Mann, Frau, Beziehung – und der 2. Satz der Thermodynamik.

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Partnerschaft

In meinen Persönlichkeitsseminaren und Coachings, in denen es vor allem um berufliche Themen geht, frage ich nach einer Weile auch nach dem privaten Umfeld.

Denn beides gehört für mich zusammen. In der Partnerschaft und Familie werden wir, wenn es gut läuft, akzeptiert ohne Besonderes leisten zu müssen.

Im Beruf finden wir, wenn es gut läuft, Abstand von der Liebe und können unser kreatives Potenzial nutzbringend einsetzen.

Doch damit es in beiden Bereichen “gut läuft”, braucht es Aufmerksamkeit und Einsatz.

Denn nach dem 2. Satz der Thermodynamik wird alles von alleine schlechter:

  • Die Fensterrahmen Ihres Hauses verwittern.
  • Ihr sauberes Auto wird von alleine dreckig.
  • Die Schreibtischordnung verschwindet unter Briefen, Akten und Notizen.
  • Ihr Garten verwildert.
  • Ein Projekt droht, gegen die Wand zu laufen.
  • Und dasselbe passiert mit Ihrer Beziehung im Lauf der Zeit.

Will man das verhindern, muss man etwas dafür tun. Aufräumen, pflegen, instandhalten.

Bei Haus, Auto, Schreibtisch , Garten und Projekt akzeptieren wir das. Und tun auch meist das Notwendige. Dass auch eine Beziehung Zeit, Aufmerksamkeit und Pflege braucht, glauben viele erst dann, wenn man „sich auseinander gelebt hat“.

Hier kommen ein paar Denkanstöße und konkrete Anregungen, wie Sie den “Garten Ihrer Liebe” auf die Dauer pflegen können.

1. Verwechseln Sie nicht Liebe mit Partnerschaft.

Für eine Partnerschaft entscheidet man sich, die Liebe stößt einem zu. In einer Partnerschaft kann und soll man vieles verhandeln (Rollen, Aufgaben, Rechte etc.). Für die Liebe gibt es keinen Vertrag, keine Garantie. Ein Anspruch auf Vertragstreue besteht nur für Partnerschaften, nicht für die Liebe.

Idealerweise pendelt Ihre Beziehung zwischen diesen beiden Polen. Die Liebe macht die Partnerschaft schwierig aber auch aufregend. Ohne Partnerschaft kann man schwer die Liebe mit den Anforderungen des Alltags in Einklang bringen.

 

2. Eine Beziehung ist keine Gerichtsverhandlung.

Schon vor Gericht ist das Klären der Schuldfrage meist schwierig, da es dazu unterschiedliche Auffassungen gibt. Und der versuchte Ausgleich eines Schadens durch Strafe (Gefängnis für Diebstahl) beruhigt vielleicht das Rachegefühl des Geschädigten, doch für Partnerschaften ist die immer wieder auftauchende Frage nach der Schuld kein gutes Modell.

Das Leben ist oft ungerecht und in einer Partnerschaft kann es auch nicht immer gerecht zugehen. Allein deshalb weil die Maßstäbe des Vergleichens subjektiv sind. Wie will man einen vergessenen Hochzeitstag, den Schmerz einer Affäre ausgleichen? Durch das biblische „Auge um Auge“, durch kompensatorische Geschenke?

Bitte kein Missverständnis: ich glaube, dass man auf den Ausgleich von Geben und Nehmen in der Partnerschaft achten muss (Sind die Rechte und Pflichten einigermaßen gerecht verteilt?). Doch das Aufrechnen, Schuldzuweisen und die Unterwerfung bzw. Buße mögen in der Justiz ihren Platz haben (wo sie ja auch oft wenig bringen), in einer Beziehung halte ich sie für unangemessen.

Hilfreicher ist dabei oft mehr das Akzeptieren und Vergeben. Damit macht man weniger dem anderen ein Geschenk als sich selbst. Denn das Festhalten an der Schuld (und der daraus folgenden Bestrafung) verstärkt den irrealen Glauben, dass es im Leben und in der Beziehung gerecht zugehen müsse.

 

3. Manche Paare trennen sich zu früh vom Falschen.

Wenn es in der Beziehung nicht mehr stimmt, die Missverständnisse und Verletzungen überhand nehmen, taucht nach einiger Zeit der Gedanke an Trennung als Lösungsweg auf.

Manchmal kommt so ein Paar vorher zu mir. Und oft stellt sich heraus, dass tatsächlich eine Trennung ansteht. Doch nicht vom Partner, sondern beispielsweise die

– Trennung von einem Elternteil.
Denn damit aus einer Verbindung zwischen Mann und Frau ein Paar wird, ist es notwendig, dass beide von ihren Eltern abgelöst sind. Dabei spielt die innere Ablösung eine größere Rolle als die äußere. Doch sich abzulösen ist gar nicht so einfach – und für die Eltern ist es manchmal auch nicht leicht, den erwachsenen Sohn oder die Tochter loszulassen.

Die notwendige Ablösung wird meist auf zwei Arten vermieden:

1. durch zu große Anpassung.
Hierbei passt man sich zu sehr an einen Elternteil oder beide an. Hat vielleicht dreimal die Woche telefonischen Kontakt, wohnt recht nah bei den Eltern, verbringt Weihnachten so wie es die Eltern erwarten anstatt das Fest nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Die extremste Ausprägung ist der “Muttersohn” und die “Vatertochter”.

2. Durch Rebellion.
Hier macht man in allem das Gegenteil. Statt nah zu wohnen, zieht man mindestens vierhundert oder zweitausend Kilometer weit weg. Leben die Eltern recht konservativ, pflegt man in allem einen alternativen Lebensstil oder verweigert gänzlich den Kontakt.
Doch Rebellion ist noch kein eigener Weg. Es ist Anpassung mit umgekehrtem Vorzeichen.

Auch für die Eltern ist es nicht leicht, sich von den Kindern zu lösen, bedeutet es doch, den Eintritt in eine neue Lebensphase zu begrüßen und zu akzeptieren. Und je nachdem, wie dies empfunden wird, freut man sich auf das Neue – oder hält eben an der Elternphase, und damit an den Kindern, fest. Viele Schwiegermütter-Witze haben die nicht geglückte Ablösung des Sohnes von der Mutter zum Thema. (Und viele der Witze sind traurige Realität.)

Mangelnde Ablösung in der Paarbeziehung zeigt sich oft darin, dass auf den Partner unbewältigte Themen projiziert (übertragen) werden. Indem der Partner als zu dominant, nicht einfühlsam, nicht fürsorglich genug etc. erlebt wird.

– Manchmal muss man sich auch von einem inneren Anspruch trennen – anstatt vom Partner.

Gerade Menschen mit Perfektionsansprüchen haben es zuweilen schwer, einen Partner zu finden, der vielleicht nicht perfekt ist – aber eben gut genug. Das Suchen nach “einem noch besseren Partner” bleibt fast immer unbefriedigend und die erwogene Trennung gilt hier eben oft nicht dem Partner, sondern eher der als schwieriger erlebten Trennung von einem unerfüllbaren Partnerideal.

Mitunter werden auch Forderungen und Ansprüche an sich selbst – und die oft unerfüllbar bleiben – auf den Partner projiziert. Da repräsentiert der Partner dann vielleicht den eigenen, verdrängten “Schatten”.

 

4. Eine Paarbeziehung braucht das ständige Gespräch.

Die meisten Paare reden zu wenig persönlich miteinander. Damit meine ich das Sprechen über Gefühle wie Freuden, Ängste, Wünsche und Sehnsüchte. Über das Alltägliche und das gemeinsam Organisatorische wird gesprochen, doch das Wesentliche in einer Beziehung ist nicht das Alltägliche, sondern eben das Persönliche.

Denn unser Wohlfühlen in der Beziehung hängt ganz entscheidend von dem ab, was wir unwillkürlich und unbewusst wahrnehmen.

Ein seltsamer Blick der Partnerin, eine Antwort, die wir fehlinterpretieren, der Andere reagiert nicht so, wie wir es uns wünschen. All das ist normal und in einer Beziehung unvermeidlich. Doch genau das ist der leichte “Flugrost”, der sich anfangs unmerklich auf die Beziehung legt. Beachten und entfernen wir diese dünne Rostschicht nicht regelmäßig, wird sie mit der Zeit immer dicker und legt mit der Zeit wichtige Verbindungen lahm.

Die Folge: typische kommunikative Missverständnisse, bei denen einfache Meinungsverschiedenheiten zu fast unlösbaren Konflikten sich auswachsen.

Kränkungen und Verletzungen sammeln sich unterschwellig als Bodensatz der der Beziehung an. Oft leiden Erotik und das Begehren unter dieser Sprachlosigkeit, denn Sexualität ist sehr störungssensibel, und was das Paar ausmacht, ist vor allem die Sexualität. Eine Beziehung führen, auch mit Kindern, kann man ja auch als “Wohngemeinschaft” (zur Kinderaufzucht und Hypothekentilgung).

Zwiegespräche sind eine besondere Form des Austauschs mit einer bestimmten Form. Die Wirkungen des Zwiegesprächs sind mannigfach. Man lernt dabei:

  • sich selbst wahrzunehmen,
  • von sich zu sprechen,
  • dem anderen zuzuhören,
  • sich wechselseitig anzuerkennen,
  • sich einander zuzuwenden,
  • dialog- und konfliktfähiger zu werden,
  • die Bedürfnisse des anderen und die eigenen Wünsche als gleichrangig zu betrachten,
  • an Selbstvertrauen zu gewinnen.

Wie geht ein Zwiegespräch?

Es ist ganz leicht – aber nicht einfach. Verabreden Sie sich pro Woche für eine Stunde – zu einer Zeit, in der Sie ungestört durch Kinder, Termine, Telefon, Handy etc. sind.

  • Setzen Sie sich einander gegenüber.
  • Machen Sie aus, wer A und wer B ist. (Die Rollen wechseln)
  • A hat zehn Minuten Sprechzeit. A muss nicht die ganze Zeit sprechen, kann auch schweigen aber das Einhalten der zehn Minuten ist wichtig.
  • B hört so genau wie möglich zu. Also keine Fragen. Keine Kommentare, auch keine nonverbalen wie Seufzen, Augenrollen etc.
  • Nach zehn Minuten Rollenwechsel. B hat zehn Minuten Sprechzeit und A hört zu. Dabei muss der Nachfolgende nicht auf das Thema des vorherigen Sprechers eingehen. Er kann es aber tun.
  • Das Thema kann ganz allgemein sein: „Was mich zur Zeit stark beschäftigt – innerhalb oder außerhalb der Beziehung.” Bei Paarkrisen kann man auch das Thema wählen. „Wie ich mich in unserer Beziehung fühle.“

Wichtig: Pünktlich beginnen, pünktlich aufhören. Zwiegespräche nie verlängern oder verkürzen. Auch kein Nachkommentieren, sondern erst einmal auseinander gehen und das Gesprochene und Gehörte für sich “verdauen”.

Einige Tipps zum besseren Gelingen: – Nicht theoretisieren, sondern mehr von konkreten Erlebnissen und Beispielen berichten. – Möglichst nicht den anderen diagnostizieren, be- oder verurteilen, sondern beim eigenen Erleben bleiben („Mir geht es so und so, wenn Du das machst”¦ Ich wünsche mir manchmal ”¦ Geärgert hat mich ”¦“) – Die Gefühle während des Sprechens und Zuhörens beachten und einbringen.

Vielmehr geht im Zwiegespräch jeder der Frage nach: “Was bewegt mich zurzeit am stärksten?”

Gefragt ist vor allem das eigene Erleben. Einer erzählt dem anderen, wie er gerade sich, den anderen, die Beziehung und sein Leben erlebt. Die Partner tauschen also ihre Bilder (Landkarten) ihres Erlebens aus.

Zwiegespräche fördern auch die Fähigkeit, bei sich zu bleiben und den anderen in seiner Verschiedenheit kennen und annehmen zu lernen.

Zwiegespräche sind ein machtvolles Mittel der Begegnung und werden deshalb wegen der ungewohnten Intensität auch eventuell als anstrengend erlebt.

Die Regelmäßigkeit der Gespräche ist das Geheimnis ihres Erfolges. Durch die Struktur werden auch die häufigsten Kommunikationsmuster von Paaren in Krisen vermieden: einer greift an, der andere verteidigt sich oder schlägt zurück und so weiter.

Fazit: Ob zwei Menschen miteinander zufrieden/glücklich werden, hängt auch von den ‘Landkarten’ ab, die beide über Beziehungen haben. Glaube ich, dass mein Partner mir das geben muss, was ich glaube, von meinen Eltern nicht ausreichend bekommen zu haben, so wird die Beziehung schnell mit kindlichen Erwartungen überfrachtet, die man besser in einer Psychotherapie bearbeiten sollte.

Hoffe ich, in einer Beziehung meine Perfektionsideale verwirklichen zu können, so geht es mir vielleicht wie dem siebzigjährigen ledigen Mann, der gefragt wurde, ob er denn nie im Leben seiner Traumfrau begegnet sei. Er antwortete: “Doch, ein einziges Mal. Aber es wurde nichts zwischen uns, denn sie war auch auf der Suche nach Ihrem Traumpartner.”

 

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

3 Kommentare

  1. Kalr sagt

    Hallo, interessanter Blog. Bringt einen echt zum nachdenken. weiter so.
    Beste Grüße
    Karl

  2. Hallo Roland,

    ein sehr interessanter Beitrag. Wenn ich das richtig verstanden habe liegt die Essenz in der Kommunikation – denn auch m.E. nach wird häufig zu wenig über die Partnerschaft als solches gesprochen. Die Rollenverteilung, die sich meist „einfach so“ ergibt, ist unter Umständen nur bedingt die gewollte.
    Ich erlebe seit kurzem eine Beziehung und merke an mir selbst, wie sich manches einbürgert, dass beiden gegen den Strich geht. Man nimmt grundlos Rücksicht oder eben zu wenig und das führt zu Einschränkungen. Anfangs noch aus Liebe, später dann weil es „immer schon “ so war 🙂

    Wenn zu wenig oder nie über solche „Gegebenheiten“ gesprochen wird, entstehen seltsamste Gedankengänge, man „lebt sich auseinander“ obwohl ein zusammenleben durchaus möglich wäre – ja sogar obwohl man den/die idealen PartnerIn gefunden hat.

    Viele Grüße, Sebastian

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