Jeder wünscht sich Respekt, doch wie erweist man anderen Respekt?

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Rezension des Buches von René Borbonus: „Respekt! Wie Sie Ansehen bei Freund und Feind gewinnen.“

Jeder wünscht sich Respekt.

Der Fußgänger am Zebrastreifen. Ein Lehrer von seinen Schülern. Die Arbeitslose auf der Behörde. Ein alter Fahrgast in der U-Bahn. Der Wartende in der Schlange. Der Prominente in seinem Urlaub. Der Richter vom Angeklagten. Der Ober vom Gast.

Die Liste ist endlos.

  • Doch was ist überhaupt Respekt?
  • Wie kommuniziert man respektvoll?
  • Und wie geht man mit Respektlosigkeiten um?

Um diese wichtigen Fragen geht es in dem neuen Buch von René Borbonus: „Respekt! Wie Sie Ansehen bei Freund und Feind gewinnen.“ 
 

Die Wiederentdeckung einer vergessenen Tugend

 
heißt es treffend auf dem Buchumschlag. Denn wird nicht allenthalben der Mangel oder gar der vollständige Verlust von Respekt beklagt? Das Wirtschaftsmagazin brandeins widmete seine gesamte Mai-Ausgabe diesem Thema.

Von einem Polizisten hörte ich mal: „Früher bei einer Prügelei war Schluss, wenn einer am Boden lag. Heute wird dann oft erst richtig zugetreten.“

Respekt vor dem Opfer? Fehlanzeige. Selbst kämpfende Hunde haben eine Beißhemmung. Viele Beispiele aus der letzten Zeit scheinen nahezulegen, dass Respekt zum altertümlichen Fremdwort verkommen ist.

Eine deutsche Großbank erwirtschaftet 2,5 Mrd. Gewinn und entlässt 6400 Mitarbeiter, die dies mit ermöglicht haben. Ein südländischer Staat schmuggelt sich mit falschen Bilanzzahlen in die EU und lässt sich dort „retten“. Zwei wegen angeblicher Vergewaltigung angeklagte prominente Männer werden freigesprochen und verlieren dennoch Ansehen und Stellung.

Renè Borbonus stellt klar:

Respekt ist nicht nur Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. Es ist der Schlüssel zum ganz persönlichen Erfolg. Wer beruflich und privat langfristig etwas erreichen will, kommt mit einem egoistischen und arroganten Verhalten nicht weit. …

Mit anderen Worten: Nur wer lernt, mit anderen respektvoll umzugehen, wird am Ende selbst Respekt und Anerkennung gewinnen.

 

Respekt ist keine Frage des Wertes.

Sondern eine Frage der Wertschätzung, meint der Autor. Denn die lateinische Wurzel „respicere“ bedeutet „zurücksehen“. Meint also „Rücksicht“ und „Berücksichtigung“. Das lässt sich auch mit „Achtsamkeit“ übersetzen.

Und Achtsamkeit, somit auch Respekt lässt sich lernen, ist also „eine kommunikative Aufgabe, eine Verpflichtung dazu, sein Gegenüber wahrzunehmen und in seiner Persönlichkeit, seiner Menschenwürde und seinem Anliegen ernst zu nehmen.“

Wie kann man in einem Gespräch Respekt zeigen? Dazu empfiehlt Borbonus die Sieben-Punkte-Strategie von Kerry Patterson:

  1. Konzentrieren Sie sich im Gespräch, auf das, was Sie wollen.
  2. Achten Sie darauf, wann Sie unter Stress geraten.
  3. Zeigen Sie Ihre Fakten.
  4. Entschuldigen Sie sich, wenn es angebracht ist.
  5. Deeskalieren Sie, wenn es nötig ist.
  6. Fragen Sie Ihren Gesprächspartner, wie er zu seiner Haltung kommt.
  7. Dokumentieren Sie die Entscheidung und die Umsetzung.

Diese Schritte klingen einfach, werden aber in der Praxis oft sträflich vernachlässigt, weil vielen Menschen ihr Ego in die Quere kommt – und sie es noch nicht einmal bemerken. Doch es gibt einen Ausweg.
 

Lernen Sie, Ihre Gefühle zu hinterfragen.

 
Das ist für mich das wichtigste Kapitel (S. 127) und basiert auf einem wichtigen Ansatz der Kognitionspsychologie:

Gefühle entstehen nicht einfach von selbst, sondern sind die Folge von Erkenntnissen oder Annahmen über bestimmte Ereignisse, Personen oder Situationen sind.

Wenn Sie also Ihre Gefühle besser verstehen oder verändern möchten, brauchen Sie nur Ihre Annahmen, Informationen, Optionen und Bewertungen zu überdenken. Dabei hilft diese Übersicht:

BewertungGefühl
"Das ist prima, welch ein Glück!"Freude
"Da schadet mir jemand, und das macht er auch noch mit Absicht."Wut
"Wenn das passiert, das wäre schrecklich!"Angst
"Es ist etwas geschehen, was einen Verlust für mich bedeutet."Trauer
"Ich habe von jemand, der mir viel bedeutet, nicht genügend Beachtung erfahren."Kränkung
"Ich muss das unbedingt schaffen!"Druck
"Wie peinlich, dass das öffentlich geworden ist."Scham

Dieses Schema können Sie auch gut in Situationen nutzen, wo Ihr Gesprächspartner emotional wird. Dieser wird meist gar nicht wissen, warum er sich so aufregt und respektlos wird. Er hält seine Gefühle meist für eine angemessene Reaktion auf Ihren Standpunkt.

Aber wenn Sie seine zugrundeliegenden Befürchtungen verstehen, können Sie verhindern, dass seine Gefühle zu stark werden. Gute Interventionen dafür finden Sie in dem Buch von Francois Lelord (siehe unten).

Neben vielen Denkanstößen und kritischen Betrachtungen unseres täglichen Lebens, vereint das Buch von René Borbonus wichtige Konzepte der Kommunikation und stellt sie in einen neuen wichtigen Zusammenhang: Nämlich,  dass Respekt als „soziales Gleitmittel“ für das Zusammenleben unverzichtbar ist.

Insofern beginnt Respekt zunächst bei sich selbst. Ganz konkret darin, dass man sich „getrennt“ von anderen erlebt. Sich abgrenzen kann ohne den anderen zu verletzen.

Das ist bei unterschiedlichen Interessen für viele gar nicht so leicht.
 

Warum Neinsagen oft schwierig ist.

 
Respektvoll nein zu sagen, kann auch heißen, keine Begründung für seine Ablehnung zu liefern. Denn jedes Argument kann vom anderen wieder hinterfragt und ad absurdum geführt werden, wie Horst Evers hier beispielhaft beim Brotkauf zeigt.

httpv://www.youtube.com/watch?v=JwmqKa1KWlc

Respekt heißt also meiner Meinung nach: sich abzugrenzen und gleichzeitig den Kontakt zum Anderen nicht abzuschneiden, sondern zu halten.

So verstehe ich auch die Interventionen von Bert Hellinger zur Ablösung von den eigenen Eltern, mit denen ich bisweilen in meinen Persönlichkeitsseminaren arbeite. Man löst sich nicht, indem seine Eltern hasst, verachtet oder ignoriert. Sondern man löst sich – auf der erwachsenen Ebene – indem man sie achtet und ihnen dankt. Sehen Sie hierzu mein Video.
 

Mangelnder Respekt führt oft zu langwierigen Konflikten.

 
Die Angst vor dem Fremden und die fehlende Akzeptanz des Verschiedenen führt oft zu Verwicklungen, in denen sich jeder im Recht fühlt und den anderen zu bekämpfen sucht. Doch mangelnder Respekt führt oft zu noch größerer Respektlosigkeit auf der Gegenseite.

Respekt verschafft man sich nicht dadurch, dass man den verachtet und darauf pocht, dass er der andere einen respektieren müsse. Das ist pure Rechthaberei.

Ganz im Gegenteil. Respekt verschafft man sich, indem man ihn zeigt.

So ist auch Hellingers Deutung, wann und wie der Nahost-Konflikt beendet werden könnte, zu verstehen: „Wenn die Israelis den von ihnen im Krieg getöteten Palästinensern Respekt erweisen und um sie trauen. Und gleichzeitig die Palästinenser den von ihnen getöteten Israelis Respekt erweisen und sie betrauern.“

Das ist schwer. Krieg zu führen und ein über fünfzigjähriges Blutvergießen   scheint da leichter zu sein. Es ist schwer, weil beide Seiten dafür ihr Rechthaben („Wir reagieren nur auf die Angriffe der anderen.“) aufgeben müssten. Und weil beide Völker sich als gleichrangig betrachten müssten.
 

Verdienen auch unsere Feinde Respekt?

 
Unbedingt. Selbst mit schlimmsten Widersachern und Todfeinden kann die Kommunikation gelingen. Voraussetzung ist, dass man Respekt gegenüber dem anderen zeigt. Dazu gehört, dass man auf Augenhöhe spricht, die Leistungen des anderen anerkennt und aufrichtig ist.

In diesem Artikel zeigt René Borbonus am Beispiel des Verhörs Gefangener im Irak-Krieg zeigen, wie Respekt vermittelt wird.

Respekt bedeutet ja nicht Akzeptanz oder Einverständnis. Es ist vielmehr der Versuch, verstehen zu wollen, was den anderen zu seinen Ansichten und Handlungen veranlasst hat. Ohne gleich zu urteilen, was falsch oder richtig ist.

 

Mein Fazit:

Ich empfehle das Buch von René Borbonus wärmstens . Es ist kein schnell zu lesendes How-To-Do-Buch, mit dem Sie die Loyalität oder Motivation Ihrer Mitarbeiter oder Kunden erhöhen können.

Es regt vielmehr zu einer inneren Auseinandersetzung an, wie Sie eigentlich Beziehungen zu anderen Menschen führen. Beruflich wie privat.

René Borbonus widerlegt auch das Vorurteil auf, dass Respekt etwas mit Schwäche zu tun habe.

Respekt entsteht vielmehr durch Lob, Anerkennung, Wertschätzung, Achtsamkeit. Übrigens nicht nur gegenüber Lebewesen.

Der Autor beobachtete eine Japanerin, die ihre alten Joggingschuhe wegwerfen wollte. An der Mülltonne verbeugte sie sich vor ihren alten Tretern und murmelte ein paar Dankesworte.

Wie bitte?

„Sie bedankte sich nicht einfach bei einem Stück Schuhwerk. Sie bedankte sich für die Arbeit all jener, die diese Schuhe erdacht, gefertigt, ausgeliefert und verkauft hatten. … Sie bedankte sich für ihre gute Gesundheit, an der die Schuhe ihren Anteil hatten.“

Wie gesagt: Respekt hat weniger mit dem realen Wert zu tun. Sondern mit unserer Wertschätzung.

 

kommentar Wen oder was können Sie respektieren? Und wo hört bei ihnen der Respekt auf?

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Foto: © – pepipepper – phtoocase.com, istock.com

 

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.