Mythos Motivation: Warum Entwicklungshilfe und Elterngeld nicht die Probleme lösen.

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Psychologie

hungerndes-kind„Bitte nicht helfen. Es ist schon schwer genug!“

Dieses geflügelte Wort unter Helfern und Geholfenen beschreibt ironisch die janusköpfige Eigenart des Helfens. Einerseits ist da der Impuls des Helfenden, der beim Anblick von Hunger, Krankheit und Not, unbedingt etwas tun will. Wobei andererseits die systemischen Folgen für den Hilfeempfänger selten bedacht werden.

Zwei Berichte in der FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGZEITUNG vom 12.4.09 haben mich zu diesem Beitrag angeregt.

Warum die westliche Entwicklungshilfe versagt hat.

In ihrem ersten Buch „Dead Aid“ erklärt Dambisa Moyo diese Entwicklung. Der Untertitel ihres Buches lautet: „Why Aid is not working and how there is another way for africa.“ Ihre Argumente fand ich mutig und klug. Hier die wichtigsten:

  • Sie will die Entwicklungshilfe in fünf Jahren komplett streichen …
    weil über zwei Billionen Dollar an Hilfen in den vergangenen zwanzig Jahren den Ländern keinen Aufschwung gebracht hat. Wohingegen einstmals arme Länder wie China, Indien, Südafrika und Botsuana, die auf den Markt als Wirtschaftsmotor gesetzt haben, erfolgreicher waren.
  • Sie erklärt, warum Entwicklungshilfe nicht wirklich hilft …
    denn damit nähme man die Karotte und den Prügel weg. Denn niemand werde bestraft, wenn er nicht innovativ sei. Und niemand werde belohnt, wenn er sich anstrengt.
  • Sie unterscheidet verschiedene Formen von Unterstützung …
    Notfallhilfe nach einem Unglück oder die relativ kleinen Summen von Spendenorganisationen seien in Ordnung. Problematisch sieht sie eher die Millionen, die auf Regierungsebene von der Weltbank an afrikanische Länder verteilt werden. Diese hätten die Armut nur verschärft.
  • Sie kritisiert die Glamour-Hilfe von Prominenten …bono-geldof
    und fragt, wer Bono oder Bob Geldof eigentlich legitimiert hat, für Afrika zu sprechen.
  • Sie sieht in der weltweiten Finanzkrise den rechten Zeitpunkt zum Handeln …
    denn wenn einzelne afrikanische Länder merken würden, dass westliche Länder ihre Hilfen kürzten, müsste man nach neuen Wegen der Finanzierung suchen.  Das sollte über den Außenhandel passieren. Jedoch nicht mit Nordamerika oder Europa, weil dort die Märkte gegen Waren aus Afrika abgeschottet wären. In Frage käme China.
  • Sie hält das chinesische Modell für besser als das westliche …
    denn dieses habe in Afrika innerhalb von fünf bis zehn Jahren mehr Arbeitsplätze und Infrastruktur geschaffen als das westliche, das auf Mitleid und Almosen basiere.

Die Autorin wuchs in Sambia auf, studierte in Harvard und Oxford; sie arbeitete für die Weltbank und für die Investmentbank Goldmann Sachs.

Warum das Elterngeld sein Ziel verfehlte.

familie-viele-kinderDas Elterngeld von Ministerin von der Leyen sollte einen Babyboom bei qualifizierten Frauen auslösen. Das hat sich als Fehlschlag erwiesen.

Zum einen wurde der Geburtenrückgang nicht gestoppt. Im Jahr 2008 wurden im Vergleich zum Vorjahr 675.000 Kinder (Rückgang 1,1 %) weniger geboren. „Schlimmer“ ist, dass von den Neugeborenen nicht einmal fünf Prozent von hochqualifizierten Frauen in guten Jobs stammen. Doch gerade sie sollte das Elterngeld ermutigen, ein erstes und vor allem ein demographisch so wichtiges zweites Kind zu bekommen.

Dagegen stammt die Hälfte aller Neugeborenen aus Familien, in denen das Geld knapp ist. Hier summieren sich Elterngeld, Kindergeld und ein eventueller Geschwisterzuschlag zu einem klaren finanziellen Vorteil. Bei Familien mit einem Einkommen von mehr als 3000 Euro kann das Elterngeld nach der Geburt eines Kindes dagegen wegen der Steuerprogression sogar zu weniger Geld führen!

Brisant dabei: immer mehr Kinder werden in sozial schwachen Milieus geboren, die oft genug bildungsfern sind. Und es besteht die Gefahr, dass diese Kinder die Entwicklung ihrer bildungsfernen Eltern fortsetzen und ihr Auskommen in der Sozialhilfe finden oder als schlecht ausgebildete und schlecht entlohnte Niedriglöhner.

Mein Fazit: Die Folgen beider Maßnahmen – Entwicklungshilfe wie Elterngeld – entspringen guten Absichten. Doch über die systemischen Folgen spricht kaum jemand, gelten sie doch als politisch nicht korrekt.Jüngste Entwicklung: Um die Kinderarmut zu bekämpfen, will man noch höhere Sozialleistungen zahlen. Doch die verschwiegene Folge wird sein, dass der Trend, dass vor allem in bildungsfernen Schichten mehr Kinder gezeugt werden, wird dadurch gefördert.

Warum ist das so?

Die Gründe hat Reinhard Sprenger in „Mythos Motivation“ so ausgedrückt:

„Man kann Menschen nicht motivieren.“

Mythos MotivationMan kann Menschen bedrohen, bestrafen – oder wie bei Entwicklungshilfe und Elterngeld – bestechen. Dann sollte man es aber erstens nicht „Motivation“ nennen. Und zweitens realisieren, dass das Geld zwar genommen wird, es aber die Menschen nicht zu dem beabsichtigten Handeln verleitet.

Denn motivieren kann man nur sich selbst. So wie man ja auch Kinder nicht zum Tennisspielen oder Klavierüben motivieren kann. Jeder, der Kinder hat, macht diese leidvolle Erfahrung.Sie können mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, wie viel Freude Sie am Tennis oder Klavier haben. Und vielleicht – vielleicht! – findet Ihr Kind dann auch Spaß daran.

Wenn Sie nicht darauf vertrauen, können Sie es auch machen, wie die Mutter von Ivan Lendl.  Sie nahm ihren Spross als Baby mit auf den Aschenplatz und band ihn am Netzpfosten fest. Aus ihm wurde auch ein Tennisstar – aber deswegen guckte er wohl auch immer so traurig, wenn er wieder Wimbledon gewonnen hatte.

kommentar Wie ist Ihre Meinung zu Entwicklungshilfe und Elterngeld?

Welche Alternativen schlagen Sie vor?

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Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

7 Kommentare

  1. Hallo liebe Frau Renger,
    schwierige Frage mit der „richtigen Hilfe“.
    Ich glaube, dass zwei Dinge wichtig sind. Ein expliziter Auftrag des Hilfsbedürftigen zur Hilfe. Zweitens, ein enges Abstimmen in der Kommunikation, ob die beabsichtigte und gegebene Hilfe auch tatsächlich erwünscht und hilfreich ist.

    Manchmal hilft es dabei, den Hilfsbedürftigen zu fragen, welche Art von Hilfe und Unterstützung er braucht. In meinem psychotherapeutischen Feld führt das aber meist nicht weiter. Der Klient weiß nicht, was er braucht, damit seine Angst verschwindet. Er will, dass sie weggeht.

    Helfen ist auch deshalb nicht komplikationslos, weil eine bestimmte Beziehung entsteht. Und auch der Helfende meist kein Heiliger ist, der bedingungslos gibt, sondern meist doch eine Gegenleistung erwartet oder sich wünscht. Sei es Dankbarkeit oder zumindest das gute Gefühl, geholfen zu haben. Bleibt beides aus, zeigt sich, dass Hilfe selten selbstlos ist.

    Danke für Ihren Kommentar und Ihre klugen Fragen.

  2. Yvonne Renger sagt

    Ich stelle mir in letzter Zeit die Frage, was heisst HELFEN überhaupt und wie sieht RICHTIGE HILFE überhapt aus.

    Auf der einen Seite steht der „Hilfebedürftige“ (Defizit), also der, der um Hilfe bittet und oft eine klare Vorstellung davon hat, wie die Hilfe im Moment aussehen soll.

    Auf der anderen Seite steht der „Hilfesteller“ (Defizitausgleicher), der aus seiner Position des vermeintlich „Überlegenen“ sich oft in der Postion des Bestimmenden sieht. Er weiss (vermeintlich), was gut und angebracht und richtig für den Defizitären ist. Und das muss aus seiner Sicht nicht notwendigerweise das vom Bittsteller erwünschte sein.

    Nun bittet der eine um Hilfe und der andere sagt: „Nimm das, was ich Dir gebe oder Du kriegst gar nüscht!“ Was ist denn nun richtige Hilfe? Und warum fällt es Helfenden manchmal schwer, das zu geben, was der Hilfesuchende sich wünscht und nicht das, was „mir“ als Helfendem gut tut bzw. aus meiner Weltsicht richtig erscheint?

    Gibt es also gar keine „bedingungslose Hilfe“ so wie auch die bedingungslose Liebe eine Herausforderung für uns darstellt?

  3. Danke für Ihren Kommentar zu dem ausgezeichneten Buch von Dambisa Moyo. Dass Sie den Nerv getroffen hat zeigen die rüden Angriffe aus der Entwicklungshilfeindustrie und der Popbarden, die natürlich besser wissen was für den afrikanischen Kontinent gut ist als eine Afrikanerin.
    Vielleicht gibt es nach den offenen Worten von Obama und Clinton bei deren kürzlichen Reisen in Afrika auch bei uns ein umdenken. Zulange haben westliche Regierungen weggeschaut.
    Kein einziges Milleniumsziel der UNO bezieht sich auf rechtstaatliche Bedingungen wie Grundprinzipien einer gefestigten Gewaltenteilung, verantwortliches Regieren, Regierungswechsel, Transparenz staatlich Handelns, Kontrollorgane gerechtes und leistungsfreundliches Steuersystem oder gar auf Menschenrechte. Ein „weiter so“ und immer mehr Geld fordern bringt jedenfalls weder wirtschaftlichen noch sozialen Fortschritt in Afrika.
    Wenn Sie das Thema interessiert rege ich an, dass Sie einen Blick auf unsere Website Bonner-Aufruf.eu werfen.
    Beste Grüße
    Volker Seitz, Bonn
    Autor des Buches“Afrika wird armregiert“, dtv Juli 2009

  4. > Bei Familien mit einem Einkommen von mehr als 3000 Euro kann das Elterngeld nach der Geburt eines Kindes dagegen wegen der Steuerprogression sogar zu weniger Geld führen!

    Also ist vielleicht nur die Fördersumme zu niedrig?

    Beim Kinderkriegen spielen auch andere Dinge eine Rolle z.B. Optimismus, den Glauben an eine positive Zukunft z.B. im Gegensatz zu den Umwelt- und Wirtschaftspessimisten.
    Die entscheidende Motivation wäre wie beim Umweltschutz das man eine Fehlentwicklung verhindern will, in dem Fall das Aussterben der Deutschen, und diese Motivation durch eine vergleichbare Art von Massenhysterie noch gefördert wird.

  5. Den Stopp der Entwicklungshilfe müsste man aber mit ein paar anderen Maßnahmen flankieren. Zur Zeit wird Afrika ja auch beispiellos ausgebeutet und so ist das Land, das Rohstoffe für die Welt besitzt und liefert ironischerweise gleichzeitig das ärmste Land.

    Die Kritik am Elterngeld finde ich ein bisschen stark im Elitendenken verhakt. Sie beruht darauf, dass nur Kinder aus bildungsnaher Schicht an der Gesellschaft beitragen können. „Bildungsferne“ Schichten werden dabei einseitig heruntergeredet. Interessanterweise reden alle Menschen das Kindergeld herunter und loben die Schule herauf – denken, dass die Schule diese Probleme löst und auch bildungsferne Schichten erreicht.
    Die Schule ist aber keine Hilfe zur Selbsthilfe. Elterngeld dagegen schon. Wir sollten anfangen das Geld in den Familien ankommen zu lassen anstatt damit direkt die Schulen zu finanzieren.
    Jedes Kind kostet den Staat ca. 600 € monatlich an Schulgeld. Wenn man dieses direkt in die Familien geben würde und eine Bildungspflicht statt einer Schulpflicht implementieren würde, wäre das Hilfe zur Selbsthilfe.

    Genauso ist es auch bei der Entwicklungshilfe. Die Entwicklungshilfe wird nur in eigene Projekte investiert. Würde man direkt in die Familien investieren und nicht länger in missionarische Tätigkeit und westliche Zivilisationsmodelle, so würde man Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

    Heute benützt man aber nur das Almosenmodell, hier wie dort. Man investiert, so wie man es für die „Behelften“ richtig hält. Diese zu fragen wäre ja ein Hohn, sie sind ja schließlich dumm – nach Meinung der Eliten. Gottseidank gibt es langsam andere Modelle. Die auch das Geld dort ankommen lassen, wo es eigentlich helfen könnte. Microchoice hier, Elterngeld dort. Beide sind noch nicht perfekt, aber sie zeigen in die richtige Richtung – nämlich Selbsthilfe.

  6. Hallo,
    indirekt bestätigen Sie doch, dass ungefragte Hilfe nicht gut ist und man sich eben für eine eventuelle Hilfe erst einen Auftrag holen muss.

    Ich finde, man darf immer kritisieren, wenn es gut begründet ist. Sonst könnte sich mit Ihrem Argument („Erst mal selber machen!“) ja jeder Politiker, Musiker oder Bäcker eine Kritik an seinem Produkt verbitten.

    Danke für Ihren Kommentar.

  7. Namen sind Schall und Rauch sagt

    Man kann sicher anders helfen, wenn man

    – fragt.
    – aktiviert, (lehren, sich selbst zu helfen / Brunnen bauen zeigen, statt Wassertanks und Aufbereitungsanlagen verschiffen). Siehe auch Vorgehensweise von http://www.kinderberg.org

    Dazu muss man aber auch dürfen (Regierung, Dorfräte, Glaubensmodelle in der Hilfe benötigenden Gemeinschaft).

    Die Kritik an Bono (sicher einer, der prominent aktiviert) gebe ich doch an die Autorin zurück: Wer darf über Helfer urteilen, ohne selbst Helfer zu sein, ohne selbst geholfen zu haben, ohne selbst die Situation zwischen Helfern und Helfenden und das, was dabei rauskam, gesehen zu haben? Berechtigt die Herkunft aus einem hilfsbedürftigen Land bereits dazu?

    Kritik ohne Lösungsvorschläge, die umsetzbar sind, ist leicht. Gut, dass erfolgreiche Modelle wie Mikrokredite mehr Medienecho erfahren und damit mehr Nachahmer finden. Schade, dass dazu (manchmal) erst der Nobelpreis nötig ist.

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