Ich-Botschaften: Wie formuliert man die?

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Es gibt kaum ein besseres Werkzeug, um Diskussionen, Konflikte und sonstige schwierige Gesprächssituationen zu entkrampfen als Ich-Botschaften. Sie sorgen schnell dafür, dass das Gespräch persönlicher wird und wirken fast immer deeskalierend.

Leider sind Du-Botschaften in der beruflichen und privaten Kommunikation viel häufiger:

„Nie kannst du pünktlich sein.“
„Ich möchte einmal sehen, dass Du Deine Hausaufgaben rechtzeitig machst.“
„Kapierst Du denn nicht, dass mir das Angst macht wenn Du nie Bescheid sagst, wenn Du später kommst.“
„Wie kannst Du das vergessen? Ich bin Dir doch komplett egal.“
Sie können’s einfach nicht!“

Wenn wir von einem Menschen ein anderes Verhalten erwartet oder uns gewünscht haben, wollen wir unsere Enttäuschung  oder Kritik meistens mitteilen. Oft tun wir das in Form von Du-Botschaften, wie in den obigen Beispielen. Leider führt das meist nicht zum gewünschten Ergebnis beim Anderen, dass er unser Anliegen ruhig anhört und ernst nimmt.

Die Nachteile von Du-Botschaften:

Kaum jemand reagiert auf eine Du-Botschaft interessiert oder kooperativ. Ganz im Gegenteil. Weil eine Du-Botschaft, vor allem wenn Sie noch in einem erregten, lauten Ton vorgebracht wird, vor allem aggressiv erlebt wird als:

  • Kritik, Abwertung oder Ablehnung
  • Schuldzuweisung
  • Bestrafung
  • Besserwisserei

Deshalb reagiert der Andere auch entweder mit Gegenangriff, Schweigen und emotionalem Rückzug oder Gesprächsabbruch. Das führt meist zu weiteren Du-Botschaften nach dem Motto „Nie machst Du“ und „Das ist ja mal wieder typisch für Dich!“ oder „Immer sagst Du“ Und schon landet man in einer weiteren Eskalationsrunde.

Sehen Sie hier ein Beispiel von Du-Botschaften im beruflichen Umfeld.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=Y1djtUnBSIg

Die Vorteile von Ich-Botschaften.

Ich-Botschaften, wenn sie richtig formuliert werden, wirken dagegen meistens deeskalierend. Denn im Unterschied zu Du-Botschaften:

  • Teilt man dem anderen damit mit, wie dessen Verhaltensweisen auf einen wirken.
  • Sind sie eine gewaltlose Art der Konfrontation, da man damit den anderen nicht be- oder verurteilt, zurechtzuweist, angreift oder beschuldigt.
  • Sie vermitteln auch, dass die eigene Wahrnehmung subjektiv ist und geben dem anderen die Möglichkeit, diese Kritik anzunehmen oder nicht.
  • Liefern sie eine Begründung für das erlebte Gefühl und können so zu einer Diskussion über den Sachverhalt einladen.

 


Wie formuliert man Ich-Botschaften?

Ich-Botschaften sind dann “richtige” Ich-Botschaften, wenn sie nur  Ihre Eindrücke, Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse ausdrücken, ohne dem Empfänger dafür die Verantwortung zuzuschieben – auch nicht “unterschwellig”.

Ein Satz wie “Ich fühle mich missverstanden” drückt nicht Ihre Gefühle aus, sondern Ihre Interpretation oder Ihre Meinung darüber, was Ihr Gesprächspartner von Ihnen verstanden hat. Und woher wollen Sie das wissen? (Besser: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig rübergebracht habe.“)

Die folgenden vier Schritte haben sich in Konfliktsituationen, beim Feedback oder in schwierigen Gesprächen sehr bewährt (hier erläutert am Beispiel eines Seminarteilnehmers, der – aus welchen Gründen auch immer – nicht “bei der Sache ist” und sich daher mit seinem Nachbarn unterhält.)

1. Beobachtung ohne Bewertung ausdrücken
(bzw. Beobachtung und Bewertung klar trennen).
Beispiel: “Wenn Sie sich mit Ihrem Nachbarn unterhalten, während ich spreche …”
Wichtig: Wörter wie “immer”, “dauernd”, “oft”, “ständig” vermeiden, sie stellen eine unterschwellige Bewertung dar und führen meist dazu, dass der oder die Angesprochene sich unzulässig bewertet fühlt.

2. Gefühle ausdrücken.
Beispiel: ”… bin ich unsicher (irritiert, frustriert…)”
Wichtig: Viele Begriffe, die wir für Gefühle benutzen, drücken eine Bewertung des Empfängers aus, so z.B. missverstanden, unterdrückt, missbraucht, getäuscht etc.

3. Eigene Bedürfnisse ausdrücken.
Beispiel: ”… weil ich die Akzeptanz/Unterstützung der Teilnehmer brauche”.
Negative Gefühle entstehen, weil Ihre Bedürfnisse nicht erfüllt sind und nicht, weil Ihr Gegenüber sich so oder so verhält. Also nicht “Ich bin ärgerlich, weil Sie…”, sondern “Ich bin ärgerlich, weil ich … brauche”!

4. Eine Bitte formulieren.
Beispiel: “Ich bitte Sie, mir zu sagen, ob Sie das Thema langweilt oder ob Sie sonst irgend etwas stört.”
Die Bitte stellt die “Brücke” dar, über die die Kommunikation mit dem Empfänger wieder in Gang gebracht wird.

Wichtig: Eine Bitte ist keine Forderung! Sie können niemand dazu zwingen, Ihre Bedürfnisse zu erfüllen, auch wenn Sie das vielleicht häufig glauben. Falls Sie es doch versuchen, bekommen Sie früher oder später die Quittung dafür.

Diese vier Schritte lassen sich sehr gut in der Konfliktbearbeitung, bei Feedback-Runden oder anderen “schwierigen” Gesprächen einsetzen. Hier ein Video, wie negative Du-Botschschaften zum Streit führen und wie das Ganze mit positiven Ich-Botschaften ausgehen kann.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=ptsRqdZqvPE

 

Warum verwenden wir Ich-Botschaften so selten?

Egal, ob man Debatten im Bundestag, Diskussionen in Talkshows oder im Freundeskreis verfolgt, Du-Botschaften sind viel häufiger zu hören als Ich-Botschaften. Warum eigentlich?

Ich sehe da fünf Gründe:

  1. Du-Botschaften schützen das Ego und lassen kaum Raum für den Anderen.
    Wer immer Recht haben will und die Wahrheit gepachtet hat, kann nicht offen für die Meinungen oder Gefühle des Anderen sein. Diese sind ihm egal bzw. machen Angst, weil der Andere auch Recht haben könnte.
  2. Du-Botschaften schaffen Distanz.
    Das zeigt auch der ausgestreckte, anklagende Zeigefinger, der oft dabei zu beobachten ist. Man glaubt, mit seiner Wahrnehmung, seinen Gefühlen und seiner Interpretation des Sachverhalts im Recht zu sein. Folglich muss der Andere im Unrecht sein. Muss also aufgeklärt, zurechtgewiesen oder nacherzogen werden.
  3. Sehr gegensätzliche Meinungen oder Wertesysteme machen es schwierig.
    Denn dann sind wir identifiziert mit unserer Sichtweise und sind nicht bereit, darüber zu diskutieren („Diese Position ist für mich nicht verhandlungsfähig.“)
  4. Ich-Botschaften erfordern Mut.
    Denn man zeigt etwas von sich: Was einen stört oder was einem wichtig ist. Gerade im beruflichen Kontext werden Gefühle oft auch  als deplatziert gewertet („Da müssen Sie als Abteilungsleiterin aber drüber stehen.“) Mit Ich-Botschaften offenbart man ein Stück seine eigenen Gefühle, macht sich also „angreifbar“, ist aber auch offen für die Sichtweise und Gefühle des Anderen. 
  5. Ich-Botschaften schaffen Nähe.
    Denn man zeigt ja damit Vertrauen, dass der Andere einem die gezeigten Gefühle nicht als Nachteil auslegt. Und man ist andererseits auch offen für die Meinungen und Gefühle des anderen. Es kann also eine Atmosphäre der Nähe und Vertrautheit entstehen. Und das kann in bestimmten Kontexten unerwünscht sein.

Ich-Botschaften sind kein Allheilmittel. Doch in konfliktträchtigen, verfahrenen Situationen sind sie oft der beste Weg, vom Sachthema weg zu den davon berührten Gefühlen und Einstellungen zu kommen und diese auszutauschen. Wer mit einer Ich-Botschaft beginnt, lässt schon mal das Visier sinken und gewährt dem anderen einen Blick ins eigene Innenleben. So wird eventuell ein konstruktiverer Austausch von Kritik möglich und damit auch die Suche nach Kompromissen oder einem Lösungsweg.

Ach übrigens: „Ich finde, Du bis ein unverbesserlicher Idiot“ ist nicht wirklich eine Ich-Botschaft.

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Foto: ©Spy-glass, Flickr.com


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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.