„Warum will ich kein Kind?“, fragte die Frau im Coaching.

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Zwanzig Prozent aller Frauen in Deutschland haben kein Kind. Die Gründe sind vielfältig. „Freiwillig“ kein Kind wollen etwa fünfzehn Prozent. Trotz Frauenemanzipation müssen sich heute noch Frauen oft rechtfertigen, wenn sie kein Kind wollen, als wäre Frausein gleichbedeutend mit Mutter-Sein müssen. Auch meine Klientin spürte diesen Druck. In diesem Fallbericht lesen Sie, was hinter ihrer Ambivalenz steckte.

„Haben Sie Vorurteile?“, wollte die Klientin sofort wissen.
„Jede Menge“, antwortete ich ehrlicherweise. “
„Aber was ist der Hintergrund Ihrer Frage?“
„Haben Sie auch Vorurteile gegenüber Frauen, die kein Kind wollen?“
„Habe ich noch nicht darüber nachgedacht … vielleicht … ist das wichtig?“, stammelte ich.

Blöde Frage von mir, dachte ich im selben Moment. Natürlich ist ihr das wichtig, deswegen fragt sie das ja als erstes. Meine Frage kam wohl daher, dass ich mich etwas überrumpelt fühlte. Noch dazu mit einer sehr persönlichen Frage. Im „Tatort“ sagt der Kommissar an so einer Stelle: „Die Fragen stelle ich.“

„Ich wollte mit meinem Problem eigentlich zu einer Frau, weil ich glaube, dass sie das besser verstehen könne“, fuhr Angelika M., 34 Jahre, Programmiererin, seit sieben Jahren in fester Beziehung, keine Kinder.
„Dann bin ich ja mit meinen Vorurteilen nicht der Einzige“, sagte ich. Die Klientin lachte: „Stimmt!“
„Aber ich fand keine passende und eine gute Freundin hat mir Sie empfohlen“.

Ich achte sehr darauf, schnell einen Draht zu neuen Klienten zu finden. Viele Studien belegen, dass die Beziehungsebene zwischen Coach und Klientin wichtig ist. Meiner Ansicht ist eine Klientin bei der Auswahl eines Coaches und dann in den ersten Minuten des Kontakts mit zwei Fragen innerlich beschäftigt:

  • Kann ich diesem Menschen vertrauen?
  • Kann dieser Mensch mir mit meinem Problem helfen?

Für beides hilft ein freundliches Interesse auf Seiten des Coaches, kluge Fragen, die den Coachee zum Nachsinnen einladen – und oft etwas Humor. Denn ein Lachen entspannt und jeder Coachee ist zu Beginn etwas aufgeregt.

„Es geht bei Ihnen also um die Kinderfrage?“ leitete ich zum Anliegen von Angelika M. über.
„Ja genau“, bestätigte die Klientin. „Ich will eigentlich kein Kind und wollte früher nie Kinder. Finden Sie das komisch?“

Mir fiel auf, dass Frau M. sich schon wieder danach erkundigte, was ich wohl denke. Das tun meistens Menschen, die es allen recht machen, ungerne anecken – und vor allem gemocht werden wollen.

„Wie gesagt, ich will eigentlich kein Kind beziehungsweise, ich bin mir unsicher, ob ich eins will oder eher nicht. Aber seit meinem dreißigsten Geburtstag bekomme ich immer mehr Fragen und Anspielungen zu dem Thema. Das sind so Fragen von Freundinnen wie „Na, wann ist es denn bei Euch so weit?“
Am schlimmsten ist es mit meinen Eltern. Sie scherzen manchmal, dass wir uns mit dem Nachwuchs nicht ewig Zeit lassen könnten, schließlich seien sie schon über siebzig. Ich habe den Eindruck, dass meine Entscheidung, kein Kind zu wollen, gar nicht richtig gehört oder akzeptiert wird. Und das verunsichert mich, so daß ich mich mittlerweile frage, warum ich kein Kind will.“ 

In vielen Bereichen des Lebens haben wir klassische Rollenbilder überwunden, weil viele Frauen selbstverständlich arbeiten und finanziell unabhängig sind. Sie stellen zahlenmäßig die Mehrheit in vielen Studienfächern. Frauen können Polizistin werden, Kranführerin oder Bundeskanzlerin.

Geht es aber um das Thema Mutterschaft, verfallen viele Menschen wieder schnell in traditionelle Rollenbilder. „Warum willst Du denn kein Kind?“ geht die Frage an die Frau. Viel seltener übrigens an den Mann.

Muttersein wird heute von vielen immer noch nicht in Frage gestellt, sondern als eine angenommene Tatsache gesehen, dass Frauen Kinder bekommen wollen – und sollen. Ist das Kind dann da, finden es viele selbstverständlich, dass die die Mutter erst einmal zu Hause bleibt und sich sich um Kind und Haus kümmert, während der Mann arbeiten geht.

Zwar spielen viele Väter heute eine aktivere Rolle im Leben ihrer Kinder als die ihrer eigenen Väter. Rund fünfunddreißig Prozent aller Väter gehen nach der Geburt in Elternzeit – allerdings oft nur für zwei Monate. Nur sechs Prozent aller Väter arbeiten Teilzeit.

Warum Warum-Fragen oft nicht weiterhelfen.

Klienten mit einem Problem stellen sich meist „Warum-Fragen“.

  • Warum habe ich diese Angst?
  • Warum kann ich dieses Verhalten nicht loslassen, obwohl ich weiß, dass es schlecht für mich ist?
  • Warum kann mich niemand leiden?

Doch solche Warum-Fragen führen nur zu Theorien über sich selbst oder im schlimmsten Fall dazu, dass der Gefragte sich verdächtigt oder ertappt fühlt. Denn wie oft hat man als Kind oder im Job die „Warum“-Frage gehört, die darauf abzielte, einem klarzumachen, dass man einen Fehler begangen hat und sich dafür entschuldige müsse.

  • „Warum hast du deinen kleinen Bruder geärgert?
  • „Warum ist das Exposé noch nicht fertig?
  • „Warum hast Du das Leergut nicht mitgenommen? 
    Sehen Sie hierzu dieses Video.

Deshalb stelle ich in meinen Coachings oft systemische Fragen. Das sind Fragen, die meist die Fantasie, Gedanken und Reflexion bei Klienten anregen sollen. Sie helfen dem Klienten dabei, ausgetretene Pfade zu verlassen oder im besten Fall eigene Muster und neue Möglichkeiten zu erkennen.

Systemische Fragen helfen, den Kern von Problemen zu erforschen und bieten mir und dem Klienten gleichermaßen tief gehende Einblicke in dessen Gedanken- und Gefühlswelt. Hier eine Übersicht über die wichtigsten systemischen Fragen.

Eine der wichtigsten Fragen, die ich stelle, forscht nach Unterschieden.

Oft haben Menschen ja den Eindruck, dass das Problem „schon immer besteht“ oder „immer gleich schlimm ist“. Doch das stimmt nicht.

  • Wer depressiv ist, erlebt über den Tag verteilt, unterschiedliche Formen von Niedergeschlagenheit.
  • Ein Paar, das „dauernd“ streitet, hat auch Phasen, wo das nicht so ist.

Die Frage, wann es mal anders war, macht den Blick frei dafür, dass das „Problem“ mal nicht da war bzw. irgendwann angefangen hat.

„Gab es mal eine Zeit in Ihrem Leben, in der Sie ein Kind haben wollten?“, war meine Unterschiedsfrage.
„Ja, aber das liegt lange zurück. Als kleines Mädchen habe ich natürlich auch mit Puppen gespielt und wollte eine Familie mit mindestens fünf Kindern.“
„Im Vorbereitungsbogen haben Sie geschrieben, dass sich Ihre Eltern haben scheiden lassen. Da waren Sie acht Jahre alt.“
„Ja, das war eine schlimme Zeit. Mein Vater hatte eine Freundin und flüchtete mit ihr in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ins Ausland. Er zahlte natürlich keinen Unterhalt und meine Mutter musste arbeiten gehen. Sie hatte keinen richtigen Beruf erlernt, weil sie mit mir mit achtzehn schwanger wurde. Mein Vater war fünfzehn Jahre älter, verdiente gut und so ging das ganz gut. Aber nach der Trennung fand meine Mutter nur Putzjobs und füllte Regale im Supermarkt auf.“
„Und wer kümmerte sich da um Sie?“,
fragte ich.
„Meine Oma zog zu uns, sie unterstützte uns sehr – wohl auch, weil ihr als junges Mädchen dasselbe passiert war.“
„Mit einem Kind , also Ihrer Mutter, sitzengelassen zu werden?“
schloss ich.
„Ja genau!  

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Die 5 häufigsten Gründe, warum Frauen kein Kind haben wollen.

Neben medizinischen oder genetischen Gründen, die einen Kinderwunsch ausschließen oder erschweren, sind es meist diese 5 Gründe

  • Kinder schränken das eigene Leben zu sehr ein.
  • Ich spüren keinen Kinderwunsch.
  • Die Überzeugung, dass man in diese „schreckliche“ Welt kein Kind setzen dürfe.
  • Ich bin noch nicht so weit.
  • Mir fehlt der Partner dazu.

Viele Frauen spüren ab dem dreißigsten Geburtstag einen Druck, sich jetzt entscheiden zu müssen. Die berühmte biologische Uhr tickt immer hörbarer. Vor allem dann, wenn im Freundes- und Bekanntenkreis „schon wieder“ eine Frau schwanger wurde und entsprechende Fragen gestellt werden à la „Wann ist es denn bei Euch soweit?“ Auch Eltern und Schwiegereltern erwarten mehr oder weniger taktvoll eine Antwort.

Doch in Wahrheit gibt es diese Uhr natürlich nicht.

Nur weil man etwas prinzipiell tun kann, heißt das ja nicht, dass man es auch tun muss. Nur weil Menschen ein Kind zeugen können, heißt das ja nicht, dass sie es auch müssen. Eltern mit Kinder fragt man ja auch nicht, warum Sie eigentlich Kinder wollten.

Denn auch ohne Kinder lässt sich ein erfülltes Leben führen. Und nicht jede Frau kann sich mit der Rolle der Mutter anfreunden oder findet in der Kleinfamilie den Sinn ihres Lebens. Und dafür sollte sich keine Frau rechtfertigen müssen.

Aber die Realität sieht oft anders aus.

Wodurch wird der Kinderwunsch beeinflusst?

Das sind einerseits gesellschaftliche Umstände, Normen und Einflüsse. In vielen afrikanischen Ländern sollen viele Kinder das Einkommen im Alter sichern, weil es kein staatliches Rentensystem gibt. In China gab es viele Jahre eine Ein-Kind-Politik, um das Wachsen der Bevölkerung einzugrenzen.

Finanzielle Abhängigkeit, Teilzeitarbeit, Altersarmut und traditionelle Rollenbilder sind weitere Gründe, warum sich Frauen bewusst gegen Kinder entscheiden oder den Wunsch immer weiter nach hinten schieben, bis er oft nicht mehr erfüllt werden kann.

Doch auf der persönlichen Ebene sind es vor allem die Erfahrungen, die ein Mensch selbst in der Kindheit gemacht hat, die den Kinderwunsch beeinflussen. Die folgenden Fragen können hierfür Hinweise geben:

  • Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an Ihre Kindheit?
  • Welche Erziehungsmethoden Ihrer Eltern möchten Sie als Eltern weiterführen?
  • Und welche nicht?
  • Wie war die Aufgaben- und Rollenverteilung in Ihrer Herkunftsfamilie?
  • Was wünschen Sie sich für Ihre Kinder im Leben?
  • Was ist Ihre größte Angst, wenn Sie Kinder haben? Und warum?

Warum uns Entscheidungen manchmal schwerfallen.

Je mehr Optionen zur Auswahl stehen, umso eher haben wir Entscheidungsschwierigkeiten.

Gibt es in einem Restaurant zur Mittagszeit nur ein Stammessen, fällt die Entscheidung leicht. Essen oder weggehen. Gibt es aber eine Speisekarte mit vielen verschiedenen Gerichten wird die Wahl zwischen Steak, Gemüselasagne oder Forelle blau mitunter schwieriger.

Entscheidungsschwierigkeiten erklärt das Modell des inneren Teams damit, dass jeder Mensch mehrere Persönlichkeitsanteile in sich trägt, die teilweise gegensätzliche Richtungen anstreben.

Müssen Entscheidungen getroffen werden, äußert sich dies in Unentschlossenheit und widersprüchlichen Gefühlen. Das kann mancher bei der Essensauswahl gut bei sich beobachten:

  • „Auja, ein großes Steak mit Pommes, das hört sich gut an,“ freut sich der Genießerteil.
  • „Der Arzt hat gesagt, dass rotes Fleisch nicht gut für dich ist,“ meint dazu der innere Bedenkenträger.
  • „Aber von zu viel Gemüse bekomme ich Blähungen,“ jammert das innere Kind.
  • „Ach ist doch egal. Das eine Steak bringt mich nicht um,“ befindet der Risikospieler.

Um zu verstehen, warum Entscheidungen sich so schwierig gestalten können, hilft es, die Arbeitsweise dieser Persönlichkeitsanteile zu kennen:

  1. Die verschiedenen Persönlichkeitsanteile haben immer auch einen Gegenspieler.
  2. Jeweils zwei Anteile sind stark polarisiert und einigen sich nie.
  3. Beide Teile wollen den Menschen immer unterstützen, aber haben ihren engen Scheuklappenblick.
  4. Der dominanteste Persönlichkeitsanteil bestimmt, was getan oder nicht gemacht wird.
  5. Persönlichkeitsanteile entwickeln sich in der Kindheit als Reaktion auf schwierige Situationen.
  6. In der Psyche gibt es einen natürlichen Chef: das ICH. Doch das sitzt oft nicht auf dem Regiestuhl.

Ein Beispiel: Bei Perfektionisten sitzt der perfektionistische Persönlichkeitsanteil auf dem inneren Regiestuhl. Sein Gegenspieler „Passt schon“ ist ein Fan der Paretoregel, die er oft zu 70/30 oder 60/40 herunterschrauben möchte. „Wegen zwei Kommafehlern ist der Text doch nicht schlechter!“. Bei einer solchen Argumentation sieht der Perfektionist rot! „Entweder mache ich etwas richtig oder gar nicht!“ Er kennt nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch.

Aber natürlich ist das Leben vielfältiger. Aber das weiß nur das ICH. Nur das erwachsene ICH kann am besten beurteilen, welches Verhalten jetzt angemessen ist oder die besten Möglichkeiten eröffnet. Dieses ICH ist kein Teil, sondern eine logische Ebene darüber. Und Entscheidungen sollte immer das ICH treffen, nicht ein Anteil.

„Warum will ich kein Kind?“

„Das war Ihre Eingangsfrage“, sagte ich zu Angelika M., nachdem ich ihr kurz das Modell des inneren Teams erklärt hatte, das sie schon grob kannte.
„Das bedeutet ja, daß es einen Teil in Ihnen gibt, der ein Kind möchte – und einen stärkeren Anteil, der dagegen ist.“
„Ja, so kann man das gut beschreiben. Es ist ein Dilemma, ein Zwiespalt. Beide Teile haben ihre guten Argumente.“
„Was sind das für Argumente?“,
wollte ich wissen.
„Na ja, der Kinderfreund sagt, dass ein Kind ganz viel Sinn in mein Leben bringen würde. Ganz vieles im Leben ist ja austauschbar, aber Mutter oder Vater zu sein lässt sich nicht ersetzen.“
„Klingt gut,“
antworte ich. „Was sind die Argumente des Kindergegners?“
„Der sagt, dass ein Kind einen Haufen Arbeit und Sorgen macht – und es über die Jahre gerechnet, sehr viel Geld kostet. Man kann keinen Sportwagen mehr fahren, und im Urlaub nur noch Kinderhotels buchen.“
„Stimmt auch“,
sagte ich.
„Und jetzt weiß ich nicht, wie ich mich entscheiden soll“, sagte Angelika M. mit einem sorgenvollen Gesicht.
„Na, das ist sicherlich nicht einfach. Entscheidend dabei ist wohl, was für Sie das wichtigste Argument ist.“
„Aber genau das weiß ich nicht! Die Argumente der beiden Widersacher in mir finde ich alle richtig.“

Wichtig beim Modell des Inneren Teams ist es zu verstehen, dass in der Psyche sich nicht nur verschiedene entgegengesetzte Anteile tummeln, sonst kämen wir nie zu einer Entscheidung, weil eben beide Anteile immer auch recht haben.

Sondern es gibt in der Psyche eine weitere Instanz, das ist kein Anteil, sondern rangiert eine logische Ebene darüber. Und diese Instanz ist das ICH oder das SELBST.

Das ICH hat keine Gefühle, es handelt überwiegend rational und deswegen oft der Situation angemessener als dies ein Persönlichkeitsanteil könnte.

Wenn wir uns jetzt nicht entscheiden können, ringen verschiedene Persönlichkeitsanteile miteinander – ohne zu einer Einigung zu kommen. Denn aus ihrer begrenzten Sicht auf die Situation haben sie gute Argumente – die anderen Anteile aber auch.

Es kommt zum Patt. Oder der lauteste Anteil setzt sich auf den Regiestuhl und bestimmt das Verhalten. Das passiert immer dann, wenn das ICH nicht präsent genug ist. Deswegen ist es wichtig für uns, den Kontakt zum ICH zu stärken.

Das geht am leichtesten mit der Achtsamkeit. Denn wir beobachten, was uns in einer schwierigen Situation hin und herschwanken lässt – das sind die unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile. Und die Instanz, die das beobachtet: das ist das ICH.


 

Die Bedeutung von Familienregeln.

In der Familie lernen wir, worum es im Leben geht und wie wir mit vielen alltäglichen Situationen umgehen sollten.

In meinen 3-h-Coachings hinterfrage ich deshalb viele Situationen, die man als Kind miterlebt und daraus Shlüsse über das Leben zieht:

  • Welche Einstellung zum Leben hatten Ihre Eltern?
    Wie hätten sie den Satz „Das Leben ist …“ ergänzt?
  • Was war Ihren Eltern wichtig?
    Anders gefragt: Wofür wurde die meiste Zeit und Geld aufgewendet? Wofür nicht?
  • Wie trafen Ihre Eltern Entscheidungen?
    Wohin man in Urlaub fährt und welche Couch angeschafft wird.
  • Welche Rolle spielten Gefühle im Zusammenleben?
    Gab es Körperkontakt? Wie wurde auf Wut, Trauer oder Enttäuschung reagiert?
  • Welchen Rat für’s Leben empfingen Sie von den Eltern?
    Das kann ein ausgesprochener Satz sein, ein Fluch oder das Vorbild der Eltern.

Auf die Spur von unbewussten Konflikten, die das eigene Leben beeinflussen, kommt man selten durch Nachdenken. So wie das Auge sich selbst nicht sehen kann, können wir unsere blinden Flecken nicht erkennen. Es braucht dazu meist den Blick von außen.

Während des Coachingprozesses bilde ich Hypothesen, welcher blinde Fleck zu dem „Problem“ der Klientin beitragen könnte. Zu dieser Hypothese bilde ich einen positiven Satz, von dem ich annehme, dass wenn die Klientin ihn achtsam vor sich hinsagt, sie Widerstand erlebt. Entweder als unangenehmes Gefühl oder als einen ablehnenden Satz.

Ich bat Angelika M., es sich bequem zu machen, ihre Augen zu schließen und achtsam den Satz zu sagen:

„Ich brauche Dich.“

Es ist immer wieder faszinierend, für die Klienten wie für mich, wie stark und zuverlässig diese Methode funktioniert. Denn damit, wenn meine Hypothese stimmt, lässt dich ein wesentlicher Konflikt, der das aktuelle Problem beeinflusst, identifizieren und erfahrbar machen.

Hier ist auch das Online-Format der Präsenzarbeit überlegen, denn ich zeichne das Coaching auf Wunsch auf und die Klientin kann später ihre eigene mimische und sprachliche Reaktion noch einmal beobachten.

„Was haben Sie beobachtet, als Sie den Satz hörten, den Sie sagen sollten?“, fragte ich neugierig.
„Meine Reaktion kam schon, als ich den Satz von Ihnen hörte“, berichtete Angelika M.
„NEIN!“, schrie es in mir. „Ich brauche niemanden! Und ich will auch niemanden brauchen!“

Je heftiger die Abwehrreaktion gegen einen „normalen“ wahren Satz, umso mehr nehme ich an, dass wir ein wichtiges Lebensthema identifiziert haben. Angelika M. war selbst erschrocken über ihren Gefühlsausbruch auf den Satz.

„Haben Sie den Satz ‚Ich brauche dich‘ schon mal zu jemand gesagt?, erkundigte ich mich.
„Nein, noch nie!“, war die sofortige Antwort.
„Was ist denn so schlimm an dem Satz, dass Sie ihn so fürchten?“
Nach einer kurzen Pause antwortete Angelika M:
„Na, mit dem Satz macht man sich doch total abhängig.“
„Aber als Mensch sind wir doch alle abhängig von anderen Menschen“,
gab ich zu bedenken. „Ich nehme an, dass Sie weder Ihr Brot selbst backen, den Stoff für Ihre Kleidung selbst weben und auch Ihr Auto von jemand anderem erworben haben. Wir sind alle voneinander abhängig, jeder von uns braucht andere.“

Etwas widerwillig stimmte die Klientin meiner Erklärung zu, von der ich natürlich wusste, dass sie sie nicht überzeugen würde. Wir mussten herausfinden, worauf sie beim Thema „Abhängigkeit“ so heftig reagierte.

„Wer oder was fällt Ihnen denn beim Wort „Abhängigkeit“?“
Nach einer Weile antwortete Angelika M.:
„Ich habe ja schon erzählt, dass nach der Trennung meiner Eltern meine Mutter arbeiten gehen musste. Da sie keine Ausbildung hatte, arbeitete sie als Putzfrau be zwei Familien. Eines Abends kam sie völlig erschöpft nach Hause, legte sich sofort ins Bett und fing an zu weinen. Ich bekam Angst, setzte mich neben sie und fragte, was denn los sei.
Da wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, schaute mich ganz ernst an und sagte zu mir einen Satz, den ich mein Leben lang nicht vergessen habe.“

Emotionen können unsere Erinnerungen stark beeinflussen. Je emotionaler wir eine Situation erleben, desto eher werden wir uns später daran erinnern. Vermutlich wissen Sie noch genau, wo Sie waren als in New York das World Trade Center angegriffen wurde. Oder wenn Sie etwas älter sind, erinnern Sie sich, wo Sie waren, als die Mauer in Berlin gebaut wurde oder Kennedy erschossen wurde.

„Was hat Ihre Mutter denn damals zu Ihnen gesagt?“, fragte ich.
„Mach bloß niemals denselben Fehler wie ich und werde von einem Mann abhängig!“, berichtete die Klientin.
„Den Satz haben Sie sich wohl sehr zu Herzen genommen“, sagte  ich.

Lebensthemen kann man als psychische Überlebensstrategien auf starke emotionale Erlebnisse verstehen. Da der ursprüngliche Kontext oft vergessen oder verdrängt wurde, kann sich die Erwachsene nicht erklären, warum sie sich in einer bestimmten, sehr eingeschränkten Weise verhält.

Ziel meines 3-h-Coachings ist es, den aktuellen Engpass, der mit einer belastenden emotionalen Erfahrung zusammenhängt, zu identifizieren und gefühlsmäßig erfahrbar machen.

Natürlich ist damit das Coaching nicht zu Ende. Im weiteren Verlauf der Sitzung arbeiteten wir an der inneren Ablösung der Klientin von ihrer Mutter und dem übernommenen Glaubenssatz, dass nur völlige Unabhängigkeit frei mache. Aber das war nicht einfach.

„Was verbinden Sie mit dem Begriff ‚Abhängigkeit‘ ?“, fragte ich Angelika M.
„Eingeengt sein. Tun müssen, was ein anderer von mir will. Hilflosigkeit. Nicht mehr frei entscheiden können … reicht das?“, lachte die Klientin.
„Und was mit dem Begriff ‚Unabhängigkeit‘?“
„Na, genau das Gegenteil. Völlige Freiheit. Keine Rechenschaft ablegen müssen. Zu nichts gezwungen sein. Tun und lassen können, was ich will.“
„Sie verstehen das also als einen unvereinbaren Gegensatz. Als ein striktes Entweder/Oder. Aber das Leben ist doch nie schwarz oder weiß.“
„Weiß ich doch“,
gab Angelika M. etwas unwillig zurück.
„Aber Sie glauben, dass Sie ziemlich unabhängig leben, weil Sie den Heiratsantrag Ihres Partners abgelehnt haben und kein Kind wollen.“
„Ja, denn mit beidem hätte ich mich abhängig gemacht.“
„Ich glaube, Sie täuschen sich. Sie sind sogar sehr abhängig“,
konfrontierte ich die Klientin.
„Sie sind sehr abhängig von Ihrer Illusion, dass Sie völlig frei und autonom leben könnten. Aber niemand kann das. Und eigentlich wissen Sie das auch.“

Wenn man an das Lebensthema kommt, ist das fast immer eine schmerzliche Erfahrung. Die Klienten erkennen, wieviel Kraft, Energie und Lebenszeit sie in eine Idee investiert haben – und dass es eine Illusion war. Dazu gehören Ideen wie:

  • Dass man es allen recht machen kann und dafür geliebt wird./li>
  • Dass man kein normaler, sondern ein ganz besonderer Mensch ist.
  • Dass man irgendwann belohnt wird, wenn man lange genug brav war oder viel ertragen hat.
  • Dass man im Leben etwas beweisen muss.
  • Dass man nur frei sein kann, wenn man sich nicht abhängig macht.

Aber Illusionen bleiben Illusionen, auch wenn man an ihnen festhält. Aber wenn wir sie auflösen, können wir klarer die Realität sehen und entdecken, was in ihr alles möglich ist.


 

Ein Dreivierteljahr später bekam ich eine Mail von Angelika M.
Es ginge ihr ganz gut, aber sie habe eine harte Zeit hinter sich. Vor allem, was ich über Illusionen gesagt hätte, habe sie noch lange beschäftigt. Und sie habe herausgefunden, dass hinter ihrem Kinderwunsch die Hoffnung steckte, jemanden zu haben, der sie immer lieben würde. Und das wäre wohl auch nur eine große Illusion.
Mit ihrem Partner habe sie eine Paartherapie begonnen, um herauszufinden, was sie beide miteinander verbinde – jetzt wo es kein gemeinsames Kind geben würde.

Ich schrieb zurück, dass sie sehr mutig sei, einige ihrer nicht nützlichen Illusionen zu durchschauen. Aber es gäbe eine wirksame Methode, Illusionen zu erkennen – und schickte ihr einen alten Cartoon von mir.

Hier lesen Sie weitere Fallberichte aus meiner Coaching-Praxis:

Business-Coachings

Life-Coachings

PS: Alle Fallgeschichten sind real, aber so verfremdet, dass ein Rückschluss auf meine Klienten nicht möglich ist und die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.


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Aquarelle: Roland Kopp-Wichmann

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.