Okay, Sie sind erwachsen. Aber behandelt Sie Ihre Firma auch so?

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Karriere

kind_manager_fotolia_4430345_xs.jpgViele Firmen behandeln ihre Mitarbeiter wie kleine Kinder.
Die meisten Menschen haben sich nur so daran gewöhnt, dass es kaum mehr auffällt.

Ein paar Beispiele:

  • In vielen Betrieben gibt es Stechuhren, mit denen kontrolliert wird, wann jemand kommt und geht.
  • Wie lange man Mittagspause macht und wann, ist häufig festgelegt.
  • Einen Urlaub muss man beantragen, damit der Zeitpunkt genehmigt wird.
  • Welchen Dienstwagen man fahren darf, ist an Stellung und Zugehörigkeit gebunden. Zuweilen sogar der Parkplatz dafür.
  • Wieviel Sie verdienen, regeln Vorschriften oder Verträge mit der Gewerkschaft. Es ist streng geheim.
  • Wenn Sie Ihr krankes Kind zum Arzt fahren müssen, brauchen Sie manchmal einen halben Tag Urlaub dazu.
  • Sie müssen mit einem Chef arbeiten, der vielleicht inkompetent ist aber von der Zentrale eingesetzt wurde.
  • Manche Kollegen sind unkündbar. Kommen Sie mit denen nicht zurecht, haben Sie den Ärger.
  • Tun Sie etwas, was einem Höhergestellten nicht gefällt, können Sie eine Abmahnung (!) bekommen.
  • Wenn alle lachen aber Sie die Witze Ihres Chefs nicht lustig finden, kommen Sie in einen inneren Konflikt.
  • Wenn es der Firma schlecht geht, werden Mitarbeiter entlassen.
  • Wenn der Vorstand Mist baut, wird er auch entlassen, allerdings oft mit einer Millionenabfindung.

Ich weiß, das sind ganz alltägliche Dinge in vielen Unternehmen. Und es gibt jede Menge Argumente dafür, warum das so ist und auch so sein muss. („Wo kämen wir denn dahin, wenn jeder …?“) Aber es geht mir hier um etwas anderes. Nämlich um das Bild vom Menschen und den Beziehungen, das dahintersteckt. Wenn ich die obigen Beobachtungen noch einmal durchlese, bekomme ich viele Assoziationen daran, wie es im Kindergarten und in der Schule zugeht.

Für’s Fehlen des Kindes braucht der Lehrer eine „Entschuldigung“ von den Eltern. Es gibt Einträge ins Klassenbuch, der Lehrplan ist vorgeschrieben, auch wenn Kinder, Eltern und manchmal die Lehrer ihn für weltfremd halten. Wie lange man jeden Tag und wie viele Jahre ein Kind die Schule besuchen muss, ist geregelt. Leistungen werden von einer Person beurteilt, obwohl jeder weiß, wie subjektiv solche Urteile sind …

Genug der Klagen. Auf die Idee zu diesem Beitrag kam ich durch einen Artikel in brandeins, in dem über ein ganz anderes Konzept des Arbeitens miteinander berichtet wurde.

Stellen Sie sich eine Firma vor, in der folgende Regeln gelten:

  • Alle wissen, was Sie verdienen.
    Auch die Sekretärinnen bestimmen über Ihr Gehalt mit.
  • Es gibt keine festen Büros.
    Es gibt nur leere, gut ausgestattete Räume, die jeder nach Belieben nutzen kann.
  • Es gibt keine Anwesenheitspflicht.
    Wann und wo und wie viel Sie arbeiten, kontrolliert niemand. Ein Meeting von allen Kollegen alle sechs Wochen sorgt für den Informationsfluss untereinander.
  • Niemand muss eine Arbeit tun, die er nicht tun will.
    Sie bekommen keine Arbeit aufgedrückt, niemand kann ihnen befehlen, sich mit etwas zu befassen, was Sie nicht interessiert.
  • Es gibt keine Posten, keine Beförderung.
    Jeder muss sich für den Markt, die Kunden und seine Kollegen interessant machen. Wer irgendwann nicht mehr gefragt ist, hat ein Problem.
  • Es werden keine Kunden akquiriert.
    Es werden keine fertigen Produkte verkauft. Statt dessen überlegen sich die Mitarbeiter, welche Fragestellungen und Projekte sie spannend finden, arbeiten eine Weile daran und schauen, ob das für mögliche Kunden auch interessant ist.
  • Die Gründer verkaufen die gutgehende Firma an ihre Mitarbeiter.
    Einige Mitarbeiter verdienen heute mehr als die Unternehmensgründer.

Klingt utopisch, nicht wahr? Aber auch reizvoll, oder?

Das Ganze ist aber keine sozialromantische Phantasie, sondern das Geschäftsmodell einer erfolgreichen Personalberatung in den Niederlanden mit vierzig Mitarbeitern und weiteren zwanzig in Niederlassungen in anderen Ländern.

Beide Formen des Arbeitens funktionieren ja. Das hier skizzierte Modell ist sicher auch nicht für jeden Mitarbeiter anziehend. Wenn ich darüber nachdenke, was bei dem zweiten Modell anders ist, dann fallen mir vier Dinge auf:

  1. Der Verzicht auf Macht und Hierarchie zugunsten Kooperation.
    Manche Menschen brauchen Macht als Kompensation für das eigene Ich. Sie sind weniger am gemeinsamen Fluss interessiert, sondern am eigenen Fortkommen (auf deutschen Autobahnen kann man das exemplarisch beobachten).
    Für den einzelnen Mitarbeiter hat das Folgen. Er versucht, auf der Hierarchieleiter nach oben zu kommen und lernt dabei die Regeln und Tricks, die man in dieser Firma dazu braucht. Auf der Strecke bleibt dabei die Kooperation, denn diese funktioniert nach ganz anderen Regeln, weil das Ziel nicht das individuelle Fortkommen, sondern der gemeinsame Erfolg ist.
    Jedes Unternehmen muss sich entscheiden, welches Modell es favorisiert. Und jedes Unternehmen hat sich auch entschieden.
  2. Der Verzicht auf Fremdmotivation zugunsten Selbstverantwortung.
    Ähnlich wie Reinhard Sprenger glaube ich nicht an Fremdmotivation. Ich sehe, dass bei den meisten Menschen Bestrafung, Bestechung und Belohnung wirken, aber das sollte man dann auch so nennen – und nicht schönfärberisch „Motivation“. Wer als Führungskraft über seine unmotivierte Mannschaft klagt, sollte seine Mitarbeiter mal am Feierabend besuchen. Da bauen die „unmotivierten“ Mitarbeiter nämlich Häuser, erziehen Kinder, engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen usw.
    Je mehr Selbstverantwortung man jemandem gibt, umso mehr engagiert er sich in der Regel. Doch der Preis dafür ist die Aufgabe von Kontrolle. Es braucht erst mal einen Vertrauensvorschuß.
  3. Der Verzicht auf Status zugunsten Beziehungen.
    Damit ist jetzt nicht nur die Dienstwagenregelung gemeint. Sondern auch der Zweifel, ob das Management zwangsläufig die besten Ideen für die Strategie hat oder ob diese nicht besser gemeinsam im Dialog entwickelt wird.
    Die spannende Frage ist jetzt: haben Menschen ein Bedürfnis nach Status und Unternehmen nutzen dieses Bedürfnis nur für ihre Zwecke aus? Oder entsteht das Statusgerangel durch das gemachte Angebot?
  4. Der Verzicht auf Teamarbeit zugunsten Kooperation.
    Ich bezweifle, ob man ein Team „zusammenstellen“ kann, das dann immer gut zusammenarbeitet. Die Grundlage für Kooperation ist doch eher gegenseitige Attraktivität, und nicht die Tatsache, dass man demselben Team angehört. Und für diese Attraktivität in einem Team ist dann jeder selbst verantwortlich. Durch seine Kommunikationsfähigkeit, seine Fähigkeit zu führen und zu folgen, durch das Kontrollieren seiner neurotischen Impulse.

Ich weiß, dass vieles von der niederländischen Firma in einigen Firmen schon heute praktiziert wird. Die Arbeitswelt verändert sich ja und die Wirtschaft ist da immer kreativer und flexibler als Politik, Verwaltung oder Schule (Versuchen Sie mal, als Eltern einen unfähigen Mathematiklehrer auszuwechseln!).

Wichtig dabei ist das Menschenbild, also die „inneren Bilder“, die man vom Menschen (von anderen und von sich selbst) hat.

In der „alten“ Arbeitswelt (Modell: Fließbandarbeit) sollte der Mensch auf seine pures Funktionieren reduziert werden. Dazu musste sein Verhalten geregelt, kontrolliert und diszipliniert werden. In der „neuen“ Arbeitswelt sind Eigeninitiative und Selbstverantwortung des Mitarbeiters das Wichtigste, was man von ihm braucht.

Wie sieht das an Ihrem Arbeitsplatz aus?

Schreiben Sie hier doch in einem Kommentar, was Sie in Ihrem Unternehmen aufregt oder was Sie gut finden.
Und wie es Ihnen dabei geht.

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Danke für Ihr Interesse.

Fotos: © Andrei Vorobiev – Fotolia.com
Creative Commons License photo credit: Daquella manera

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.