Ein Mann braucht den Frieden mit seinem Vater.

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Männer, die in meine Persönlichkeitsseminare oder zu einem Coaching kommen, haben ganz normale Probleme, für die sie eine Lösung suchen:

  • Einer hat immer wieder Schwierigkeiten, sich gegenüber seinem Vorgesetzten angemessen durchzusetzen.
  • Ein anderer hat beruflich alles erreicht, was er sich vorgenommen hat, kann sich jedoch immer weniger motivieren.
  • Jemand kommt mit seinen Aufgaben nicht klar, weil er zu wenig delegiert.
  • Wieder ein anderer bekommt einen lukrativen Auslandsjob angeboten und kann sich seit Wochen nicht entscheiden.
  • Jemand ist ein souveräner Projektleiter – bis man ihn auffordert, einen kleinen Vortrag vor Pressevertretern zu halten.

Meist haben die Teilnehmer, die zu mir kommen, für ihr Problem bereits ein entsprechendes Seminar besucht (Kommunikation, Konflikt, Rhetorik, Zeitmanagement). Geholfen hat es wenig.

In meinen Seminaren sparen wir uns deshalb alle entsprechenden Methoden und Tipps und suchen die Ursache in persönlichen, unbewältigten Konflikten in der Biografie desjenigen. Dabei stoßen wir meist auf ein Problem mit der Konfliktfähigkeit, dem Selbstbewusstsein oder dem Vertrauen in die eigene Entscheidungsfähigkeit.

Gehen wir noch tiefer, stelle ich zuweilen die Frage nach der Beziehung zum Vater.

Und bin immer wieder überrascht über die Antworten. Viele berichten, dass sie schon seit Jahren überhaupt keinen Kontakt haben oder den Kontakt mit ihrem Vater meiden, weil es schnell zu vorhersagbaren Reaktionen und Streit kommt.

Aus meiner über dreißigjährigen Erfahrung in der Arbeit mit Menschen habe ich viel gesehen, wie eine solche „Vaterwunde“ im Leben eines Mannes sich beruflich und privat auswirken kann.

Häufige Folgen sind …

  • Ein Mann definiert sich vor allem über Macht, Kontrolle und die Unterdrückung anderer.
  • Ein Mann legt sich laufend mit Autoritäten an, sei es nun der eigene Chef, ein Streifenpolizist oder der Vermieter.
  • Ein Mann wird zum erfolgreichen Frauenhelden, wo das Erobern im Vordergrund steht.
  • Ein Mann hat eine langjährige Partnerin und scheut – mit wenig überzeugenden Argumenten – sie zu heiraten.
  • Ein Mann wird sehr erfolgreich und spürt trotz allem immer wieder eine quälende Leere in sich.

Was bedeutet es nun, ein Mann zu sein. Meine Definition ist ziemlich schlicht:

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Ein Mann zu sein bedeutet, gleichberechtigte Beziehungen führen zu können.

Wenn man in der Welt umherschaut, dann bekommt man eine Ahnung, wie schwierig das zu sein scheint.

  • Männer, die nicht zuhören können, wenn in einer TV-Talkshow ein Gesprächspartner einen entgegengesetzten Standpunkt vertritt. Sondern diesen gleich als falsch, abwegig, blödsinnig abwerten müssen – anstatt ihn einfach als ‚gegensätzlich‘ akzeptieren und stehen lassen zu können.
  • Männer, die gegen jede Anordnung, Vorschrift etc. rebellieren ‚müssen‘, um bloß das nicht zu machen, was ein anderer sagt oder verlangt. Egal, ob es sich da um ein Tempolimit, eine betriebliche Vereinbarung oder den Wunsch der Partnerin handelt.
  • Männer, die eine Frau umbringen, nur weil diese gerade keine Lust hat, den Wunsch des Mannes zu erfüllen.
  • Männer, die jede Grenze nicht als eine hilfreiche Information betrachten, sondern vor allem als Herausforderung, diese Grenze unverzüglich zu überschreiten – nach dem Motto „Das wollen wir doch mal sehen!“.
  • Männer, die aus fast jeder Situation einen Wettkampf machen, bei dem sie beweisen müssen, dass sie besser sind.
  • Männer, die sich bei Kritik sofort angegriffen fühlen und entweder schuldbewusst einknicken oder Rache schwören und ausüben.

Als „Vaterwunde“ bezeichne ich die ungeheuer schmerzliche Erfahrung für einen Jungen, dass der Vater einen nicht beachtet, nicht respektiert, dauernd kritisiert oder abwertet oder schlicht sich physisch oder emotional entzieht.

In meinen Seminaren ermutige ich Männer, wenn es angezeigt ist, den Kontakt zum eigenen Vater wieder aufzunehmen. Die Widerstände, die ich dabei erlebe, sind enorm. Diese heftige Abwehr verstehe ich als Zeichen, wie schmerzhaft der Verlust – und die mögliche Annäherung – empfunden wird. Doch ich bin überzeugt, dass jeder Mann seinen Frieden mit seinem Vater machen muss – um selbst ein Mann zu werden.

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Wie kann man mit dem Vater wieder Kontakt aufnehmen?

  1. Wenn Ihr Vater noch lebt und geistig und emotional zugänglich ist, schlage ich das direkte Gespräch vor.
    Das ist beileibe keine einfache Sache und bedarf vermutlich Ihrerseits einer genauen Vorbereitung. Je nachdem wie viel Erfahrung Sie bereits mit Konfliktgesprächen haben, fällt es Ihnen mehr oder weniger schwer, dies anzugehen.
    Wichtig dabei ist, dass Sie vorab in sich klären, was Sie Ihrem Vater sagen wollen und wie Sie mit abwehrenden Reaktionen Ihres Vaters umgehen können.
  2. Wenn Ihr Vater bereits verstorben ist oder gesundheitlich oder psychisch so beeinträchtigt ist, dass eine solche Aussprache nutzlos oder zu viel für ihn wäre, bleibt der Weg, ihm einen Brief zu schreiben.
    Hier schreiben Sie sich alles von der Seele nach dem Motto „Was ich Dir schon immer mal sagen wollte.“
    Das Schreiben kann ruhig über mehrere Tage oder Wochen gehen. Immer wenn Ihnen wieder was einfällt, was Sie ihm sagen wollen, schreiben Sie es nieder. Wichtig dabei ist auch, Ihre Gefühle beim Schreiben („Das fällt mir jetzt ganz schwer… jetzt habe ich Angst, dass Du wütend wirst …“) mit aufzuschreiben.
    Wenn der Brief dann fertig, entscheiden Sie, wie Sie damit verfahren wollen. Wenn Sie ihn Ihrem Vater nicht aushändigen wollen (oder können) sollten Sie den Brief trotzdem „expedieren“. Also nicht in der Schublade verwahren, sondern in einem für Sie stimmigen Ritual ‚in seine Richtung‘ senden.
    Viele Männer haben mir von der enormen Befreiung und Wirksamkeit dieser Methode berichtet. Das ist kein Wunder, denn es geht in erster Linie nicht darum, dass Ihr Vater hört und versteht, was Sie ihm sagen wollen. Es geht bei dieser Klärung mehr um Ihr inneres Bild, das Sie von Ihrem Vater haben. Und um Ihre aufgestauten Gefühle von Zorn, Enttäuschung, Sehnsucht und Liebe, die es auszudrücken gilt.

Die meisten Männer, mit denen ich an der Aussöhnung mit dem eigenen Vater gearbeitet habe, erleben enorme Widerstände, sich diesem Thema überhaupt zu nähern. Ich will hier die wichtigsten Widerstände nennen – und Wege dazu, darüberhinaus zu gehen.

  • „Das ist doch alles viel zu lange her. Mein Vater ist heute ein alter Mann (oder verstorben). Wie soll das heute noch einen Einfluss auf mein Leben haben?“
    Konflikte, die wir nicht lösen, verschwinden nicht durch die Zeit. Sie wirken in unserem Unbewussten fort und drängen nach außen – meist indem wir uns andere Mitspieler (quasi Stellvertreter) dafür suchen – und auch immer finden.
    Wie lebendig diese alten Erfahrungen in uns noch sind, wird spürbar, wenn ich zuweilen den Mann bitte, seinen Vater in der Phantasie auf einen Stuhl vor sich zu setzen. Allein die dann zumeist auftretenden Körperreaktionen und Gefühle zeigen, wie lebendig das „Vaterbild“ noch in dem betreffenden Mann wirkt.
  • „Mein Vater hat so schlimme Sachen gemacht (d.h. war ein Nazi, Alkoholiker, Spieler, notorischer Fremdgänger, hat uns verprügelt, im Stich gelassen etc.), das kann und werde ich ihm nie verzeihen.“
    Es ist wichtig, den erlittenen Schmerz und die damit verbundenen Gefühle wie Wut, Scham und Trauer zu empfinden und nicht zu verdrängen. Das ist schon der erste Schritt der Bewältigung. Gleichzeitig kann ich den Impuls der Rache, des Heimzahlen-Wollens oder der Verachtung gut nachvollziehen.
    Doch halte ich es für fatal, wenn man in den Rachegefühlen steckenbleibt. Denn die Rache bindet uns an den Täter und macht uns so zum Opfer. Doch selten haben Väter die Einsicht oder die Reife, ihre ‚Fehler‘ einzusehen oder sich gar dafür zu entschuldigen. Sie fühlen sich zumeist sofort angegriffen und man bekommt Verleugnungen zu hören („Das bildest du dir alles ein.“) oder Rationalisierungen („Das war damals eine schwere Zeit.“) oder verkappte Schuldgefühle („Ich hätte dich mal sehen wollen, wie du das anders bewältigt hättest.)
  • „Ich musste von klein auf ohne einen Vater auskommen. Das hat mich früh stark und unabhängig gemacht.“
    Viele Männer machen aus der Not des Vaterverlusts eine Tugend und werden tatsächlich stark und erfolgreich. Doch wie jede kompensatorische Leistung hat auch diese ihren Preis.
    Ich denke, es gibt Dinge, die nur ein Vater seinem Sohn weitergeben kann. Das ist vor allem die Anerkennung eines Mannes. Unterlässt ein Vater dies, wird ein Sohn oft ein ganzes Leben unter dem Druck leben, etwas beweisen zu müssen. Und diese Anerkennung möglicherweise in der Macht über andere, im Kampf mit Autoritäten, im schnellen Sportwagen, dem Aufhäufen von Geld oder in den Armen einer bewundernd aufschauenden Geliebten suchen.
    Doch ist diese Anerkennung nur Ersatz. Unbewusst suchen viele Männer nach etwas oder jemandem, das oder der ausdrückt, was sie nie vom eigenen Vater hörten: „Du bist mein Junge. Und ich bin sehr stolz auf dich!“

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Warum ist es wichtig, sich mit dem Vater auszusöhnen?

In den ‚zivilisierten Kulturen‘ gibt es fast keine Rituale mehr, die den Übergang vom Jungen zum Mann markieren.
‚Primitive‘ Naturvölker haben das noch. Dabei geht es meist darum, die Jungen im Alter bei Nacht zu Hause zu überfallen und in einen dunklen Wald zu bringen, sie dort tüchtig zu erschrecken und harte Mutproben von ihnen zu verlangen. Der Sinn ist – psychologisch gesehen – sie in den Kreis der Männer aufzunehmen. Dafür müssen sie der Nähe der Mutter entrissen und ihrer eigenen Kraft versichert werden – durch andere Männer.
In unserem Kulturkreis gibt es dafür nur noch die Bundeswehr. Aber der kann man ja leicht entgehen, indem man Gebrechen simuliert oder sich als Pazifist gibt. (Dies ist kein Plädoyer für die Bundeswehr, sondern ich beschreibe nur den Mangel an Männlichkeitsritualen). Wenn Jugendliche heute halsbrecherische Autofahrten oder andere gefährliche Abenteuer bestehen wollen, dann hat das meiner Meinung nach oft mit dem Wunsch zu tun, sich als Mann zu beweisen.)

Wenn man etwas stark ablehnt, wird man nicht frei, sondern bleibt an dieses ‚Etwas‘ gebunden.
(So wie der Priester, der Sex verteufelt und im Fernsehen nur nackte Weiber wahrnimmt.)
Wer seinen Vater ablehnt oder jahrelang hasst, bleibt innerlich an ihn gebunden. Wenn man aber wirklich erwachsen werden will – und nicht nur älter – dann ist es wichtig, sich innerlich abzulösen. Das gestaltet sich dann schwierig, wenn der Vater ‚zu gut‘ ist und für alles Verständnis hat. Dann muss man schon extreme Ausbruchsversuche machen, bis man merkt, dass die Verständnisgrenze des Vaters erreicht ist – und man erst mal frei ist.

Wie kann man seinen Frieden mit dem eigenen Vater schaffen?
Es würde den Umfang dieses Blog-Beitrags sprengen, hier zu sehr in die Tiefe zu gehen. Ich will trotzdem die Richtung andeuten, in die es gehen kann.

  1. Versuchen Sie, gaaanz langsam Verständnis und Mitgefühl für Ihren Vater zu entwickeln.
    Väter (genauso wie andere Menschen auch) tun immer das ‚Beste‘ im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Ein prügelnder/saufender etc. Vater kommt einem als Kind übermächtig oder herzlos vor. Von heute aus betrachtet, kann man zu der Einsicht gelangen, dass er in bestimmten Situationen einfach völlig hilflos war – und nicht die Reife hatte, dies zu bemerken und sich einzugestehen. Und deswegen prügelte, weitersoff, die Familie in den Ruin trieb etc.
    All das ist schlimm für Kinder. Doch auch Väter sind ganz normale Menschen, und nicht die verehrten Lichtgestalten und Alleskönner, die sie einst für uns als Kinder einmal waren oder sein sollten. Das sich einzugestehen und trotzdem in inneren Kontakt mit dem Vater zu bleiben, schafft jene notwendige Distanz, die es braucht, dass man selbst ein Mann wird (und nicht der Pubertierende bleibt, der die Frauen schützt, rächt oder verachtet.)
  2. Auch Ihr Vater war mal ein Junge – und wurde durch die Erfahrungen mit seinem Vater stark geprägt.
    Und in der Regel waren die Väter unserer Väter an Kindererziehung noch uninteressierter. Aber meist kann man nur das authentisch weitergeben, was man selbst erlebt und erfahren hat.
    Viele unserer Väter (ich bin Jahrgang 1948) sind durch den Krieg traumatisiert heimgekehrt – und wussten nicht. Für die Soldaten im Vietnamkrieg gab es umfangreiche Traumabehandlungen. Die Väter unserer Nachkriegszeit kamen nach Hause und mussten ein verwüstetes Land aufbauen – und waren oft selbst innerlich verwüstet.
  3. Ihr Vater verdient Ihren Respekt, egal wie er war und egal was er gemacht hat.
    Wenn ich diesen Gedanken in einem Seminar andeute, muss ich mir immer heftige Abwehr anhören.
    Aber es geht mir ja nicht darum, etwas zu verharmlosen, was ein Vater gemacht hat. Es geht mir immer um den Mann, der vor mir sitzt – und dem etwas Wichtiges fehlt: die Auseinandersetzung mit dem Vater. Also bloß kein voreiliges Verzeihen, damit wieder Frieden ist, sondern eine klare, ungeschminkte Auseinandersetzung unter Männern. Und dann- irgendwann – kommt hoffentlich Ihr Respekt für Ihren Vater. Respekt wofür?
    Ganz einfach: ohne ihn wären Sie nicht hier.
    Punkt.

Ich weiß, dass dies ein schwieriges Thema ist. Doch wenn ich mir so ansehe, was Männer in der großen Welt der Politik so machen und mitbekomme, was Männer in den vielen kleinen Welten so machen, so wundere ich mich schon manchmal. Und wünsche uns Männern dann oft mehr echtes Selbstbewusstsein oder natürliche Autorität anstatt Status-Gegockele und krakehlendes Machtgeprotze. Denn spätestens in der Krise so ab vierzig erwischt es jeden Mann. Spürt er, dass etliches nicht stimmt, weil er falschen Zielen nachgeeifert ist oder dass ein ausgefüllter Terminkalender nicht auch ein ausgefülltes Leben bedeutet.

In der Mitte des Lebens kommt es darauf an, welchen Weg wir gehen. Hin zu einem ‚alten Narren‘ der glaubt, es sei noch mal alles möglich und sich ein Motorrad kauft, um neue Horizonte zu erforschen. Oder hin zu einem ‚weisen Mann‘, der loslassen kann, weil er Mitgefühl, Geduld und das Geltenlassen von Unterschieden gelernt hat.

Dies mit dem eigenen Vater zu wagen, halte ich für einen guten Beginn.

kommentar Wie geht es Ihnen mit Ihrem Vater?
Wie haben Sie sich von ihm abgelöst?

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.