Wie Führungskräfte aus der „Wenn-dann-Falle“ herauskommen.

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Achtsamkeit / Glück

Meditation rkwichmann persönlichkeits-blog

Meditation wird zunehmend gesellschaftsfähig und steht nicht mehr in der esoterischen Ecke. Nicht nur in der Bevölkerung auch in Unternehmen.

Manager berichten vom Besuch in der Yogaschule. In manchen Firmen wird gruppenweise meditiert und ein Vorstandsvorsitzender berichtet begeistert von seinem Zen-Seminar.

Manche versprechen sich durch Meditation noch effizienter zu werden. Wollen dem täglichen Stress besser begegnen, ihre Kreativität steigern oder die charismatische Ausstrahlung erhöhen.

Zweifellos hat regelmäßiges Meditieren positive Wirkungen, was Neurobiologen Psychologen und Mediziner durch wissenschaftliche Studien mittlerweile nachgewiesen haben.

Ist Meditation nur eine neue Psychotechnik?

Fragen wir mal jemanden, der sich damit auskennt. Ich habe das mit Paul Kohtes gemacht. Er hat eine große PR-Agentur gegründet, hatte eine schwere gesundheitliche Krise und wandte sich danach dem Zen-Buddhismus zu. Heute weist er vor allem Führungskräfte den Weg des Zen.mann_mausefalle_gosphotodesign - Fotolia

Im zweiten Teil eines langen Persönlichkeits-Interviews (hier der 1. Teil) spricht er u.a. über folgende Themen:

  • Warum wir oft erst eine Krise brauchen, bis man etwas ändert.
  • Was ihm Kollegen vorwarfen, als er mit Meditation begonnen hatte.
  • Warum man oft mehr erreicht, wenn man sich nicht zu sehr anstrengt.
  • Wofür Führungskräfte eigentlich arbeiten.
  • Dass das hohe Gehalt von Managern die Prämie dafür ist, dass sie sich verkaufen.
  •  Inwiefern Meditation Führungskräften hilft, die Panik vor dem Absturz zu verlieren.
  • Was der Unterschied ist zwischen Dinge erledigen zu müssen anstatt sie zu tun.
  • Worin die Falle des „wenn-dann“ besteht und wo das Glück lauert.
  • Und zum Anfangen: Die Übung der Adlerperspektive

Aber sehen und hören Sie selbst:

Wozu ist Selbstdistanz wichtig?

Paul Kohtes sagt es im Video sehr schön: „Der Effekt der Adlerperspektive ist, dass man Abstand bekommt von dem, was man glaubt, was man ist.“ und „Also eine Selbstdistanz zu entwickeln, mit der man sieht: Da sitzt etwas, was ich ‚Ich‘ nenne.“

Diese Distanz zu sich selbst fehlt ja vielen Menschen. Sie sind identifiziert mit ihren inneren Anteilen und Rollen. Das hat Vor- und Nachteile. Verschiedene therapeutische Schulen haben versucht, die menschliche Psyche in einem Modell darzustellen. Damit begann schon Sigmund Freund mit Es, Ich und Über-Ich.

matroschka-puppen_ xs_Stefan Gräf - FotoliaDas „Modell des Inneren Teams“ betrachtet unsere Psyche auch nicht als eine feste Einheit, sondern geht davon aus, dass jeder Mensch eine Menge von  Teilpersönlichkeiten in sich trägt.

Da gibt es zum Beispiel das „innere Kind“, den erbarmungslosen „Kritiker“, den unerbittlichen „Weltverbesserer“, den gemütlichen „Aufschieber“, den rationalen „Wissenschaftler“, die „gute Mutter“.

Jeder hat solche Teile in sich, diese haben ihre eigenen Ansichten, Ziele, Gefühle und Bedürfnisse. Bei all dieser Vielfalt ist es gut, wenn es eine innere Führung gibt, also ein starkes „ICH“, das die anderen Teile kennt und je nach Situation beurteilt, welchem Teil man jetzt für eine begrenzte Zeit folgen sollte.

So wie ein Regisseur vielleicht auch eine Weile mit dem Schauspielerteam eine bestimmte Szene diskutiert – und dann nach einiger Zeit sagt: „Danke meine Damen und Herren, wir machen es so.“

Dummerweise passiert es aber immer wieder, dass wir das eigene ICH nicht so gut spüren und ein innerer Anteil die Regie übernimmt. Das hat meist fatale Folgen. Man hat eine gute Präsentation gehalten, Kunden, Mitarbeiter und Chef sind voll des Lobes – nur der „innere Kritiker“ ätzt herum:

  • „Du hast mindestens zehnmal ‚Ähhh‘ gesagt.“
  • „Zwei haben ständig in ihr Handy geguckt, weil dein Vortrag so langweilig war.“
  • „Die loben dich nur, weil sie nett zu dir sein wollen.“

Wenn man jetzt diesen „Kritiker-Teil“ in sich nicht kennt, sondern sich damit identifiziert, fühlt man sich wahrscheinlich schlecht und ist auch durch gut gemeinte Aufmunterungen („Aber die Präsi war doch super!“) nicht erreichbar.

Das Modell des Inneren Teams kann helfen, mit den eigenen zuweilen widersprüchlichen Teilen besser umzugehen, möglichst alle einzubeziehen und zu einem kooperativen Team zusammenzuschließen. Voraussetzung dafür ist ein starkes ICH, denn ohne bewusste Führung setzt sich meist ein starker Anteil, der gut und laut argumentieren kann, auf den inneren Chefsessel.

Ich lernte diesen Ansatz vor vielen Jahren in der  “Voice-Dialogue-Arbeit” von Hal und Sidra Stone kennen. Außerdem in mehreren Workshops von Richard Schwartz. In Deutschland hat Friedemann von Schultz von Thun mit seiner kreative Adaption diesen Ansatz bekannt gemacht.

Meditation stärkt das ICH.

Genau genommen, stärkt sie den „inneren Beobachter“, der eben die herein schießenden Gedanken, die Unmutsgefühle oder den Impuls aufzustehen einfach nur wahrnimmt, nicht verändert, nicht danach handelt und all diese Elemente auch nicht bewertet.

Das ist zu Anfang nicht leicht. Man merkt erst mal, was für ein Durcheinander da im Inneren ist. Nicht umsonst spricht man im Buddhismus vom „Affengeist“. Doch mit der Zeit kann man sich entspannen, fängt an, jene meditativen Minuten zu genießen, in denen man mal nichts tun muss, nicht reagieren muss, einfach nur wahrnehmen kann und sein darf.

Ziel kann es sein, diese durch Achtsamkeit erworbene Selbstdistanz auch im Alltag immer wieder aufzurufen.

  • Ein Kunde nervt – und Sie beobachten, wie Ihre Wut aufsteigt und Sie sich dafür entscheiden, dieser nicht nachzugeben.
  • Ein Terminaufgabe in zwei Wochen steht an. Der „Aufschieber“ in Ihnen flüstert, dass das ja noch ewig Zeit hat. Der „Pflichtbewusste“ mahnt, dass es höchste Eisenbahn ist. Und der „Spieler“ hat gerade die neueste Version von „Angry Birds“ heruntergeladen.
  • Ihr Kind quengelt abends und will fernsehen und Sie nehmen innerlich wahr, dass der „gute Kumpel“ in Ihnen ihm das erlauben will, der „gute Vater“ es besser findet, ein Buch vorzulesen.

Hier noch eine gute Anleitung für diesen Umgang mit sich selbst.

Meditation ist also keine abgehobene Sache für Leute mit viel Zeit oder etwas was man nur in Abgeschiedenheit tun kann. Meditation soll in den ganz gewöhnlichen Alltag integriert werden. Erst dort entfaltet sie ihre Wirksamkeit.

Noch mehr Video-Interviews können Sie hier sehen.

 

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

3 Kommentare

  1. andreas protze sagt

    Vielen Dank, für das sehr spannende Thema.

    🙂

  2. Michael Homeyer sagt

    Ein Aspekt Ihres Artikels gefällt mir besonders: Der Zusammenhang von der kontinuierlicher Stärkung der inneren Steuerung durch eine verstetigte Meditationpraxis.
    Ich habe erfahren, dass wenn ich mich weiter entwickele, also meine Persönlichkeit ausdifferenziere, Unsicherheiten im inneren Team entstehen. Sicher auch bei der „Steuerung“. Neue Seiten zeigen sich, so kann z.B. die „Bequeme“ oder der „Selbstständige“ sichtbar werden. Andere Koalitionen entstehen, so kann „Steuerung“, die sich symbiontisch mit der Seite „Leistungsorientierung“ verbunden fühlte, sich z. B. mehr mit „Urvertrauen“ verbinden. Wieder andere Seiten zeigen tiefere Ebenen, so kann „Leistungsorientierung“ auch verstärkt kreativ-schöpferische Züge entfalten.
    Ich habe das einmal aufgestellt, was viel Transparenz gebracht hat. Die Unterstützung der „Steuerung“ durch Meditation war mir noch nicht so bewußt …Danke.

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