Lebenskunst – oder: Wie meistern Sie Ihr Leben?

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Persönlichkeit

Betrachte dein Leben als Kunstwerk und du bestimmst die Farben.

Die Anregung zu diesem Artikel stammt von Claudia Klinger, die auf Ihrem Blog zu diesem Thema ein interessantes Blogprojekt gestartet hat. Schauen Sie mal rein, was Sie und viele andere bereits dazu geschrieben haben.

Wie habe ich mein Leben gemeistert? Ich schreibe das in Vergangenheitsform, weil ich in ein paar Wochen sechzig Jahre alt werde. Dann habe ich Anrecht auf den Seniorenpass der Stadt Heidelberg. Damit kann ich dann verbilligt in den Zoo gehen und ähnliche Erleichterungen. Entsprechend der drohenden Zäsur lese ich auch seit Anfang des Jahres die „Apotheken-Umschau“ und höre SWR1.

Da ist es eine gute Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen, was eigentlich dazu gehörte, mein Leben zu meistern.

Es sind sieben Lebensmaximen, die ich erprobtermaßen weitergeben kann.

  1. Mach Dein Ding.
    Neben der Liebe ist meiner Meinung nach eine berufliche Aufgabe, die einen erfüllt, das Wichtigste. Der Beruf soll eben nicht nur Geld einbringen. Wie findet man die?
    Wert meine Biographie kennt, weiß,dass ich die auch nicht auf Anhieb gefunden habe. Sich nicht entmutigen oder bestechen zu lassen, sondern ehrlich zu sich zu sein, ist dabei nützlich.
    Eine gute Frage, um der gewünschten „Berufung“ näher zu kommen: „Was würdest du tun, wenn für Deinen Lebensunterhalt gesorgt wäre?“
  2. Erkenne Dein Lebensdrehbuch.
    Aus der Transaktionsanalyse stammt der Begriff des „Skripts“. Also eine Art unbewusstes Lebensdrehbuch, das durch die Sozialisation und vor allem durch Beziehungserfahrungen in der Herkunftsfamilie geschrieben wird. Die meisten Menschen wissen viel zu wenig über die Einflüsse der ersten zehn Jahre auf das ganze spätere Leben. Mich hat das immer sehr interessiert und ich habe letztlich ja auch meinen Beruf daraus gemacht. Die Aufforderung im Apollontempel in Delphi „Erkenne dich selbst!“ halte  ich für wesentlich, wenn man verstehen will, wer man ist und wie man handelt.
  3. Lerne von Frauen.
    Das gilt natürlich nur für Männer. Okay, von Männern kann man lernen, wie man auf den Mond fliegt und wie man ins Guinness-Buch der Rekorde kommt Aber nur von Frauen können wir lernen, wie Beziehungen funktionieren.
    Das fängt ja schon ganz früh an. Jungen-Spiele drehen sich um’s Gewinnen, darum auf welchem Platz der Hierarchie man steht. „Ich bin der Stärkste, zweitschnellste …“ Mädchen-Spiele gehen um Beziehungen, sie spielen Vater, Mutter, Kind. Stundenlang. Kommt da ein Junge dazu und fragt, wann das Spiel zu Ende ist, gucken ihn die Mädchen nur verständnislos an. Und der Junge versteht nicht, wie man stundenlang etwas spielen kann, wo am Ende kein Sieger feststeht.
    Deswegen besuchen männliche Führungskräfte Seminare über Kommunikation und Teamentwicklung. (immerhin, besser als nichts.) Aber den Vorsprung, den Frauen im Beziehungsgestalten meist haben, holen wir Männer nie auf. Aber wir können von Frauen lernen. Zum Beispiel: Fragen stellen, Gefühle beachten, von sich sprechen usw.
  4. Finde heraus, was Dir wirklich wichtig ist.
    Das moderne Leben hält jede Menge Ablenkung und Überflüssiges bereit. Man nehme nur einmal das Fernsehprogramm eines normalen Wochentags, um zu sehen, womit man sich alles beschäftigen könnte. Hinzu kommt das Internet mit seinen unendlichen Informationsquellen.
    Wie findet man heraus, was einem wirklich ist? In meiner buddhistischen Lehrzeit gab es die Aufgabe, sich eine Nacht auf einem Friedhof aufzuhalten und über den Tod zu meditieren. Der Sinn dabei ist, sich der Begrenztheit des Lebens bewusst zu werden. Denn nur durch die Begrenztheit kann man entscheiden. Glaubt man an die Grenzenlosigkeit, scheint alles immer noch erlebbar – und dadurch aufschiebbar. John Lennon formulierte das so: „Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne machst.“
  5. Suche nicht nach der Wahrheit.
    Ich finde es mitunter schwer zu verkraften, dass wir die Wirklichkeit nicht erkennen können. So viele Lehren, ob philosophischer, religiöser oder politischer Natur versprechen, zu erklären und zu begründen, wie „etwas“ ist. Und doch muss man, wenn man genauer nachfragt und nachdenkt: Es gibt niemanden, der die Wahrheit kennt. Jeder muss sich auf den Weg machen und seinen eigenen Weg finden.
    Hilfreich fand ich den Ansatz des Konstruktivismus, nach dem jeder  sich sein Bild von der Welt macht ohne den Anspruch zu haben, es gleich zu allgemeingültigen Wahrheit zu erheben. Sie essen gern vegetarisch? Sie plädieren für Sex nach der Ehe? Statt auf dem Jakobsweg wandern Sie lieber im Harz?
    Prima, tun Sie’s – aber machen Sie nicht gleich eine Weltanschauung daraus.
    Ich weiß, dass es schwierig ist, auf die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ zu verzichten, aber ich glaube, dass derlei Unterscheidungen sehr menschlich – und nicht „wahr“ – sind und immer vom jeweiligen historischen und gesellschaftlichen und persönlichen Kontext abhängen.
    Gleichzeitig muss man dauernd einen Standpunkt einnehmen und sich entscheiden. Natürlich ist es dann leichter, wenn man einer Gruppierung angehört, einer Partei, der Gewerkschaft, einer Religion oder sonst einer festen Gruppierung. Da gibt es die entsprechende Weltsicht immer gratis und man muss nicht selbst dafür sorgen.
  6. Betrachte Dein Leben als Dein Kunstwerk.
    Die eigene Einstellung, was das Leben eigentlich ist, entscheidet über die Qualität. Für viele Menschen ist das Leben ein Kampf. Für andere eine nicht enden wollende Sammlung von To-Do-Listen. Für manche ein Rätsel mit vielen Gleichungen, das man lösen muss.
    Da wir aber – meiner Ansicht nach – nie wissen können, was und wie das Leben „wirklich“ ist, kann man sich auch gleich seine eigene Einstellung wählen.
    Das Leben als Kunstwerk zu betrachten, ermöglicht es, sich als Gestalter des eigenen Lebens zu fühlen. Und in Abständen – wie bei einem selbst gemalten Bild – ein paar Schritte zurückzutreten und es zu betrachten. Und dann entdeckt man vielleicht, dass eine  dunkle Farben zu viel Raum einnimmt. Dass bestimmte Konturen nicht klar genug heraus kommen oder dass in der Mitte etwas fehlt. Und dann kann man das verändern – wie bei einem Bild.
  7. Das Leben trägt Dich.
    Ich fand es immer hilfreich, Visionen und Träume für mein Leben zu haben und diese zu realisieren suchen. Aber natürlich gibt es auch immer Rück- und Fehlschläge, Niederlagen und Krisen, gesundheitliche und finanzielle Probleme.
    Um mit den jeweiligen Ängsten und Katatrophenphantasien besser umzugehen, hat mir dabei die Maxime Nr.6 geholfen. Manchmal muss man als Mensch sich anvertrauen, weil die eigenen Kräfte versagen oder man einfach nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll. Es geht aber weiter. Oder wieder Wissenschaftler in Jurrasic Park sagte: „Das Leben findet immer einen Weg.“

Nachtrag (10.10.08): Eine beeindruckende Ausstellung gibt es derzeit in der Heiliggeistkirche in Heidelberg: „LEBENSKUNST STERBEN“. Eine Fotografin hat auf Palliativstationen Sterbende porträtiert. Berührend.

Und wie meistern Sie Ihr Leben?

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Foto: © James Steidl – Fotolia.com

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

22 Kommentare

  1. Anke sagt

    Es ist richtig: Das Internet hält viele Informationen und Ablenkungen für alle Lebenslagen und Bedürfnisse bereit – ich sehe es allerdings als Bereicherung, sonst hätte ich diesen Blog nicht lesen können 😉

    Ich bin gespannt, welche Maximen ich aufstellen werde, wenn ich soweit bin …

  2. Veit Feger sagt

    Hallo,Herr KW,
    es ging mir bei meiner Kritik an Ihrer Empfehlung „Lerne von Frauen“ nicht darum, dass wir auch von manchen MÄNNERN lernen können, sondern darum, dass Frauen nicht der „Mund der Wahrheit“ sind, wenn es um Beziehungen geht. Das heißt: Auch bei den Aussagen von FRAUEN bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Aussagen zu PRÜFEN! Wir können diese Aussagen nicht einfach so übernehmen; sonst ist es gut möglich, dass wir in die Irre gehen.
    Wer aber prüfen will, muss MASSSTÄBE und PRÜFVERFAHREN haben 🙂 Die kann er aber nicht wiederum von Frauen abnehmen, sondern es bleibt ihm nix, als sich seines eigenen Verstandes und seines – verständig geprüften – Empfindens (kritisch :-)) zu bedienen :-).
    Zu dem Satz “Es gibt niemanden, der die Wahrheit kennt”

    Ich habe das Buch von Heinz von Foerster gelesen “Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners”.

    Und so ist es auch mit der Unterscheidung von gut und böse. Natürlich ist ein Urteil – oder die Wahrheit dazu – immer vom gesellschaftlichen Kontext abhängig.
    Ich glaube nicht, dass Foerster diese Ihre Ansicht so locker äußert und damit dann alles übrige sein Bewenden haben lässt. Was ich von ihm gelesen habe, veranlasst mich zu der Annahme, dass er nicht stehen bleiben will bei Etikettierungen (diese philosophische, jene philosophische Schule) und dass es ihm auf Verständigung unter Menschen ankommt (das gefällt mir sehr). Er hat da ein Diskurs-Modell, das meines Erachtens keinem einzigen Religiosen behagt, wohingegen es für Foerster wohl nichts gibt, was nicht zur Diskussion gestellt werden kann. Und damit wird er bei Religiosen sofort auf Widerstand stoßen. Ein Katholik und ein Moslem werden nie in einer Diskussion ihre Religion zur Disposition stellen, sie werden die Wahrheitsfindung nicht von der Bedingung abhängig machen, dass sie bei unbefriedigender Begründung auf ihre Religion Verzicht leisten müssten.

    In islamischen Gesellschaften ist ein Ehrenmord eine bewundernde Tat. Bei uns kommt der Täter ins Gefängnis.

    Sehr geehrter Herr KW, ICH kann hier nur das tun, was jeder tun kann, der vernünftig und verständig sein will: Ich bin bereit, mit einem Muslim über seine Ansicht (und meine Ansicht) zu diskutieren. Höchstwahrscheinlich wird er aber im Unterschied zu mir dazu NICHT bereit sein.
    Im übrigen lässt sich der Konflikt womöglich sogar außerreligiös diskutieren. Ehrverlust gibt es, wenn ich recht weiß, für einen Moslem nur in einer Gruppe Ähnlich-Gesinnter. Das Problem, dass moralisches Handeln auch erfordern kann, sich gegen die Ansichten einer Gruppe zu stellen, dem wird auch ein MOSLEM zustimmen. Auch bei ihnen gibt es Märtyrer. –
    Die entscheidende Frage beim Thema „Ehrenmord“ ist wohl nicht, dass es eine Koran-Anweisung gibt, Tochter oder Schwester umzubringen (ich glaube, es gibt keine solche Koran-Anweisung), sondern, ob man es aushält, in Widerspruch zu vielen Leuten mit anderer Ansicht in der unmittelbaren Umgebung zu leben. Dieses Problem hat jeder Mensch, dies hatten deutsche Widerständler oder deutsche Fahnenflüchtige im Dritten Reich. Bis heute schämt man sich in dem Allgäu-Dorf Missen darüber, dass einer aus dem Dorf den Kriegsdienst verweigerte (einer der sechs deutschen Katholiken, von denen wir dies wissen, und die ihre Tapferkeit mit der Hinrichtung büßten).

    Aber sogar ein Katholik wird dem allgemein formulierten Satz zustimmen können, dass man möglicherweise für seine Überzeugung mit dem Martyrium, mit dem Tod, zahlen muss. – Die Frage ist dann: Wo ist ein Martyrium zu wünschen, zu fordern, wo nicht. Ich diskutiere gern darüber. Die Frage ist, ob ein moslemischer Vater/Bruder mit mir darüber diskutieren wird. Ich fürchte: NEIN.

    Eine Karikatur über Mohammed ist dort eine Gotteslästerung, hier gehört das zur Freiheit der Kunst. Und was ist jetzt bitte die Wahrheit?

    Die Wahrheit ist sehr einfach: Diese Karikatur ist für einen Mohammedaner eine Gotteslästerung (übrigens sind ähnliche Karikaturen mit JESUS für einen Christen ebenfalls eine Gotteslästerung). Aber bei uns haben sogar inzwischen relativ viele CHRISTEN erkannt, dass die Gotteslästerer-Bestrafung das Maß an Freiheit in unseren Ländern verringert, eine Freiheit, von der auch CHRISTEN profitieren. Zudem ist es in unserem Land jedem Christen freigestellt, öffentliche Andachten abzuhalten und Gott zu bitten, den Karikaturisten eines Besseren zu belehren 🙂

    Worüber übrigens leider nie gesprochen wird: Christliche Dogmen wie jenes vom Eucharistischen Heiland werden von einem ATHEISTEN als Verletzung SEINER Gefühle ( seiner nicht emotionslosen Vernunft-Orientierung) empfunden. Leider nehmen unsere Gerichte keine Rücksicht auf die Verletzung der Gefühle von ATHEISTEN; immer nur von CHRISTEN 🙂

    von Förster würde in diesem Fall mit einem Moslem, der den Karikaturisten umbringen will, gern REDEN. Das ist ihm ungeheuer wichtig! – Nur: Der MOSLEM wird nicht mit IHM reden. Förster wird gar keine Chance zum dialogischen Austausch von Argumenten erhalten :-(((((((((

    Islamische Länder werden so lange im Vergleich zum Westen wissenschaftlich-technisch und in ihrer Jurisdiktion hinterm Mond leben bleiben, solang sie nicht die Freiheit anerkennen, religiöse Inhalte für KURIOS zu empfinden und das auch zu äußern.
    Wir im Westen verdanken ein gerüttelt Maß unserer geistigen Freiheit dem traurigen Umstand, dass sich einige Jahrhunderte lang Christen verschiedener Denomination die Köpfe einschlugen, weil sie jeweils die Ansicht des anderen Christen als Gotteslästerung empfanden. Diese Probleme haben übrigen auch die Moslems, sie scheinen sich aber nicht gern mit diesem Problem zu befassen, sondern es auszublenden. – Sie, Herr KW, empfehlen die Lektüre des Förster-Buchs, ICH empfehle einen ausgeweiteten Blick auf die abendländische Geistesgeschichte. Es hat lange gedauert, bis wir zu dem jetzigen Umfang an Freiheit kamen. Und eine der vielen teuren Unkosten auf diesem Weg waren die Zunge von Giordano Bruno und der Inquisitionsprozess Galilei.

    Der Papst verbietet weiter angesichts Millionen von Aids-Toten den Kondom-Gebrauch. Ist das jetzt gut oder böse?

    Kein Problem. Ein Katholik MUSS dieses Verbot für GUT empfinden, weil Sündenlosigkeit ein höheres Gut ist als Leben. Ein Katholik kann sich aber auch (wie ich) von jenem Glauben trennen, weil er ihn für schlecht begründet, in sich widersprüchlich, in seiner Ethik partiell für inhuman ansieht.
    Jemand, dem es nicht in erster Linie um die Einhaltung von religiös bedingten Verboten geht, sondern um den Rückgang der Aids-Neuerkrankungen in Afrika, der wird für das Nicht-Verbot von Kondomen sein.

    Die wichtige Frage ist nicht jene „Kondom, ja oder nein?“, sondern: Ist eine Religion der „Mund der Wahrheit“? – Für mich ist das leicht zu beantworten: Ich verweise einfach auf die Vielfalt der Religionen und der sich widersprechenden Aussagen ihrer jeweiligen Götter. Daraus folgt für mich, dass ich mich halt doch auf meinen EIGENEN Verstand stützen muss, so fragil er auch sein mag.

    In Amerika werden in manchen Staaten weiterhin Menschen mit dem Tod bestraft.
    So geben es mit parlamentarischer Mehrheit beschlossene Gesetze vor.
    In Amerika darf man sich aber ganz ungestraft dafür einsetzen, dass diese Gesetze geändert werden. Und das kommt auch vor.

    In Guantanamo werden Menschen vom Staat gefoltert, jetzt nicht mehr. War es vorher gut und jetzt böse?

    Die Anwendung der Folter konnte in den USA als gut angesehen worden sein. Und es ist möglich, dass in den USA die entsprechenden Gesetze geändert werden, so dass Folterung später als zu UNTERLASSEN angesehen wird. – Heikel wird es, wenn Folterer bestraft werden, obwohl sie den Schutz einer früheren Gesetzgebung für sich hatten. Schön wäre es, wenn – anders als in Deutschland nach NS – nicht nur „die Kleinen“ bestraft werden, sondern auch die Schreibtischtäter.

    Wenn Sie mich persönlich fragen, möchte ich mich IMMER gegen Folter aussprechen. Aber es könnte sein, dass ich auch mal in eine emotionale Situation gerate, in der ich die Folterung anderer Menschen befürworte. Hoffentlich gibt es dann Gesetze in meinem Land, die mir das verbieten.

    Zu meinem Satz: “Das Leben trägt dich” heißt nicht: Andere Menschen tragen dich. Was derjenige als Objekt in diesen Satz einsetzt, bleibt ihm überlassen. Ob es Gott ist, die Hoffnung oder man selbst – das muss jeder selbst herausfinden. Dass der Satz sich auch in Extremfällen bewährt, weiß ich von etlichen Krebspatienten, die ich begleitet habe. Ein prominentes Beispiel ist Viktor Frankl, der im KZ überlebte, weil er eine Vision vom Leben danach hatte, die ihn trug.

    Ich bin mir sicher, dass Viktor Frankl wie die meisten KZ-überlebeden Juden SEIN Leben nicht als Beleg für die Richtigkeit der Ansicht „Vision-Haben rettet aus dem KZ“ verwendet wissen möchte. Ich möchte wetten: Er würde sich hart gegen eine solche argumentative Indienstnahme verwahren.

    Kennen Sie eine Aussage von ihm der Art: „Ich habe überlebt, weil ich eine Vision hatte. Wenn meine Mithäftlinge auch eine Vision gehabt hätten, hätten sie auch überlebt.“ ??
    Ich glaube, könnte er Ihren Satz lesen, er würde sich im Grab umdrehen.

    Es gibt einen hochinteressanten Unterschied zwischen vielen christlichen und jüdischen KZ-Überlebenden (der für mich viel pro Judentum und viel contra Christentum sagt): Zahlreiche christliche KZ-Überleber sagten nachher arrogant: „Gott hat mich gerettet!“ Viele, auch gläubige Juden, die überlebten, sagten: „Ich schäme mich, dass ich überlebt habe.“ Der (KZ-überlebende) Chemiker und Schriftsteller Primo Levi schrieb: Die Schlechteren haben überlebt, die Besseren starben; ich schäme mich.

    Zu Ihrem etwas resignierten Fazit, dass Sie Wichtiges in Ihrem Leben nicht geschafft haben.
    Sie schreiben: “Ich wollte nicht eine Ehe führen wie meine Eltern und ich wollte ein anderes Verhältnis zu meinem Sohn als mein Vater zu mir.” Das Gegenteil von etwas zu leben, was man bei den Eltern als Kind erlebt hat, ist oft der Weg, genau dies nicht zu schaffen.

    Ich kenne die These „unfrei bleiben, weil man an ein GEGENTEIL fixiert ist“.

    Diese Hypothese erscheint mir vertretbar. Sie trifft hier aber nicht zu, glaube ich. Wenn ich feststelle: Mein Vater hat seine Frau willkürlich angeschrieen und mir nie ein gutes Wort gegeben, wenn ich nun mich entschließe, meine Frau nicht willkürlich anzuschreien und meinen Sohn, wenn es irgend geht, zu loben, ich glaube nicht, dass ich dann unter einem blöden Bann des puren Gegenteils stehe, nur dumm fixiert bin, sondern dass ich einfach bestimmte Fehler nicht auch noch machen will. Ich hätte auch sagen können: Ihre Empfehlungen für den Umgang in einer GUTEN Partnerschaft hatte auch ich mir schon vor VIERZIG Jahren aufs Panier geschrieben. Aber, wie sich lebensgeschichtlich zeigte: Das war eben nicht entscheidend. – Sie schreiben irgendwo: Auch Müsli-Esser kriegen Darmkrebs. Daraus zu folgern: „Müsli-Essen ist blöd“, das möchte ich nicht. Ich hoffe: Sie auch nicht, obwohl der Duktus Ihrer Darlegung dies nahelegt. 🙁

  3. Sehr geehrter Herr Feger,
    danke für Ihre intensive Auseinandersetzung mit meinem Artikel. Auf einige Ihrer Anmerkungen will ich Ihnen antworten:

    Da ist zunächst mal die Empfehlung “3. Lerne von Frauen!”
    Der Satz lautet nicht: Lerne nur von Frauen. Natürlich kann man eine Menge von Männern lernen. Aber eben auch von Frauen. Und viele Männer haben da ein Akzeptanzproblem. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt.

    Zu dem Satz “Es gibt niemanden, der die Wahrheit kennt”
    Ich habe das Buch von Heinz von Foerster gelesen „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“.
    Und so ist es auch mit der Unterscheidung von gut und böse. Natürlich ist ein Urteil – oder die Wahrheit dazu – immer vom gesellschaftlichen Kontext abhängig. Im islamischen Gesellschaften ist ein Ehrenmord eine bewundernde Tat. Bei uns kommt der Täter ins Gefängnis. Eine Karikatur über Mohammed ist dort eine Gotteslästerung, hier gehört das zur Freiheit der Kunst. Und was ist jetzt bitte die Wahrheit?

    Der Papst verbietet weiter angesichts Millionen von Aids-Toten den Kondom-Gebrauch. Ist das jetzt gut oder böse? In Amerika werden in manchen Staaten weiterhin Menschen mit dem Tod bestraft. In Guantanamo Menschen vom Staat gefoltert, jetzt nicht mehr. War es vorher gut und jetzt böse?

    Zu meinem Satz: “Das Leben trägt dich” heißt nicht: Andere Menschen tragen dich. Was derjenige als Objekt in diesen Satz einsetzt, bleibt ihm überlassen. Ob es Gott ist, die Hoffnung oder man selbst – das muss jeder selbst herausfinden.
    Dass der Satz sich auch in Extremfällen bewährt, weiß ich von etlichen Krebspatienten, die ich begleitet habe. Ein prominentes Beispiel ist Viktor Frankl, der im KZ überlebte, weil er eine Vision vom Leben danach hatte, die ihn trug.

    Zu Ihrem etwas resignierten Fazit, dass Sie Wichtiges in Ihrem Leben nicht geschafft haben.
    Sie schreiben: „Ich wollte nicht eine Ehe führen wie meine Eltern und ich wollte ein anderes Verhältnis zu meinem Sohn als mein Vater zu mir.“ Das Gegenteil von etwas zu leben, was man bei den Eltern als Kind erlebt hat, ist oft der Weg, genau dies nicht zu schaffen. Weil Rebellion nicht weiter führt. Warum das so ist, würde hier zu weit führen. Genaueres steht in meinem Buch im Kapitel über „Ablösung“.

    Danke für Ihren Kommentar.

  4. Veit Feger sagt

    Lieber Herr Kopp-Wichmann,

    zunächst mal: ich finde Ihre Website gut!
    Mir gefällt, wie Sie auf Ihre Leser zugehen, mir gefällt, wie verständlich Sie schreiben, mir gefällt, wie Sie sich an den Ansichten Ihrer Leser interessiert zeigen, mir gefällt, dass und wie Sie antworten! Diese Verhaltensweise ist – so empfinde ich aufgrund früherer Erfahrungen – unter Autoren recht selten!

    Der obige Essay berührt mich positiv, mir gefällt manches. Aber beim zweiten Durchlesen empfinde ich auch einiges als für mich befremdend.

    Da ist zunächst mal die Empfehlung „3. Lerne von Frauen!“ –
    In dieser Allgemeinheit formuliert, scheint mir das ein schlechter Rat zu sein. Grundsätzlich ziehe ICH Frauen Männern meist vor, Frauen erscheinen mir empfindungsfähiger, liebevoller als wir Männer, Männer empfinde ich oft als „quadratisch, praktisch, UNgut“ :-). Aber auch FRAUEN sind nicht einfach der „Ort der Wahrheit“. An anderm Ort äußern Sie, Herr Kopp-Wichmann sich ja sehr skeptisch über unsere Chancen zur Erreichung grundlegender Erkenntnisse über das Leben, warum nicht auch bitte etwas skeptischer gegenüber Ansichten aus FRAUENMUND? :-)))
    .
    Warum meine Skepsis gegenüber Rat aus Frauenmund?
    Meine Skepsis beruht auf MEINEN Erfahrungen.
    Den Satz „Jungens weinen nicht“ hab ich als Kind nie aus dem Mund von Männern gehört, sondern aus dem Mund meiner Mutter und meiner Gouvernante.
    Ich kenne des weiteren den Satz aus Frauenmund, dass ich mich ja unbedingt wehren solle, und die Aufforderung, dass ich besser als das beste Mädchen in meiner Schulklasse zu sein habe.
    Mein VATER gab mir NIE dergleichen Anweisungen, sondern die für Jahre hinaus wichtigsten FRAUEN in meinem Leben.
    Was die von Ihnen gerühmte Kommunikationsbereitschaft von Frauen betrifft, so habe ich als Erwachsener durchaus und MEHRFACH erlebt, dass FRAUEN ein Problemgespräch abbrechen oder es von VORNHEREIN zurückweisen.

    Kurz: Ich fände es SCHÖN, wenn es immer so wäre, wie SIE es vorgeben („nur von Frauen können wir lernen, wie Beziehungen funktionieren.“). Aber, schlicht: Es ist nicht immer so.

    Gegenüber einem Satz wie dem „Es gibt niemanden, der die Wahrheit kennt“ möchte ich das alte skeptische Argument einwenden, dass zumindest dieser Satz selbst höchst , BEHAUPTEND ist und Sie sich damit in einem Selbstwiderspruch befinden.
    Lieber Herr Kopp-Wichmann, Sie müssen mit der meines Empfindens unangenehmen Vermutung weiterleben, dass es vielleicht jemand gibt, der wirklich durchblickt, nur, dass SIE ihn halt nicht getroffen haben. Pech! 🙂

    Wie kann man Frauenmeinung so sehr empfehlen und anderererseits solche Skepsis über unsere Erkenntnisfähigkeit äußern? Ein Selbst-Widerspruch binnen zwei Din-A-4-Seiten.

    Ihre Skepsis geht so weit, dass Sie die Wahrheit von Aussagen im Bereich gut-böse gar nicht gelten lassen wollen, sondern sie als „immer vom jeweiligen historischen und gesellschaftlichen und persönlichen Kontext abhängend“ bezeichnen.

    Abgesehen davon, dass man diesen Satz auf sich selbst zurückbeziehen kann und er dann selbst zerfällt, ich meine: In einer Welt, in der das DRITTE REICH möglich war (und unvorstellbar viele weitere MENSCHENgemachte Schrecknisse in der Welt WIRKLICH sind), sollte die Frage nach „gut“ und „böse“ unbedingt gestellt werden. Und man muss verlangen, dass man sie richtig beantworten kann.
    Ich weiß: eine unangenehme Frage, diese Frage nach „gut und böse“. Auch ich würde ihr gern ab und zu aus Weg gehen.

    Meines Empfindens das beste Argument gegen intensive Erkenntnisbemühungen ist wohl, dass die Bemühung um Erkenntnis vielleicht so zeitaufwendig wird, dass wir gar nicht mehr zur ANWENDUNG unserer Erkenntnisse kommen.
    Aber nur in diesem Fall dürfen wir Erkenntnisbemühungen beenden, und dann mit einem fortwährend schlechten Gewissen :-).

    Von einem Gerichtshof, der nach Ihrem zitierten Satz „immer vom jeweiligen…“ entscheidet, könnte kein Verbrecher zu Recht verurteilt werden. Es wäre jedes Urteil arbiträr, ein Akt von Würfeln oder Gesetzeslektüre. – Haben Sie sich das vergegenwärtigt?

    Ihr Urteil über „Partei, Gewerkschaft, Religion oder sonst eine feste Gruppierung“ ist in dieser Allgemeinheit sicher unfair. (Beiläufig: Ich gehöre keiner Partei, keiner Gewerkschaft, keiner Religion an).

    Da lese ich Ihren Satz: „Das Leben als Kunstwerk zu betrachten, ermöglicht es, sich als Gestalter des eigenen Lebens zu fühlen“. – Ein Religiöser (der ich absolut nicht bin :-), könnte auch sagen: „Ja, GOTT macht dein Leben zu einem Kunstwerk.“ :-)))
    ICH meine: Hier ist von sehr viel, von ZU viel „fühlen“ die Rede. 🙂 Gefühlen können ebenso sehr irren wie intellektuelle Erkenntisse.

    Sie meinen, man könne sein Leben quasi malerisch, mit dem Pinsel, „wie bei einem Bild“ verändern.
    Ja, und nach welchen Grundsätzen? mit dem Würfel, der mir die Richtung der Striche vorgibt?
    Meine Lebenserfahrung lautet: Die meisten Menschen gehen nicht sehr streng mit sich ins Gericht. Sie malen alle ein eher positives, meist ZU positives Bild von sich selbst. :-
    Ein geradezu messbares Argument für diese meine Behauptung lautet: Nach dem Dritten Reich gab es in Deutschland fast nur Widerständler, so gut wie keine Nazis. Wenn es aber auch nur einen geringen Teil der angeblichen Widerständler im Dritten Reich WIRKLICH gegeben hätte, hätte das Dritte Reich DAS nicht in 12 Jahren durchziehen können, was es DURCHZOG.

    7. „Das Leben trägt dich“ – ich glaub, ich hör einen Pfarrer, eine Spezies, die Sie, so mein Eindruck, GAR NICHT mögen (ich meist auch nicht .-).
    „Manchmal muss man als Mensch sich anvertrauen.“ Das Tunwort in diesem Satz hat kein Objekt bei sich. WEM sich anvertrauen? Ich frage: Wieviele Menschen sind hoffnungslos depressiv, weil sie niemand gefunden haben, dem sie sich anvertrauen können?
    Und in vielen Fällen ist dieser Umstand, dass diese Menschen niemand zum Anvertrauen gefunden haben, nicht in ihrer dummen, verqueren Psyche zu suchen, sondern: Es gab oder gibt wirklich NIEMANDEN.
    Nehmen Sie nur die Menschen, die ins KZ eingewiesen wurden, und einen geliebten Menschen, etwa ein Kind oder jemand anders, zurücklassen mussten. Wer hätte sie trösten können? BEGRÜNDET trösten? Selbstbelügung ist ja immer möglich.

    Ihr Rat „sich anvertrauen“ ist gut für jedermann und jede Situation, aber BEWÄHREN muss er sich auch in den Extremfällen.

    „Es geht aber weiter“ , das Leben, wohl, behaupten Sie.
    Nein, es geht ab und zu NICHT WEITER.
    Dass das Leben immer weitergeht, ist ein unzureichend begründeter Optimismus, Dieser Satz ist allenfalls verständlich, wenn auch nicht verzeihlich, als Berufslüge von Psychotherapeuten.

    Und wie meistere ICH mein Leben?
    Ich fürchte, ich meisterte mein Leben grundlegend NICHT.
    Ich hatte mir aus meiner schrecklichen Kindheit und Jugend zwei mir absolut wichtige Ziele vorgenommen: Ich wollte nicht eine Ehe führen wie meine Eltern und ich wollte ein anderes Verhältnis zu meinem Sohn als mein Vater zu mir.
    Ich dachte: Ich WEISS , was in diesen beiden Beziehungen falsch lief, ich werde in dem vor mir liegenden Leben einige bestimmte, von mir klar benennbare Fehler NICHT machen.
    Ich dachte felsenfest: DAS KRIEG ICH HIN.
    Beides hab ich NICHT hingekriegt.

  5. Roland Kopp-Wichmann sagt

    Hallo Herr Porbeck,
    Ihre Sätze sind gut. Nur wissen – nach meiner Erfahrung – die meisten Menschen nicht „wer sie sind“. Sie wissen oft gut, wer und wie sie sein sollen.

  6. Jürgen Porbeck sagt

    Hallo Herr Kopp-Wichmann,

    meiner Meinung nach sollte man den Ausgangssatz: „Erkenne dich selbst“ noch ergänzen. Und zwar um die Sätze:
    Werde der Du bist.
    Habe den Mut weise zu sein.
    Denn dein Weg ist das Ziel.

    Was halten Sie davon?

    Schöne Grüße
    Jürgen Porbeck

  7. Das, was mir an Ihren Gedanken wohl am besten gefällt, kann man wohl mit „Gelassenheit gegenüber dem Ungewissen“ beschreiben.

    Und was Sie im Einzelnen raten beruht darauf, dass wir für das Richtige, das Wahre, das, mit dem wir uns selbst nicht belügen, einen inneren Kompass haben, zu dem wir wohl gerade mit dieser Gelassenheit, mit dem Aushalten von Leere, weiter und tiefer vorstossen.

  8. AlexG sagt

    Durch Zufall (oder doch nicht? :)) hierher gerutscht… auf der Suche nach meiner linken Schulter
    (=meine Weiblichkeit)… und äußerst zufrieden durch das hier Gelesene!

    Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für „die Mütter“ brechen: man kann soviel an Kindern „verbrechen“, sie „beziehungsgeschädigt“ in die Welt entlassen, man macht wahrscheinlich tagtäglich erziehungstechnische Fehler… wenn man sich dessen bewusst ist und reflektiert. Und trotzdem haben Kinder/Söhne ihre Mami, die sie lieb hat und „nur das Beste“ für sie will… man kann damit natürlich auch übertreiben.

    Ich halte die Erziehung meines Sohnes (sowie auch seiner Zwillingsschwester) nach dem Motto: Ich kann ihnen zeigen, wie fliegen geht… tatsächlich „fliegen“ müssen sie aber selbst! Mir ist wichtig, dass beide ein solides und gutes Grundgefühl an Werten ins Leben mitnehmen und vertraue ihnen.

    Mein Sohn erlebt bei mir das Leben in all seiner Schönheit, genauso wie mein Scheitern… und mein immer wieder Aufstehen! Wenn´s für ihn wichtig ist, fragt er um meinen Rat, wenn ich ihm mit meiner fraulichen Sichtweise nicht helfen kann, geb ich ihn an männliche Ratgeber „weiter“… So erhält er verschiedene Zugänge und kann sich das für ihn (im Moment) Optimale heraussuchen und sich seine eigene Meinung bilden.

    Das Wichtigste ist dabei jedoch immer: er weiß, dass ich ihm vertraue und er mir vertrauen kann (soviel zum „Urvertrauen“)… ich komm jetzt schön langsam ins Denken! 🙂 Hmmm… wird wahrscheinlich wieder zu einem Artikel auf meiner HP führen!

    Ich bedanke mich auf alle Fälle einmal recht herzlich für die Anregungen und Gedanken auf dieser Seite!

  9. Roland Kopp-Wichmann sagt

    Hallo Marina,
    stimmt, um etwas zu erleben, muss man erst den Unterschied erfahren. Das heißt, bei Männern sollte sich auch irgendwann der „Schleier des Testosteron“ mal heben. Dass darunter nicht immer eine größere Beziehungsfähigkeit hervorkommt, gesteht der Frauenheld Udo Jürgens in diesem Interview …

    Und hier der Link zu Ihrem schönen“Lebenskunst-Beitrag“.

    Danke für Ihren Kommentar.

  10. Ein sehr schöner und interessanter Artikel, der zum Weiterdenken und Schreiben anregt
    Ich habe mich mit Freude am Bloprojekt von Claudia Klinger beteiligt, vielen Dank für den Hinweis.

    zum Kommentar von Claudia Klinger:
    Ich stimme dem voll zu. Der „Schleier der Hormone“ ist ein sehr passender Ausdruck für den seltsamen Zustand, den ich mir erst erklären kann, seit er langsam im Verschwinden ist.

    Marina

  11. Roland Kopp-Wichmann sagt

    Hallo Iris,
    als ich vierzig war und zuweilen ängstlich an meine Zukunft dachte, rettete mich auch der Satz: „Mit sechzig fängt das Leben erst an.“ Jetzt wo ich an dieser Zahl angekommen bin, stimmt der Satz nicht mehr für mich.

    Dafür gibt es zu viele Anzeichen wie Zweistärkenbrillen, Zahnkronen und andere nachlassende Vitalfunktionen (darunter mag sich jeder vorstellen, was er will), die mir zeigen: „Die Einschläge kommen näher.“

    Das ist aber auch gut so. Solange ich von größeren gesundheitlichen Malaisen verschont bleibe, kann ich diesem Abschnitt viel Positives abgewinnen. Durch die Begrenzung kommt mir mein Leben auch kostbarer vor. Ich verschwende es weniger, sondern frage mich in vielen Situationen, wie viel Lebenszeit ich dafür aufwenden müsste – und ob es dass wert ist.

    Danke Iris, für Deinen Kommentar.

  12. Iris sagt

    Zu lesen, wie Du die vergangenen 60 Jahre Deines Lebens zu Deinem ganz persönlichen Lebenskunstwerk gemacht hast, hat Spaß gemacht. Vor allem Deine Fähigkeiten zur Selbstreflexion, die aus Deinen Zeilen spricht, finde ich wirklich beachtlich … für einen Mann ;o). Nur einen kleinen Wermutstropfen finde ich hier: Dein Lebenskunstwerk ist unvollendet. 60 ist doch noch kein Alter, in dem man ein endgültiges Resümee zieht, Mensch. Das Leben fängt doch erst mit 66 an ;o).

    Und was Punkt 3 betrifft, muss ich Marianne in gewisser Weise recht geben: Die Männer von heute sind die Söhne von gestern. Und Frauen haben traditionell den größeren Anteil an der Erziehungsarbeit. Wir Mütter müssten unsere Söhne und Töchter gleichermaßen zu beziehungsfähigen Mitmenschen erziehen.
    Ich hab‘ schon oft gedacht, dass viele Männer (und ihre Nächsten) vielleicht glücklicher wären, wenn sie nicht permanent unter dem Druck ständen, ein ‚Siegertyp‘ zu sein oder wenn sie zumindest erst mal erkennen würden, dass jeder für sich selbst bestimmen kann, was Erfolg ist.

  13. Roland Kopp-Wichmann sagt

    Hallo Marianne,
    im Verhältnis der Geschlechter hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges getan. Was die Beziehungsfähigkeit in der Partnerschaft angeht, denke ich, dass Männer heute mehr von ihren Partnerinnen lernen können als von ihrer Mutter. Einfach weil früher das patriarchalische Ehemodell zu sehr verbreitet war, in dem „frau“ auf „Kinder, Küche, Kirche“ festgelegt war.

    Das ist ja das Manko vieler Männer heute, dass sie oft mit Partnerinnen zusammen sind, die durch die Frauenbewegung sich stark verändert haben, eine entsprechende „Männerbewegung“, die aber kaum stattgefunden hat. In bestimmten Bereichen, was den Umgang mit Kindern angeht, schon, aber im Bereich der Partnerschaft, was Rollen und die daraus entstehenden Konflikte angeht, weniger.

    Das hat auch damit zu tun, dass Veränderung meist nicht über den Kopf läuft, sondern entsprechende andere Beziehungserfahrungen erfordert.

    Danke für Deinen Kommentar.

  14. Marianne sagt

    In 6 von den 7 Lebensmaximen kann ich mich wieder finden. Ich schätze Deine pointierte Formulierungen, sie bringen mir (u. sicher vielen anderen) ein positives Feedback.

    Nur die 3. Maxime kann ich leider (sowohl auf Grund meiner eigenen wie auch auf Grund der „fremderlebten“ Lebenserfahrung bei meinem Partner, wie auch auf Grund der zahlreichen Negativerlebnisse aus meinem beruflichen Umfeld bei mir anvertrauten Menschen) nicht so uneingeschränkt teilen. Ich bin selber eine Frau und ich könnte mich „geschmeichelt“ fühlen, dass Du so positiv über Frauen denkst. Frauen mögen feinfühliger sein, was Beziehungen angeht, aber dass Männer vielleicht nicht so feinfühlig in Beziehungen sind, haben sie ja gerade ihrer „ersten Frau“ ihrer Mutter zu verdanken. Und ich glaube, dass das Phänomen der Kleinfamilie, der Nesthocker, der langen Lebenserwartung + der Beziehungsprobleme der Eltern, diese Mutter-Sohn Konstellation verschärfen kann – woraus die Männer „kommunikationsfremder“ sind (werden?).

    Daher, von welcher Frau sollen die Männer denn lernen? Du meinst, von der Partnerin oder
    der raren (?) wahren Mutter, die ihren Sohn so liebt, dass sie ihn dem Leben schenkt ?

    Viele Grüße
    Marianne ( die gerne von Männern wie Dir lernt 🙂 ! )

  15. Roland Kopp-Wichmann sagt

    Hallo Claudia,
    danke für Ihren anerkennenden Kommentar. (Vielleicht wird das ja mein zweites Buch).

    „Von Frauen lernen“ schreibe ich natürlich als Mann, um daraufhinzuweisen, was ich glaube, was Männern oft fehlt. Dass Frauen oft zu beziehungsorientiert sind (selbst noch beim Weltuntergang 🙂 ) stimmt natürlich auch. Was Frauen lernen können, beschreibt hier eine Trainerin: http://tinyurl.com/3v27ff

    Und tatsächlich werden Männer durch das nachlassende Testosteron etwas milder und interessierter. Manche werden aber auch nur sturer oder dröge.

  16. Mit diesen sieben Maximen kommt man gewiss zu einem „runden“ Leben – wie schön! Aus jeder könnte man ein eigenes Buch machen.

    Im Moment möchte ich nur etwas zu „Lerne von Frauen“ sagen: Seit ich in den sogenannten Wechseljahren bin, spüre ich, wie der „Schleier der Hormone“ von mir weicht und damit Beziehungen endlich NICHT MEHR an erster Stelle meiner Werteskala stehen. Das erlebe ich als Befreiung, denn oft genug ist diese Frauen-typische Orientierung auf harmonische Beziehungen äußert hinderlich und leidvoll.

    Ich hab‘ mal geschrieben, es könne glatt der Weltuntergang statt finden, Frau fragt sich immer erstmal: Schadet es der Beziehung?

    „Von Männern lernen“ ist für Frauen genauso wichtig der umgekehrte Hinweis. Prinzipien über Personen stellen, das Allgemeine im Blick haben und nicht nur den Einzelfall, auch mal Disharmonie aushalten, ohne innerlich große Probleme zu bekommen – das sind männliche Qualitäten, die den weiblichen in nichts nachstehen.

    Wie gut, dass sich diese Einseitigkeiten mit zunehmendem Alter verwischen: Frauen verlieren mit dem Schwinden der Östrogene ihre extreme Orientierung auf „Nestbauqualitäten“ und werden „männlicher“. Männer verlieren mit dem Abbau des Testosterons einen Großteil der Neigung zu Wettbewerb, Kampf und „Sieg um jeden Preis“ – und werden „weiblicher“.
    So werden wir endlich zu ganzen Menschen!

    Wie verrückt, dass viele so große Angst vor dem Alter haben!

  17. Roland Kopp-Wichmann sagt

    Hallo Udo,
    ich stimme Ihnen zu, dass es oft mehr bringt, an seinen Stärken zu arbeiten als zu versuchen, die Schwächen auszumerzen. Aus diesem Grund halte ich auch wenig von dem bekannten Tool der „Stärken-Schwächen-Analyse.“

    Andererseits finde ich schon, dass man sich auch mit seinen Schwächen auseinandersetzen muss und diese nicht gottgegeben akzeptieren sollte nach dem Motto: „Du musst mich so nehmen wie ich bin.“

    Denn hinter den Schwächen stecken ja oft nicht fehlende Fähigkeiten, sondern Ängste. Dass Männer zum Beispiel mit ihrer Partnerin weniger über Beziehungen reden, ist ja keine „Rede-Schwäche“. Sondern meist eher die Angst, mit Gefühlen in Kontakt zu kommen, einen Konflikt zu riskieren usw.

    Danke für Ihren Kommentar.

  18. Udo sagt

    Zu diesen Lebensmaximen kann ich nur gratulieren. Es ließe sich zu jeder einzelnen eine Menge sagen. Da das aber den Rahmen eines Kommentars sprengen würde, beschränke ich mich auf die erste.

    Wer seine Berufung gefunden hat und sein Ding machen kann, hat nicht nur selbst ein erfülltes Leben. Er ist auch immer ein Segen für andere Menschen. Seine Gaben voll zu Entfaltung zu bringen und das zu machen, wofür das Herz schlägt, bewahrt vor Mittelmäßigkeit und Stumpfsinn. In dem Zusammenhang ist es wichtig, seine Stärken zu stärken und nicht ständig den Focus auf die eigenen Unzulänglichkeiten zu richten.

    Diese Lebensmaxime freut mich besonders, weil ich zu diesem Thema erst gestern einen Beitrag in meinem Blog veröffentlicht habe.

  19. Roland Kopp-Wichmann sagt

    Hallo Gerhard,
    die Kindheit prägt sehr das Erwachsenenleben, und zwar meistens unbewusst. „Das Auge kann sich selbst nicht wahrnehmen.“ Und so geht es auch den meisten Menschen. Es braucht schon eine hohe Selbstreflexion, die man sich aber erst erwerben muss, um „sich im Leben zuzuschauen“, also beobachten und untersuchen zu können, wie man funktioniert. In meinen Seminaren lernt man dazu die „Innere Achtsamkeit“ als Methode kennen.

    Wichtig dabei ist zu verstehen, dass das Gehirn keine Zeit kennt. Das heißt, im Gehirn gibt es keine Vergangenheit, nur Gegenwart. Was man früher – das Schlimme wie das Gute – reproduzieren wir unbewusst immer wieder. Und hier setzt die Chance der Veränderung an. Wenn einem bewusst wird, dass man gerade wieder eine „alte“ Beziehungserfahrung „reaktiviert“, entsteht ein kleiner Spalt, wo Veränderung möglich ist.

    So sehe ich das auch mit dem Urvertrauen. Wer es erlebt hat, denkt nicht darüber nach – und vertraut einfach. Wer eher ein „Ur-Misstrauen“ entwickelt hat, wiederholt auch diese Erfahrung immer wieder. Dies zu verändern ist überhaupt nicht leicht. Es braucht Jahre. Aber „in Teilen“ es neu zu erwerben, ist möglich.

    Danke für Ihren Kommentar und Ihre Offenheit.

  20. Gerhard sagt

    Diese 7 Lebensmaximen gefallen mir sehr gut. Zwar bin ich noch nicht 60 Jahre alt, aber doch nicht so weit davon entfernt. Somit erlaube ich mir auch die Frage „Wie habe ich mein Leben gemeistert?“
    Beruflich habe ich nach vielen Irrungen und Wirrungen „mein Ding“ gefunden. Wobei ich nicht ausschließe, dass ich mich nochmals anders entscheide. Sag niemals nie. Jedenfalls kann ich bestätigen, dass denken in Geld unfrei macht.
    Privat (Liebe, Familie, Freunde) bin ich aufgrund einer in einem früheren Beitrag angedeuteten Horrorkindheit noch im Irrgarten. Angesichts meines Alters habe ich auch wenig Hoffnung auf Besserung. Vielleicht liegt die Lösung ja darin, Spass am Leben im Irrgarten zu finden.
    Wohl die größte Herausforderung ist für mich die Nummer 7. Trotz des 1000 mal objektiv erfahrenen „Das Leben trägt Dich“ habe ich kein Gefühl dafür entwickeln können. Somit befinde ich mich permanent im Überlebenskampf. Nennt man das, was mir fehlt „Urvertrauen“? Hat jemand erfahren, ob und wie man das nachträglich wenigstens in Teilen erwerben kann?

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