5 Gründe, warum ich als Führungskräftetrainer für die Frauenquote bin.

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EFFEKTIVER FÜHREN / Karriere / Partnerschaft

Ich sage es gleich vorweg: „Ich bin für eine verbindliche Frauenquote in Unternehmen ab einer bestimmten Größe.“ Schon lange. Über die Höhe, ob 30, 40 oder 50 Prozent kann man reden. Was mich so langsam  aber nervt, sind die „Argumente“ der Gegner. Und auch das jüngste Veto der Kanzlerin, die damit ihre Ministerkolleginnen zugunsten des Friedens mit der FDP ausbremst.

Selbst im männerlastigen SPIEGEL wird darüber nachgedacht und auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bricht eine Lanze dafür.

Hier ein paar Gründe, warum eine Frauenquote längst überfällig und in naher Zukunft auch notwendig ist.

  1. Weil der Arbeitsmarkt dringend Fach- und Führungskräfte braucht.
    Und die sitzen nicht nur im Ausland, wobei ja hierzulande dafür  durch entsprechende Regelungen gesorgt wird, dass bloß nicht zu viele kommen. Nein, die größte Personalreserve wird schwanger und kann schwer Beruf und Familie vereinbaren. Oder hat Kinder großgezogen und bekommt schwer eine Chance.
  2. Weil Frauen anders führen – und manchmal besser.
    Die Unternehmensberatung McKinsey fand in ihrer Studie „Women Matter 2“ (2008) Verhaltensweisen, die Führungskräfte in den nächsten Jahren brauchen, um auf die globalen Herausforderungen richtig zu reagieren. Dabei zeigte sich, dass weibliche Führungskräfte  häufiger als Männer auf Führungseigenschaften wie „Inspiration“und „partizipative Entscheidungsfindung“ zurückgreifen.
    Eine Studie zeigte, dass Firmen mit einem starken Frauenanteil im Top-Management zwischen 1996 und 2000 höhere Aktien- und Eigenkapitalrenditen erzielten .
  3. Weil Chancengleichheit nicht von allein entsteht.
    Vor zehn Jahren gab es – zur Abwehr eines geplanten Gleichstellungsgesetzes – bereits eine „freiwillige Vereinbarung“ der Wirtschaft, um die Chancen der Frauen nachhaltig zu verbessern. Mit geringem Erfolg. Jetzt soll es wieder eine verordnete „Selbstverpflichtung“ der Unternehmen geben. Doch gilt dafür der Spruch: „Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen.“
    Ich erinnere mich noch an die Einführung der Gurtpflicht im Auto im Jahr 1976. Männer fürchteten den Verlust ihrer Freiheit, Frauen bangten um ihren Busen.
    Bei der Einführung des Rauchverbots in Kneipen ab 2007 beschworen viele Wirte drastische Umsatzausfälle und ein massenhaftes Kneipensterben. Nichts davon ist eingetreten (SZ). nicht einmal auf dem Oktoberfest.
    Aber die Änderung gewohnter Einstellungen oder Verhaltensweisen kommt einem zu Beginn meist als unangenehm oder enorm schmerzhaft vor. Müll trennen? Tempo 30? Selbstbedienung am Geldautomaten? Und nach einer Weile hat man sich daran gewöhnt und wundert sich über das lautstarke Gedöns vorher.
  4. Weil das deutsche Arbeitsmodell patriarchalische Strukturen widerspiegelt.
    In den fünfziger Jahren war das normal. Vati als Familienoberhaupt konnte über alle Angelegenheiten seiner Frau entscheiden. Wollte seine Gattin arbeiten, brauchte sie dazu die Einwilligung ihres Mannes. Erst eine Gesetzesänderung 1957 änderte das.
    Kein Wunder, dass die Frauen damals mit den Nerven völlig fertig waren und Hilfe brauchten:
    httpv://www.youtube.com/watch?v=r6OczveU0Xg
    Insofern ist der Widerstand vieler Männer auch verknüpft mit der Angst, dass eine Frauenquote auch das Leben der Männer ändern könnte. Denn ein Paar, bei dem beide Partner arbeiten, wird auch die Kinderfrage neu regeln müssen. Und eben andere Modelle finden müssen als heutzutage, wo eben derjenige weiter arbeitet, der mehr verdient. Und das ist bisher fast immer der Mann.
    Doch auch Väter wollen mehr mit ihrem Nachwuchs zu tun haben. Die Einführung der Vätermonate beim Elterngeld hat ja hier schon einiges bewegt.
  5. Weil wir sonst international noch mehr den Anschluss verlieren.
    Kaum ein Besuch eines deutschen Politikers in China, Russland oder ähnlichen Staaten, der nicht mahnend auf die mangelnde Einhaltung der Menschenrechte hinweist.
    Bei uns steht die Gleichberechtigung von Mann und Frau schon lange im Grundgesetz. Doch in der Praxis? Bei der Frauenpräsenz in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft teilen wir uns den Platz mit Indien. Brasilien, China oder Russland liegen noch vor uns. (!)
    51 Prozent der Universitätsabgänger sind mittlerweile Frauen. Aber nur 3,2 Prozent davon landen auf Vorstandsposten. Dass dies nur an den sagenhaften Fähigkeiten von uns Männern liegen soll, kann ich nicht glauben.
    Andere Länder wie Norwegen, Finnland oder andere Länder sind uns da weit voraus.

Doch was sind die Argumente gegen eine Frauenquote?

Stellvertretend für viele fasst Blogger-Kollege Jochen Mai dies in seinem Artikel zusammen:

Diskriminierung. „Jede Quote – ob bezogen auf Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Alter – ist nur eine andere Form der Diskriminierung.“
Würde eine Frauenquote eingeführt, wären dann die Männer diskriminiert.
Dasselbe Argument hörte ich bei der Einführung des Rauchverbots in Gaststätten dass Raucher dadurch diskriminiert werden würden. Und vorher die Mehrzahl der Nichtraucher, die passiv mitrauchten? Das war keine Diskriminierung? Seltsame Logik.

Mittelmaß. „Wer mittels Quoten einstellt, fördert letztlich Mittelmaß.“
Die Befürchtung ist, dass wegen des Erfüllens der Quote letztlich ein schlechterer Bewerber eingestellt werden könnte. Auch das ist doch nicht stimmig. Die Qualifikation eines Bewerbers lässt sich doch nie objektiv vorher bestimmen. Man muss ausprobieren, ob es passt.

Aber wie mir ein Personaler mal in einer Seminarpause verriet, gibt es in seinem Unternehmen Richtlinien, für bestimmte Positionen die Bewerbungen von Frauen gleich auszusortieren.
Jochen Mai fragt: „Und welches Unternehmen wurde jemals mittels Quote spitze?“ Eines ist hier in brandeins beschrieben. Aber Gegenfrage: Wie viele Unternehmen – man nehme nur mal ein paar deutsche Landesbanken – mit reiner Männerriege sind nicht spitze? Von der internationalen Finanzkrise ganz zu schweigen.

Populismus. „Die Frauenquote ist nichts anderes als PR-Getöse, ein populistisches Signal zum Employer Branding.“
Das mag bei Herrn Seehofer so gewesen sein. Und es stimmt, solange man nicht etliches an den Strukturen verbessert, dass Frauen besser Beruf und Familie verbinden können, bliebe es eine populistische Forderung. Ein Lippenbekenntnis. Aber die gegenwärtige Debatte ist notwendig, damit viele Menschen sich damit – wieder mal – damit befassen.

Und deshalb bin ich für eine Frauenquote.

Malcolm Gladwell hat in seinem Buch „Tipping Point – Wie kleine Dinge Großes bewirken können“ gezeigt, dass es oft einer kritischen Masse bedarf, damit Veränderungen Schwung bekommen. So wie in der Chemie chemische Reaktionen durch das Vorhandensein eines Katalysators beschleunigt werden. Gladwell zeigt, dass Menschen in ihrem Handeln sehr stark von den Umgebungsbedingungen der jeweiligen Situation beeinflusst werden.

Eine verbindliche Frauenquote für Unternehmen ab einer gewissen Größe würde vielleicht diese Reaktionen nach sich ziehen:

Die Unternehmen würden aktiv mehr Frauen fördern.
Um die Quote zu erfüllen, könnten sie nicht warten, ob sich genügend geeignete Frauen bewerben – wie es bei der Selbstverpflichtung der Fall wäre. Nach dem Motto: „Wir würden ja mehr Frauen einstellen, aber es bewerben sich wo wenig.“ So hat auch der norwegische Unternehmerverband für Frauen Seminare angeboten, die sie für die kommenden Aufgaben in Aufsichtsräten fit machen sollten.

Sowas gibt es hierzulande auch schon. Der „Verband deutscher Unternehmerinnen“ VDU bietet das Projekt „Stärkere Präsenz von Frauen in Aufsichtsratgremien“ an, zu dem sich 150 Frauen anmelden können.

Der jetzt schon spürbare Fachkräftemangel hat ja auch etliche Firmen dazu bewogen zu prüfen, ob ältere Arbeitnehmer – also Menschen ab 40 – tatsächlich hirnorganisch schon so stark abgebaut haben, dass man sie nicht gebrauchen kann. Und siehe da, auch diese Menschen können und wollen arbeiten – und können es sehr gut.

Die Unternehmen würden familienfreundlicher werden.
Es braucht nicht nur eine Frauenquote, sondern auch eine Kindergartenquote. Das wäre Aufgabe der Städte und Gemeinden wie auch der Unternehmen. Wie das gehen kann, habe ich in diesem Blogartikel beschrieben.
Und bestimmte Dinge gehen nur durch Auflagen. Siehe  beim Thema Umweltschutz und Emissionsrechtehandel. Da hat man auch nicht auf eine freiwillige Selbstverpflichtung gesetzt. Hier wurde eine „Verschmutzungsquote“ staatlicherseits bestimmt, an die die Unternehmen sich zu halten hatten.
Umso unsinniger finde ich  deshalb das Argument von FDP-Generalsekretär Christian Lindner, der sagte, eine Quote wäre ein ‚Eingriff in die Vertragsfreiheit und auch in die Personalpolitik der Unternehmen.“ Als würde der Staat über Gesetze, Auflagen und Grenzwerte nicht dauernd in die Unternehmenspolitik eingreifen.

Der Stellenwert von Arbeit würde sich langfristig verändern.

In meine Seminare kommen immer wieder Führungskräfte, die nach den Ursachen für ihren Burnout oder das Scheitern ihrer Ehe suchen. Die Gründe sind meist die gleichen:

– Arbeitszeiten von 10 Stunden und mehr plus Arbeit oder grüblerische Gedanken ins Wochenende mitnehmen;
– Nicht abschalten können bzw. in der Freizeit erschöpft auf dem Sofa rumhängen und bei jedem Kindermucks aus der Haut fahren;
– Perfektionismus, ein „Mach’s-allen-Recht-Antreiber“ und ein Selbstbild von grenzenloser Belastbarkeit;
– Ein Selbstbild, das klagloses Funktionieren fordert („Die anderen können es doch auch!“), mit dem man dann körperliche und seelische Warnzeichen ignoriert, das Nachdenken über den Sinn des eigenen Tuns immer wieder verschiebt und davon träumt, im Ruhestand all das nachzuholen, was man ein Leben lang aufschob.
– Präsentismus, bei dem man sich nicht traut, früher nach Haus zu gehen, weil die Kollegen auch noch da sitzen und beschäftigt tun oder weil man das Genöle der Ehefrau und die notwendige Konfliktklärung scheut;
– Wünsche und Vorwürfe der Partnerin bzgl. mehr Zeit miteiander mit immer denselben Rechtfertigungen abschmettern.

Zu einer neuen Arbeitskultur gehören deshalb flexible Arbeitszeiten für Männer und Frauen, in denen eben nicht nur ein Arztbesuch, sondern auch die Theateraufführung der Tochter ein wichtiger Termin ist.
Dazu gehören Verantwortungsbereiche, die teilbar oder von vornherein kleiner sind, so dass diese auch mit einem normalen Arbeitstag von 9 bis 5 zu schaffen sind.
Dazu gehören andere Werte, in denen es nicht nur um Profit geht, sondern auch um das Klima im Unternehmen, den Gesundheits- und Zufriedenheitsgrad der Mitarbeiter, den Sinn oder Beitrag, den das Unternehmen leistet.
Dass das alles keine utopischen Hirngespinste sind, sondern durchaus von einigen Vorständen gedacht und ausgesprochen werden, zeigt dieser Vortrag von Thomas Sattelberger, Telekom-Personalvorstand.

Mehr Frauen würden sich noch mehr zutrauen.
Für gesellschaftliche Veränderungen braucht es entweder eine kritische Masse, wie man jetzt im arabischen Raum beobachten kann. Fünf Demonstranten kann man noch von der Straße holen und verhaften. Fünfzigtausend nicht mehr. Und der Veränderungsfunke sprang von Tunesien auf Ägypten, Jordanien, den Jemen über.
Dies hat in kürzester Zeit mehr bewirkt als alle doppelzüngigen Appelle westlicher Außenminister nach mehr Demokratie. Auch die Türkei verändert ihre Strukturen nicht aus „Selbstverpflichtung“ und Einsicht, sondern weil sie sich Hoffnungen auf einen EU-Beitritt macht.
Neben der kritischen Masse ist es die Funktion von Vorbildern, die enormen Einfluss auf das individuelle Denken und Handeln von Menschen hat. Nicht umsonst hat die ägyptische Regierung zeitweise das Internet und den Handyverkehr abgeschaltet. Weil eine Nachricht, die viele Empfänger erreicht, eine enorme Sprengkraft und Energie für Veränderungen freisetzt.
– Depression gab es schon immer. Erst durch das Bekenntnis von Robert Enke wurde es ein öffentliches Thema.
– Auch Homosexualität gab es schon immer. Erst als einige Politiker sich outeten, merkten viele, dass Schwulsein nichts mit beruflichen Fähigkeiten zu tun hat.
– Die tägliche Begegnung im Fernsehen mit weiblichen Ministerinnen und einer Bundeskanzlerin wäre noch vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen. Doch durch das Vorbild und das Erleben, dass Frauen es zumindest oft nicht schlechter machen als Männer – und teilweise auch besser – kann ermutigen. Und vor allem dazu beitragen, dass eine Frau in einer Führungsrolle nicht mehr als Ausnahme argwöhnisch beäugt wird, sondern als Normalität. Und zwar von Frauen und Männern.

Mehr Frauen würden ihr Selbstbild ändern.
In meinen Coachings sehe ich es häufig, dass Frauen Einstellungen haben, mit denen man schwer an die Spitze kommt. Immer hübsch bescheiden und nett sein, superkritisch mit sich selbst und eigene Leistungen nicht kommunizieren, sondern herunterspielen. Schuldgefühle haben, wenn es um Gehaltsforderungen geht und vor allem das „Rabenmutter-Syndrom“ pflegen.

So wird das nix mit der Frauenquote. Denn dazu braucht es auch eine kritische Masse von Frauen, die anders leben wollen als ihre Mütter.

Doch Argumente allein helfen nicht.

Wie bei jeder Diskussion lassen sich für jede Position gute Gründe finden. Letztlich beginnt Veränderung immer im Kopf des Einzelnen. Und dem Entschluss, etwas Neues zu riskieren. Jeder muss sich dazu auseinandersetzen mit seinen inneren Landkarten zu dem Thema. Und den dazu gehörenden Ängsten. Also konkret:

  • Welche inneren Bilder und Gefühle tauchen bei Ihnen als Frau auf, wenn Sie sich in einer Führungsrolle mit einem sehr guten Gehalt vorstellen?
    Geht das überhaupt? Oder kommen gleich Ängste auf, zum Beispiel vor dem Neid von anderen.
  • Welche inneren Bilder und Gefühle tauchen bei Ihnen als Mann auf, wenn Sie sich als Vorgesetzte eine Frau vorstellen?
    „Das geht gar nicht“, sagte mal ein Bereichsleiter im Coaching zu mir, „die Kinder kriegen sie schon, wie wir pinkeln sollen, wollen sie bestimmen – und jetzt auch noch im Job gleichberechtigt sein, nee!“

Diese Bilder, Erfahrungen und Gefühle sind wichtig und bestimmen vor allem Ihre emotionale Meinung zu diesem Thema. Wer im Elternhaus elterliche Führung nur als Dominanz erlebt hat, die widerspruchslos befolgt werden musste, hat oft unbewusst Einstellungen übernommen, die sich argumentativ schwer verändern lassen.

Was ist Ihre Meinung zur Frauenquote? Erstaunlicherweise sind ja auch etliche Frauen gegen die Quote. Deshalb können Sie hier – nach Geschlecht getrennt – abstimmen:

Wir leben in einer Zeit der großen Veränderungen. Politisch und gesellschaftlich. Dieter Nuhr sagte dazu: „Von so einer Regierung hätten wir in den 70er Jahren nicht zu träumen gewagt. Eine Frau vorneweg, ein Schwuler, ein Behinderter, ein Waisenkind mit Migrationshintergrund, eine siebenfache Mutter, eine Schwangere, eine Witwe – und das ist die konservative Regierung.“

Sogar die Kirchen diskutieren Reformen. Zulassung von Frauen zum Priesteramt und ein Überdenken ihrer sexualfeindlichen Haltung nach innen und außen. Denn auch die Kirchen haben Personalprobleme. Vom Kundenproblem ganz zu schweigen.

Wann ist Gleichberechtigung in Deutschland erreicht?
Ganz einfach: wenn an der Spitze eines Unternehmens eine lesbische Frau steht – und gravierende Fehler macht. Gehen muss, eine Riesenabfindung erhält – und sich niemand darüber aufregt.

kommentar Was ist ihre Meinung zur Frauenquote?

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Foto: © -Süddeutsche Zeitung

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.