Coachen muss die Emotionen berühren, Einsicht allein verändert nichts.

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Coaching

In diesem Beitrag lesen Sie die fünf wichtigsten Irrtümer beim Coachen:

  • Man bekommt Werkzeuge an die Hand.
  • Wenn man sich gegenüber sitzt, kann es losgehen.
  • Der Coachee braucht vor allem Verständnis für seine Situation.
  • Veränderung passiert über Einsicht.
  • Emotionen sind im Coaching fehl am Platz.

Obwohl viele Führungskräfte und Mitarbeiter bereits erfolgreiches Coaching kennen und unzählige Artikel dazu erschienen sind, gibt es ein paar verbreitete Irrtümer im Coaching – und zwar auf beiden Seiten.
Einige davon will ich hier mit den Erfahrungen als Coach zurecht rücken.

1. Irrtum beim Coachen: Hier bekommt man Werkzeuge an die Hand.

Zwar wünschen sich die meisten Menschen genau das, aber ich muss diese Erwartungen gleich in der ersten Stunde enttäuschen. Alle Fragen à la:

  • Welche Tipps gibt es, mein Selbstbewusstsein zu stärken?
  • Wie gehe ich am besten mit dem schwierigen Mitarbeiter X um?
  • Wie löse ich den Konflikt mit meinem Chef?

Natürlich könnte man dazu zahlreiche Ratschläge geben, aber das bringt meist wenig. Das Internet und zahllose Bücher geben Unmengen von Informationen und Strategien für derlei Situationen. Das ist viel billiger als eine Coachingstunde.

Der Haken: Menschen, die einen Coach aufsuchen, haben etliches davon gelesen – setzen es aber nicht um. Weil das nicht für sie passt. Weil sie sich das nicht trauen. Weil sie Angst vor den Konsequenzen oder den Reaktionen des anderen haben. Weil innere Konflikte sie daran hindern.

Typisches Beispiel:

Coachee: „Mein Chef kanzelt mich vor versammelter Mannschaft immer wieder ab. Das ärgert mich kolossal. Was kann ich da tun?“
Coach: „Haben Sie ihm das schon mal in einem Gespräch gesagt?“
Coachee: „Mit meinem Chef kann man nicht reden. Über sowas schon gar nicht.“

Will man als Coach jetzt nicht in die „Mehr-Vom-Selben-Falle“ tappen und weitere Tipps geben, braucht es einen anderen Zugang. Man muss herausfinden, was den Coachee hindert, die ersten Schritte in die gewünschte Richtung zu gehen.

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2. Irrtum beim Coachen: Wenn man sich gegenüber sitzt, kann es losgehen.

Will man einen Kuchen backen, steht im Rezept meistens: „Nehmen Sie die Butter eine Stunde vorher aus dem Kühlschrank.“

Ein ähnliches Anwärmen gilt auch für das Coaching. Beim ersten Gespräch sitzen sich zwei Fremde gegenüber. Der Coach hat meist den Heimvorteil seiner eigenen Räume. Für den Coachee ist aber alles neu. Der Raum, die Situation, der Mensch. Deshalb ist das „Anwärmen“ in der Beziehung enorm wichtig, will man nicht nur genormte Antworten auf seine Fragen erhalten.

Ich mache das u.a. durch zwei Informationen, die ich schon bei der Terminvereinbarung ankündige:

  • „Ich schicke Ihnen noch ein Vorbereitungsblatt, das Sie mir bitte ausgefüllt spätestens einen Tag vorher zurück mailen.“
  • „Zu Beginn gehen wir eine Stunde spazieren.“

Das mache ich natürlich nur in meinen 3-h-Coachings und es hat sich als sehr produktiv erwiesen. Das gemeinsame Gehen lockert den Geist und die Atmosphäre, der Coachee fühlt sich zu Beginn nicht dauernd von mir beobachtet. Viele denken ja, der Psychologe ist eigentlich Hellseher und errät alle Gedanken.

Nach der Stunde gehen wir wieder in meine Praxis, ich biete Kaffee oder Tee an – und dann vertiefen wir den Prozess. So nähern wir uns auf eine indirekte Weise einander an, der Coachee fühlt sich zunehmend wohl und das ist am Anfang für das weitere Vorgehen sehr wichtig.

 

3. Irrtum beim Coachen: Der Coachee braucht vor allem Verständnis für seine Situation.

Natürlich hilft es zu Beginn, wenn man die Ansichten und Gefühle des Coachees teilt, denn er fühlt sich ja meist unverstanden, allein, rat- oder hilflos. Doch erfolgreiches Coaching ist keine Wellnessbehandlung.

Ein erfolgreicher Coach darf sich nicht scheuen, den Finger in die Wunde zu legen. Klick um zu Tweeten

Das bedeutet, keine Opferrollen oder ausführliche Schuldzuweisungen des Coachees durchgehen zu lassen bzw. sich dazu verleiten lassen, hier Partei zu ergreifen.

Meine Devise ist dabei: Verbindlich im Ton aber sehr direkt in der Sache!

Dabei hilft es, ein guter Diagnostiker zu sein, der ziemlich schnell erkennt, wie der Coachee zu dem Problem beiträgt. Das ist nicht unbedingt das, was der Mensch hören möchte. Aber mein Coaching soll sich ja deutlich von dem unterscheiden, was er von Freunden, Partnern, Kollegen etc. schon hinreichend gehört hat (Dein Chef ist ein A…, du musst einfach andere Prioritäten setzen, du nimmst das zu persönlich, du musst öfter nein sagen, das ist aber Jammern auf hohem Niveau …)

Hier ein paar Beispiele, was ich zuweilen sage:

„Was sagt Ihnen diese Situation über Sie selbst, dass Ihnen das immer wieder passiert?“

„Warum erzählen Sie mir das? Sollte das nicht Ihr Chef/Mitarbeiter/Kunde erfahren? Was befürchten Sie bisher, wenn Sie das dort sagten?

„Könnte es sein, dass an dem Feedback Ihrer Mitarbeiter, das Ihnen so missfällt, etwas ganz Wichtiges stimmt?“

„Angenommen, ich würde sagen, dass Ihnen da eine Portion Einfühlungsvermögen fehlt – wie würden Sie das verstehen?“

Erfolgreiches Coaching ist oft eine Gratwanderung am Rand der Komfortzone. Klick um zu Tweeten

Sich verändern ist mitunter harte Arbeit. Beim ersten Gleitschirmflug nur an ein paar Schnüren hängend auf einen Abhang zuzurennen, erfordert Mut. Und das Vertrauen in den Begleiter, der einem versichert, dass es höchstwahrscheinlich gut gehen wird.

 

4. Irrtum beim Coachen: Veränderung passiert über Einsicht.

Wohl der verbreitetste Irrtum bei Trainern, Coaches und oft auch Therapeuten und den Menschen, die zu ihnen kommen. Der Gedanke dahinter: wenn der andere verstanden hat, warum er so handelt, wird er sein Verhalten ändern. (Der zweitverbreitetste Irrtum: Leidensdruck erhöht die Motivation.)

Meine Meinung dazu: Einsicht schadet nicht. Aber zur Veränderung braucht es vor allem eine starke emotionale Beteiligung zu dem Thema.

Dazu ist es wichtig, den Coachee immer wieder in die Achtsamkeit zu führen, statt dass man im Gespräch auf der Ebene des Alltagsbewusstseins hängen bleibt.

Beispiel: Angenommen, jemand ist vor Vorträgen oder Präsentationen zwei Tage lang mordsaufgeregt. Will man das jetzt genauer untersuchen, ist der dabei angesprochene Bewusstseinszustand entscheidend.

Die Frage: „Was macht Sie so aufgeregt?“ führt meistens zu Antworten und Erklärungen aus dem Verstand, die wenig weiterhelfen:

„Ich mag es einfach nicht, so im Mittelpunkt zu stehen.“
„Ich weiß, dass es Quatsch ist, aber ich bin trotzdem aufgeregt.“
„Ich habe Angst irgendwo steckenzubleiben, das wäre fürchterlich.“

Alle diese Antworten führen aber in die Breite, man bekommt noch mehr Informationen, aber keine Richtung, keinen Zugang in die Tiefe und Informationen darüber, was hinter der Redeangst steckt.

Deswegen führe ich bei einem erfolgreichen Coaching im ersten Gespräch schon Achtsamkeit ein. Klick um zu Tweeten

Meist in Verbindung mit einer Frage:

„Ich möchte Ihnen gleich eine Frage stellen, bitte Sie aber, nicht über die Antwort nachzudenken, sondern einfach zu warten, was für eine Reaktion in Ihnen auftaucht. Am besten, Sie schließen dazu die Augen, machen es sich bequem, entspannen sich. …
Wenn Sie soweit sind, sagen Sie Bescheid, dann hören Sie meine Frage.“

Manche sind ein bisschen verwundert, weil sie damit nicht gerechnet haben, aber da das Ganze harmlos klingt, lässt sich fast jeder darauf ein. Wenn man jetzt eine Frage stellt, die mit der Angst vor Auftritten zusammenhängt, kommt man zu ganz anderen Antworten, die fast immer mit Emotionen verbunden sind. Solche Fragen können sein:

  • „Was fällt Ihnen, wann Sie sich mal fürchterlich blamiert haben?“
  • „Vor anderen sprechen – was fällt Ihnen dazu ein?“
  • „Wenn Ihre Angst ein Wesen wäre, welche Art von Wesen wäre es?“

Bliebe der Coachee im Alltagsbewusstsein, bekommt man auf diese Fragen keine oder keine sinnvollen Antworten. Denn die Fragen zielen auf das Unbewusste, genauer auf emotional abgespeicherte Erfahrungen. Ist der Coachee aber achtsam, kann er vielleicht bemerken, dass sich sein Herzschlag schneller wird, ihm eine Szene aus der Grundschule einfällt, er die Angst als gemeine Hexe imaginiert usw.

Mit diesen emotionalen Informationen in Kontakt zu kommen, ist für Veränderungen ganz wichtig, weil sie an gemachte Erfahrungen anknüpfen, die mit der heutigen Redeangst vermutlich in Beziehung stehen.

 

5. Irrtum beim Coachen: Emotionen haben hier nichts zu suchen.

Viele Coachees kommen mit dieser Einstellung ins Coaching. Hoffen auf Veränderung mit ein paar Tipps, die sie leicht umsetzen können. Wach mir den Pelz aber mach mich nicht nass. Irrtum!

Einsicht und kluge Tipps, selbst wenn sie richtig wären, reichen nicht für tiefer sitzende Probleme. Klick um zu Tweeten

Denn Im Gehirn jedes Menschen hat sich früh ein sehr stabiles System, der Autopilot, entwickelt, das unser Fühlen, Denken und Handeln prägt. Dieses System wirkt wie eine sechsspurige Autobahn im Gehirn.

Solche Autopilot-Autobahnen repräsentieren gespeicherte Lösungen und sind deshalb ungeheuer stabil – und widersetzen sich jeder noch so vernünftigen Einsicht.

Der Autopilot hat die Devise: Never change a running system. Das haben wir jetzt siebenunddreißig Jahre lang so gemacht, kennen alle Gefühle, können irgendwie damit umgehen – da wollen wir keine Experimente!

Eine Veränderung vollzieht sich aber vor allem in diesen tief sitzenden Handlungsstrukturen (den Basalganglien), deren Aktivität uns nicht zugänglich sind, weil sie komplett unbewusst sind.

Diese Verbindungen können nicht über Gedanken beeinflusst werden, sondern nur durch Erfahrungen, vor allem in vertrauensvollen Beziehungen und durch starke Emotionen.

Erfahrene Coaches, die nicht vor allem auf Tests, Skalentechniken und andere Tools setzen, haben ihre persönlichen Methoden, um diesen Zugang zu den Emotionen des Coachees zu finden.

Ich arbeite deshalb oft mit bestimmten Sätzen in Achtsamkeit, Gestalt-Techniken, lasse Bilder malen und bestimmte Situationen mit Figuren stellen. All diese Zugänge umgehen weitgehend das Alltagsbewusstsein, laden zum Reflektieren ein und lösen Gefühle aus.

Beispiel: Die schlimmen Warnungen auf der Zigarettenschachtel haben noch keinen Raucher von seinem Verhalten abgehalten. Was vermutlich etwas ändert, sind zwei Dinge.
Eine Erhöhung der Tabaksteuer (emotionale Beteiligung!) oder das Begräbnis eines Freunds mit Lungenkrebs (Dadurch lernt man emotional, dass an den Warnungen doch was dran ist.)

Sie können das leicht bei sich selbst nachprüfen.

Denken Sie an eine wichtige Gewohnheit oder ein Verhalten, das sie geändert haben. Was genau war die Erfahrung, mit der Sie es letztlich geschafft haben?


Welche Probleme eignen sich zum erfolgreichen Coachen?

Hier einige Fallgeschichten aus meiner Coachingpraxis:

PS: Alle Fallgeschichten sind real, aber so verfremdet, dass ein Rückschluss auf meine Klienten nicht möglich ist und die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.

Wenn Sie an einem Coaching mit mir interessiert sind, hier finden Sie alle Informationen.

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.