Wie wird man ein guter Coach?

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Wie wird man ein guter Coach?

Ehrlich gesagt, ich weiß das nicht.

Ich kann nur meinen Werdegang als Beispiel anführen.

Eine meiner zentralen Eigenschaften ist der Eigensinn.
Den sehe ich als großen Vorteil. Wenn man sich gleichzeitig gut in andere Menschen einfühlen kann. Also die Dinge so zu tun, wie man sie selbst für richtig hält. Auch wenn andere einem davon abraten. Damit kann man mit den unterschiedlichsten Menschen gut arbeiten. Denn die meisten anderen Menschen sind auch eigensinnig.

Haben ihre ganz persönlichen Vorstellungen vom Leben.
Sind auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Glück.
Und verfangen sich in den Fallstricken der eigenen Bewältigungsstrategien.
Halten aber daran fest. Wollen keine Ratschläge.

Wollen am ehesten verstanden werden.

Mit Eigensinn braucht man irgendwann nicht mehr den Standards einer gelernten Methode zu folgen. Die sind am Anfang wichtig – als Geländer in unwegsamen Gebieten.

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Aber um einen Menschen wirklich als Coach zu begleiten, muss man die Hand vom Geländer nehmen. Und sich anvertrauen. Dem Unbekannten, das auch der Klient nicht kennt. Und das er aber gar nicht so genau kennenlernen will.

Und jetzt braucht es die zweite wichtige Eigenschaft eines guten Coaches.

Die Fähigkeit, Ungewissheit auszuhalten.
Unsicherheit mögen ja die meisten Menschen nicht. Wollen den Job, die Zeit, das Leben und sogar sich selbst managen. Immer aus Angst vor der Ungewissheit. Kommen zum Coach, damit der ihnen sagt, was sie tun sollen.
Aber in jedem Coaching geht es ja neben dem konkreten Anliegen immer auch um schwierige Fragen.

Wer bin ich eigentlich?
Was will ich wirklich im Leben?
Und – komme ich da jemals hin?
Solche beunruhigenden Fragen eben.

Da hilft jetzt kein Coach, der vorgibt, er wisse genau den Weg.
Vielleicht sogar noch das passende Tool aus der Werkzeugbox holt.
Only fools love tools.

Was Menschen in ein Coaching bringt, ist die Unzufriedenheit mit dem eigenen Verhalten. Und dafür wollen sie jemanden, der ihnen sagt, wie sie’s besser machen. Also: richtig.

Schon der Versuch führt fast immer in die Irre. „Ja, aber …“

Weil Verhalten nicht einfach veränderbar ist.
Weil jedes Verhalten eine Folge inneren Erlebens darstellt. Und gerade problematisches Verhalten immer auch die beste Lösung unbewusster Konflikte ist. Auf die kein Klient scharf ist, diese kennenzulernen.

Deshalb muss man als Coach „unter dem Radar“ reinfliegen.
So nenne ich das. Also diese inneren Konflikte ansteuern, aber so, dass die Wächter des Widerstands nichts merken.

Das geht am besten, indem man seiner Intuition vertraut.
Also dem Eigensinn, der einem einen Gedanken, einen Satz vorschlägt, wovon man selbst überrascht ist. Weil es nicht im Lehrbuch steht. Aber dafür plötzlich spürbar im Raum.

Wenn es schief geht, ist das okay.
Da ist wieder die Unsicherheit, die man als Coach gut aushalten muss, um jetzt nicht in Panik zu verfallen. Und dafür auf die Kooperation mit dem Unbewussten des Klienten zu vertrauen.

Gerade, wenn der Coaching-Prozess stockt, sage ich oft:
„Und jetzt?“
Und schaue den Klienten freundlich-neugierig an. Dann passiert immer etwas. Denn der Klient ist verwirrt. Wird ärgerlich. Merkt, dass ich auch nicht den Lösungsweg weiß.

Und jetzt warten wir gemeinsam.
Auf einen Einfall. Von ihm oder von mir, manchmal auch von uns beiden.
Auf ein Detail, das übersehen wurde. Auf ein Gefühl, das bisher nicht spürbar war. Auf eine Information, die als unwichtig abgetan wurde.

Und etwas verändert sich.
Vielleicht die Frage, mit der der Klient kam. Oder seine Einstellung dazu. Die Energie im Raum.

Das macht gutes Coaching so spannend. Für beide. Und die vielen Tools überflüssig. Natürlich habe ich nicht immer so gecoacht. Dazu war ich früher viel zu ängstlich. Zu ergebnisorientiert. Habe zu wenig mir selbst vertraut und mehr den Theorien und Modellen, die ich gelernt hatte.

Natürlich sind die anfangs wichtig. Aber irgendwann muss man die Stützräder abmontieren. Und sich darauf verlassen, dass man das Gleichgewicht schon findet.

Mit Eigensinn und dem Aushalten der Unsicherheit.

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

26 Kommentare

  1. Danke für den Artikel. Die Frage, ob man ein guter Coach ist, sollten in erster Linie die Kunden und Klienten bescheinigen oder durch deren positiven Erfolg (z.B. durch Veränderung) bestätigt werden.

  2. Wow, klasse Beitrag! Ich stimme Ihren Punkten zu. Aus meiner Sicht ist ein guter Coach, ein Trainer, der zu Beginn eine „Bestandsanalyse“ durchführen kann und weiß wo die Schwächen seines Mentees sind. So kann er das Coaching individuell ausrichten und ist auf der Spur des Erfolgs. Leider scheitern 90% bereits bei Punkt 1.

  3. Sandra sagt

    Herzlichen Dank für diesen tiefen, klaren und lebensbejahenden Blog. Da möcht ich hineinwachsen.

  4. Liebe Frau Ast,
    das Dilemma von Verbänden ist ja immer, dass sie Standards setzen müssen. Und dann auf deren Einhaltung pochen müssen.
    Das widerspricht aber völlig der Freiheit des einzelnen Coaches, der keinem Verband gegenüber verpflichtet ist, sondern nur seinen Klienten und seinen eigenen Werten. Der Preis für die Individualität – und Freiheit – ist eine gewisse „Einsamkeit“.

  5. Die Kommentare/Inhalte hier gingen mir noch lange nach. Viele beschreiben das Gefühl, das ich, spätberufener Coach, von Anfang an hatte: Ich coache anders als viele andere, was anfangs zu einer massiven Verunsicherung führte, und, weit schlimmer, einem Gefühl des Alleinseins.Der Begriff EINZELkämpfertum bekam fürwahr seine tiefe Bedeutung.

    Wo finde ich als Coach Coaches gleichen Grund-Sinnes?
    Seit Wochen und Monaten liegt z.B. das Anmeldeforumlar für den DVNLP auf dem Tisch.Ich kann mich nicht durchringen, dort beizutreten. Mein geistiges Coaching-Zuhause ist das eben nur bedingt.

    Hätte ich mehr körperliche Energien, ich würde einen CCC gründen: Einen Club (k)Critischer Coaches. 3,5, max. 10 Leitgedanken/Haltungen, auf die es gälte, sich zu einigen.
    Aber vielleicht ist das auch nur mein Problem (oder eh genereller von Frauen), dass ich/sie Verbundenheit mit Gleichgesinnten Einzelkämpfertum vorziehen? Wie auch immer,dass es sie gibt, zeigt mir eigentlich diese Plattform immer wieder.

    Herzliche Grüße
    Maria Ast

  6. Guten Abend Herr Kopp-Wichmann,

    Vertrauen, Intuition und Eigen-Sinn…

    Wunderbar beschrieben, ich finde mich sehr wieder!

    Passend dazu empfinde ich folgende Zeilen von Wolfgang Looss: »Interventionen sind im Extrem nicht etwas, was man „macht“, sondern was man als Beratungsperson mittels der viel beschworenen Präsenz „ist“.«

    Vielen herzlichen Dank für Ihren schönen Artikel!

    Beste Grüße sendet
    Christine Paulus

  7. Maria sagt

    Eine fundierte Ausbildung ist für den Coach unabdingbar, ebenso eine solide Methodenkompetenz. Wirklich „eigensinnig“ – ich nenne es auch mal intuitiv – zu coachen gelingt m.E. nur auf einer professionellen Basis. Zu dieser gehört auch eine Haltung des „Nicht-Wissens“, die sich im Raum der Möglichkeiten bewegt. Vielleicht ist das das Wichtigste, was eine gute Coaching-Ausbildung vermittelt. Und hier schließt sich der Kreis zu Ihrer Darstellung. Insofern, herzlichen Dank dafür!

  8. Dem Geschriebenen stimme ich voll zu. Eigensinn und die Fähigkeit, Unsicherheiten auszuhalten sind meines Erachtens nach ebenso wichtig wie ein sensibles Gespür für den richtigen Ton im rechten Moment. Viel mehr als Zertifikate und abgespulte Schrittfolgen lebt erfolgreiches Coaching von der erfahrenen und gereiften Persönlichkeit des Coaches.

  9. Sie sind der erste, von dem ich lese, dass er genauso arbeitet wie ich, Herr Kopp-Wichmann.
    Habe mich lange damit unsicher gefühlt, weil ich von anderen nie gehört (gelesen) habe, dass sie auch so arbeiten – aber der Spaß an meiner Arbeit und der Erfolg geben mir immer wieder recht und heute ist es ganz selbstverständlich geworden. Ich habe immer das Gefühl, ein trojanisches Pferd einzuschleusen – oft gelingt es – manchmal nicht.
    Danke für den schönen Artikel, der mir zeigt, dass mein Eigensinn auch sein gutes hat… war mir gar nicht so klar, dass der das Wesentliche an meiner Arbeit ist.
    Viel Freude weiter beim Bloggen und „unten durch fliegen“.

  10. Stephan Thaler sagt

    Fantastisch! Hätte ich so bisher nie gesagt, macht aber jetzt unheimlich sicher. Erinnert mich an die US-Soziologin Brené Brown, die sich dem Thema Verletzlichkeit und Unzulänglichkeit widmet.

  11. Hallo Herr Kopp-Wichmann,

    danke für den aneregenden Beitrag.
    Ich glaube, viele Menschen kommen zu uns, weil sie neben der Unsicherheit und Unzufriedenheit in ihrem Leben, wie Sie ja treffend beschreiben, ganz einfach wieder die Kontrolle über ihr Leben zurückerhalten wollen. Ich glaube niemand verliert gerne die Kontrolle.
    Die Frage nach Kontrolle und Macht hat bei mir sehr oft Bewegung in die stockende Gespräche gebracht.

    Herzliche Grüße

    Winfried Wershofen

  12. Michael sagt

    Eine gute Sichtweise.
    Ich finde auch, dass ein guter Coach transparent ist. Das er klarstellt, dass er sein bestmöglichstes versucht, aber kein Allheilmittel bieten kann. Und ich halte es auch für die Empathie wesentlich, wenn auch der Coach gewisse Problemlagen in seinem Leben gemeistert hat, und sich vielleicht später darauf spezialisiert. Das ist dann authentisches Coaching.

  13. Schön, dass Sie auch beim (Wort) Eigensinn gelandet sind. Ich verbinde damit anderes als Sie und auch meine Art zu coachen ist sicher eine andere, und dennoch glaube ich, ebenfalls ein guter Coach zu sein.

    Qualitätskriterium für mich ist,ob Coach selbst-reflektiert ist, sich selbst gut kennt und zu sich selbst und seinen Methoden auf „Meta“ gehen kann.

    Das ist bei einem Psychologen wie Ihnen ja schon mal eher gegeben, als beim „bloßen“ (Methoden)Coach. Intution ist generell auch ein Ergebnis auch von Erfahrung. Die hat manch junger Coach eben nicht, und braucht das Geländer.

    Zu „Only fools need tools“: M.E.gibt hervorragende ‚Tools‘, zu denen ich, um nur ein bekanntes Beispiel zu nennen, die Visualisierung des 4-Ohren-Modells zähle, die dem Coachee (nicht mehr dem Coach) helfen, zu erkennen und sich anders zu verhalten.
    Mein Lieblingssatz zu „tools“ ist von Watzlawick: Wer nur einen Hammer hat, für den sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Bandbreite an Tools halte ich nachwievor für wichtig und ist für mich mit Qualitätsmerkmal eines guten Coaches. Auch wenn er/sie sicher mit der Zeit sein oder ihre Art zu coachen gefunden haben.

    Herzlich grüßt – Maria Ast

  14. Jürgen Porbeck sagt

    Hallo, eine durchaus sehr berechtigte Frage, da es zunehmend mehr Coaches gibt. Im Coaching werden durchaus komplizierte Themen / Lebenssituationen besprochen. Dabei ist meines Erachtens auch die Zurückhaltung / Bescheidenheit des Coaches ein wichtiger Aspekt. Viele projizieren ihre Lebenserfahrungen in den Klienten hinein, haben wenig Kenntnisse über die Komplexität der modernen Gesellschaft und was ganz schlimm ist, sie klammern sich an den Folge-Auftrag des Klienten, weil sie ökonomisch bedürftig sind. Hier wird nicht gerade die Autonomie des Klienten gestärkt und die Unvollkommenheit des Menschen akzeptiert. Man kann sich nur wundern, wie eine traumatisierte Kriegsgesellschaft von 1950-1970 zu einen enormen Wirtschaftsaufschwung beigetragen hat und die Menschen im 21 Jahrhundert infantilisiert werden. Oder wieviele Coaches den Menschen bei ihrer Berufsfindung behilflich sein wollen.
    So kann ich nur hoffen, dass der Klient nicht in eine Psycho-Coaching-Falle tappt. Dann hilft wohl noch das Buch: Ich bleib so scheiße, wie ich bin: Lockerlassen und mehr vom Leben haben von Rebecca Niazi-Shahabi
    Viele Grüße

  15. Hanns-Lutz Oppermann sagt

    Dazu braucht’s es aber auch Talent und Intuition, denn Wissen allein ist gar nichts, soll doch niemand meinen er könnte coachen, wenn er sich selbst nicht kennt…

    Wichtige Diskussion, mehr Beispiele aus dem Berateralltag vieler Unternehmer wären wünschenswert, denn wie viele Berater hinterlassen verbrannte Erde, wenn sie in Aktion getreten sind….

  16. Steffi Wagner sagt

    „Only fools love tools“: Ein Hoch auf Eigensinn & Unsicherheit!

  17. Jeannine Dziwak sagt

    Sehr treffender Beitrag – entspricht auch meinen Vorgehensweisen….unten drunter reinfliegen, damit es die Wächter des Widerstands nicht merken.

  18. Peter Smolka sagt

    Ich lege auch noch einen drauf … gefällt mir auch sehr gut 😉

  19. Sehr schöne und zutreffende Beschreibung, Herr Kopp-Wichmann!
    Ja, zu Beginn ist das Geländer hilfreich und man sollte es nutzen. Aber erst wenn man dann ohne geht, kann man frei einen Klienten begleiten.
    Danke für den Artikel!

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