das ist die Grundvoraussetzung.

Aber wie findet man so eine Tätigkeit? Vielleicht mit der nächsten Frage.

 

2. Wobei haben Sie als Achtjähriger Zeit und Raum vergessen?

Ich bin Einzelkind, war schüchtern, hatte kaum Freunde,  verbrachte deshalb die meiste Zeit zu Hause – und langweilte mich.

Bis ich Bücher entdeckte. Speziell eines: Robinson Crusoe. Stundenlang las ich, wie dieser Schiffbrüchige an einer einsamen Insel strandete. Menschenleer, wie er anfangs meinte. Und wie er sich aus dem, was er vorfand erst einen Unterschlupf, später eine Baumhöhle baute. Sich das Jagen beibrachte, um irgendwie zu überleben.

Ich habe dieses Buch viele Male verschlungen und fing an, mir auszumalen, wie ich dort ganz auf mich allein gestellt nicht nur überleben, sondern mir ein erträgliches Leben gestalten könnte.

Wenn ich heute auf mein Leben zurückschaue, erkenne ich immer wieder Phasen, in denen ich diese Robinson-Energie brauche und lebe.

Ich fing mit 22 Jahren an, Gedichte und kleine Parabeln zu schreiben. Ich behielt die Sachen für mich, zeigte sie niemandem (vielleicht zum Glück!) aber ich entdeckte dabei, wie sehr ich es liebte, kreativ zu sein. Mir etwas auszudenken, dem eine Form zu geben, daran zu feilen bis es gut war. Wunderbar!

So wie Robinson sich sein Baumhaus gemütlich machte, einem Papagei das Sprechen beibrachte und zu immer größeren Wanderungen auf der unbekannten Insel aufbrach, so eroberte ich mir den Raum der Ideen, Worte, Reime.

Die meisten von uns verlieren den Kontakt mit dem, was wir als Kinder liebten.

Daran haben das Schulsystem, die Wertvorstellungen der Eltern und die Mechanismen des kapitalistischen Systems maßgeblichen Anteil. Dass sie nämlich von klein auf gelernt haben, dass der einzige Grund etwas zu tun, darin liegt, dass Sie eine Belohnung dafür bekommen.

Aber damit können Sie sich jetzt auch nicht ewig rausreden.

 

3. Wann vergessen Sie zu essen und aufs Klo zu gehen?

Der Ungar mit dem für uns unaussprechlichen Namen Mihály Csíkszentmihályi hat diese Erfahrung zu dem einprägsamen Begriff „Flow“ geprägt. Ein Zustand, bei dem man

  • Total konzentriert bei der Sache ist.
  • Sich weder unter- noch überfordert fühlt.
  • Und laufend Feedback über die Fortschritte seines Tuns erhält.

Ein sehr befriedigender Zustand, den Sie sicher kennen. Entweder von der Arbeit oder vom Videospielen oder vom Sport. Aus Minuten werden Stunden und nachdem viel Zeit vergangen, merken Sie: „Verdammt, ich hab total das Mittagessen vergessen!“

Denken Sie jetzt mal nach: Wann in Ihrem Leben ist Ihnen das immer wieder passiert? Dass Sie so in eine Sache vertieft waren, dass Sie Essen, Schlafen und Auf’s-Klo-Gehen völlig vergaßen.

Und filtern Sie jetzt heraus, was genau eigentlich das Faszinierende daran war. Denn diese Qualität, diese Fähigkeit, diese Erfahrung brauchen Sie, um dem Sinn Ihres Lebens näher zu  kommen.

 

4. Wie werden Sie die Welt verbessern?

Wenn Sie die Nachrichten regelmäßig verfolgen, wissen Sie, dass die Welt ein paar Probleme hat. Eigentlich nicht die Welt aber wir Menschen in ihr. Okay, wie lange das noch gut geht, weiß niemand. Vielleicht erleben Sie es noch, vielleicht auch nicht.

Die ganze Welt können Sie vielleicht nicht retten, nehmen Sie also ein kleineres Problem. Davon gibt es hunderttausende: Flucht, Armut, Hunger, Überbevölkerung, Raubbau, Ausbeutung, Bildung, Stress, Gewalt, geistige Gesundheit …

Es ist bestimmt was dabei, wo Sie einen nützlichen Beitrag leisten können. Suchen Sie sich etwas aus, das Ihnen am Herzen liegt – und fangen Sie an! Sie müssen es nicht gleich lösen, aber zu einer Lösung beitragen, Schritt für Schritt Ihren Beitrag leisten.

Und dieses Gefühl, einen wichtigen Beitrag zu leisten, ist unverzichtbar für Ihre eigene Zufriedenheit und Erfüllung.

 

5. Was würden Sie tun, wenn Sie Ihren Lebensunterhalt nicht verdienen müssten.

Das ist ja die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Die Gegner dieses Konzepts antworten auf die Frage: „Nichts.“ Und schließen von sich auf andere, sind also überzeugt, dass es die Mehrheit der Leute genauso machen würde. Nichts.

Die Befürworter sind optimistischer und glauben, dass die meisten Menschen weiterhin tätig sein wollten – aber mit Aufgaben, die kreativer, spielerischer, nützlicher und sinnstiftender wären – weil vom kommerziellen Druck, davon leben zu müssen, befreit.

Das bedingungslose Grundeinkommen geht davon aus, dass jeder Mensch gerne etwas leidenschaftlich tun würde. Dabei gibt es jedoch ein Missverständnis:

Leidenschaft ist das Ergebnis von Handeln.
Nicht die Ursache.

Zu entdecken, was Sie leidenschaftlich tun und was für Sie wichtig, also sinnvoll ist, braucht immer einen Prozess von Versuch und Irrtum. Niemand weiß im Vorhinein, wie er ein Tun erlebt – bis er es tut.

Denken Sie nach. Angenommen Sie müssten jeden Tag das Haus verlassen außer zum Schlafen. Für Ihren Lebensunterhalt wäre gesorgt. Was würden Sie mit der Zeit anfangen? Was würden Sie tun? Wo würden Sie hingehen?

Ein paar Ideen? Schreiben Sie sie auf. Solche Impulse sind flüchtig wie Träume. Keine Ideen? Bleiben Sie dran an der Frage.

 

6. Angenommen, Sie hätten noch ein Jahr zu Leben. Welcher Lebenssinn wäre dann noch wichtig?

Dazu gibt es eine alte Zen-Geschichte.

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Ein Mann, der über eine Ebene reiste, stieß auf einen Tiger. Er floh, den Tiger hinter sich. Als er an einen Abgrund kam, suchte er Halt an der Wurzel eines wilden Weinstocks und schwang sich über die Kante. Der Tiger beschnupperte ihn von oben. Zitternd schaute der Mann hinab, wo nur der Abgrund war. Allein die Wurzel des Weins hielt ihn.

Zwei Mäuse, eine weiße und eine schwarze, machten sich daran, nach und nach die Weinwurzel durchzubeißen. Da sah der Mann eine saftige Erdbeere neben sich. Während er sich mit der einen Hand am Wein festhielt, pflückte er mit der anderen die Erdbeere. Wie süß sie schmeckte!

Die Frage „Noch ein Jahr zu leben“ ist ein klassischer Versuch, durch eine Begrenzung der Ressourcen, seine Prioritäten neu zu ordnen. Weil man dann entscheiden muss, was einem wirklich wichtig ist. Denn unsere Untätigkeit und das Vertrödeln der Lebenszeit entsteht auch dadurch, weil wir den Tod verdrängen und denken, wir hätten noch ewig Zeit.

Ich arbeite manchmal mit Menschen, für die obige Frage kein Gedankenexperiment ist, sondern die Konsequenz einer ärztlichen Diagnose. Fast alle diese Menschen wissen innerhalb kürzester Zeit, womit sie sofort aufhören werden – und was sie unbedingt noch tun und erleben wollen. Die Begrenzung der Ressourcen macht immer kreativ – und entschlossen.

Wenn Menschen fühlen, dass sie die Richtung in ihrem Leben verloren haben, dann deshalb weil sie nicht mehr wissen, was für sie wichtig ist. Sie wissen nicht, was sie als wertvoll betrachten.

Und wenn Sie Ihre Prioritäten nicht kennen, keine Richtung in Ihrem Leben haben, werden Sie leicht zum Opfer überflüssiger Produkte und können bald auf einer Apple-Watch für achthundert Euro sehen, wie Ihre Lebenszeit verrinnt.

Oder Sie machen sich die Werte anderer Menschen zu eigen und leben deren Prioritäten statt Ihre eigenen.

PS: Wenn Sie trotz intensiver Suche Ihren Sinn des Lebens noch nicht gefunden haben, blockiert Sie vielleicht ein innerer Konflikt.
Solche Konflikte aufzuspüren und zu bearbeiten, gelingt fast immer in meinem 3-h-Coaching.

kommentar Kennen Sie Ihren Lebenssinn?
Wenn nicht, was tun Sie, um ihn zu entdecken?

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Bild: © www.cartoon4you.de


Wenn Sie mehr Unterstützung bei Ihrem Problem möchten, lesen Sie meine Fallgeschichten:

Business-Coachings

Life-Coachings

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Da besonders viele Leser über diesen Artikel zum ersten Mal auf meinen Persönlichkeits-Blog kommen, hier ein paar weitere beliebte Texte zum Einstieg:


 

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.